Écrasez l'infâme  

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"écrasez l'infâme" (English: "crush the infamous") is a dictum by Voltaire found in his works but especially in his private letters in which he urges it to his reader. The phrase refers to contemporaneous abuses of power by royal and religious authorities, and the superstition and intolerance fomented by the clergy. He had seen and felt these effects in his own exiles, the burnings of his books and those of many others, and in the atrocious persecution of Jean Calas and François-Jean de la Barre.

Contents

From the August 2020 German Wikipedia article

Écrasez l’infâme! (Abkürzung: Écrelinf!,<ref>Ab 1763 kontrahierte Voltaire seine Signatur „Écrasez l’infâme“ und verwendete die kryptisches Sigel „Écrlinf“, „Écr. l’inf.“ oder nur noch die Initialen „E.T.“. Siehe: Jean Marie Goulemot, André Magnan, Didier Massea: Inventaire Voltaire. Gallimard (Quarto) Paris 1995, ISBN 978-2-07-073757-4. Stichworte: „Écrelinf“ S. 456 und „Infâme (L’)“</ref> franz. ‚Zermalmt das Infame!‘, ‚Zermalmt das Niederträchtige!‘<ref name="Varianten">„Écrasez l’infâme“: Die Wörterbücher Le Grand Robert und Trésor de la langue française deuten „l’infâme“ als einen Neologismus Voltaires, als ein maskulines Substantiv von neutralem Wert: „l’infâme“: deutsch: „das Infame“ (siehe: Jean Golemot: Inventaire Voltaire, op.cit. S. 71.). In der einschlägigen deutschsprachigen Sekundärliteratur findet man diverse Übersetzungs-Varianten: „Zerstört die Schändlichen!“ [sic!] (Manfred Geier, op. cit., S. 117), Zerschmettert die Infame! (Theodore Besterman, op.cit., S. 455), „Zermalmt, zertretet, vernichtet die Unverschämte, Verruchtete, Schändliche“ (Georg Holmsten, op.cit, p.118) oder auch „Rottet den niederträchtigen [Aberglauben] aus!“ (Duden online: „Schlagwort Voltaires gegen die katholische Kirche.“)</ref>) ist der antireligiöse, antiklerikale Kampf- und Sammelruf Voltaires, das emblematische Erkennungszeichen<ref>Günter R. Schmidt: Voltaires Kritik am Christentum, in: Glaube, Freiheit, Diktatur in Europa und den USA. Festschrift für Gerhard Besier zum 60. Geburtstag, ISBN 978-3-525-35089-8</ref> des „Patriarchen von Ferney“, wie Friedrich II. den Vordenker der Aufklärung apostrophierte.<ref>Jakob Burkhardt: Das Zeitalter Friedrichs des Großen. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-63178-8, S. 232, Der Patriarch von Ferney, wie Friedrich der Große Voltaire nannte, google books</ref>

Unter dem Infamen, dem Niederträchtigen, dem Schimpflichen, das es zu zerschmettern galt, verstand Voltaire das inquisitorische „Bündnis von Thron und Altar“,<ref name="Glucksmann">André Glucksmann: Voltaire: GegenangriffVoltaire contre-attaque. Editions Robert Laffont, Paris 2014, ISBN 2-221-14623-9, Auszüge der Übersetzung ins Deutsche</ref> die Verschmelzung von „Dogma und Schwert“.<ref name="Glucksmann" /> Als „infam“ verurteilten Voltairianer die katholische Kirche, Offenbarungsreligionen – welche sie mit Aberglauben gleichsetzten –, das absolutistische Machtsystem, Fanatismus, Intoleranz, Zensur, Verfolgung, Tötung Andersdenkender, barbarische Strafen, Folter und grausame Justizwillkür. So wurde zum Beispiel der Protestant Jean Calas als Opfer eines Justizmordes 1762 in Toulouse gerädert. Die „Affäre Calas“ wurde in ganz Europa dank Voltaire, der sich publizistisch, unter anderem mit der Schrift Traité sur la tolérance (1763), für seine postume Rehabilitierung einsetzte, bekannt. Ein berühmtes Beispiel für religiös motivierte Justizmorde im Jahrhundert Voltaires ist der Fall des Chevalier de la Barre. Sein Fall wurde in ganz Europa bekannt, weil sich Voltaire erfolgreich für seine Rehabilitierung eingesetzt hatte.

Voltaire war ein wichtiger geistiger Wegbereiter der Französischen Revolution. Seit 1760 pflegte er seine Korrespondenz an vertrauenswürdige Mitstreiter im Kampf gegen das Infame<ref name="Inventaire">Jean Marie Goulemot, André Magnan, Didier Massea: Inventaire Voltaire. Gallimard (Quarto) Paris 1995, ISBN 978-2-07-073757-4. Stichworte: « Écrelinf » S. 456 und « Infâme (L’) » S. 715.</ref> mit diesem Appell zu unterzeichnen. Voltaires Signatur „écrasez l’infâme“ wird zum Fanal des vorrevolutionären Feldzugs der Aufklärer für Meinungsfreiheit, Rede- und Publikationsfreiheit, Toleranz und Humanität.

Dieser engagierte Kampf der Aufklärer, seien es Radikalaufklärer oder moderate Reformer<ref>S.G.Tallentyre präsentiert in ihrem Buch The Friends of Voltaire. Smith Elder & Co., London 1906; die Biografien von zehn wichtigen Mitstreitern Voltaires:
D’Alembert, 2 Diderot, 3 Galiani, 4 Vauvenargues, 5 D’Holbach, 6 Grimm, 7 Helvétius, 9 Beaumarchais und 10 Condorcet.

Der Romanist Jürgen von Stackelberg stellt in seiner kurzgefassten Voltaire-Biographie (op.cit) die wichtigsten sechs Briefempfänger der umfangreichen Korrespondenz Voltaires vor, welche als Multiplikatoren, Waffen–Brüder genannt, die aufklärerischen Ideen weiterverbreiteten: 1 Voltaires Nichte und Geliebte Madame Denis, 2 seinen Studienfreund Nicolas Claude Thi(e)riot, 3 Graf Charles-Augustin de Ferriol d’Argental, 4 D’Alembert, 5 Madame du Deffand: Die Marquise führt einen berühmten literarischen Salon in Paris, 6 die Zarin Katharina die Große.</ref> schafft die intellektuellen Grundlagen für die Französische Revolution und mündet – bereits zehn Jahre nach Voltaires Tod – in die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789.

Im kollektiven Gedächtnis der Franzosen ist Voltaire als Wegbereiter des Laizismus<ref>Jürgen von Stackelberg: Voltaire, C.H.Beck München 2006, ISBN 978-3-406-53602-1, Template:Webarchiv (PDF)</ref> und als Urbild des engagierten Schriftstellers fest verankert: Template:Zitat-fr

Durch sein die öffentliche Meinung aufrüttelndes Eingreifen in spektakuläre Strafrechtsprozesse seiner Zeit, wie in die Affairen Jean Calas,<ref name="Voltaire est Charlie">ECR. L’INF… Voltaire est Charlie. In: Le Parisien, 23. Oktober 2015</ref> Sirven, Chevalier de la Barre, Generalleutnant Lally-Tollendal, Gaillard d’Étallonde de Morival, Morangiés und Montbailly wurde Voltaire zu einem bedeutenden Reformer der Strafjustiz<ref>Ethel Groffier: Criez et qu’on crie!: Voltaire et la justice pénale. Presses Université Laval 2011, ISBN 978-2-7637-9371-9</ref> :

Template:Zitat Die zu einem geflügelten Wort gewordene Losung „Écrasez l’infâme“ wird weltweit in französischer Sprache zitiert, gefolgt von Übersetzungen in die jeweilige Landessprache. Hier ein Beispiel aus dem Englischen: Template:Zitat

Herkunft und Bedeutung des Schlachtrufs

Template:Zitat Theodore Besterman berichtet in seiner Voltaire Biographie,<ref>Theodore Besterman: Voltaire. (Deutsch). Winkler Verlag München, 1971, aus dem Englischen übersetzt von Siegfried Schmitz, S. 340</ref> dass es Friedrich II. von Preußen gewesen sei, welcher den symbolischen Gebrauch der Vokabel l’infâme erfunden habe. In seinem Brief an Voltaire vom 18. Mai 1750 (Besterman D8304) schreibt Friedrich von der „infâme superstition“ (von dem infamen Aberglauben). Voltaire griff diese Verwendung des Wortes infâme auf und schuf das Motto Écrasez l’infâme, die berühmte Formel, welche Furore machte und die er fortan ständig wiederholte. Ganz nach dem Vorbild des Konsuls Cato (um 200 v. Chr.), der jede seiner Reden vor dem römischen Senat mit dem stereotypen Slogan Ceterum censeo Carthaginem esse delendam beendete. [[Datei:Ecrazer-l-infame-1.jpg|180px|mini|rechts|Voltaire unterschreibt mit «écrasez l’infâme» – Brief an D’Alembert vom 28. September 1763<ref>Brief 119, Voltaire an D’Alembert, vom 28. September 1763, Œuvres complètes de Voltaire, Band 51, Edition Kehl 1822. Voltaires Unterschrift (siehe Manuskript) ist in dieser Kehler Printausgabe nicht wiedergegeben.</ref>]] Template:Zitat Die Formel écrasez l’infâme liest man zum ersten Mal in einem Brief Voltaires vom 7. oder 8. Mai 1761 an D’Alembert:<ref>René Pomeau: La Religion de Voltaire. Paris 1969, neue überarbeitete Ausgabe, Nizet, 1995, ISBN 2-7078-0331-6, S. 334 und Template:Webarchiv</ref> Template:Zitat Die Signatur écrlinf findet man zum ersten Mal im Brief Voltaires vom 23. Mai 1763 an Damilaville.

Voltaire hat keine eindeutige Definition seiner Devise écrasez l’infâme hinterlassen, so dass man ihre Bedeutung aus der Verwendung der Vokabel infâme erschließen muss. Man findet in seiner umfangreichen Korrespondenz häufig die Kollokationen: « infâme superstition » (schimpflicher Aberglaube), « infâmes préjugés » (übelgesinnte Vorurteile), « infâme persécution » (schändliche Verfolgung), « infâme fanatisme » (infamer Fanatismus) …<ref>André Magnan: Penser l’infâme. (PDF) In: Cahiers Voltaire, 13, Société Voltaire et Centre international d’étude du XVIIIe siècle, Ferney-Voltaire 2014, ISBN 978-2-84559-112-7. René Pomeau: La Religion de Voltaire, Paris 1969, neue überarbeitete Ausgabe, Nizet, 1995, ISBN 2-7078-0331-6, Kapitel III – Delenda Carthago, S. 314–335.</ref> des hier attributiv gebrauchten Wortes.

Écrasez l’infâme-Zitate bei späteren Autoren

[[Datei:Queen Mab Shelley.jpg|200x200px|mini|Titelseite des Poems Queen Mab von Shelley, 1813.
In Majuskeln: ECRASEZ L'INFAME!]] Der englische Romantiker Percy Bysshe Shelley greift die Devise Écrasez l’infâme! in seinem Gedicht Queen Mab<ref>Queen Mab – A Philosophical Poem (in 9 parts)</ref> (1813) – einer revolutionären, antireligiösen Utopie – bewusst auf und schließt sich somit Voltaires Kampagne gegen die „infame“ Religion an. [[Datei:Eh 44.JPG|mini|Manuskript Nietzsches Ecce homo]] Auch Nietzsche verwendet diesen voltairianischen Schlachtruf in seinem Feldzug gegen die „christliche Sklavenmoral“. So endet seine autobiographische Schrift Ecce homo mit „Écrasez l’infâme!“, wobei es Nietzsche um die Vernichtung und Überwindung der »Guten [...] Wohlwollenden, Wohltätigen«, um die Vernichtung »der sogenannten ›sittlichen Weltordnung‹« geht.<ref>Roberto Sanchiño Martínez: Aufzeichnungen eines Vielfachen. Zu Friedrich Nietzsches Poetologie des Selbst, S. 334.</ref> Template:Zitat

Aktuelle Verwendung

[[Datei:Le onzieme Voltaire-Je suis Charlie fevrier-mars 2015.png|mini|Je suis Voltaire/Charlie – Ich bin Voltaire/Charlie – Titelseite der Zeitschrift des XI. Pariser Arrondissements Le Onzième en mouvement, Februar/März 2015.]]

Nach den islamistischen Terroranschlägen auf die Karikaturisten von Charlie Hebdo und auf den Pariser Konzertsaal Bataclan im Jahre 2015 ist der Name Voltaire wieder in aller Munde.<ref>Daniel Cohn-Bendit: Nachruf André Glucksmann. In: Die Zeit, Nr. 46/2015</ref> Man sieht Demonstrationsschilder mit dem Slogan Nous sommes Voltaire (Wir sind Voltaire), sozusagen einem neuen Écrasez l’infâme<ref name="Blog">Template:Webarchiv, Beobachtungs-Website über Beschneidungen der Presse- und Meinungsfreiheit</ref> im Zeitalter des fundamentalistischen Terrors:<ref>Eduard Kaeser: Nous sommes Voltaire. In: journal21.ch, 12. Mai 2015</ref> Template:Zitat

Die Wirksamkeit des Mahnrufs ‚Wir sind Voltaire‘ zeigt sich auf dem Büchermarkt: Voltaires Traité sur la Tolérance (Über die Toleranz) von 1763<ref name="Altmeister">Joachim Kahl: VOLTAIRE – Lernen von einem Altmeister der europäischen Toleranzidee. Marburg 2007, Vortragstext. (PDF)</ref> ist im Jahre 2015 zum Bestseller geworden.<ref>Wolf Lepenies: Wir sind Voltaire. In: Die Welt, 9. Februar 2015 und 250 Jahre alte Kampfschrift für Toleranz: Voltaire stürmt Bestsellerlisten. Spiegel Online, 28. Januar 2015</ref>

Auch die französische Website Voltairiopolis,<ref name="Blog" /> welche über Zensur und andere Beschneidungen der Meinungs- und Pressefreiheit weltweit berichtet, verwendet Voltaires Schlagwort Écrasons l’infâme! als Motto.

Philippe Val, Chefredakteur der Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo von 2004 bis 2009, hatte im Februar 2005 die zwölf dänischen Mohammed-Karikaturen nachdrucken lassen und war deswegen vom Rat der französischen Muslime verklagt worden. Über die Polemik, die sich an dem Nachdruck entzündete, berichtet er in seinem Buch, das im Titel auf den Feldzug der Aufklärung gegen Fanatismus und für Toleranz anspielt: „Komm zurück, Voltaire, sie sind verrückt geworden“ (Reviens, Voltaire, ils sont devenus fous).<ref>Philippe Val: Reviens, Voltaire, ils sont devenus fous. Grasset, Paris 2008, ISBN 978-2-246-72211-3, Buchbesprechung (französisch), Christophe Barbier, in: L’Express 22/10/2008; siehe auch Wolf Lepenies: Wir sind Voltaire. In: Die Welt, 9. Februar 2015</ref>

Das vielzitierte Bonmot: Template:Zitat-en welches zur Beschreibung des Prinzips der Meinungsfreiheit oft verwendet wird und welches Voltaire zugeschrieben wird, sich aber nicht in seinen Schriften finden lässt,<ref>Template:Webarchiv (PDF)</ref> drückt am konzisesten aus, wofür Voltaires Markenzeichen Template:Kapitälchen auch im 21. Jahrhundert steht. Der Slogan richtet sich gegen alle Fanatiker, die sich dem Prinzip der Toleranz,<ref>Erklärung von Prinzipien der Toleranz. Die Erklärung von Prinzipien der Toleranz wurde auf der 28. Generalkonferenz (Paris, 25. Oktober bis 16. November 1995) von den Mitgliedstaaten der UNESCO verabschiedet.</ref> dem zeitlosen Anliegen der Aufklärung, widersetzen.<ref name="Voltaire est Charlie" /> Template:Zitat

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