Die sexuelle Osphresiologie  

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Die sexuelle Osphresiologie," Charlottenburg, 1901 (Verlag H. Basdorf), is a text by Albert Hagen. It is a monograph on the relations between the olfactory senses and odours and the sexual acts in man.

Full text

BOSTON MEDICAL LIBRARY

Francis A.Countway Library ofMedicine

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Studien zur Geschichte des

menschlichen Geschlechtslebens.


Ergänzungsband :

Die sexuelle Osphresiologie, Die Beziehungen des Geruchssinnes und

der Gerüche zur menschlichen Geschlechtsthätigkeit,


Von

Dr. Albert HageD« 


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Charlottenburg.

Verlag von H. Barsdorf.

1901.


Die sexuelle Osphresiologie


Die Beziehungen des Geruchssinnes und der Gerüche zur menschlichen

Geschlechtsthätigkeit


Von


Dr. Albert Hagen.


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Charlottenbnrg.

Verlag von H. Barsdorf.

1901.



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Alle Rechte einschliesslich des Uebersetzungsrechtes vorbehalten.


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Verfasser übergiebt hiermit dem .wissenschaftlichen Publikum ein Werk, dessen Thema bisher noch niemals in der deutschen Litteratur monographisch behandelt worden ist. Wenn ich hinzufüge, dass auch alle in der Bibliographie erwähnten französischen Werke über die sexuelle Osphresiologie nur einen Teil des von mir gegebenen Materials enthalten, dass ich zum ersten Male versucht habe, alle physiologischen, psychologischen, medizinisch-klinischen, ethnologischen, kulturhistorischen und litterarischen Thatsachen auf dem Gebiete der Lehre von den Beziehungen des Geruchsinnes zum menschlichen Geschlechtsleben zusammenzustellen und wissenschaftlich zu verwerten, so darf ich wohl für die mit einer solchen Aufgabe notwendig verbundenen etwaigen Mängel und Lücken der Darstellung die Nachsicht der Kritiker und Leser in Anspruch nehmen.

Breslau den 10. Juni 1900.

Der Verfasser.


1


— II —

Inhaltsverzeichnis.

Seite

Vorwort I

Einleitung.

Allgemeine Bedeutung des Geruchssinnes (Cloquet, Zwaarde- maker) — Seine metaphysische Bedeutung — Der Sinn für die Nähe — Ein affectiver Sinn (F6r6's „6motivit6 olfactive") — Mystik des Geruches — Psychologische Bedeutung (Montaigne, Cloquet) — A. v. Haller's psychologische Einteilung der Gerüche — Einfluss auf die geistige Bildung — Kants Urteil — Bedeutung des Geruches für die ührige Tier- welt — Einteilung der Säugetiere nach dem Geruchs vermögen — Iden- tification des Geruches schlechthin mit dem Wollustgefühle — Besondere Gruppe der sexuellen Gerüche, ihre Stellung in dem System der übrigen Gerüche nach Gi essler — Grosse Rolle der Gewohnheit — Frühling und Blumenzeit als Zeit der Liebe 1


Die sexuelle Osphresiologie.

I. Physiologie der sexuellen Geriiche.

1. Allgemeines.

Der Vorgang des Riechens — Chemie der Gerüche — Aron- sohn'sches Gesetz — Chemie der Geni talger ü che und der übrigen Körper- düfte — Diffusionsgeschwindigkeit und Differenzierung der erotischen Gerüche — Die Beziehungen zwischen Geschlechtsteilen und Nase im Volksmunde — „Geni talstellen" der Nase — Verhalten der Nase in der Pubertät, während der Menstruation, beim Coitus und bei sexuellen Excessen. 10

^. Psychologie der sexaellen Gerüche 21

3. Die sexaellen Gerüche in der Pflanzenwelt.

Pilze — Blütenpflanzen — Pflanzen sollen den Menschen riechen. 26

4. Die sexuellen Gerüche in der Tierwelt.

Wirbellose — Säugetiere — Parfümdrüsen der Säugetiere — Darwin u. A. über die Brunstgerüche der Tiere — Sexuelle Perversionen bei Tieren infolge von Gerüchen — Rolle der sexuellen Gerüche in dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier — Odor feminae wirkt auf Affen. 31

5. Die sexuellen Gerüche beim JIEenschen.

Prägung des Begriffes „Odor di femina" und „Parfüm de la femme" durch Cadet-Devaux und Galopin — Analyse dieses Begriffes — Verschiedene Arten der erotischen Gerüche bei der Frau — Die Genital- düfte — Dr. CuUen's Vergleichung — Die Ausdünstung des übrigen Körpers — Achsel-, Haar-, Schulter , Busen- und Halsgerüche — Jäger 's „Cerebraldüfte" — Der Geruch des Mundes — Das Aroma des Kusses — Einfluss des Alters und der Tageszeit — Der Constitution — Der „Odor di femina" bei Blonden, Brünetten und Rothaarigen — Einfluss von Nahrung und Arzneien — Einfluss des Alkoholismus — Einfluss der Kleidung — Einfluss der geschlechtlichen Enthaltsamkeit — Einfluss der Affeete — Die sexuellen Gerüche der Frau vor, während und nach dem


— III —

Seite

Beischlaf — DerPhilosoph Democrit darüber — Sinibaldus über den „Foetor post coitum" — Einfluss der Menstruation — Veränderung des Schweisses und des Atems bei derselben — Jäger 's „Frauengift" — Der „odor di femina" bei Bauernmädchen — Ein naturalistischer Schrift- steller über denselben — Der „Parfüm de la femme" auf Bällen — Im Harem — Der „odor lupanaris" — Die „Symphonie" des Symbolisten Edmond Haraucourt — Ursache des angenehmen „Odor di femina" — Der sexuelle Geruch des Mannes — Ursachen — Geruch der Barthaare — Qer „odeur d'homme" bei Alexander dem Grossen, A. v. Haller u. A. — Eunuchen- und Kastratenduft — Der „Wohlgeruch der Heiligen" — sexuelle Geruchsantipathieen zwischen Mann und Frau — Forensische Bedeutung derselben — Wirkung der sexuellen Gerüche im eigenen Körper — Uebertragung der menschlichen Sexualdüfte auf die mensch- lichen Gebrauchsgegenstände • . . 45

II. Pathologie der sexuellen Gerüche.

1. Die erotischen Gerüche bei krankhaften Ktfrper-

znständen.

Mackenzie's Theorie — Somatische Ursachen der Hyperosmie und Anosmie — Geruchsanomalien bei sexuellen Störungen — Der Geruchs- sinn des Onanisten — Consensus zwischen Geruchs- und Geschlechtsor- ganen bei Psychosen 79

ft. Der Gernchsfetischisnias.

Starke Ausbildung des Geruchssinnes bei Entarteten — Bedeutung der Gewohnheit und zufälliger äusserer Einflüsse — Mac6 über die männ- lichen Geruchsfetischisten in einer Frauenversammlung — Geruchsfeti- schismus fast nur bei Männern — Haut-goüt — Verschiedene Kate- gorien von Geruchsfetischisten — Die Taschen tuchfetischisten — Gas per Eiles — Heinrich III. von Frankreich — Kleiderfetischisten — Zopf- abschneider und Haarfetischisten — J. Casanova — Fussfetischisten — Zehen- und Achselriecher — Die pathologischen Beziehungen zwischen Geruch und Geschmackssinn — Vermischung von Speisen mit Genital- secreten und Schweiss — Liebeszauber — Die Cunnilingui — Von Tardif als normal betrachtet — Die „Epongeurs" und „Renifleurs" — R6tif de la Bre tonne's „ An ti- Justine" — Die „Stercoraires", Kopromanen, Philotani und Krafft-Ebing's „Podexfetischismus" — Die „Scatologie" eine französische Spezialität — Rabelais und Spätere — Die Geruchs- empfindungen als sadistische und masochistische Vorstellungen — Beispiele aus de Sa de 's „Justine et Juliette" — Das Bouquet bei der Flagellation —

Die erotischen Gerüche bei Homosexualen : ... 82

3. Berühmte Gerachsfanatiker.

Emile Zola ein Geruchsfanatiker — Tardif 's Fragen an Zola — Zola's Antwort — Die sexuellen Gerüche in Zola' s Romanen — Nordau und Bernard darüber — Iwan Turgenjew — Professor Gustav Jäger — Löst die Welt in Geruch auf — Seine Verdienste — Kritik seiner Lehre 135

iil. Ethnologie der sexuellen Gerüche.

Scharfer Geruchssinn der wilden Völker — Beispiele — Massai — Indianer — Rassen- und Völkergerüche -- Relativität des Urteils — Peruaner — Indianer — Südseeinsulaner — Chinesen — Kaffem —


- IV -

Seite

J. G. Kohl — Zigeunergerüche -— Rig6 und die Prinzessin Chimay (eine Geruchsliebe) — Neger und Negerinnen — Vorliebe der Franzosen für die Ausdünstung von Negerinnen — Negerinnenbordelle in Paris im 18. und 19. Jahrhundert — Semiten und Arier — Haargeruch bei ver- schiedenen Völkern — Kritische Bemerkungen über Rassen- und Völker- düfte — Der Nasengruss — Die sexuelle Osphrcsiologie in der Sprache — Arische Etymologie — Perser — Inder 166

iV. Der Sunamitismus.

Definition — Bibel — Der Fund von Gommarus — L. Clodius Hermippus — Rudolf von Habsburg — Marsilius Ficinus — Baco von Verulam — J. H. Cohausen — Die „Sunamitinnen" im Palais Royal nach R6tifdelaBretonne — Moderne Fälle von Sunamitis- mus — Douba's Gemälde 191

V. Die künstlichen Duftstoffe (Parfüms) unü ihre Beüeutung für die sexuelle Osphresiologie.

Allgemeines — Uebersicht über die künstlichen Duftstoffe — Reli- giöser Ursprung der sexuellen Parfüms — Bedeutung derselben für die Frau — Ableitung aus den natürlichen Gerüchen derselben — Geschichte der erotischen Parfüms — Aegypten — Classisches Altertum — Mittel- alter — Renaissance — Einfluss des Auftretens der Syphilis — Frankreich im 18. Jahrhundert — Die Parfüms des „Ordre de la Frivolite" — Die Seragliopastillen — Marschall Richelieu — England — Jetztzeit — Die Parfümirung der weiblichen Genitalien — Aegypten — Trotula's Schrift — Frankreich — Retif,dieDuBarry — Die Parfümkugeln der Chinesen — Parfümirte Bäder und Betten — Parfümierte Handschuhe — Sexuale Antipathie durch Parfüms — Idiosyncrasien — Das Bouquet — Sich par- fümirende Männer — Parfümfetischisten — Wirkung von Parfüms auf Tiere (Elephant, Pferd, Nachtigallen, Fische u. a.) — Medizinische Ver- wendung von Parfüms bei Impotenz, Priapismus, Neurosen, schlechten Ge- rüchen — Kr i ton — Therapeutische Verwendung des „Odor di femina" (Descourtilz) 220

VI. Die sexuellen Gerüche in der Litteratur.

Bibel — Hohes Lied — Aegyptisches Liebeslied — Indien — China — Perslen — Classisches Altertum — Homer — Ausonius — Horaz — Martial — Mittelalter — Parcival - Neuzeit — Shakespeare — Grimmeishausen — Parny — Chateaubriand — Schiller — Hauff — Grillparzer — Mörike — Hackländer — Heine — R. Wagner — Salvador Rueda — E. Goncourt — A. Dumas — Belot — Tolstoi — M. Barres — Baudelaire — Huysmans u. v. A.

Dr. A. Th. Brück' s Correspondenz mit Goethe über den „Parfüm de la femme" — Einfluss derselben auf Goethe — Aus Goethe 's Faust. 256

VII. Schluss.

Ausblick in die Zukunft — Phylogenetische Abschwächung der sexuellen Gerüche ist eine Thatsache — EfEeminatio durch übermässige Kultur des Geruchssinnes 272

VIII. Bibliographie. 280



Einleitung.

Vor hundert Jahren nannte Immanuel Kant den Geruchssinn den undankbarsten und entbehrlichsten aller Sinne. Es belohne nicht, ihn zu kultivieren, oder wohl gar zu verfeinem, um zu gemessen ; denn es gebe mehr Gegenstände des Ekels (vornehmlich in volkreicheren Orten), als der Annehmlichkeit, die er verschaffen könne, und der Genuss durch diesen Sinn könne immer nur flüchtig und vorübergehend sein, wenn er vergnügen solle. Aber als negative Bedingung des Wohlseins, um nicht schädliche Luft einzuatmen, oder auch faulende Sachen zur Nahrung zu brauchen, sei dieser Sinn nicht unwichtig.^)

Auch ich werde im Laufe meiner Untersuchungen nachweisen , dass eine übermässige Kultur des Geruchs- sinnes beim Menschen als eine Art von atavistischer Handlung aufzufassen ist, da viele Thatsachen dafür sprechen, dass der Geruchssinn des civilisiertenMenschen in Vergleichung mit demjenigen mancher Tiere und wilder Völker eine unverkennbare Abschwächung erfahren hat, und dass diese Inferiorität auch weiterhin zunehmen wird. Aber auch unter diesen Verhältnissen kommt noch heute dieser Sinnesfunktion eine gewisse Bedeutung zu. Noch heute ist der Geruchssinn „nicht unwichtig", und


^) „Anthropologie in pragmatischer Hinsicht abgefasst** von Immanuel Kant I zweite verbesserte Auflage. Königsberg 1800 S. 54,

Hagen, die sexaeUen Gerüche.

1


— 2 —

seit Hippolyte Cloquet, nur kurze Zeit nach jenem Ausspruche des Königsberger Philosophen seine berühmte „Osphresiologie" schrieb, die erste moderne Monographie über den Geruchssinn und die Krankheiten der Nase, haben Naturforscher und Aerzte nicht aufgehört, die Verrichtungen dieses Sinnes durch methodische Unter- suchungen aufzuklären und näher zu bestimmen.

Wenn auch Auge und Ohr im Laufe der Zeiten die Hauptsinneswerkzeuge des Menschen geworden sind, so ist doch, wie H. Zwaardemaker treffend bemerkt, der Geruchssinn deshalb noch von Wichtigkeit für die Physiologie des Menschen, weil bei keinem anderen Sinnesorgan die Empfindung in so enger Beziehung zu der Art des Stoffes steht, welcher den Eeiz hervor- bringt.*) Beim Eiechakte scheint in der That eine wirk- liche Berührung der Psyche mit dem Materiellen, ein Eindringen in den Riechstoff stattzufinden, eine unmittel- bare Empfindung des Wesens der Materie gegeben zu werden. Man hat daher den Geruchssinn einen meta- physischen Sinn genannt, welcher über die innerste Substanz vieler Körper und Lebewesen auch dann noch Aufschluss erteile, wenn Gesicht- und Tastsinn uns nicht mehr über die Umrisse und die Beschaffenheit der Dinge zu belehren vermögen. Ein geistvoller Forscher hat den Geruch das „sublimirte Ding an sich" genannt und erklärt aus verschiedenen Beobachtungen die „seelische Bedeutung der Eiechstoffe als Enthüllung, als Apokalypse, aus dem Kern der Erscheinung heraus." ,

„Wenn die Natur nach elektrischen Entladungen wie neugeboren und erfrischt dem Auge erschien, ver-


^) „Die Physiologie des Geruchs" von Dr. H. Zwaardemaker, Leipzig 1895 S. 2.


kündet uns das Nämliche gleichzeitig im Ozon der Geruchs- sinn^ Die schmachtende Schwüle heisser Sommeraach- mittage weht uns wollüstigen Hauch entgegen. Zu Philo- melens . Gesang öffnet sich [der Kelch der Nachtviole, der sich des Tages über geschlossen hält, und durch- dringt die dunkle Luft mit seltsamem Wohlgeruche. Und überkommt uns eine schwanke Erinnerung aus femer Jugendzeit, so ist es nicht selten ein Hauch wie vom Jasmin der Laube, in der wir mit der Freundin kosten, oder vom durchdufteten, knisternden Papiere, auf dem sie uns ihre Lust und ihre Schmerzen anvertraute."*)

Diese metaphysische Auffassung des Geruchssinnes, dieser Glaube, dass die Geruchsempflndungen uns in das innerste Wesen der Dinge hineinführen, uns mit einer jenseitigen Welt verknüpfen, beruht nach meiner Ansicht darauf, dass diese Empfindungen zunächst heftige, plötzliche Affekte, aber nur dunkle und nebelhafte Vorstellungen hervorrufen. Der Geruch ist wie der ihm nahe verwandte Geschmack ein affectiver Sinn, womit notwendig eine Unklarheit und Dunkelheit der Vor- stellungen verbunden sein muss. „Sich beim logischen Denken ausschliesslich der Geruchs- oder Geschmacks- vorstellungen zu bedienen, wäre fast unmöglich.*") Diese „emotivit6 olfactive" (Fer6) stempelt den Geruchs- sinn zu einem „Sinn mit dunklen, nebelhaften Vor- stellungen", wie ihn schon K. F. Burdach genannt hat.^) Der Geruchssinn widerstrebt jeder klaren Vorstellung,


^) „Die Jahreszeiten. Naturbilder" von Heinrich Noe, Goerz 1880 cit. nach Prof. Jäger's Monatsblatt 1889 Bd. VIII S. 134.

«) H. Zwaardemaker a. a. 0. S. 297.

  • ) „Blicke in's Leben" vo?i Karl Friedrich Burdach, Leipzig

1844 Bd. m S. 50.

1*


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jeder Logik; die durch ihn ausgelösten starken Affekte, nicht gezfigelt dnrch eine deutliche Yorstellnng von gleicher Stärke wecken mystische Empfindungen im Menschen. Begleitet von ahnungsvollen Schauern fuhren die Geruchsempfindungen, bald Lust, bald Unlust er- regend, tief in die Mystik. Das Land der Greruche ist wie ein blaues, fernes, feenhaftes Land, in das wir nur in Zwischenräumen eintreten, wie ein französischer Schriftsteller sagt.*) Die Mystik des Geruches ist in den religiösen Ceremonien vieler Völker als Mittel zur Hervorrufung einer andachtsvollen, verzückten, hin- gegebenen Stimmung mit dem grössten Erfolge verwertet worden, wie wir später sehen werden.

Durch die eben hervorgehobene unmittelbare Affekt- wirkung der Gerttche erklärt es sich, dass kein Sinn 80 sehr die menschlichen Stimmungen und Seelenzustände beeinflusst wie der Geruchssinn. Montaigne meinte, dass die Aerzte viel mehr Gebrauch von den Gerüchen machen könnten, als sie es thäten. Denn er habe oft bemerkt, dass sie verändernd auf ihn einwirkten und seine Seelenzustände beeinflussten.') Das erste Gefühl, welches sich mit einer Geruchsempfindung verknüpft, ist das des Angenehmen oder Unangenehmen, das der Lust oder Unlust. Hierauf gründete Albrecht von Haller seine psychologische Einteilung der Gerüche in drei Klassen, nämlich in die „Odores suave-


  • ) Ren6 Fleury, ,^'art des Parfüms" in La Vogue Janvier

leoo S. 43.

') „Les medecins pourroient, ce crois je, tirer des odeurs plus d'usage qu'ils ne fönt; car j'ay souvent appercu qu^elles me chan-

Sent, et agissent en mes esprits, selon qu'elles sont." — ,,£ssais e Montaigne" 6d. J. V. Leclero 3e6d. Paris 1878 Tome I Livre I Chap. 65 („Des senteurs") S. 291.


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olentes", die „Odores mediae" und die „Foetores".^) Dass diese Klassification nur einen relativen, keinen absoluten Wert besitzt, hat Cloquet überzeugend dar- gethan, indem er an vielen Beispielen nachwies, dass der Begriff „angenehmer" und „unangenehmer" Geruch bei verschiedenen Individuen und Völkern ein ganz ver- schiedener sei.*) Sei es nun Lust oder Unlust, welche durch die Geruchsempfindungen ausgelöst werden, stets werden durch dieselben die mannigfaltigsten Ideenasso- ciationen und Erinnerungsbilder erweckt, wie bei vielen starken Affekten. Nach Darwin ist bei den Tieren, welche diesen Sinn in hoher Entwickelung be- sitzen, wie bei Hunden und Pferden, die Erinnerung an Personen und Orte entschieden mit ihrem Gerüche vergesellschaftet. Hierdurch Hesse sich vielleicht ver- stehen, woher es kommt, dass, wie Dr. Maudsley richtig bemerkt hat^), der Geruchssinn beim Menschen „in einer merkwürdig wirksamen Weise Ideen und Bilder bereits vergessener Scenen und Orte wieder erweckt."*) In einer Stelle des Romanes „Das Eulenhaus" von E. Marlitt heisst es: „Nichts in der Welt macht Vergangenes so lebendig wie der Geruch." Eine feine, echt naturwissen- schaftliche Beobachtung! Aehnlich erzählt Max Kal- beck in der Novelle „Moschus" in seinen „Humoresken und Phantasien" (Wien 1896), wie der Moschusgeruch,

  • ) H. Zwaardemaker a. a. 0. S. 210.
  • ) ,,Osphr68iologie etc." par Hippol. Cloquet, Paris 1821

S. 71 ff.

^) „The Physiology and Pathology of Mind" by Henry Mauds- ley 2. Ed. London 1868 S. 134.

^) ,J)ie Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl" von Charles Darwin. A. d. Engl, übersetzt von J. Victor Carus 5. Aufl. Stuttgart 1890 S. 21.


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der von dem Kleide einer ihm begegnenden älteren Dame ausging^ plötzlich eine ganze Reihe von Bildern ans der schönen Jugendzeit vor seinem inneren Ange erstehen liess, wie er das liebe süsse Mädchen, das er lange ver- gessen hatte, bei den Schlittschuhpartieen und im Toten- kranze vor sich sah.

Versuchen wir nun die praktische Bedeutung des Geruchssinnes darzustellen, so wird dieselbe durch die von Zwaardemaker eingeführte Bezeichnung des- selben als des Sinnes für die Nähe vortrefflich er- erleuchtet. Der Geruch ist eine Eigenschaft, welche von der Materie nicht getrennt werden kann. Daraus erhellt seine grosse Bedeutung für das Erkennen der Nahrung, der Spur, der Beute oder des Verfolgers, für das Auf- finden des Geschlechtes, üeberall, wo ein charakteristi- scher Geruch sich kundgiebt, wird man auch gewiss wenigstens etwas von dem Stoffe finden, der diesen bestimmten Geruch erzeugt. Wie das Auge das Sinnes- organ für die Entfernung ist, ist der Geruch dasjenige für die Nähe.*)

Für die Tiere; für welche die Ernährung und der Geschlechtstrieb wichtiger sind als die durch Auge und Ohr vermittelten Eindrücke, und durch diese hervorgerufenen geistigen Regungen, ist deshalb der Geruchssinn noch von ungeheurer Wichtigkeit. „Unsere zusammengesetzten Gesichtsvorstellungen, so ungemein plastisch infolge des binoculären Sehens, die verwickelten Klangvorstellungen, worin uns die Macht der Sprache fühlbar wird^ sie mangeln den Tieren fast gänzlich,


^) H. Zwaardemaker a. a. 0. S. 254.


— 7 — •

und an deren Stelle tritt eine wunderbare Welt von Geruchsvorstellungen, reichhaltiger und vielfältiger, als wir sie zu bilden imstande sind.*") Im Schlusskapitel werde ich im Zusammenhange mit der anatomischen Betrachtung des in einer offenbaren Rückbildung be- griffenen menschlichen Geruchsorganes die ungeheure Praevalenz des Geruchssinnes und seiner körperlichen Substrate in der tierischen Oekonomie beleuchten. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass nach William Turner die Säugetiere in makrosmatische, mikrosmatische und anosmatische eingeteilt werden müssen, und dass der Mensch zur Gruppe der mikrosmatischen Säugetiere gehört, also keineswegs in osphresiologischer Hinsicht die letzte Stelle in dem Reiche der Säugetiere ein- nimmt.

Die praktische Bedeutung des Geruchssinnes für die Tierwelt betrifft, wie schon erwähnt, vorzüglich die wichtigen Functionen der Ernährung und des Geschlechts- triebes. Die Beziehungen des Geruchssinnes zur Er- nährung, welche im Zusammenhange dieser Schrift nicht weiter interessieren, finden in dem Worte A. v. Haller's: „Mihi quidem est quam persuasissimum, nullum cibum salubrem esse, qui foeteat",') einen klassischen Ausdruck! Den Gegenstand dieses Werkes bilden die Beziehungen des Geruchssinnes und der Gerüche zur Sexualität der höheren Lebewesen, Beziehungen, welche uralte sind in der Entwickelungsgeschichte der Tier- und Pflanzen- welt, sowie die Untersuchung dieser Verhältnisse beim


^) H. Zwaardemaker a. a. 0. S. 2.

«) A. Ha 11 er „Elementa Physiologiae". Lib. XIV. Sect. III. Ed. 7. Lausanne 1763 S. 182.


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Menschen. Bidder glaubte sogar eine tiefinnerliche Wesensübereinstimmimg zwischen der Geruchsempfindnng, sofern sie angenehmer Natnr sei, und dem Wollustgefühle konstatieren zu können und daraus die Liebhaberei wol- lüstiger Menschen für Wohlgerüche erklären zu müssen/) Ist auch diese ontologische Identität zwischen Riech- vorgang und Wollustgefühl fraglich, so steht fest, dass bei [vielen Tieren der Greruchssinn die Haupt - triebfeder der Sexualität ist, dass es eine ganz bestimmte Klasse von sexuellen Gerüchen giebt. Nicht bloss ist das am meisten und hervorstechendste Riech- bare der Tiere gerade in der Nähe der Geschlechts- teile und des Afters ausgebildet, sowie bei den Pflanzen an den Blumen d. h. an den Befruchtungsorganen, son- dern auch die von dem übrigen Körper ausströmenden Gerüche, sowie die künstlichen Duftstoffe vermögen den Geschlechtstrieb anzuregen und zu befördern. Wenn Giessler die Gerüche, welche gewisse vegetative Organkomplexe erregen, einteilt] in] solche, die das Atmungs- und Gefässsystem,| das| Verdauungssystem („gastrale" Gerüche) und^das Fortpflanzungssystem („ero- tische" Gerüche erregen'), so ist dies nicht eine blosse Zweckmässigkeits-Klassification, sondern liegt im Wesen dieser Gerüche begründet. Denn die sexuellen Gerüche gehören, wie wir sehen werden, fast durchweg einer einzigen Gruppe von Gerüchen an, und fast alle von der menschlichen Körperoberfläche (inclusive QeniWien)


1) F.Bidder, Artikel „Riechen" in R. W agner' s Handwörter- buch der Physiologie. Brannschweig 1844 Bd. 11 S. 926.

■) „Wegweiser zu einer Psychologie des Geruches" von Dr. phil. Carl Max Giessler, Hamburg u. Leipzig 1894 S. 9.


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ausgehenden Gerüche gehören zu dieser Gruppe. Die Wissenschaft der sexuellen Osphresiologie schwebt also nicht ganz in der Luft, sondern gründet sich auf reale Thatsachen und Erscheinungen, die ich in syste- matischer Form und mit kritischer Deutung darzustellen versuchen werde.


Die sexuelle Osphresiologie.

I. Physiologie der sexuellen Gferflche.


1. Allgemeines.

Nach den Resultaten, welche die exakten Unter- suchungen einiger neuerer Naturforscher, die in dem grossen Werke von Zwaardemaker, selbst einem der bedeutendsten neueren Osphresiologen, niedergelegt wor- den sind, ergeben haben, ist es sicher, dass der Geruch an die materielle Anwesenheit der von der Oberfläche der riechen- den Körper abgegebenen Moleküle gebunden ist. Diese Eiechstoffe, welche entweder durch Verdampfung oder durch einen chemischen Vorgang von der Oberfläche fester Körper oder Flüssigkeiten abgegeben werden, verbreiten sich entweder durch Diffusion — der häufigste Fall — oder durch den Wind, welcher unter Umständen eine solche Duftwolke meilenweit fortbewegen kann.*) Das specifische Gewicht der Riechgase kommt als Bewegungs- kraft kaum in Betracht. Der Mensch selbst empfängt auf dreierlei Weise Geruchseindrücke. Zunächst mit der Nahrung. Beinahe alle Speisen und Getränke besitzen


^) In hoUändischen Beiseberichten aus dem 16. Jahrhundert wird wiederholt die Thatsache erwähnt, dass das Aroma der Ge- würzinseln (Molukken) bereits meilenweit entfernt auf offener See wahrgenommen wurde. (A. v. Hall er).


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einen stärkeren oder schwächeren Geruch, den wir bis- weilen mit dem Geschmacke verwechseln. Zweitens werden uns die Riechstoffe durch die atmosphärischen Strömungen zugeführt, wodurch es erklärt wird, dass wir Blumen und andere Gegenstände scheinbar aus der Feme riechen können. Bei ruhiger Luft percipieren wir Gerüche durch Diffusion, indem sich die riechenden Gaspartikelchen langsam mit der atmosphärischen Luft mengen. Die Diffusion ist der allgemeinste der Geruchs- lokomotoren, weil sie überall wirksam ist.

Wenn die Gerüche also auf verschiedene Weise dem Menschen zugeführt werden, so ist doch die Art der Aufnahme stets dieselbe. Es ist immer die Atmung durch die Nase, welche sie zu dem eigentlichen Sinnesorgane befördert. Der Geruch kommt erst dann zur Wahrnehmung, wenn wir durch die Nase atmen. Nach Zwaardemaker muss man nun beim Mechanis- mus des Riechens zwei Arten unterscheiden , das Schnüffeln und das ruhige Atmen. Beim Schnüf- feln d. i. beim unmittelbaren stossweisen Einführen der riechenden Luft in die Riechspalte, (d. h; die zu einer schmalen Spalte geformte Kuppel jeder Nasenhöhle,) ge- schieht die Ausbreitung der Duftwolke daselbst durch Diffusion und die Berührung der riechenden Moleküle in Gasform mit den Flimmerhärchen der Riechzellen, welche sich bekanntlich in der sogenannten Regio olfac- toria (oberer Nasenmuschel, oberem Nasengang, und medialer Fläche der mittleren Muschel) befinden und als die percipierenden Organe der Riechschleimhaut an- zusehen sind. Beim ruhigen Atmen strömt die Luft bogenförmig bis zum Unterrand der mittleren Muschel, von wo die riechenden Moleküle ebenfalls durch DifEu-


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sion aufsteigen und in Dampfform mit den Flimmer- Mrchen der Eiechzeflen in Berührung treten. Während also beim ruhigen Atmen die riechenden Moleküle nur durch Diffusion den Eiechzellen sich nähern können, werden sie beim Schnüffeln in grosser Zahl unmittelbar durch die starke Luftströmung selbst dahin befördert/) Der Geruchssinn ist auch beim Menschen noch heute ein ausserordentlich scharfes Sinneswerkzeug, das an Schärfe die chemischen feeagentien übertrifft, Fischer und Penzoldt fanden V460000000 nig Mercaptan, V460000000 ^S Chlorphenol per 50 cbcm als äusserste Grenze für unsere Geruchswahmehmung. Die osmati- schen Säugetiere können vermutlich Riechstoffe in noch viel bedeutenderen Verdünnungen wahrnehmen. Dabei sind in diesen kleinen Mengen von Mercaptan und Chlorphenol bereits Billionen Moleküle vorhanden. Man kann sich daher den durch die Nasenhöhle ziehen- den Luftstrom als einen dichten Molekülennebel vor- stellen.2) '

Wichtig für das Verständnis einiger Thatsachen der sexuellen Osphresiologie ist die Chemie der Riech- stoffe. Aronsohn hat das bedeutungsvolle Gesetz ge- funden, dass alle Elemente geruchlos sind. Er fand deren nur vier, welche nach dem Ausspruche der Chemiker riechen sollten, nämb'ch Chlor, Brom, Jod und Phosphor. Der Geruch des letzteren Elementes jedoch ist die Wirkung des Ozons und der Phosphorsäure, welche sich bei der Berührung mit der atmosphärischen Luft bildet. Der Phosphordampf selbst ist vollkommen ge-


  • ) H. Zwaardemaker a. a. 0. S. 67 u. 57.
  • ) H. Zwaardemaker a. a. 0. S. 11 u. 58.


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ruchlos. Die Halogene Chlor, Brom, Jod haben eine so grosse Affinität zu dem Wasserstoff, dass es sicher ist, dass in der Nasenhöhle sich unmittelbar Wasserstoff- verbindungen bilden.

Die Riechstoffe der Natur sind also zusammenge- setzte chemische Verbindungen, welche in Gasform ein hohes speciflsches Gewicht besitzen. Die Moleküle dieser Riechstoffe sind daher sehr zusammengesetzt, und mit Recht behauptet Zwaardemaker, dass die natür- liche Zuchtwahl sich einige der Schwingungen, welche in solchen umfangreichen Molekülen stattfinden, zu Nutze gemacht habe, um den tierischen Organismus mit einem Sinneswerkzeuge auszustatten, wodurch er besser als durch irgend ein anderes über die Identität der Nahrungs- stoffe und über die Spur des anderen Geschlechts aufgeklärt werden könne.

Zwaardemaker hat nun den interessanten Nach- weis geführt, dass alle jene tierischen Gerüche, welche die Sexualität beeinflussen, einer einzigen bestimmten Gruppe von chemischen Verbindungen angehören, näm- lich der der Fettsäuren, speciell der Caprylgruppe. Diese bildet die siebente Classe in Zwaardemaker's Klassifikation der Riechstoffe, die er als Klasse der „Caprylgerüche" oder „Odores hircini" bezeichnet und zu den Zersetzungsgerüchen rechnet*):

Vn. Klasse: Capryl|gerüche (Odores hircini L.)

a. Capronsäure und Homologe. Käse. Schweiss. Faulende Knochen. Myrtillus, ranziges Fett. Bacillus.


^) H. ZwaaidemakeT a. a. 0. S. 235.


— 14 -

b. Katzenharn, Creranium Robertianum, Eibes nigra, Thalictrumfoetidum. Vaginalsecret Sperma (Odor aphrodisiacus), Castania, Berberis. Cadaverin. Die specifisch erotischen Gerüche des weiblichen Scheidensecretes, des männlichen Samens und des Schweisses gehören also zu dieser Kategorie der „Bocks- gerüche", da die Caprylsäure diesem Tiere den Namen entlehnt hat. Der Geruch des Scheidensecrets ist ver- wandt mit dem des stinkenden Gänsefusses (Chenopodium vulvaria L.)*), auch mit dem des ebenfalls der Capryl- gruppe zugehörigen Käse. Der Geruch des Samens wird von Haller direct als „Odor aphrodisiacus" bezeichnet und findet sich auch in der Kastanie und im Sauerdorn .«)

Zwaardemaker macht femer darauf aufmerksam, dass die Caprylgerüche, deren Dijffusionsgeschwindigkeit zwischen 0,0533 und 0,0442 schwankt, eine besonders starke Differenzierung aufweisen, wie sie den so mannig- faltigen Zwecken der Fortpflanzung und des Geschlechts? triebes entsprechen. Es sei gewiss nicht zufällig, dass die Sohlenfläche der Tiere so überaus reichlich mit Schweissdrüsen ausgestattet ist, und dass deren Aus- scheidungen überdies in so hohem Maasse von dem Nervensysteme beherrscht werden, welcher Umstand für das Auffinden des anderen Geschlechts während der Brunstzeit wahrscheinlich nicht gleichgültig ist. Für nichtsexuelle Gerüche besteht dieses Bedürfnis der


  • ) „Vulvaria allicit canes, ut mingant in eum qui portat." A.

Wäklin in C. Linni Amoenitates Acad. Vol. III. S. 200 — cit. nach Zwaardemaker S. 230.

^) Hircinus excitat venerem, et coincidit fere cum iUo, qui in genitalibus lascivis reperitur. .(H aller a. a. 0. Vol. in, S. 196.)


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DifferenziniBg nicht, so dass sie uns aus diesem Grunde mehr oder weniger ähnlich erscheinen/)

Nach dieser Feststellung der chemischen Eigentüm- lichkeiten und Besonderheiten der sexuellen Gertlche^ welche dieselben als eine eigene, wissenschaftlich genau abgren^bare Gruppe der Riechstoffe er- scheinen lassen, will ich in Kürze die mehr makros- kopischen Beziehungen der Nase zu den Geschlechts- organen und Geschlechtsverrichtungen besprechen.

Sehr alt und sehr verbreitet ist der Volksglaube^ dass eine grosse Nase auf die entsprechende Beschaffen- heit der Geschlechtsteile und auf eine sehr wollüstige Natur der betreffenden Person hinweise. So hat man von einer „Harmonie" zwischen Nase und Genitalien gesprochen.^) Schon im klassischen Altertum galten die Männer mit dem Prädikate . „bene nasati*' zugleich als „bene vasati seu mutoniati".^) So soll der Kaiser Heliogabalus, dieser „omnis generis lasciviae Studio- sus" eine Schar grossnasiger Männer um sich versammelt haben, ut secum in turpi certamine arma aphrodisiaca pertracterent strenue.*) Frauen sollen häufig Männer mit grossen Nasen denjenigen mit kleinen vorziehen, wie z. B. die durch ihre Lascivität berüchtigte Königin Johanna von Neapel zu ihren Liebhabern mit Vorliebe


  • ) H. Zwaardemaker a. a. 0. S. 278.

■) „Et hoc probari posse videtur ex quadam perspicua nasi, et genitalium commUnione hanuonica, et sympathia ; quandoquidem feie semper nasus miagnitudine, acutie et longitudine pudendo respondet.'^ Jo. BenedictiSinibaldi „Geneanthropeia" Frankfurt 1669 S. 172.

•) Ludovicus Caelius Rhodiginus „Lectionea antiquac**- Basel 1550 Lib. 27 cap. 27 eol. 1058.

  • ) Sinibaldus a. a. 0. S. 168.


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solche Männer wählte/) Aber sowohl sie wie viele andere nach grossen Nasen lüsterne Frauen wurden häufig unangenehm enttäuscht, und der Ausruf eines solchen Weibes, quae Nasi magnitudine Mutonis quanti- tatem mente praecipiens, einen derartigen Mann sich er- koren hatte und vergebens die gewünschte Analogie suchte: „0 Nase, wie hast Du mich getäuscht!", wird wohl sehr oft ertönt sein. Denn schon Pauliini kon- statirte, dass sehr viele grossnasige Männer in der Liebe nicht sehr leistungsfähig seien. Er kannte selbst impo- tente Grossnasen.^) Eine durch ein derartiges unglück- liches Zusammentreffen entstandene höchst ergötzliche „Nasentragödie" erzählt Jason a Pratis. Sie sei in der Ursprache wiedergegeben.^) Umgekehrt gilt auch

^)Henricl Salmuthi CommentaTius in PanciiolU. Bes memorabiles, Frankfurt 1660 S. 177.

') Christ. Franz Paullini ,,Obseryationes medicae^' Leipzig 1706 S. 141.

  • ) ,,MulieTCulam ferunt, cum de secundis nuptiis soUicitaretur,

solitam nasos torum sui poscentium acriori speculatu discernere. Fortasse in senatu ad Golum considentis vicinae inaudierat, nasum procerum esse indicium prominentis caudae, et hanc ipsam valere potiorem ad defricandam naturae tentiginem non ignorabat, ita yiro nubit grandem habenti nasum. Cui cum Penis, quod spera- yerat, immodicus non esset, neque prioris mariti perticam superaret, saepe inter copulandum, atque alias, cum suspiraret minusque ala- cris videretur, rogata conjugi, quidnam mali animum commorderet? quoniam, ait, egregie fadsa sum ex naso, quem yastiorem habes: conjiciebam tuum telum cum hoc paria facere, et multo extare porrectius: Si te quoque sum elatura, meliorem mentem dabunt dii, alium non patiar insessorem, cujus non sum his manibus atque his oculis perrimata tutumum. Evenit, ut et hunc efferret, tertium expetitur in connubium, haud immemor frustratae expectationis, nulli me, ajebat, in foedus indiyiduum obstrinxero, cujus non sum ante conspicata, quod membrum ad alendam initae societatis flam- mam natura con^dit. Procus rubore quodam yeluti perfusus, heus, inquit, meum corculum, nee decet ea oculis intecta subjicere, quae pudor extra conspectum abdit. Quodsi animo id insedit tuo, nisi explores, quis vir sim, ut meis TOtis non obtemperes, is saltem


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eine *iTOsse und lange Nase bei Frauen als Zeichen der Salacitas. Bei Frauen deutet ferner auf dieselbe Eigene Schaft eine eingedrückte und platte NasiB wie bei den Schweinen (nasas porcinus.*) Offenbar steckt in dem Volksglauben, dass eine grosse Nase eine Eigenschaft wollüstiger Menschen sei, der Gedanke, dass eine solche Nase mit einem grösseren Geruchsvermögen aus- gestattet ist und infolgedessen der Träger einer solchen geschlechtlich erregbarer ist als andere Menschen.

Es ist nun merkwürdig, dass in der That ein direkter anatomischer und physiologischer Konsensus zwi- schen bestimmten Teilen der Nase und den Geschlechts- organen besteht. Man hat diese Stellen zutreffend als die Genitalstellen der Nase bezeichnet.^) Diese nasalen Genitalstellen liegen an der unteren Muschel und dem. tubercülum septi einer- oder beiderseits. Es sind Schwelikörper, eigenartige Organe von caver- nösem Bau, ganz ähnlich, wie man sie in der Clitoris und im Penis findet. Es gehen nämlich, wo sie vor- handen sind, die Capillaren nicht wie sonst direkt in die abführenden Venen über, sondern es schiebt sich da- zwischen ein Convolut von Bluträumen ein, die zum Teil mit einander anastomosiren. Verengem sich die Venen, so nimmt die Füllung jener Bluträume zu, und das Volumen der Schwellkörper vergrössert sich. Man


homo eaque reverentia per te largiatur, ut conspicilia tuo adaptes naso, per quae vides adapertis et revelatis oculis non objaetanda, simulque vitrum obtrudit, per quod res conspecta multo, quam sit, grandioT apparet, iteiumque succumbit inclinata prblixioris jaculi spe. Tarn est. grata mulierculis ipsis Verpae proceritudo." — Jason a Pratis „De Sterilitate et Uteris" Amsterdam 1657 S. 199.

  • ) Sinibaldus a. a. Ö. S. 168.

^) „Die Beziehimgen zwischen Nase und weiblichen Geschlechts- organen" von Wilhelm Fliess, Leipzig -n. Wien 1897 S. 3.

Hagen, die sexaellen G-erüche.

2


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weiss, ^ü^ dieser Vorgang unter dem Einflösse des Ganglion sq^henopalatinum steht, das durch den Nervus petrosus profimdus sympathische Fasern vom Carotis- geflecht bezieht. Schon durch diese Bahn wäre die Verbindung mit dem sympathischen Nervensystem ver- ständlich, dem ja auch die Sexualleitungeh unter- than sind.*) Flies s vermag sich nicht den Zweck dieser nasalen Genitalstellen zu erklären. Ihm scheint Zwaardemaker's ansprechende Vermutung unbekannt geblieben zu sein, dass die Erscheinung der Anschwell- ung der nasalen Corpora cavemosa bei sexuellen Er- regungen des Mannes und des Weibes im Einklstfi^ steht mit den Beziehungen zwischen Geruch und Sexu- alität, welche durch die ganze Tierreihe bemerkbar sind. Nach Zwaardemaker ist es nicht unmöglich, dass der Ueberfüllung der Schwellkörper eine Sdixum- pfung derselben vorangeht, welche eine sehr erwünschte zeitweilige Hyperosmie während des sexuellen Excitations- stadiums bedingt.

Dies ist um so wahrscheinlicher, als die Capryl- gerüche, welche (im Geschlechtsleben der Säugetiere eine so grosse Rolle spielen, gerade über den Schwell- körpern lokalisiert sind. Beim Abschwellen des Schwellgewebes entsteht nämlich reichlicher Zutritt der Atemluft in dieser Gegend der Sinnesschleiinhaut und dadurch Hyperosmie für bestimmte Caprylgerüche. Beim Ansd|iwelleQ der Tela cavemosa findet fast voU- kommraer AbscUuss d^vdben G^md statt und in Fo^e d^sra relative Anosmie f|tr die n&mlichen Gerüche,


<) Fliei« > s. a.S.S.


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so dass die Caprylsäuren sogar angenehm empfunden werden/)

Diese Verhältnisse machen es verständlich, weshalb die nasalen Genitalstellen durch sexuelle Erregungs- zustände in Mitleidenschaft gezogen, werden. So ist die Hauptursache des Nasenblutens in der Pubertätszeit nach Dr. Joal die physiologische Erregung der Sexual- organe^. üeber die Schwellungen der nasalen Genital- stellen während der Menstruation handelt ausführlich Fliess*). Schon J. Mackenzie hat aus der regelmässig bei der Menstruation sich einstellenden Anschoppung des kavernösen Gewebes der Nase auf einen „inneren phy- siologischen Zusammenhang zwischen Nase und weiblichem Genitalapparate" geschlossen, und nach Joal gehört sogar die Mehrzahl der Fälle von Nasenbluten bei Frauen in die Klasse der genitalen Nasenblutungen*). Hierher gehören auch jene merkwürdigen Fälle vo^ vicariierender Menstruation durch die Nase. So beschrieb Korstakow einen sehr interessanten Fall von periodischem Nasenbluten, wo es sich um ein kleines Mädchen im Alter von 1 Jahr und 11 Monaten handelte, das an dieser periodisch auftretenden Blutung aus der Nase litt. Die Brüste waren stark entwickelt, der Mons Veneris stark behaart.^)


1) H. Zwaardemaker a. a. 0. S. 263—264.

') „Die l>i8heTigen Beobachtungen von physiologischen Be- ziehungen der oberen Luftwege zu den Sexualoiganen** von Gustav Endriss. Inaug. Dissert. Würzburg 1892 S. 43.

8) Fliess a. a. 0. S. 1—10.

  • ) Endriss a. a. 0. S. 22—23.
  • ) £or«takow „H^istruatio praecox*^ in: Deutsche Medizinal-

Zeitung vom 22. Februar 1886.

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Beim Coitus pflegt fast bei allen Menschen eine starke Anschwellung der nasalen Genitalstellen aufzutreten, die bisweilen sogar zur Nasenverstopfung führt und dadurch einen Asthma-Anfall hervorruft. Andererseits kennt Flies s Beispiele, wo der Coitus mit experimenteller Sicherheit eine solche Verstopfung löste, die sonst Stunden- lang bestanden hätte.^) Fälle von Nasenbluten bei und nach dem Coitus werden von Endriss, Morell- Mackenzie und Ich Wall berichtet. Letzterer kannte zwei junge Männer, welche nach jedem Beischlaf bis zum Ende ihrer geschlechtlichen Thätigkeit mit Nasen- bluten zu thun hatten. Diese Männer litten auch im Moment der geschlechtlichen Vereinigung an Störungen der nasalen Atmung.^) Unter diesen Umständen wird es nicht Wunder nehmen, dass sexuelle Excesse besonders häufig die Nase in Mitleidenschaft ziehen. Die Onanie ruft sehr häufig Nasenbluten hervor und zwar nicht infolge der Anaemie, sondern durch direkte Beflexwirkung auf die nasalen Genitalstellen. Beobachtungen von Nasenbluten infolge von Masturbation teilen Joal und Girod mit^) femer Alexander Beyer*). Hiemach besteht schon ein direkter grob anatomischer und physiologischer Zusammenhang zwischen Nase und Genitalorganen, der uns später bei der Betrachtung der pathologischen Ver- hältnisse in der sexuellen Osphresiologie noch deutlicher entgegentreten wird.


^) Fliess a. a. 0. S. 107. • •) Endriss a. a. 0. S. 43.

») „Monatsschrift für Ohrenheilkunde" 1889 S. 159.

  • ) ^Nasenbluten nach Masturbation **. Münchener med. Wochen-

schrift 1889 No. 3 S. 41. Merkwürdiger Weise hat Hermann Rohleder in seiner sonst so erschöpfenden Monographie über „die Masturbation** (Berlin 1899) der Beziehungen dör Onanie zur Nase überhaupt nicht gedacht. ^


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3. Psychologie der sexuellen G^erflche.

Die Psychologie der sexuellen Gerüche ist von Carl Max Gie ssler in seinem „Wegweiser zu einer Psychologie des Geruches" (Hamburg 1894) in gedanken- reicher Weise bearbeitet worden. Er teilt die Gerüche nicht nach ihrem spezifischen Wesen ein, sondern nach den anderweitigen Erscheinungen, von welchen ihre Empfindungen gewöhnlich begleitet sind, und nach den psychologischen Prozessen, die sie hervorrufen. Solche Gerüche,inderenGefolgesichbegleitendeTastempfindungen und heftige Organreize einstellen, wie Niesen, Thränen, Husten, Würgen, Ausscheidung des Urins und der Ex- kremente bilden eine Hauptgruppe, die man am besten als die der momentanen physischen Eeaktionen bezeichnet.

Die Antwort des Organismus auf den empfundenen Reiz erfolgt hier fast unmittelbar. Die psychischen Begleiterscheinungen beschränken sich auf eine vorüber- gehende Störung des Gemeingefühls. Die zweite grössere Hauptgruppe umfasst alle diejenigen Gerüche, bei welchen diepsychischenBegleiterscheinungenüberwiegen, während die physische Eeaction in den Hintergrund tritt. Hierzu gehören alle diejenigenGeruchsempfindungen, welche auf die wichtigsten Lebensfunktionen anregend einwirken, also auf diejenigen, welche dem Organismus und der Gattung Erhaltung und Vervollkommnung sichern. Die erste Unterabteilung dieser Hauptgruppe bilden die Gerüche, die bestimmte animalische Organkomplexe, nämlich Nerven- und Muskelsystem erregen. Es sind die beiden Klassen der identifizierenden und der sozialisierenden Gerüche. Identifizierend heissen


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die betreffenden Greröche deshalb , weil die Greruchs- empfindung ein&ch auf den Träger des Geruches zurück- bezogen wird, der Träger als derjenige wiedererkannt wird, von dem die Geruchsempfindung ausgeht oder schon frfiher einmal ausgegangen ist. Die psychische Thätigkeit beschränkt sich auf eine Identifizierung. Die sozialisierenden Grernche sind diejenigen, welche bei dem Zusammenschliessen von Individuen derselben Familie oder desselben Tierstaates vereinigend wirken. Hierher zählt Giessler den Körpergeruch, den Greruch von Gebrauchsgegenständen und bewohnten Räumen. Viele dieser sozialisierenden Gerüche sind den sexuellen Grerüchen beizuzählen und beeinflussen auch das vegetative System in deutlicher Weise. — Die zweite Unterabteilung der zweiten Hauptgruppe enthält diejenigen Grerüche, durch welche vorzugsweise vegetative Organkomplexe er- regt werden. Hierher gehören die idealisierenden, disidealisierenden, gastralen und erotischen Ge- rüche.

Die ersten beiden (idealisierende und disideali- sierende) wirken auf das Atmungs- und Grefässsystem. Mit Hülfe der Atmungsorgane wird jeder Geruch als existenzbegünstigend oder — vernichtend geprüft. Verhält sich der Geruch als existenzbegünstigend, so wirkt er auf das Bewusstsein belebend, und es entstehen ideali- sierende Tendenzen in der Seele des Empfindenden, nämlich ästhetische (Gefühl), ethische (Willen) oder logische (Vorstellung) Tendenzen, welche die Verwirklichung eines idealen Zustandes bewirken. Im Gegensatze dazu rufen die als existenzvemichtend empfundenen Gerüche disidealisierende Tendenzen hervor, welche unästhetischer»


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ungeselliger, immoralischer Natur sind.*) Das Ver- dauungssystem wird durch die gastralen Gerüche beeinflusst, welche die Geschmacksnerven anregen und den Magen zu intensiver Thätigkeit veranlassen. Sie haben Beziehungen zu den idealisierenden Gerüchen, aber auch zu den erotischen Gerüchen.

Diese, die erotischenGerüche,üben einen mächtigen Einfluss auf das Fortpflanzungssystera aus. Gie ssler nennt unter diesen sexuellen Gerüchen nur den Geruch von Geschlechtsstoffen und von Ausscheidungen in der Gegend der Fortpflanzungsteile.^ Ich werde zeigen, dass noch andere Gerüche zu den erotischen gezählt werden müssen, und dass, wie schon erwähnt, ein Teil der „sozialisierenden" Gerüche hier eingereiht werden muss. Giessler hebt mit einigem Eecht hervor, dass die sexuellen Gerüche in der Tierwelt eine sehr grosse Rolle spielen, während dagegen „beim kultivierten Menschen, wenn er geistig normal ist, die erotischen Gerüche wohl eher abstossend als anziehend wirken."') Er betont mit gleichem Recht die grosse Schwierigkeit der Feststellung, welche physischen und psychischen Vorgänge sich an die erotische Geruchsempfindung an- schliessen. Wichtig ist, dass das tierische Empfinden in den erotischen Gerüchen Analogien zu Speise- gerüchen entdeckt. Darauf deutet die Beobachtung, dass mailche Hunde, welche sich dem Gerüche von erotischen Stoffen hingegeben haben, hinterher ein eigen-


^) Ideaüsierende Gerüche sind nach Giessler die Wohlgerüche gewisser Blumen und Parfttms, gewisser Harze, Aether, Oele, Bal- same. SpezieU logisierend ist der Duft des Tabaks, des Kaffees der ozonreichen Luft.

•) Giessler a. a. 0. S. 8.

») a. a. 0. S. 44.


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tümliches Schmatzen hören lassen, wie nach dem Gennsse eines fetten Bissens. Auch das Gebahren menschlicher Wollüstlinge nnd gewisse tierische Akte derselben lassen Giessler vermuten, dass „erotische Gerüche sehr wohl Beziehungen zum Magen zulassen." Er hätte besser sagen sollen: zum Geschmacke, wie ich später an den Beispielen der „Cunnilingui" zeigen werde.

Diese „gastrale" oder nach meiner Ansicht „gustative" Nuance der sexuellen Gerüche tritt jedoch zurück hinter der direkten Beeinflussung des Fortpflanzungssystems. Giessler erklärt dieselbe für eine präparative und erläutert dies an dem Beispiele des Hundes. „Die Phantasiethätigkeit des Hundes gerät durch erotische Gerüche in lebhafte Erregung. Aber ihr Wirkungskreis beschränkt sich infolge der fortgehenden Reizung der Geruchsnerven nur auf denjenigen Vorstellungskreis, welcher sich auf den sexuellen Akt selbst bezieht. Die darauf bezüglichen Vorgänge werden in so lebhaften Farben vorgespiegelt, dass allerlei Vorempf in düngen des Aktes selbst rege werden, so dass das schon im Wahne der Vollführung befindliche Individuum im Wollust- taumel alle Naturgesetze und alle Besonnenheit ausser Auge lässt. Das Angenehme des erotischen Geruches liegt also für den Hund wahrscheinlich darin, dass der Geruch einen Schwall von Vorstellungen und Innervations- empflndungen wachruft, welche sich sämtlich auf den Geschlechtsakt beziehen."^) Nach Ansicht von Giessler erregen beim kultivierten Menschen nicht so sehr die spezifisch erotischen Gerüche als die sozialisierenden und idealisierenden Gerüche das Geschlechtssystem durch


^) Giessler a. a. 0. S. 45.


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Hinleitung der Phantasiethätigkeit auf anregende Ge- sichtsvorstellungen und Erregung von Gefühlen und Stimmungen, wie sie beim Coitus selbst zu Tage treten. Es gebe Männer, bei welchen das Beriechen von Leib- wäsche und Waschkleidern oder das Wahrnehmen be- stimmter Körpergerüche erotische Empfindungen nach sich ziehe. Hier gehe also die Erregung von den „sozialisierenden" Gerüchen aus. Es habe sich bei diesen Individuen durch häufige Wiederholung, vielleicht durch Vererbung unterstützt, eine Anlage herausgebildet* die. Phantasie durch den Geruch der den Leib unmittelbar oder mittelbar bedeckenden Wäschezeuge, oder durch den Körpergeruch auf die Vorstellung der Genitalien selbstüberzuleiten undAnsätzezuInnervationsempfindungen für eine entsprechende Berührung zu erzeugen.^) Ver- fasser glaubt also, dass die „sozialisierenden" Gerüche nur mit Hülfe solcher Associationsvorstellungen sexuell erregend wirken könnten. In Wirklichkeit ist aber diese Art von „sozialisierenden" Gerüchen gar nicht verschieden von den spezifischen sexuellen d. h. von den Genitalien ausgehenden Gerüchen. Die meisten Körpergerüche, welche Giessler zu diesen sozialisierenden Gerüchen zählt, gehören ebenso wie die Genitaldüfte zur Klasse der Caprylgerüche. Daraus erklärt sich die übereinstimmende Wirkung. Das Gleiche gilt von manchen künstlichen Gerüchen. Für die nicht zur Klasse der Capryl- und Moschusgerüche ge- hörigen Parfüms, die trotzdem bisweilen aphrodisische Wirkung ausüben, findet Giessler die Ursache der- selben in der „Aehnlichkeit der Gefühle und Stimmungen,


^) Giessler a. a. 0. S. 46.


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mit denen das Individuum durch die WoWgerüche einer- seits und den Geschlechtsakt andererseits erfüllt wird/' Die physische Basis sei in beiden Fällen dieselbe. Sie besteheimBeschwichtigenundüebertönenallervorhandenen speziellen Empfindungen und Gefühle durch das Auf- kommen eines intensiven Gemeingefühles von grosser Annehmlichkeit. In psychischer Beziehung entspreche dem durch den Wohlgeruch hervorgerufenen Gefühle des Abstreifens des Körperlichen und der momentanen Illusion einer höheren Lebensgemeinschaft beim Ge- schlechtsakt das Gefühl der Hingabe der eigenen Persönlichkeit, sowie die momentane Illusion einer Erweiterung des Lebensinhaltes.

3. Die sexuellen GlerSche in der Pflanzenwelt.

Nunmehr gehe ich dazu über, die materiellen Grundlagen der sexuellen Osphresiologie in der Welt der Lebewesen zu untersuchen. Schon bei den Pflanzen besteht eine solche merkwürdige Beziehung zwischen Riech- stoffen, Düften und dem Fortpflanzungsakte. Wenn man den Frühling und die Blumenzeit als die Zeit der Liebe bezeichnet, wie sie von der Poesie aller Völker und Zeiten gefeiert wird, so ist dies mehr alä ein schwärmer- ischer Einfall. Es ist in der That im Pflanzenreiche die Blütenzeit die Zeit des intensiven Geschlechtslebens. „Die Blume ist Malerei und Dichtung des pflanzlichen Geschlechtslebens" (N o e).

Im allgemeinen kann man von einer indirekten Wirkung der sexuellen Gerüche bei den Pflanzen reden. Während nämlich bei Tier und Mensch die erotischen Gerüche zwischen Tier und Tier, Mensch und Mensch die geschlechtliche Annäherung vermitteln, bedienen sich


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die Pflanzen . in den meisten Fällen der Tiere, welche sie durch ihre Düfte anlocken, um befruchtet zu werden d. h. Tiere übertragen die Pollen auf die weiblichen Blüten.

Wahrscheinlich ist, dass schon bei den höheren Pilzen deren Düfte eine sexuelle Rolle spielen, indem sie Insekten anlocken, welche die Sporen weitertragen. Man sieht oft zahlreiche Insekten und Larven auf solchen Pilzen wie z. B. auf den unter der Erdoberfläche wachsenden Trüffeln, auf der Hirschbrunst (Elaphomyces cervinus), deren Duft aus der Erde hervordringt und die Tiere anlockt. Der Gichtschwamm (Phallus impudicus) ver- breitet einen durchdringenden Aasgeruch, der wohl ebenfalls zur Anlockung von Insekten dient Indessen sind bezüglich der Pilze die Beobachtungen noch nicht genügend sichergestellt.

Desto interessanter und mannigfaltiger sind die Verhältnisse bei den Blütenpflanzen. Da, wie durch Ch. K. Sprengel (1793y) und durch Charles Darwin (1862)'*) gezeigt worden ist, bei Zwitterpflanzen die Selbstbefruchtung weitaus seltener ist als die Befruchtung einer Blüte durch den Pollen einer anderen Blüte der- selben Art, so bedarf der letztere Modus eines äusseren Vermittlers. Das ist entweder der Wind oder ein Insekt. Danach unterscheidet man wind- blütige (anemophile) und insektcnblütige (entomo- phile) Pflanzen. Es ist charakteristisch, dass Pflanzen, deren Blüten vom Winde befruchtet werden, wie z. B.


  • ) Ch. K. Sprengel „Das entdeckte Geheimnis der Natur."

Berlin 1793.

') Ch. Darwin „Die verschiedenen Einrichtungen, durch welche Orchideen von Insekten befruchtet werden." Deutsch von J.V. Carus, Stuttgart 1877 2. Aufl.


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die Gramineen, dnfüose Blüten haben, während die Insekt enblütigen Pflanzen, deren Zahl bedeutend grösser ist als die der anemophilen, sich durch mehrere Einrichtungen an ihren Blüten auszeichnen, welche sie zur Anlockung der Insekten befähigen, besonders durch die Farbe, durch Ausscheidung süssschmeckender Flüssigkeit (Nectar) und durch den Geruch. Es ist von Wichtigkeit, im Hinblick auf die Bestrebungen von Forschem wie Prof. Gustav Jäger u. A., welche dem Gerüche die Haupt- ja die einzige Bolle als Erreger sexueller Triebe und Vorgänge beilegen, darauf auf- merksam zu machen, dass neben den Grerüchen doch auch optische und gustative Eindrücke eine grosse Be- deutung haben. Wo der Geruch allein prävaliert, handelt es sich fast immer um Ausnahmefälle bezw. um patho- logische Erscheinungen. Der Geruch bildet nur einen Faktor, nicht den einzigen, bei der Hervorrufung sexueller Triebe. Das gilt ebenso für die Tierwelt wie für den Menschen.

Man kann über die Bedeutung des Geruches für die Sexualität der Pflanzen interessante Beobachtungen machen. Steht z. B. die fast geruchlose Viola tricolor neben der stark duftenden Viola odorata, so wird, zu- mal an sonnigen Tagen, die letztere, obgleich weniger auffallend gefärbte Blüten tragend, doch viel stärker als jene von Insekten aufgesucht. Enthalten die Blüten nahverwandter Pflanzen Nectar, unterscheiden sie sich aber durch Färbung und Geruch, so werden jene reich- licher besucht, welche bunter gefärbt sind und Geruch besitzen oder stärker riechen. Kommen Convolvulus arvensis und Convolvulus sepium auf gleichem Standorte vor, so wird die erstere reichlicher als die


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letztere von Insekten aufgesucht; erstere duftet, wälirend die letztere uns geruchlos erscheint/) Bemerkenswert ist die Thatsache, dass die Blüten mancher Pflanzen erst mit eintretender Nacht zu duften beginnen (Silene nutans) oder Nachts stärker als bei Tage riechen (Lonicera caprifolium, Piatanthera bifolia) und auf diese Weise nächtliche Insekten (besonders Nacht- schmetterlinge) anlocken. Hesperis tristis, welche Nachts wegen ihrer matten Blütenfärbung nicht zu sehen ist, zieht die Nachtschmetterlinge blos durch den Ge- rach an.2)

Auch übelriechende Pflanzen werden von Insekten besucht. Wir sahen schon, dass der Geruch des Vagi- nalsecretes mit jenem des stinkenden Gänsefusses (Chen o- podium vulvaria) identisch ist. Der Spermaduft gleicht jenem der Kastanie und des Sauerdomes. Das Trime- thylamin der weiblichen Scheide findet sich in den Blüten von Crataegus oxyacantha.^) Die Aristolo- chiaceen, Balanophoraceen, Stapeliaceen, Araceen^Raff- lesiaceen u. a. locken durch Aasgeruch die Insekten an. Auch der Fäkalgestank fehlt nicht unter den Pflanzen, wovon der griechische Zirkelhülsenbaum (Anagyris foetida) und der ostindische Stinkbaum (Stercularia foetida) Repräsentanten sind. Den schrecklichsten aller Gestänke sollen die Blüten des Dracoutium hervor- bringen, welcher jedoch noch von der vor wenigen Jahren auf Celebes entdeckten Riesenblüte des Pseudo-


  • ) ,3iolog:ie der Pflanzen" von JuliusWiesner, Wien 1889

S. 142—148.

  • ) Wiesner a. a. 0. S. 144.

») Wiesner a. a. 0. S. 143.


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Phallus titannm^ einer Aroidee, übertrofEen wird.*) Bienen und Wespen scheinen Pflanzen mit scharfen Gerüchen, wie die Lippenblütler, zn beyorzngen. Die dem Besuche der Schmetterlinge angepassten langröh- rigen Blumen haben vielfach einen besonders würzigen Lilien-, Nelken- oder Vanilleduft. Auch viele Früchte duften sehr stark und locken Tiere an, welche zur Verbreitung der Samen beitragen.

Ob es auch eine direkte sexuelle Wirkung der Gerüche zwischen Pflanze und Pflanze giebt, d. h. zwi- schen männlicher und weiblicher Blüte, ist zweifelhaft. Riviöre zitiert namentlich die Conophallus (Aracee), deren weibliche Blüten einen faulen Geruch bis zu dem Augenblick ausströmen, in dem die männlichen Blüten sie mit dem Produkte ihrer Staubfäden befruchten.*) — Es ist überhaupt eine den Botanikern wohlbekannte Thatsache, dass viele Blumen mit dem Moment ihrer Befruchtung ihren Duft verlieren, ebenso wie viele Tiere nach Ablauf der Brunst nicht mehr so scharfe Gerüche verbreiten wie während derselben.^) Nach Monin tritt bei Orchideen eine halbe Stunde nach der Befruchtung mit Blütenstaub Verlust des Geruches ein.*)


^) Zwaardemaker a. a. 0. S. 233.

  • ) ,J)ie Gerüche des menschlichen Körpers in gesunden und

kranken Tagen" [von Dr. E. Monin übers, von A. Dreyer, Köln 1898 8. V.

  • ) „n parut donc que le döveloppement des odeurs chez les

Corps organis6s a lieu surtout par Tacte de la f6condation et dans les parties memes qui y concourent; tellement qu*apr^ cet acte, la plante d^flenrie, fanim^ qui a mis "has n^ont^'^tus les ni6mes odeurs." E. Tardif ,Jies Odeurs et les Parfüms. L<bxa Influence sur le Sens G6n6sique" Paris 1899 S. 64.

^) Monin a. a. 0. S. V.


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Das Volk glaubt sogar, dass verschiedene Pflan- zen einander riechen. So erzählt der Schwede Eraal in einer Novelle „Der Blumenduft*' (übers, von Hilma Liljequist): „Die Anlagen des Alten (eines alten Edel- mannes der nur für Blumen und Musik lebte) waren oft merkwürdig, und man fand zuweilen eine Puffbohne von den stattlichsten Lilien umgeben oder einen pracht- vollen Eosenstrauch von Zwiebeln dicht eingefasst. Als ich eine Bemerkung darüber machte, antwortete er: „Die Lilien lieben die Bohnen, denn ihre Düfte harmo- nieren, und die Rose liebt es, dass diese Zwiebelritter ihr aufwarten- Shakespeare sagt, dass die Erdbeeren ^ern unter Nesseln wachsen. Ebenderselbe Autor glaubt sogar, dass die Pflanzen den Menschen riechen können. Die Cocospalme welkt, wenn sie einer Woh- nung so nahe steht, dass sie den Atem des Menschen riecht. Das wissen die Singalesen, und sie führen nie ihre Bambushütten nahe an einem solchen Baume auf

4. Die sexuellen G^erQche In der Tierwelt.

Während die Rolle der sexuellen Osphresiologie bei den Pflanzen erst in den letzten 30 Jahren näher er- forscht wurde, ist man seit alter Zeit über die Be- deutung der erotischen Gerüche in der Tierwelt unter- richtet. Schon in der Tierkunde des Aristoteles (Lib*

V Cap. V) heisst es: ne^ yaQ irjy wqav rfjg o^eias dnoQqaiyovat. xa\ Tct ä^QCya xai ra S'i^Xca, xai icoy ä^d-^wy oafxmytai aAAifAcoi'.

Wenn auch die .erotischen Ausdünstungen in besonderer Stäike sich bei den Wirbeltieren, speciell den Säuge- tieren, bemerkbar machen, so fehlen dieselben keines- wegs bjBi Wirbellopen. Nur aiad bei dieaea die Kech- fitoffe oft viel zu schwach, «m vom Mrasehen wahr-


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genomraen zu werden. Aber die stärkere Entwickelung der Geruchswerkzeuge bei manchen männlichen Insekten deutet darauf hin, dass dem von dem Weibchen aus- geströmten Geruch wohl eine Wirkung in sexueller Be- ziehung zukommt. Bei manchen Insekten sind die Weib- chen ungeflügelt, und in einzelnen Fällen kommen sie gar nicht aus der Erde oder ihren sonstigen Schlupf- winkeln hervor, sondern strecken nur einen kleinen Teil ihres Körpers heraus. Trotzdem wissen die Männchen sie zu finden.

Eine südeuropäische Hummel (Bombus fragrons) duftet deutlich nach Rosen. Sehr eingehende Beobach- tungen über die Schmetterlingsdüfte stellte Dr. Fritz Müller an, die im ersten Bande der Zeitschrift „Kosmos" (S. 260 ff.) mitgeteilt wurden.') Stellt man sich im Mai in einem lichten Buchenwalde zur Seite eines Stammes auf, an dem man ein Weibchen des Buchen- spinners entdeckt hat, so wird man bald beim Ausspähen dieses oder jenes Männchen da oder dort in gaukelndem Fluge dahin eilen sehen. Nähert es sich auf seinem Wege nicht zufällig auf geringere Distanz, als 20 — 30 Schritt dem Stamme, so zieht es vorüber. Hat es da- gegen sein Flug näher herangebracht — und wenn es unter den Wind kommt, so genügt auch eine Distanz von über 40 Schritten — so ändert es plötzlich seine Flugrichtung und stürzt schnurgerade auf den Stamm los, umkreist ihn suchend und gaukelnd ein und das andere Mal, bis es das Weibchen entdeckt hat, um sich dann bei ihm niederzulassen. Dass das Männchen nicht durch den Geruchssinn auf die angegebene Entfernung


^) Abgedruckt bei Gustav Jäger „Entdeckung der Seele 3. Aujl Leipz. 1884 S. 27—29.


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von der Anwesenheit des Weibchens Kunde erhält, wird durch die Fälle bewiesen, in welchen das Weibchen auf der entgegengesetzten Seite des Stammes sitzt. Es kann aiiso auf der einen Seite nur der Greruchssinn, auf der andern nur der Besitz eines speciflschen, auf so weiten Abstand wirkenden Ausdünstungsduftes die Ver- einigung herbeiführen.

Auch noch in anderer Weise erhält der Schmetter- lings-Sammler Beweise hierfür. Hat man ein frisch- gefangenes Weibchen eines Schmetterlings in eine üm- hängeschachtel gesteckt, so kann es einem begegnen, dass sich ein Männchen der gleichen Art zudringlich auf die geschlossene Schachtel setzt: es hat das Weib- chen durch den Deckel gewittert.

Hat man das Weibchen eines Schwärmers gefangen, so kann man, selbst mitten in Städten, entfernt von jeder Vegetation, Heimchen, und zwar oft in staunenswerter Zahl, fangen, wenn man das lebende Weibchen Nachts im Zimmer an einem Faden um den Leib aufhängt. Die Männchen stürmen ins Zimmer herein, und zwar nur solche der gleichen Art, wobei der Anflug erst nach Mitternacht beginnt. Jäger nimmt an, dass nur der. Geruchssinn hierbei die Männchen leiten könne, zumal da nach dem Bau ihrer Augen die Insekten nicht be- fähigt seien, auch nur auf einige Meter Entfernung das eigene Weibchen von anderen ähnlichen zu unterscheiden.

Selbst im Puppenzustande macht sich dieser Geruch bei manchen Schmetterlingen schon bemerkbar. So locken weibliche Chrysaliden, z. B. Seidenraupenpuppen, schon vor dem Ausschlüpfen die Männchen an. Bei manchen Tagschmetterlingen besitzen die Männchen be- sondere Duftorgane, pinselartige Anhäufungen von Haar- Hagen, sexuelle Gerüche. 3


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und Scbnppengebilden der Flügel, die ffir gewöhnlich in einem Umschlag des inneren Flügelrandes oder mitten anf der Oberseite der Flügel in kleinen Forchen oder Taschen liegen, aber daraus hervortreten und sich sträuben können, wodurch sie dann als die denkbar besten Ver- breiter solcher Duftstoffe in der Luft thätig sind. Solche zwei kontractilen Taschen besitzt z. B. der Staphilinus 1 e n s , aus denen ein citronenartiger Geruch ausströmt*) Bei anderen ist der Duft bisam- und moschusartig, wie z. B. bei einigen Schwärmern, bisweilen vanilleartig, und bei den Männchen von Papilio Graep angenehm - würzig.

Aber auch hier fehlen nicht die unangenehmen Gerüche. So haucht Herne robius perla einen excre- mentellen Duft aus; ähnlichen Grestank verbreitet Redu- vius Acanthiae.*)

Die grösste Bedeutung hat die sexuelle Osphresio- logie in der Wirbeltierreihe. Da die Verhältnisse bei Amphibien, Vögeln und Fischennoch in keiner Weise erforscht sind,**) so sind wir nur auf die Betrachtung der bezüglichen Verhältnisse bei den Säugetieren ange- wiesen. Dass bei diesen den Ausdünstungen eine grosse EoUe in der Lebensökonomie zukommt, erhellt aus dem charakteristischen Drüsenreichtum der Säugetierhaut. Die Drüsen zerfallen in zweierlei Arten, die Talg- und dieSchweissdrüsen. Beide Arten, aber ganz besonders


>) Tardif a. a.fO. S. 64.

•) Tardif a. a. 0. S. 66.

8) Burdach berichtet, dass man männliche Frösche anlockt, wenn man die mit Froschlaich befeuchtete Hand ins Wasser hält. C,Di6 Physiologie als Erfahrungswissenschaft" yon K. F. Burdach Leipzig 1826 Bd. 1 S. 861). S. auch weiter unten die Beobachtung Ton Darwin bei Schlangen.


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die Talgdrüsen, entwickeln sich bei allen Säugetieren und, wie gleich hier bemerkt sei, auch beim Menschen, unter dem Einflüsse des Geschlechtslebens und der Ge- schlechtsthätigkeit zu besonders energischer Thätigkeit. Bei vielen Tieren bilden sie sogar ansehnliche Drüsen- packete und Drüsenbeutel, eigene Parfümdrüsen im Dienste der Geschlechtsthätigkeit. Dahin gehören die Violdrüsen am Schwänze mancher Camivoren, die Klauen- drüsen der Wiederkäuer, die Brunstfeige am Kopfe der Gemsen, die Moschusdrüsen und die Bibergeildrüsen an der Vorhaut von Moschustier und Biber/) Diese Ge- schlechtsdrüsen sondern Stoffe mit ausserordentlich durch- dringendem und hartnäckigem Geruch ab, der aber beim Moschus und Zibet in starker Verdünnung selbst dem Menschen annehmbar wird.

Die interessantesten Beobachtungen über die Thätig- keit dieser Drüsen während der Brunstzeit hat Charles Darwin angestellt.^) In der Klasse der Reptilien sind während der Paarungszeit die analen Riech drüsen der Schlangen in lebhafter Funktion. Dasselbe gilt für die gleichen Drüsen bei den Eidechsen und für die Unterkieferdrüsen von Crocodilen. Da die Männchen der meisten Tiere die Weibchen aufsuchen, so dienen diese einen riechenden Stoff absondernden Drüsen wahr- scheinlich dazu, das Weibchen zu reizen oder zu be- zaubern, und zwar hierzu viel eher, als dasselbe nach dem Orte hinzuleiten, wo das Männchen zu finden ist»

Was nun die Säugetiere betrifft, so verweist Darwin auf die grosse Abhandlung von Pallas über


^) BichardHeitwig „Lehrbuch der Zoologie". Jena 1892 S. 545.

^ ,,Die Abstammung des Menschen" u. s. w. Stuttgart 1890 S. 398; S. 597—599.

3*


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die Biechdräsen derselben (Spicileg. Zoolog. Fase. VILl, 1779 S. 23) sowie auf die Schildernng dieser Drüsen mit Einschluss derjenigen des Elephanten und der Spitz- mäuse durch Owen (Anatomy of Vertebrates 1866 Bd. HI S. 632). Aus seinen eigenen Beobachtungen hebe ich hervor, dass die abdominalen Drüsen der Spitzmäuse (Sorex) sich bei den Männchen während der Paarungs- zeit vergrössem. Bei vielen anderen vierfüssigen Tieren sind die Drüsen bei beiden Greschlechtem von der näm- lichen Grösse, aber ihr Gebrauch ist unbekannt Bei anderen Species sind die Drüsen auf die Männchen be- schränkt (wie beim Castoreum des Bibers) oder sind bei diesen mehr entwickelt als bei den Weibchen und werden beinahe immer während der Brunstzeit thätiger. In dieser Periode vergrössem sich die Drüsen an den Seiten des männlichen Elephanten und sondern ein Secret ab, das einen starken Moschusgeruch hat Die Männchen, selbst auch die Weibchen vieler Arten von Fledermäusen haben an verschiedenen Teilen ihres Körpers gelegene Drüsen und ausstülpbare Taschen; man glaubt, dass sie einen Geruch von sich geben.

Die scharfe Aussonderung des Ziegenbocks ist wohlbekannt und die gewisser Hirsche ist wunderbar stark und persistent An den Ufern des La Plata fand Darwin die ganze Luft mit dem Gerüche des männ- lichen Cervus campestris bis in eine Entfernung von einer halben Meile windabwärts von einer Herde durch- zogen, und ein seidenes Taschentuch, in welchem er eine Haut nach Hause trug, behielt, trotzdem es wiederholt benutzt und gewaschen worden war, wenn es zuerst entfaltet wurde, Spuren des Geruches noch ein Jahr und sieben Monate lang. Dieses Tier giebt den starken


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Geruch nicht eher von sich, als bis es über ein Jahr alt ist, und wenn es jung castriert wird, sondert es denselben niemals ab/) Burdach berichtet,^ dass der Hirsch sich dem Weibchen immer gegen den Wind nähert, so dass es seine Ausdünstung riecht, und wenn es ihn flieht, so bleibt es mit gestrecktem Halse und offenem Maule stehen, und scheint noch den Dunst der Fliehenden mit Wohlbehagen in sich zu ziehen. — Ausser dem allgemeinen Gerüche, mit welchem der ganze Körper gewisser Wiederkäuer während der Paarungszeit durch- drungen zu sein scheint (so z. B. Bos moschatus), besitzen viele Hirsche, Antilopen, Schafe und Ziegen riechbare Stoffe absondernde Drüsen an verschiedenen Stellen, besonders an dem Gesichte. Die sogenannten Thränensäcke oder Suborbitalgruben fallen unter diese Kategorie. Diese Drüsen sondern eine halbflüssige stinkende Substanz ab, welche zuweilen so reichlich ist, dass sie das ganze Gesicht tränkt, wie D arwin es bei einer Antilope sah. Sie sind gewöhnlich beim Männchen grösser als beim Weibchen, und ihre Bntwickelung wird durch die Castration gehemmt. (Desmarest, „Mam- malogie" 1820 S. 455). Sie fehlen beim Weibchen von Antilope subgutturosa vollständig. Es kann daher kein Zweifel sein, dass sie in irgend einer Beziehung zu den reproduktiven Funktionen stehen. Sie sind auch bei nahe verwandten Formen zuweilen vorhanden und zuweilen fehlen sie. Bei dem erwachsenen männlichen Moschustiere (Moschus moschiferus) ist ein nackter


^) Eengger „Naturgeschichte der Säugetiere am Paraguay" 1830 S. 355.

2) Burdach a, a. 0. S. 351.


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Eaum rund um den Schwanz von einer riechenden Flüssig- keit angefeuchtet, während beim erwachsenen Weibchen und beim Männchen, ehe es zwei Jahre alt wird, dieser Raum mit Haaren bedeckt und nicht riechend ist. Der eigentliche Moschusbeutel ist seiner Lage nach not- wendig auf das Männchen beschränkt und bildet noch ein weiteres riechendes Organ. Es ist eine eigentüm- liche Thatsache, dass die von dieser letzteren Drüse ab- gesonderte Substanz sich der Angabe von Pallas zu- folge während der Paarungszeit weder in der Konsistenz verändert, noch der Quantität nach zunimmt. Nichts- destoweniger nimmt dieser Forscher an, dass ihr Vor- handensein in irgend welcher Weise mit dem Akte der Reproduktion im Zusammenhang steht.

Wenn während der Paarungszeit das Männchen allein einen starken Geruch von sich giebt, so dient dieser in den meisten Fällen wahrscheinlich dazu, das Weibchen zu reizen oder zu locken. Nach Darwin dürfen wir in Bezug auf diesen Punkt nicht nach unserem eigenen Geschmacke urteilen. Denn es sei wohl be- kannt, dass Ratten von gewissen aetherischen Oelen und Katzen von Baldrian berauscht werden, Substanzen, welche weit davon entfernt sind, uns angenehm zu sein, und dass Hunde, trotzdem sie Aas nicht fressen, doch das- selbe beschnuppem und sich darin wälzen.^)

Der angegebene Geruch muss für das Männchen von einer beträchtlichen Bedeutung sein, insofern in einigen Fällen grosse und komplicierte Drüsen entwickelt


  • ) Auch bei den durch eine so enorme Ausbildung des Ge-

ruchssinnes sich auszeichnenden Hunden haben die Geschlechter an ihren Geschlechtsteilen einen specifischen Geruch, der zur raschen Erkennung der GeschlechtsteQe dient — dafür existieren zahlreiche Beispiele in der Litteratur.


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-worden sind, die mit Muskeln zum Umwenden des Sackes und zum Schliessen und Oefbien der Mündung versehen sind. Die Entwickelung dieser Organe durch geschlechtliche Zuchtwahl ist wohl verständlich, wenn die stärker riechenden Männchen beim Gewinnen des Weibchens die erfolgreichsten gewesen sind und Nach- kommen hinterlassen haben, ihre allmählich vervoll- kommneten Drüsen und stärkeren Gerüche zu erben.

Eine wie grosse Rolle der Geruchssinn im Sexual- leben der Tiere spielt, beweist auch die eigentümliche Beobachtung, dass Gerüche die Ursache von ge- schlechtlichen Perversitäten, insbesondere von Homosexualität bei Tieren sein können. In der Sitzung der „Soci^tede Biologie** im Mai 1898 berichtete Charles Fere über merkwürdige Experimente, die er zur Er- härtung dieser Annahme angestellt hatte. Seine Ansicht lautet^): „Man hat eine gewisse Zahl von Beobachtungen über homosexuelle Beziehungen zwischen Tieren ange- führt; aber diese Beziehungen, übrigens häufig sehr un- vollständig, kommen zwischen Männchen nur bei Ab- wesenheit von Weibchen vor. Jedoch will man Insekten in flagranti bei homosexuellem Verkehr überrascht haben, ohne dass man die sexuelle Isolirung dafür ver- antwortlich machen konnte. Insbesondere sind die Mai- käfer der freiwilligen Paederastie (sit venia verbo! Uebers.) angeklagt worden. Die Copulationen von männ- lichen Maikäfern figurieren in den Annalen der tierischen Criminalität. Ich hatte schon lange Bedenken über diese Interpretation, da ich glaubte, dass der Geruch der Weibchen, mit dem die Männchen imprägniert werden


  • ) Abgedruckt bei Tardif a. a. 0. S. 74-76.


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können, einen solchen Irrtum hervorrufen könne. Diese Vermutung war um so wahrseheinücher, als die Experi- meijte von Raphael Dubois') deutlich zeigen, in welchem Maasse der Geruchssinn Irrtümer des Sexual- triebes bei gewissen Insekten hervorrufen kann.

Ich habe den experimentellen Beweis für diese Hypothese auf folgende Weise erbracht. Ich liess eine grosse Zahl von Maikäfern sammeln, die zunächst nach dem Geschlechte von einander getrennt wurden. Am folgenden Tage setzt man in ein mit Blättern angefülltes Glasaquarium eine bestimmte Zahl von Männchen und Weibchen. Dann wurden die den Beischlaf vollziehenden Maikäfer herausgenommen und, sobald sie sich trennten^ wurden die Männchen dieser Paare mit neuen Männchen in ein besonderes Behältnis gebracht. Andererseits waren Männchen, die seit 24 Stunden isoliert waren, noch imprägnirt mit den Gerüchen der Weibchen, nachdem sie ihr Genitale in die weibliche Kloake eingeführt hatten, in welche die Drüsen eine Absonderung ent- leeren, deren sexuell erregende Eigenschaft seit langer Zeit bekannt ist.^) Man setzte diese Männchen eben- falls mit der gleichen Zahl frischer Männchen in ein ähnliches Behältnis, um sie zu beobachten.

Diese Beobachtung umfasste also 3 Gruppen: 1. ganz frische Männchen; 2. frische Männchen zusammen mit den künstlich mit weiblichen Gerüchen imprägnirten Männchen; 3. frische Männchen mit solchen, die kurz


^) Eaphael Dubois „Sur le röl* de Tolfaction dans les ph6no- in^nes d'accouplement chez les papUlons" (Assoc. pour ravancement des Sciences 1895 Ire partie, p. 293.

  • ) J. E. V. Boas „Organe copulateur et accouplement du

hanneton (Oversigt over det Kgl. Danske Videnskabernes selskabes, etc., Copenhague 1892.)


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vorher normalen geschlechtlichen Verkehr gehabt hatten.

Diese mit weiblichen RiechstofEen imprägnierten Männchen wurden durch Abschneiden des einen Flügels kenntlich gemacht.

Das Resultat der Beobachtungen ist in der folgenden Uebersicht dargestellt:

Zahl der beobachteten Zahl der homosexuellen Paare Copulationen

1. Frische Maikäfer 300

2. Frische und künstlich

imprägnirte Maikäfer 208 2

3. Frische und eben sexuell

thätig gewesene Maikäfer 210 17

Unter diesen 19 Copulationen hatten alle „Passiven" einen abgeschnittenen Flügel, d. h. alle diejenigen, die mit weiblichen Riechstoffen imprägniert waren, wurden von den frischen Männchen gewählt. Bei 2 Copulationen (1 von der zweiten und 1 von der dritten Gruppe) hatten sowohl der „aktive" als auch der „passive" Maikäfer einen abgeschnittenen Flügel. Diese Ausnahmen be- weisen nur, dass das Abschneiden eines Flügels nicht die sexuelle Erregung verhindert; und die Copulation aus der dritten Gruppe zeigt, dass die sexuelle Erregung beim männlichen Maikäfer sich nach 24 Stunden schon wieder- holen kann.

Die grosse Zahl von homosexuellen Verbindungen in der dritten Gruppe scheint zu beweisen, dass die Ermüdung der Maikäfer, die soeben den normalen Coitus vollzogen haben, sie für die passive Rolle prädisponirt. Aber die günstigste Bedingung dafür ist die Retraktion des Penis. Denn wie schon Laboulböne gesehen hatte, und wie ich es bewiesen habe, dringt bei der homo- sexuellen Verbindung das Glied nicht in den Anus,


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sondern in die Penis-Rinne ein. Die Bilder von Boas machen es verständlich, dass dieses Eindringen nur im Zustande der Buhe geschehen kann/)

Aber der Zustand der Euhe, wie er am besten bei den die Geschlechtsverbindung eben vollzogen habenden Männchen realisiert ist, ist nicht die einzige günstige Bedingung. Die Aufmerksamkeit des frischen oder aus- geruhten Tieres muss noch durch den weiblichen Geruch erregt werden. Die nicht damit imprägnierten Männchen werden nicht zum homosexuellen Verkehr gewählt.

Die „homosexuellen" Maikäfer sind mehr solche, die gewissermassen in eine Falle gegangen sind, als invertierte oder criminelle. Solange man nicht die Be- dingungen für eine solche Täuschung ausschliesst, können die Beobachtungen einzelner Fälle nicht die Realität der freiwilligen oder instinktiven Inversion beweisen, deren man diese Tiere beschuldigt hat."

Es ist möglich, ja nach meiner Ansicht wahrschein- lich, dass auf solchen Täuschungen auch manche eigen- tümliche Beziehungen zwischen Menschen und Tieren beruhen, namentlich wenn letztere gewisse Sympathien mit menschlichen Wesen zeigen. Moll, be- merkt, dass in Zoologischen Gärten sich oft eine auf- fallende Freundschaft zwischen Tieren und weiblichen Personen entwickelt. Es wurde ihm von einem er- fahrenen Beobachter mitgeteilt, dass es ganz besonders männliche Vögel und männliche Affen seien, die von Damen mit dieser Freundschaft beglückt werden.


^) Strauss-Durkheim „Consid^rations g6n6rales sur l'ana" tomie comparee des animaux articules, auxquelles on a Joint l'anato" mie descriptiveduMeloloutha vulgaris (hanneton)" 1828 S. 300-


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„Mein Gewährsmann, der Jahre lang diese Dinge beobachten konnte, ist der Ansicht, dass das Tier sehr wohl zwischen männlichem und weiblichem Geschlecht beim Menschen unterscheide, und dass sich hierbei eine Vorliebe des männlichen Tieres für die weibliche Person entwickelt und erst hieraus . die Bevorzugung der männ- lichen Tiere durch die Frauen hervorgehe.*")

Darwin, dieser unermüdliche und scharfsinnige Beobachter, der überhaupt eine auffällige Uebereinstim- mung der die Fortpflanzung betreffenden Verrichtungen bei den Säugetieren constatiert, glaubt, dass manche Affen durch den Geruch menschlicher Weiber ge- schlechtlich erregt werden und teilt interessante Be- obachtungen darüber mit: „Marcs a diversis generibus Quadrumanorum sine dubio dignoscunt feminas humanas a maribus. Primum, credo, odoratu, postea aspectu. Mr. Yonatt, qui diu in Hortis Zoologicis (Bestiariis) medicus animalium erat, vir in rebus observandis cautus et sagax, hoc mihi certissime probavit, et curatores ejusdem loci et alii e ministris confirmaverunt. Sir Andrew Smith et Brehm notabant idem in Cyno- cephalo. Illustrissimus Cuvier etiam narrat multam de hac re, qua ut opinor nihil turpius potest iudicari inter omnia hominibus et quadrumanis communia. Narrat enim Cynocephalum quendam in furorem incidere aspectu feminarum aliquarum, sed nequaquam ascendi tanto furore ab Omnibus. Semper eligebat juniores et dignoscebat in turba et advocabat voce gestuque."'^)

^) „Untersuchungen über die Libido sexualis" Ton Dr. med. Albert Moll, Berlin 1898 Bd. I ?. 430.

  • ) Ch. Darwin „Die Abstammung des Menschen etc." S. 10.


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Der zuletzt erzählte Fall spricht wohl dafür, dass es eben gewisse, den Ausdünstungen weiblicher Affen ähnliche Grerüche menschlicher Weiber sind, die eine sexuelle Erregung bei männlichen Affen hervorrufen, gewissermassen letztere über die Natur der Trägerin dieser Gerüche täuschen, was wahrscheinlich ist, da nicht alle weiblichen Personen eine solche Wirkung auf Affen ausüben.

Gustav Jäger zieht aus diesen thatsächlich be- obachteten Beziehungen zwischen Tieren und Menschen verschiedenen Geschlechtes weitreichende Schlüsse. Nach ihm gelingt bei wilden Tieren die Zähmung des Männchens einer Frau leichter, die eines Weibchens dem Manne: „Meine beiden zahmen Wölfinnen z. B. \7aren an mich und meine Kinder anhänglich wie Hunde, für Frau und Magd hatten sie nur Knurren und böse Blicke. Eine Hündin attachiert sich viel inniger und leichter einem Manne, als ein Eüde, während es sich bei der Frau um- gekehrt verhält. Mancher Hundefreund würde viel lieber eine Hündin halten, da die Frau aber nicht mit ihr auskommt, muss er sich mit dem Rüden begnügen. Dass die männlichen Stiere von einer Magd sich viel leichter be- handeln lassen, als von einem Knecht, ist eine nicht minder bekannte Thatsache. Meine Erfahruugen erstrecken sich über Marder, Füchse, Bären, Antilopen, Hirsche, Katzenarten, Zibethkatzen und Papageien, bei welchen letzteren die kreuzweise Sympathie oft ganz eklatant sich kund giebt." Jäger hält es für undenkbar, dass diese Thatsachen auf die dem Gesichtssinne zugänglichen morphologischen Unterschiede der Geschlechter beim Menschen zu beziehen wären, und erblickt das Wirksame im Ausdünstungsgeruch. Dies zeige sich denn auch


beim Hunde ganz deutlicli in dem Umstände, d&ss die mäimlidieii in der HeDStniationsperiode ihren Herrinnen gegenüber viel liebenswürdiger sind und in demselben Falle auch anderen weiblichen Wesen nachziehen, die sie sonst ganz unbeachtet lassen. Es sei das die Wirkung des veränderten weiblichen Ausdünstungsgeruches. Aus diesen Thatsacheu folgert Jäger, dass die spezifischen Geschlechtsgerüche der verschiedensten Tierarten etwas Crem ein schaftliches haben müssen. Die zwischen den Weibchen verschiedener Tiere bestehende morpho- logische Äehnlichkeit bedinge auch eine Aehnlichkeit im Ausdiinstungsgeruche.')

Ob die sexuelle Osphresiologie bei allen von Jäger angegebenen Tieren in ihren Beziehungen zum Menschen eine Rolle spielt, bleibe dahingestellt. Bei einigen thnt sie dies sicher.

5. Die sexuellen Geruch« beim Senschen.

Das Studium der sexuellen Osphresiologie beim Menschen ist von Frankreich ausgegangen, welches Land auch fernerhin die wichtigsten Beiträge zu diesem £apitel der menschlichen Physiologie geliefert hat. Im Jahre 1821 veröffentlichte Cadet-Devanx im 9. Bande der „Kevue Encyclop^die" eine grosses Aufsehen erregende Abhandlung „De l'atmosph^re de la femme et de sa puissance"') , vrelche — worauf später ausführlicher zurückzukommen sein wird — durch den Driburger


') G. Jager „Entdeckung der Seele" B. I S. 39—32.

^ Calet-DeTBux „De Tatmosphöre de la femme et de b& pnisaance" in: Bevue Encyclop^que ou Ajialyse Baieonnfie des pioductions les plus lemaiquables dane la litt^rature, lea sciences et les arta. Par TJne B^union de Membres de Tlnetitut etc. Tome IX Paris 1821 S. 427-445.


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Badearzt Anton Theobald Brück in Deutschland be- kannt gemacht wurde und auch von Goethe gelesen und beachtet worden ist. Der Verfasser erzählt in der Einleitung, dass er in einer Unterhaltung mit dem Grafen R. über den Musiker Gretry auf dieses Thema gebracht worden sei. Er sagt dann, dass der hauptsächliche Eindruck, den eine hübsche Frau auf uns macht, nicht durch ihr Gesicht, ihre melodiöse Stimme, ihre graziösen Bewegungen hervorgerufen werde, sondern durch die eigentümlichen Ausdünstungen ihres Körpers, welche er als die „Atmosphäre der Frau" bezeichnet. „Si c'est le plus ordinairement par la vue d'une jolie femme qu'on est k l'instant frappe, ce sera souvent aussi sa voix melodieuse, sa danse legere qui nous enchanteront; mais surtout ce sera cette Emission voluptueuse qui, s'exhalant de la surface du corps de la femme, constitute l'esp^ce d'atmosphöre, objet de cette observation".i)

Aus den nächsten 60 Jahren ist mir keine spezielle monographische Behandlung dieses Themas bekannt ge- worden. Erst im Jahre 1886 veröffentlichte Professor Augustin Galopin eine, wie es scheint, in Deutschland wenig beachtete grössere Studie „Le Parfüm de la Femme", die zwar das Thema sehr oberflächlich — feuilletonistisch behandelt, aber eine Menge interessanter, wenn auch bisweilen spezifisch französischer Beobachtungen mit- teilt") Für Galopin besteht die Liebe nur in dem Gemche. La femme respireo est aimöoP) Dieser


^) Cadet-Devaux a. a. 0. S. 429.

  • ) „Le Parfüm de la Femme" et le sens olfactif dans Famour"

J^tude Psy cho-Physiolog:ique par Augustin Galopin. Paris 1886. ») Galopin a. a. 0. S. 100.


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„Parfüm de la femme" oder „Odor di feniina**, ^vie die ItalieDer sagen, drückt das Wesen der geliebten Frau am reinsten und intensivsten aus. „Wenn man einen Geruch riecht, imprägniert man sich mit der Materie des riechenden Körpers selbst; wenn man eine Frau riecht, imprägniert und sättigt man sich mit dem lebendigen Parfüm dieser Frau. — Aucune assimilation amoureuse ne se fait plus promptement et plus radicalement que par le nez/")

Der Begriff des „Odor di femina" bezw. der sexuellen Gerüche des menschlichen Körpers überhaupt setzt sich zusammen aus der Hautausdünstung, dem Haardufte, den spezifischen Gerüchen der Geschlechtsteile und ihrer Um gebungen, sowie in geringerem Masse aus dem Aroma des Mundes.

Ueber das Ensemble dieser Gerüche kann nur die subjektive Empfindung des jeweiligen Beobachters aussagen. Die wissenschaftliche Untersuchung kann nur die Natur der einzelnen sexuellen Gerüche analysieren^ Indessen will ich, mit allem Vorbehalt bezüglich der Richtigkeit dieser Beobachtungen , erwähnen, dass G a 1 o p in die Frauen je nach ihren Ausdünstungen in verschiedene Kategorien einteilt. Es ist nach ihm nichts Seltenes^ dass Frauen eine natürliche Ausdünstung von Moschus haben, so dass sie in weniger als einer Stunde das Badewasser mit diesem Körpergeruche zu parfümieren vermochten. Sehr viel seltener und sehr viel gesuchter sind nach Galopin die nach Ambra duftenden Frauen. Sie werden von den Männern länger geliebt, was darauf hinzudeuten scheint, dass letztere den Geruch von Ambra


Galopin a. a. 0. S. 91.


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demjenigen des Mochus vorziehen. Besonders Blondinen mit aschblondem Haar haben einen sehr zarten Duft nach Ambra. Manchmal haben auch Frauen mit kastanienbraunem Haar diesen Geruch, aber öfter den- jenigen nach Veilchen, der besonders an die Ausscheidungen aus den Talgdrüsen geknüpft zu sein scheint. Bei brü- netten Frauen findet man oft einen Geruch von Eben- holz, der sich nicht selten bei der Periode mit einem leichten, aber nicht unangenehmen Moschusduft verbindet. — Galopin glaubt sogar nach diesen verschiedenen Kategorien die — Liebhaber dieser Frauen einteilen zu können. Diejenigen Männer, welche den Veilchen- und Ambrageruch lieben, sind zärtlicher und treuer. Deshalb vermögen hell- und dunkelblonde Frauen ihre Liebhaber länger zu fesseln als die Brünetten. Allerdings werden die letzteren leidenschaftlicher und despotischer geliebt, aber weniger tief und dauerhaft.^)

Schon Albrecht von Haller hat behauptet, dass der Geruch der Geschlechtsteile, welchen die Weiber von sich geben, auch beim Menschen auf die Männer erregend wirke^). Und unzweifelhaft kommt den Genitalgorüchen eine gewisse Rolle in der sexuellen Osphresiologie zu. Monin erblickt sogar den spezifischen „Odor di femina" in dem Vaginalgeruche.^) Ich habe schon früher die Chemie der Vaginalgerüche besprochen und darauf hingewiesen, dass letztere zu der Klasse der Caprylgerüche gehören, welche als die erotischen Gerüche par excellence bezeichnet werden können, und


  • ) Galopin a. a. 0. S. 139-141.

«) A. V. Hall er „Gynäkologie" 4. Aufl. Stuttgart 1843. ßd. V Teil 9 S. 65 — Cit. nach A. Moll a. a. 0. S. 378. ») Monin a. a. 0. S. 60.


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wie wir sahen, nicht nur auf die Geachlechtateile be- schränkt sind. Nach Monini.hat der Vaginalschleim gewöhnlich einen faden, charakteristischen Geruch, der zur Zeit der Regel stärker wird. Der natürliche Geruch der Tteiblichen Scheide ist ein sehr wenig aufdringlicher, worauf in Uebereinstimmung mit Monin schon Berthold aufmerksam gemacht hat.*) Nur während der der tierischen Brunstzeit entsprechenden Menstrualperiode wird er stärker. Sonst kann er nur durch Mangel an Pflege und Unreinlichkeit an diesen Teilen vermehrt werden.^) Auch , das Smegma der vulvaren Talgdrüsen hat bei weitem nicht den unangenehmen scharfen Geruch des Praeputialsmegma. Die Vergleichung dieses Geruches mit demjenigen zersetzten Talges oder ranzigen Fettes^) oder

mit dem Gerüche des Käse (nach dem berühmten schottischen Arzt Dr. Cullen) trifft wohl auch nur für unreinliche Frauen zu. Nach Dr.ßu liier soll allerdings gerade dieses „Smegma yulvae" besondere erotische Wirkungen auf leicht erreg- bare Männer ausüben*). Die Inder scheinen die Differ- enzen im „Odor di femina" speziell von den Ausdünstungen der weiblichen Genitalien abhängig zu machen. Ploss- Bartels macht darüber die folgenden Mitteilungen:


^) „Beim weiblichen Geschlecht ist die Absonderung des Fettes, sowie der mit der Geschlechtsfunktion indirekter Beziehung stehenden Stoffe, namentlich der Milch, des Genitalienschleimes copiöser: aber dennoch erscheinen dergleichen Secretionsstoffe oft indifferenter als beim Manne, — indem dort sowohl das Fett blasser, minder consistent, milder schmeckend ist, als auch die Genital- secretionen weniger durch eigentümlichen Geruch sich auszeichnen." A. A. Berthold, Artikel „Geschlechtseigen- tfimlichkeiten" in: Handwörterbuch der Physiologie etc. von Rud. Wagner Braunschweig 1842 Bd. I S. 611.

  • ) Galopin a. a. 0. S. 154.

«) Monin a. a. 0. S. 60.

  • ) Cloquet a. a. 0. S. 128.

Hagen, sezaelle Gerüche. 4


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„Die Weiber werden in der indischen Sdirift in yier besonders benannte Klassen geteilt, in dieLotosdnf tigen, die Padmini, die Bunten, die Cittini,die Sdmeckigen Cankini und die Elefantigen, die AttinL Von diesen Weibern beisst es nun im Eokkögam: Die Lötos- duftige: ihre^i^WFe^-, D^al^ gleichen der Bilvafrucht (Acyle man;^^^ wb j^g^iptfilElichkeit besteht darin, dass das saio^anir, das Liebesei^ret (die bei der Coha- bitation ausfliestest Igta^li^it]^ ohne Unterlass fliesst und sich m^ dem Geruch der l]j|marei vergleichen lässt, welche schSk^^^t^üt^blä^ Ihr Geschlechtsteil

gleicht den Blfit^mäb^ der roten Wasserrod^ uiid ist gleich einem heiligen Geheimnis.

Die Bunte: ihre aufknospenden Brflste werdm dick, ihre Schenkel haben Gtoldfarbe. Ihr Liebesexeret ^l^icht dem Geruch des tgn (Honig, Palmensaft); ihr Greschlechts- teil ist schön, weil er eine sehr reichliche Behaarung besitzt, wie wenn man eine Gemfiseart (Hirschalme?) in Beihe und Glied auf eine goldene Schüssel legt. Ihr Liebesexeret ist milde und reichlich ausströmend, da der Geschlechtsteil scheibenförmig auseinander ge- zogen ist

Die Seh neckige ist sehr mager und ohne Fülle ... an dem (Geschlechtsteile hat sie schwarze Haare und dieser Teil ist zusammengedrückt anzusehen und das hervorströmende Liebesexeret riecht salzig.

Die Elefantige: ihr Körper ist gross und reich an Haaren und der Teil ihrer Vulva geht in die Breite, weil darin ein hervorragendes trockenes Mani (Mittel- perle des Rosenkranzes, Clitoris) steht, und ihr Liebes- exeret hat den durchdringenden (3eruch, wie die Flüssig-


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keity welche aus dem Obre des brünstigeii Blefanten

fliesst^O

Ploss-Bartels ftthrt aus, dass diesen Schildeniiigeii reale Verhältnisse zu Grunde liegen, und dass die alten Inder sehr gut die Differenzen in den verschiedenen weib- lichen Grenitalien erkannt haben.^

Eüaen zweiten Faktor der sexuelTen Gerfiche bildet die allgemein eHautausdänstung, die im wesentlichen hervorgerufen wird durch die Absonderungen der Talg- und besonders der Schweissdrfisen. Die in beiden enthaltenen Riechstoffe gehören auch hier wiederum zu der ^erogenen" Klasse der Caprylgerttche^. Wir sahen schon, dass die Sohlenfläche mancher Tiere mit Schweiss- drfisen reichlich ausgestattet ist, deren Ausscheidungen während der Brunstzeit eine wichtige sexuelle RoUe spielen. Der Caprylgemch des Schweisses kann bis- weilen in den des Moschus übergehen, so dass Galopin's Beobachtung von Weibern, die nach Moschus riechen, bestätigt wird. Schon Haller erwähnt, dass der menschliche Schweiss bisweilen einen Moschusgeruch ver- breitet*). Dies soll nach Valentin von einer Art von chemischen Umlagerung herrühren, aus welcher sich auch erklärt, warum eine Anzahl anderer Stoffe tierischen öder pflanzlichen Ursprungs gerade diesen selbigen Geruch


  • ) „Das Weib in der Natur- und Völkerkimde" von Dt. H. Ploss

und Dr. M. Bartels Leipzig 1891. Bd. I S. 132—133.

  • ) Im vierten Bande seiner „Studien zur Geschichte des

menschlichen Geschlechtslebens" (Charlottenburg, Verlag von H. Barsdorf 1900) wird Dr. Eugen Dühren das Sexualleben der Inder in seinem ganzen Umfange behandeln und darin auch die anatomischen und physiologischen Ansichten der Inder Qber die menschlichen Geschlechtsteile ausführlich darstellen. (Anm. d. Verl.)

») Zwaardemaker a. a. 0. S. 229, 270.

  • ) Zwaardemaker a. a. 0. S. 17.

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entwickeln. fClaquet zählt zahlreiche derartige Moschus- gerüche ans dem Tier-, Pflanzen und sogar Mineralreiche auf.*) Hiemach scheint die BehauptungZwaardemaker's gerechtfertigt, dass auch die Moschusgertiche bei einer Anzahl von Tieren die sexuelle Rolle zu erfüllen haben und sich unmittelbar an die sexuellen Caprylgerüche anschliessen.

Man hat nun die allgemeine Hautausdünstung je nach ihrer Intensität an verschiedenen Körperstellen Ipkalisiert und sie in besondere Beziehungen zur sexuellen Osphresiologie gesetzt.

. Vor allem kommt hier der Geruch der Achsel- höhlen in Betracht. Nach HyrtP) zeigt sich die dünne und zarte Haut der Achselgrube bei Brünetten stärker pigmentiert, im männlichen Geschlechte stärker als im weiblichen behaart, ,äusserst empfindlich für Kitzel (daher „chatouilloir" und „titillie" der älteren französischen Anatomen) und mit ansehnlichen Talg- drüsen ausgestattet, deren Secret sich mit dem abun- danten Secret der durch ihre Grösse ausge- zeichneten Schweissdrüsen dieser Gegend mischt Die Fettsäuren und die ammoniakalischen Bestandteile (alkalischen Salze nach Eobin) sind zugleich die Ursache eines spezifischen Geruches, der besonders bei unrein- lichen Leuten als sogenannter Bocksgeruch auftritt, den schonAristophanesals tQayofidsxaXog erwähnt und auf den sich das Catullische Epigramm :

Valle sub alarum trux habitare caper bezieht. Es ist der Caprylgeruch in höchster Potenz. Ambroise Pare (Chirurgie Buch IX Kap. 39) führt die

^) Zwaardemaker ib. S. 16.

^ Joseph Hyrtl „Handbuch der topographischen Anatomie" 7. Aufl. Wien 1882. Bd. H S. 378.


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Intensität des Achselgeruches auf die konkave Gestalt der Achselhöhle und die dadurch bedingte mangelhafte Perspiration derselben zurück^). Reinlichkeit vermag den Geruch der Achseln sehr zu beschränken, undGalopin giebt an, dass er bei manchen Frauen nichts Unangenehmes habe, dass bei einigen sogar die Achseln nach Veilchen oder Ambra riechen, wenn man die Achselhöhle unbedeckt der freien Luft aussetzt.

Bei anderen Frauen freilich sei der Bocksgeruch der Achselhöhlen so ausgesprochen, dass Katzen die damit durchtränkten Hemden und Kleider ihrer Herrinnen zerrissen.

Man hat auch von besonderen Schulter-, Busen- und Halsgerüchen gesprochen. Besonders die Hals- düfte, welche dort beginnen, wo die Grenze zwischen dem behaarten Kopf und dem Nacken ist, sollen eine starke erotische Wirkung ausüben. Jene Stelle wird von einigen französischen Schriftstellern u. a. auch von Guy de Maupassant als besonders zum Küssen ein- ladend bezeichnet.^) Professor Jäger lokalisiert hier seine „CerebralafEekte", die man am besten am Halse riecht, wofür das Sprichwort spreche: „Du hast's hinter den Ohren." Dasselbe besage nämlich: Man sieht dem Menschen den Affekt nicht an der Miene an, sondern man muss hinter die Ohren riechen, um zu wissen, woran man mit ihm ist Weiter erklärt diese Thatsache die bekannte Erscheinung, dass das Raubtier seinem Opfer vorzugsweise nach dem Halse beisst, weil es eben hiei^ den als Lustduft auf seine Nase wirkenden Angstduft


') Monin a. a. 0. S. 6*

^) A. Moll „Die konträre Sexualempfindung" Berlin 1893. S. 167.


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seines Opfers am stärksten riecht (I!) Auch bei der Liebe ist nach Jäger dasselbe zu beobachten. Bei Vögeln, z. B. Hflhnem, ist es zu sehen, aber auch bei den Sängetieren: Der Hengst, bevor er die Stute bespringt, beriecht mit offenen Nästem ihren Hals und beisst sie während der Begattung oft geradezu in den Nacken. Das Gleiche sah Jäger yon Esel und Quagga. Die Katzen zeigen dieselbe Erscheinung, auch sie beissen die Eätzin im Wollustaffekt in den Nacken, und der Mensch macht keine Ausnahme: in Wollusterregung presst er den Kopf an den Hals des Partners, küsst ihn, ja beisst unter Umständen wirklich hinein.^)

Der bei manchen Personen penetrante Geruch des Fussschweisses ist wohl in der normalen sexuellen Osphresiologie ohne Bedeutung, hat dagegen, wie wir sehen werden, in forensischer und pathologischer Be- ziehung Einfluss.

Desto wichtiger ist der Duft der Haare, welchem von jeher eine bedeutende sexuell erregende Wirkung zugeschrieben wurde. Nach Gustav Jäger sind beim Menschen und den Säugetieren die Haare ebenso die spezifischen Duftorgane wie bei den Vögeln die Federn. Fritz Müller fand, dass die Duftorgane der Schmetterlingsmännchen eigens geformte, öfter haar- förmige Schuppen sind, die oft förmliche Pinsel bilden nnd entfaltet werden, wenn das Männchen um das Weibchen wirbt. Bei der Entfaltung der Duftpinsel tritt eine auch der menschMcfaen Nase sehr wahrnehmbare Wolke von Duft auf.*)


>) Jäger »Entdeckung der Seele" S. 121. «) G. Jäger a. a. 0. S. 191.


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Jäger machten eine ähnliche Wahrnehmong bei Vögeln. „Wenn der l^thahn oder der Pfanhahn ihr Rad schlagen, die Federn sträuben nnd schütteln, so entströmt ihnen eine Wolke von Duft, die ein nahe stehender, feinriechender Mensch leicht wahrnimmt, und bei einer Masse von Vögeln ist das Sträuben und teilweise noch das Schütteln der Federn eine bekannte Manier, wenn das Männchen das Weibchen umwirbt, z. B. bei Trappen, Paradiesvögeln, allen Fasanenarten, dem Haushahn, den TaubeUj den Sperlingen e tutti quanti. Damit sind jetzt auf einmal die lang entwickelten Putzfedem erklärt, von denen man bisher mit Darwin glaubte, sie seien nur dazu da, um auf das Auge des Weibchens zu wirken. Das ist Nebensache; die Hauptsache ist: sie sind hoch- entwickelte Duftorgane.^ Beim Säugetiere ist nach Jäger die Sache weniger deutlich. Der Hund sträubt die Rückenhaare, wenn er um die Hündin wirbt. Ebenso der Gemsbock. Auch die Brusthaare am Hals und Bauch des männlichen Hirsches haben dieselbe Bedeutung.

„Beim Menschen ist die Sache vollständig deutlich, und „volksbekannt**, wie ^. B, das Sprichwort lehrt:

„Wo Haar steht, ist Freude". Das ist der

Ausdruck für die Thatsache, dass an dem Menschen die behaiarten Eörperstellen einen weit stärkeren Aus«  dfinstiHigsstQfE haben, als die unbehaarten, und dass diese Düfte lusterregend sind. Femer ist Thatsache, dass stark behaarte Menschen viel stärker duften als schwach- behaarte. TSmer meiner Korrespondenten schreibt mir hierüber: „Struppig trockenes Haar bei Frauenzimmern erregte mich in meinen jungen Jahren stets geschlecht- lich, glattgestrichenes, niederpomadisiertes Haar gerade


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entgegengesetzt. Damit stimmt die ' andere Thatsache, dass lockige, langhaarige, kran^aarige Männer stets viel mehr Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht ausüben als glatthaarige, schlichthaarige, kurzgeschorene und kahlköpfige; in der That kann man sich leicht über- zeugen, dass bei erstereii der Haarduft viel intensiver ist als bei letzteren: begreiflicherweise, weil die ver- dunstende Oberfläche grösser ist. Verliebte krauen einander häufig leidenschaftlich gern in den Haaren, und auch im Verhalten von Eltern und Kindern kann man das Gleiche beobachten .... Die langen Haare des menschlichen Weibes sind verlängerte Duftor- gane, und langes, reiches Haar gilt bei Frauen unbe- dingt als wertvolles Schönheitszeichen. "^)

Die Art des Haargeruches ist nach Mo nin sehr schwer definierbar und bei verschiedenen Personen ver-

»

schieden*). Nach Galopin durchtränkt der allgemeine „Parfüm de la femme" in konzentrirtem Masse die Haare. Dies ist das „Bouquet" des Körpers, welches jeden künstlichenParfüm überflüssigmacht. Dieser Geruch des lebenden Haares wird von vielen Coiffeuren genau von demjenigen abgefallener Haare unterschieden, welche ihren Geruch verlieren. In der Liebesekstase nehmen die Haare oft einen deutlichen Ozongeruch an.*)

Der Geruch des Mundes gehört zwar nicht zu der engeren Klasse der sexuellen Gerüche, wird aber von Vielen, besonders von den Dichtem als ein mäch- tiger Faktor sexueller Anziehung oder auch Abgtossung betrachtet. „La fraicheur de Fhaleine est la premifere

») G. Jäger a. a. X). S. 122—123.

«) Monin a. a. 0. S. 13.

») Galopin a. a. 0. S. 115—116.


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condition de la seduction feminine" heisst es in dem Toiletten-Handbuch einer erfahrenen Weltdame'), und ein angenehmer, aromatischer Geruch des Mundes hat von jeher als eines der Zeichen menschlicher Schönheit gegolten. Ob der Kuss, welcher nach Günther^) eine Eigentümlichkeit der Völker arischen Stammes zu ^sein scheint, ursprünglich mit dem Beriechen des Mundes zusammenhängt, oder was wahrscheinlicher ist, mit Be- rührungs- und Geschmacksempfindungen, ist nicht sicher gestellt. Doch spricht man auch von einem „Aroma" des Kusses, von duftigen und berauschenden Küssen.

Ein modemer französischer Symbolist, Edmond Haraucourt hat die lokalen Verschiedenheiten des „Odor di femina", für welchen die Franzosen eine be- sonders feine Nase zu haben scheinen, in folgender „Symphonie" besungen:^)

Ton Corps est une Symphonie
De parfums qui chantent en choeur
Et dont la troublante harmonie
M'emplit d'extase et de langueur:
Hs* s'envolent comme des trilles,
Perlant la gamme des plaisirs
Et rythmant du front aux cheviUes
Une sonate de desirs.
Quand ta bouche s'ouvre et se mouille
On dirait que tu bois du ciel;
Et pour mes levres qu'elle fouille,
Ta langue a le gout blond du miel.
  • ) Vicomtesse Nacla „Le Boudoir" Conseils d'E16gance" Paris

s. A. S. 90.

«) R. Günther „Kulturgeschichte der Liebe", Berlin 1899 S. 167.

  • ) Le Sire de Chambley (Edmond H ) „La Legende des Sexes" Brüssel 1893 S. 65-66.


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Ta salive sent la drag6e
Lorsque dans nos baisers mordants
J*aspire par longues gorg6es
Ton äme qui vient sor tes dents.
Ta nuque a des sentenrs fragrantes
Et tes lourds cheveux, sons ma main,
Ont les souplesses odorantes
Dn ch^vre feuille et da Jasmin.
Ta peau fleare l'iris et Tambre,
Dont eile impr^gne les coossins,
Et le myst^re de ta cbambre
S'embanme anx chalenrs de tes selns.
Sons tes bras de Jonen antique
Ta couves des ferments salins
Dont la tiMeor aromatiqne
Flotte antonr des davets cälins.

Im letzten Verse, den ich fortlassen zn müssen glaubte, besingt der Dichter sogar den Oder genitalinm feminearom.

Es sind nunmehr die besonderen Einflüsse and speciellen Verhältnisse zu besprechen, welche im Stande sind, den „Oder di femina^' zn verändem nnd ihm ein speciflsches Gepräge zn geben.

1. Alter. — Da das Sexualleben des normalen Menschen erst mit der Mannbarkeit beginnt, so tritt auch nach der Angabe der meisten Schriftsteller der specifische sexuelle Geruch erst um diese Zeit ant Vor- her ist, wie J äger sich ausdrückt, der Duft ein indiffe- renter, ein „leerer und fader."*) Auch der Geruchs- sinn ist in der Zeit vor der Pubertät sowohl beim Manne


  • ) G. Jäger a. a. 0. Bd. I S. 182.


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als auch bei der Frau bedeutend geringer ausgebildet, was schon von J. J. Rousseau und Cabanis mit der geschlechtlichen Entwickelung in Verbindung gebracht wurde.*) Erst mit der Geschlechtsreife entwickelt sich der typische „Sexualduft*', welcher bei der Frau nach den drei natürlichen Phasen, der Zeit der Pubertät, der Ehe und der Menopause verschieden ist^)

Der Geruch der noch unbertthrten, mannbaren Jung- frau wird von vielen kompetenten Beobachtern als ein s^r angenehmer geschildert. „La jeune fille'S sagt Galopin, „dont les sens n'ont pas encore parl6, est sensiblement aromatique; eile sent le vent et le soleil du printemps, l'eau fraiche frambois^e. Celle qui est amoGOreuse a un parfum plus prononcöe.^) Nach Jäger ist der AusdflnstungsstofE der reinen Jungfrau — im Gegensatze zu dem der Frau — von einer „ganz ausser- ordentlichen Reinheit und fast bis zur Geruchlosigkeit gehenden Feinheit'^ und es ist eben dieser Mangel an Duftstärke, welcher „der Stube der Jungfrau jene Weihe verleiht, die in dem Kultus der „unbefleckten, heiligen Jungfrau'^ ihren prägnantesten Ausdruck findet'^ Ja, tias Volk denkt sidi tue Jungfrau so gerucUos, dass selbst ihre Winde noch geruchlos seien."*)

Sobald das junge Mädchen sich verliebt, ändert sich nach Jäger auch sein Ausdfinstungsstoff, wenigstens quantitativ. Er ist weit stärker.

Dagegen ist nach demselben Autor der sexuelle Gtemioh d^ir Fr^n qnftiititf.iv frani. f>i\iAoh\M\tm Ain iLuderer


») Tardif a. a. 0. S. 77. ^ Galopin a. a. 0. S. 120. >) ib. S. 195.

  • ) Jäger a. a. 0. I S. 185.


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als der der nnberährten Jungfran. Jäger nennt ihn den „Frauenduft" und bezieht ihn auf die mit der Ver- heiratung eintretende physiologische Funktionirung der Begattungsorgane, so dass erst bei^der Frau die speci- ftschen Genitalgerüche auftreten.*)

Nach der Menopause und dem Aufhören der physio- logischen Thätigkeit der weiblichen Geschlechtsorgane macht sich allmählich der Geruch des Greisenalters bei der Frau bemerkbar, der als ein sehr angenehmer geschildert wird. Nach Bertrand de Saint-Germain atmet im Alter die Haut einen Duft nach trockenen Blättern aus,*) und Galopin vergleicht den natürlichen Parfüm alter Frauen mit dem Gerüche trockener Rosen- blätter oder welker Lindenblüten.^)

2. Tageszeit und Witterung, — Die Frauen sind wie die Blumen, welche ihre süssesten und be- rauschendsten Düfte in der Morgen- und Abenddämmerung, bei den ersten Strahlen der aufgehenden und den letzten Strahlen der untergehenden Sonne verbreiten. Doch giebt es auch Frauen, deren Ausdünstung in der Nacht am stärksten ist. Auch die Witterung ist von Einfluss; Vor einem Gewitter, bei schwüler Luft, ist der „parfum de la femme" besonders intensiv. Bei den ersten Tropfen Regen vermindert er sich ganz deutlich. Die hygro- metrischen Verhältnisse der Atmosphäre beeinflussen nicht nur die Schärfe unseres Geruchssinnes, sondern auch die relative Stärke unserer Ausdünstungen.*)


  • ) Jäger a. a. 0. I. 192—194.

") Monin a. a. 0. S. 2.

') Galopin a. a. 0. S. 121. — Jäger dagegen (a. a. 0. 1, 239) bezeichnet .den Greisenduft als den des „modrigen Holzes".

  • ) Galopin a. a. 0. S. 180—181; S. 190-19J.


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3. Konstitution. — Magere Frauen haben im Allgemeinen eine verminderte Ausdünstung, da mit grosser Magerkeit meist eine gewisse Trockenheit der Haut ver- bunden ist Bei fetten Frauen sind die Schweissporen und Talgdrüsen ungewöhnlich gross, wodurch eine über- mässige Transpiration und vermehrte Absonderung von Fettsäuren durch die Talgdrüsen entsteht, welche Ver- anlassung zu einem intensiven „Odor di femina" geben, weshalb solche Frauen von Muselmännern bevorzugt werden. „En sorte que Tindolent musulmane, qui pre- före ä la taille svelte de Eoxelane une femme forte et corpulente, laisse prendre, par mollesse, Tinitiative au toucher sur le sens de l'odorat, blas6 d'aiUeurs par les parfums sans cesse exhales de ses cassolettes."*)

.4. Haarfarbe. — Es ist sicher, dass Brünette stärkeren „Odor di femina" haben, als Blondinen, beide aber durch die rothaarigen Frauen in dieser Beziehung übertroffen werden. — Galopin 3tellt folgende (wohl nur für Franzosen „riechbare") Skala auf, welche die Eeihenfolge der sexuellen Gerüche in abnehmender Stärke verzeichnet. 1. Negerin und Mulattin. 2. Dunkle Brünette mit stark pigmentierter Haut. 3. Dunkle Brünette mit weisser Haut^ ausgenommen am Halse, den Vorderarmen, den Hüften und den Knieen. 4. Dunkle Brünette mit ganz weisser Haut auf der die Venen überall durch- schimmern, mit leuchtendem Haar. 5. Helle Brünette. 6. Dunkelblonde. 7. Helle Blondine.

Die Rothaarigen nehmen bei Galopin eine be- sondere Stellung ein; er bezeichnet ihren Parfüm als einen besonders eigenartigen „tout ä fait caract6ristique, flu ou

^) Cadet-Devaux a. a. 0. S. 436.


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trös rechercb^/'O D|e Brünetten, haben nacji ihm. einen Ebenholzgemch, nach Monin einen Bittermandelgernch,^) die Blondinen oft einen Grernch nach Ambra. Dass die rothaarigen Franen eine besonders intensive Ausdünstung haben, hat auch ein gewiss in dieser Frage kompetenter naturalistischer Schriftsteller beobachtet, auf den ich weiter unten nodt zurSckkomme.^

5. Klima. . — Bewohner heisser Länder haben einen stärkeren Hautgeruch als diejenigen kalter, und „wie die Pflanzen der heissesten Zone am stärksten duften, so duftet auch die menschliche Blume, um ein Goethe- sches Wort zu gebrauchen, in diesen Gegenden stärker.^^) — Im Uebrigen verweise ich auf das Kapitel „Ethnologie der sexuellen Gerüche."

6. Einfluss von Nahrung und Arzneien. — Es ist unzweifelhaft, dass die Nahrung einen grossen Einfluss auf die Art des menschlichen Ausdünstungs- geruches ausübt. Von Tieren berichtet Jäger, dass ein Hund, den man mit Pferdefleisch füttert, nicht bloss penetranter, sondern auch anders riecht, als wenn man ihn mit allerlei Küchenabfällen füttert, also als Omnivoren behandelt. Holmgren erzielte bei Tauben, die er aus- scLliesslich mit Fleisch fütterte, eine raubvogelähnliche Abänderung des Ausdünstungsgeruches.^) Im allgemeinen haben Vegetarier eine schwächere Ausdünstung als Fleischesser. Trüffeln sollen nach G alopin dem Schweisse


^) Galopin a. a. 0. S. 186—187.

s) Monin a. a. 0. S. 2.

') „Odor di Femina" Amours Naturalistes Par E. D. London 1890 z. B. S. 34: „Jci, chez cette grosse fille ronsse, l'odeur etait plus forte qtte cbez la brune."

  • ) Monin a. a. 0. S. 3.

'^) Jäger a. a. 0. Bd. I S. 6—7.


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ihren Geruch mitteilen.*) Der letztere Autor kennt auch den Einfluss gewisser Medikamente auf die mensch- liche Ausdünstung. Der Genuss von Leberthran giebt dem Schweisse einen Geruch von konservirten Sardinen. Arsenhaltige Arzneien rufen oft sehr f ötide Achselschweisse hervor, wie dies Monin bei einer Dame beobachtet hat. Schwefelkalium macht den Schweiss nach Schwefelwasser- stoff riechen, Zinkphosphor nach Knoblauch.

7. Alkoholismus. — Menschen, die dem Alkohol- Genüsse in allzu grossem Masse huldigen, lassen in ihrer Hautausdfinstungeinen deutlichen Alkoholgeruch erkennen. Im Delirium tremens verbreitet der Schweiss einen Aldehydgeruch.*)

8. Kleidung. — Durch dunkle Kleidung wird der Geruch der menschlichen Haut vermehrt, da dieselbe mehr Riechstoffe absorbiert als helle Kleider. Schwarz nimmt am meisten Gerüche an, dann folgt Blau, dann Eot, dann Grün. Gelb nimmt schon sehr wenig an und Weiss kaum so viel, dass es sich bemerken lässt. Der „Wollapostel" Jäger hat ganz vergessen, dass die Wolle

— abgesehen von ihrer offenbaren irritierenden Wirkung

— ebenso wie die Seide Gerüche viel leichter annimmt als Baumwolle und Leinwand, und daher die Intensität des menschlichen Parfüms erhöht.') Für die meisten Menschen ist die wollene Kleidung viel zu warm, sodass die Haut zu häufigem Schwitzen neigt*), was den Parfüm

Galopin a. a. 0. S. 123.

^ Galopin S. 125, 127.

') A. Kühner „Grundriss der öffentlichen und privaten Ge- sundheitspflege" Leipzig 0. J. S. 467.

  • ) G. Meyer Artikel „Kleidung" in Eulenburg's „Real-

Encyklopädie der gesamten Heilkunde" Wien und Leipziir 1897 Bd. XII S. 350. ^


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sicher nicht verbessert. Luftige,, leichte Kleider sind eine wesentliche Bedingung, dass der „Odor di femina" keine unangenehme Natur annehme.

9. Affekte. — Freude, Schmerz^ Ruhe und Zorn, alle Excitationen und Depressionen verändern den „Par- füm de la Femme". Das melancholische Temperament soll niemals mit so angenehmem Odor corporis verbunden sein wie da^ sanguinische. Die Secretion der Thränen- drüsen soll^ weni^ sie lange anhält, dem „Odor di femina" etwas vom Mäusegeruch beimischen. Auch Thränen verändern die menschliche Ausdünstung.*) Jäger hat sogar einen besonderen „AfEektduft" auf- gestellt.

10. Geschlechtliche Enthaltsamkeit. — ; Eine übermässige sexuelle Abstinenz soll, nach Galopin die Stärke des natürlichen Ausdünstungsgemches vermehren, sowohl bei der Frau, wie. beim Manne. Daher hat dieser „odeur de confessional et de presbytfere" schon manchem Beichtkinde den Kopf verdreht Es soll dieser charak- teristische „Abstinenzgeruch" beim Manne von der Resorption der Samenflüssigkeit herrühren, welche durch Lymphe und Blut aufgenommen, durch die Haut aus- gedünstet wird. Auch zu plötzlicher Abstinenz ge- zwungene Witwen erleiden eine specifische Verände- rung ihres sexuellen Geruches.^)

11. Menstruation. — Fast bei allen Frauen ist der „Odor di femina" während der Menstruation von einer unangenehmen Natur. — Jäger sagt darüber: „Es ist volksbekannt, dass die Frau während der

1) Galopin S. 194.

  • ) Galopin S. 124, S. 129.


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Menstruation einen ganz eigentümlichen, widerwärtigen ^ an alte Heringe erinnernden Ausdünstungsduft hat, an den sich mancher vielleicht zum Teil begründete Volks- glaube knüpft: „In dieser Zeit soll z. B. die Frau keine Butter stossen, keine Blumen giessen und kein Garten- geschäft verrichten, weil die Pflanzen verderben u. s. f., kurz, der Duft ist unangenehm."*) Es giebt viele Äerzte^ die das Vorhandensein der Periode bei Frauen riechen, ohne sich jemals zu täuschen. Die Ursache dieses speci- fischen Menstrualgeruches wird verschieden aufgefasst. Nach Jäger wird er durch den „heringsartigen" Duft des Menstrualblutes hervorgerufen, der sich dauernd in Kleidern und Betten festsetzt (sogenanntes „Frauengift" Jäger 's) und besonders stark auf die Stimmwerkzeuge wirkt, was eine allen Sängerinnen bekannte Thatsache sei.^) Andere heben neben diesem aufdringlichen Trime- thylamingeruch der Genitalien das Sauerwerden des Schweisses während der Menstruation hervor, wodurch ein säuerlicher „Parfüm de la femme" entsteht.^) End- lich ist der Geruch des Mundes nicht ohne Bedeutung. Zur Zeit der Regel atmen die Frauen nach Monin ge- wöhnlich einen starken, unerträglichen Geruch aus dem Mund, der an den Duft der Zwiebel erinnert. Es wäre also für die Frauen zur Zeit ihrer Periode eine recht rigorose Durchführung der Hygiene des Mundes ratsam.

12. Coitus. — Dass vor, während und nach dem geschlechtlichen Verkehr der natürliche Odor corporis sich intensiver bemerkbar macht, ist erklärlich, weil


Jäger a. a. 0. Bd. I S. 196—197.

2) Jäger's Monatsblatt Stuttg. 1882 Bd. I S. 193.

  • ) Monin S. 1; Galopin S. 110.

Hagen, aexueUe Gerüche. ^


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dieser Akt überhaupt mit einer gesteigerten Thätigkeit nicht bloss des Herzens, sondern anch der Hautdrüsen verknüpft ist. Bald soll dieser Odor in actu ipso be- sonders von der Achselhöhle ausgehen,*) bald nach dem- selben am ganzen Körper auftreten.*) Der Philosoph Demokrit soll diesen Odor voluptatis sehr genau ge- kannt haben. Als Hippokrates bei ihm zum Besuche war, war er sehr erstaunt, dass der Weise eine weib- liche Person, die mit ihm kam, den ersten Tag richtig als Jungfrau und den zweiten Tag als Frau begrüsste. La Motte le Vayer stellt es als sehr wahrscheinlich hin, dass Demokrit in diesen Entscheidungen nicht, wie Diogenes Laertius meint, seinöm Auge, sondern seiner Nase gefolgt sei.*) Man führt oft das Beispiel eines Blinden an, der beim Nachhausekommen durch den Oeruch erkannte, dass seine Tochter sich in seiner Ab- wesenheit hatte verführen lasseh. Jäger konstatiert einen wirklichen „Liebesrausch" durch die fortgesetzte Einatmung eines partnerischen Ausdünstungsduftes, der sogar individuell verschieden wirke, da die eine durch die Liebe rasend gemacht wird, die andere schwärmerisch gestimmt, die dritte närrisch u. s. w. wird. „Durch die Poesie aller Völker hindurch geht die Parallele von Weib und Wein (ähnlich wie die von Weib und Blume), und das kommt nicht blos daher, dass sie beide über- haupt Lust spenden, sondern weil die Wirkung beider bis ins einzelne hinein physiologisch ähnlich ist."*)


^) CaBparaBeies ,,Campu8 Elysius jucundanun quaestionum'* Frankf. 1670 S. 470.

  • ) Sinibaldus ,,Geii«anthropeia etc." S. 843.

^ Carus Sterne „Jägers Mitbewerber um die Entdeckung^ 1er Seele": Jägers Monatsblatt IX S. 7.

  • ) Jäger' 8 „Entdeckung der Seele" Bd. 1 S. 135—136.


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13. Einige specielle Verhältnisse. — Man hat, wohl unter dem Einflüsse der würzigen Frische der länd- lichen Natur einen besonderen „Oder di femina" bei Bauernmädchen konstruirt, der etwas Belebendes und Bezauberndes haben soll. Ein moderner Schriftsteller !hat diesen Volksglauben in seinen (etwas zu derb- naturalistischen Schilderungen verwertet, indem er die Abenteuer eines 'Geruchsfetischisten unter französischen Bauernmädchen erzählt, und immer wieder deren natur- ifrischen „Parfüm de la femme** den künstlichen Par- füms der Pariser vornehmen Frauenwelt und Demi-Monde .igegenüberstellt Nur auf dem Lande findet man nach ihm den wahren „Odor di femina"*) Es ist klar, dass »diese Annahme nur insofern zutrifft, als man bei Bauem- anädchen häufiger eine bessere Gesundheit und infolge- dessen normalere Perspirationsverhältnisse finden wird. Im Uebrigen wird die auf dem Lande so verbreitete XTnreinlichkeit gerade das Gegenteil hervorrufen, und so «agt schon Cadet-Devaux, dass die Atmosphäre der Bäuerinnen sehr häufig eine sehr unangenehme sei: ^,Elles n'ont pas cette propret6, ces doui parfums, et isurtout cette atmosph^re, le plus puissant des charmes de leur sexe."*)


^) ,^ooeuT6 parlea senteurs affadissantes qu'exhalent les d6graf4es anQ8qu6es et faid^es de tous les mondes, y^ritables poup^s en cire, »qui se liyrent ä vos caresses, veiües et inertes sans la moindre ombre de pudeur, incapables d'une 6tinceUe, je fus pris de la fan> taisie d'essayer du piquant des amours natuialistes. — Aussi yiens- Je de me yantrer, honni soit qui mal y pense, dans la nature jus- qu'au cou, fermi^res, faneuses, moissonneuses, vendangeuses, femmes •«t fiUes m'ont foumi des terrains d'exp^rience, et j'ai trouy6 la toutes les senteurs inhärentes k leur sexe, la v^ritable y,odor 41 femina." — „Odor dl Femina, Amours Natundistes Par E. D. Anteur de Mes amours avec Victoire." Londres 1890 S. 7 — 8.

") Cadet-Devaux a. a. 0. S. 435.


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Seit alter Zeit bekannt ist der specifische Ge- ruch der Prostituirten, der „Odor lupanaris" nach Juvenals berühmter sechster Satire, wo es heisst*):

Mox, lenone suas iam dimittente pueUas, Tristis abit et, quod potuit, tarnen ultima cellam Clausit, adhuc ardena rigidae tentigine vulvae, Et lassata virie nee dum satiata recessit Obscurisque genis turpis fumoque lucemae Foeda lupanaris tulit ad pulvinar odorem.

ünmässiger geschlechtlicher Verkehr scheint eine» merkwürdigen verschlechternden Einfluss auf die Natur der menschlichen Ausdünstungen zu üben, und kompetente- Beobachter haben zu allen Zeiten den üblen Greruch der geschlechtlichen Lastern Fröhnenden hervorgehoben. Vielleicht liegt die Ursache des Foetor puellarum publi- carum, den Monin als einen unangenehmen ranzigen: bezeichnet^), in der Uebertragung der Ausdünstungsstoffe der zahlreichen Männer, denen sie sich während der Ausübung ihres Berufes hingeben müssen. Zum Teil aber auch wird der Odor lupanaris durch die in den Bordellen in überreichlichem Masse gebrauchten künst- lichen Parfüms hervorgerufen. Hierzu kommt noch, dass^ „vix unum reperias libidini inauctoratum, qui oris prae se ferat suavitatem."^) Ganz andere abweichende An- sichten hat Jäger, nach welchem die puellae publicae überhaupt keinen Geruch haben.^)


  • ) D. Junii Juvenalis Satiramm Libri Quinque ed. C. Fr. Her-

mann Leipzig 1894 S. 31. (Sat. VI, Vers 127—132.)

) M onin a. a. 0. S. 1.

«) Sinibaldus a. a. 0. S. 844.

  • ) „Freudenmädchen von Beruf halten sich schon aus Erwerbs-

rticksichten stets ungemein rein, viel reiner als verheiratete Pratien^ Schon deshalb sind sie geruchloser und wirken weit weniger er- regend auf den Mann. Sind sie lange dabei, so haben sie meist eine sehr schöne, reine, aber schlangenkalte, weisse Haut, ohne


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Ein Teil der Beobachter, welche von einem be- sonderen „Oder lupanaris" reden, geht vielleicht auch von der Thatsache aus, dass überall da, wo weibliche Wesen in grösserer Zahl beisammen sind, sich die „Atmosphere de la femme" intensiver bemerkbar macht. Dies kann man z. B. sehr häufig auf Bällen beobachten, -wo allerdings durch die Körperbewegung die Hautaus- dünstung noch vermehrt wird. Eine derartige Beobach- tung teilt Freiherr von Nordkirch in seinen „Er- innerungen"-, mit.^) Das Gleiche gilt vom Harem, bei dem allerdings der reichliche bei Orientalen übliche •Gebrauch von Parfüms in Betracht gezogen werden muss. Dr. A. Th. Brück erzählt von einem achtjährigen Knaben, der, als er in einen Saal trat, in welchem so- •eben eine grosse Damengesellschaft versammelt gewesen war, zu seiner Mutter sagte: „0, wie riecht es hier nach Damen !"2


Vieles von dem, was über den „Parfüm de la femme" gesagt worden ist, trifft auch für die sexuell wirksame Ausdünstung des Mannes zu. Bei starken, kräftigen Männern soll dieser „Odeur de Thomme" bedeutend inten- siver sein als bei effeminierten, verweichlichten Männern.^)

aUes natürliche Fett, ohne Geschmeidigkeit und fastohneallen ^Geruch. Nun haben aber aUe die verrückte Idee, sich durch Pomade und sonstiges Parfüm besonders annehmbar zu machen, wodurch sie im Gegenteil den Eindruck einer parfümirten Leiche anachen, wozu die Kälte ihrer Haut wesentlich beiträgt." Jäger führt diese Geruchlosigkeit auf die Degeneration der Ovarien zurück!! — Vgl. Jäger a. a. 0. Bd. I S- 19a

  • ) „Ueber Land und Meer** 1877 No. 43 S. 863. — Vergl. auch

Jäger a. a. 0. Bd. I S. 30,

^) „Goethe's Naturwissenschaftl. Correspondenz" herausg. von X Th. Bratanek, Leipz. 1874 Bd. I S. 76.

») Tardif a. a. 0. S. 79.


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Die zwei typischen sexualen Secrete, das der Vorhaut- talgdrüsen und des Sperma, gehören zu der Gruppe der Caprylgerüche, der specifischen Sexualgerüche.

Bei den männlichen Moschustieren, einigen Antilopeik und Nagern weist die kolossale Entwickelung der Vor^ hautdrüsen auf die grosse sexuelle Bedeutung dieser Absonderungen hin. Beim Menschen ist die Entwickelung derselben eine viel geringere, ihre Bedeutung kaunr noch vorhanden, und der Geruch des „Smegma praepu- tiale^* macht sich höchstens in einem unangenehmen^ anti aphrodisischem Sinne bemerkbar.

Man hat auch von einer „Aura seminalis" de» Mannes gesprochen, die in der Pubertät sich zuerst zeigt,, und eine Abschwächung des sogenannten Bocksgeruches sein soll, den die Tiere während der Brunstzeit verbreiten. „Dieser Geruch ist eins der wichtigsten Symptome des Samenfiebers Borden 's und findet sich am stärksten bei enthaltsamen Männern. „Bios hirquitallire qui non coeunt", sagten die Alten. Dieser specifische Geruch hängt nach Matt ei von der Aufnahme der Samenflüssig- keit in die Circulation, und von der Ausscheidung des riechenden Princips auf die Haut ab. Jedenfalls ver- schwindet der Samengeruch mit der Abnahme der ge- schlechtlichen Funktionen.'") — Richtig ist die That- sache, dass der männliche Samen einen sehr lebhaften,, ganz eigentümliche!! Ausdünstungsgeruch hat, dem Jäger eine „Distanzwirkung" auf das weibliche Ei zuschreibt.*)?

Eine besondere Rolle spielen die mann lieh enr Barthaare, deren Ausdünstung offenbar auf viele Frauei^


') Monin a. a. 0. S, 2.

«) Jäger a. a. 0. BcL I 8. 35 ff-


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eine sexuelle Wirkung ausübt. Philostratos beschreibt den Protesilaos, den ersten vor Troja gefallenen Griechen f olgendermassen : „Er ist höchstens etwa zwanzig Jahre alt. In diesem Alter schiffte er nach Troja. Ein zarterFlaum umblüht sein Kinn undduftet lieblicher als der Nachherbst der Myrte.*) Interessant ist die Aeusserung von Montaigne über den Schnurrbart als Duftfänger: „Celuy qui se plainet de nature, de quoy eile a laisse riiomme sans Instrument ä porter les senteurs au nez, a tort; car elles se portent elles mesmes: mais ä moy par- ticulierement, les moustaches que j'ay pleines m'en servent; si j'en approche mes gants ou mon mouchoir, Todeur y tiendra tont un jour: elles accusent le lieu d'oü je viens. Les estroicts baisers de la jeunesse, savou- reux, gloutons et gluants, s'y colloient aultrefois^ et s'y tenoient plusieurs heures aprez."^)

Wie man von dem überaus angenehmen und lieb- lichen Dufte berühmter Frauen wie z. B. Diana von Poitiers und Ninon de TEnclos berichtet, so sollen auch einige hervorragende Männer sich einer solchen angenehmen Ausdünstung erfreut haben. Plutarch, der" auch schon des wunderbaren Zusammenhangs der Gerüche mit der im Innern des Menschen verborgen webenden Psyche gedenkt, erzählt in seinem Leben Alexanders des Grossen, dass dieser alle seine Kleider und die Zimmer, in denen er sich aufhielt, blos durch die eigentümlich wohlriechende, nach Veilchen duftende- Ausdünstung seiner Haut mit schönem Duft erfüllte^ welcher ohne Zweifel von der Vorzüglichkeit seines Temperaments hergerührt habe, welches sehr warm und voll Feuers gewesen sei und, gleichsam wie die Sonne

') Carus Stern« a. a. 0. S. 9.

  • ) Montaigne a.a. 0. Livre I Chap. 55 S. 291.


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bei den arabischen und persischen Gesträuchen, so bei ihm die Säfte zu den schönsten Düften gekocht habe. — Malherbe, Cujas und Haller sollen einen ange- nehmen Moschusgeruch verbreitet haben/)

Scheinbar sehr wichtig ist die Frage nach den Ver- hältnissen der sexuellen Ausdünstung bei Eunuchen und Kastraten. Nach Jäger muss dieselbe unbedingt von der des unverletzten Mannes verschieden sein. Beiden müsse der Spermaduft folilen. Und Eunuch und Kastrat müssen sich dann noch dadurch unterscheiden, dass ersterem „mit dem Penis auch der Penisduft d. h. der Smegmaduft fehlt. Bei den Tieren kann sich jeder leicht überzeugen, dass das kastrierte Tier ganz anders duftet als ein unkastriertes, der Ochse anders als der Bulle, der Wallach anders als der Hengst."^) Jäger scheint die interessante Notiz übersehen zu haben, welche sich an einem allerdings sehr versteckten Orte findet, nämlich in Roubaud's „Traite de ITmpuissance". Dort heisst es, dass die Haut der Kastraten weich, glatt und blass sei und „säuerlich" rieche. Roubaud unterscheidet aus- drücklich den Kastratenduft von dem der normalen Männer^). Inwieweit dies richtig ist, bleibe dahingestellt. Doch sagt schon der alte Venette, dass „die Ver- schnittenen, welchen man noch die Rute lasset, die Weiber inbrünstig lieben, und weil sie viel schwächer am Ge- müte, als zuvor, auch viel fähiger zur Liebe seien. Wenn ihre Einbildung einmal erhitzt ist, und eine Art des fliessenden und wässrigen Samens, welcher sich in ihren


  • ) Monin.a. a. 0. S. 2.

») Jäger a. a. 0. Bd. I, S. 202—203.

  • ) P^lix Rouband „Trait6 de rimpuissance et de la St6rilit6

^hez Fhomme et chez la femme". 3. M. Paris 1876. S. 59.


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prostatibus oder Samen-Bläschen findet, ihre männlichen Glieder treibet, so kann man nicht sagen, wie weit sie mit ihrer unordentlichen Liebesbrunst gehen."*) Ob also, da der Sexualtrieb. wenigstens bei den Kastraten nicht gelitten hat, die Aufstellung eines besonderen „Odor" derselben berechtigt ist, erscheint fraglich.

Man hat auch von einem besonderen W oh Ige ruch der Heiligen gesprochen, welchen Gegenstand beson- ders Görres im zweiten Bande seiner „Christlichen Mystik" sehr ausführlich behandelt. Nach Hammond ist dieser Heiligengeruch keine blose Phrase, sondern der Ausdruck •einer Neurose, wobei die Haut im Augenblick religiöser Ekstase mehr oder weniger angenehme Düfte ausströmt^). Wenn man diesen Wohlgeruch bei wieder ausgegrabenen Leichen von Heiligen konstatiert hat, so rührt das viel- leicht daher, dass bei fetten Menschen der Fettansatz sich im feuchten Boden in ambraduftendes Leichen- wachs (Adipocire) verwandelt.


Eine gesunde Konstitution, passende Diät, Abstinenz von Alkohol, eine gute Verdauung, gute Zähne, Pflege des Mundes, des Gesichts, äusserste Reinlichkeit des ganzen Körpers und last not least leichte Kleider — das sind die Ursachen eines angenehmen „Odor di femina". Eine Frau, die alle Männer durch ihre Frische bezauberte, obgleich sie nicht besonders schön war, und nach der Ursache dieser angenehmen Eigenschaft gefragt wurde.


  • ) Nicolai Venette „Abhandlung von Erzeugung der Men-

schen". Königsberg und Leipzig 1738. S. 544. — Vergl. auch die zahlreichen Angaben über diesen Punkt bei Moll j,Libido sexualis". Bd. I, S. 422—424.

«) Monin, S. 2. Galopin. S. 201.


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gab zur Antwort: une proprete recherchße, et des^ vetemens 16gers! Aehnlicli erklärte die Aebtissii> von Fontevrault, die in ihrem Kloster nur hübsche, an- ziehende Mädchen hatte, dem darüber erstaunten Cadet- Devaux, dass sie schon lange beobachtet habe, dass^ die körperliche Frische, die Regelmässigkeit der Züge,, Jugend und Heiterkeit nur aus der Pflege des Körpers- und aus seiner Gesundheit entspringen^), ein Gedanke,,- den kürzlich C. H. Stratz seiner Theorie über die „Schön- heit des weiblichen Körpers" zu Grunde gelegt hat So- ist die Reinlichkeit die Hauptursache eines guten,., nicht aufdringlichen „Parfüm de la femme", wie Vol- taire sagt:

„La simple propretö composait sa parure." Leichte Kleider sind deswegen vorzuziehen, weil unter dicken und schweren Stoffen die Ausdünstung des^ Körpers leicht ihren Charakter verändert und unangenehm wird. „Venus würde unter dicken Kleidern nicht mehr- Venus sein," sagt Cadet-Devaux.

Sehr häufig kommt es vor, dass ein übler Geruch Ursache von sexuellen Antipathieen zwischenMann und Frau ist, die sich sonst nicht erklären lassen würden^ Einen derartigen Fall berichtet Moll.*)

Beobachtung 1. — Der 36jährige Mann teilte Moll u. a. folgendes mit: .,Ich bekomme gegen einige Personen eine unüber- windliche Abneigung, wenn ich in unmittelbarer Nähe von ihnen, bin. Diese Abneigung hängt durchaus nicht immer mit dem Aeusseren. zusammen. Es ist mir mehrfach vorgekommen, dass mir Gesicht, und Ausdruck eines Mädchens sehr wohl gefielen, nicht aber ihre unmittelbare Nähe, und da habe ich immer bemerkt, dass die Anti- pathie auf einem unsympathischen Geruch beruht. Mag Jäger in.


') Cadet-Devaux a. a. 0. S. 438.

  • ) A. Moll „Libido sexualis". Bd. I, S. 135.


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Tielen Dingen stark tibertreilen; in dieser Beziehung hat er un- zweifelhaft recht. Ich habe mich wiederholt davon tiberzeugt. Einige Male habe ich mich frtiher Mädchen mehr und mehr genähert,, meistens auf deren direkten oder indirekten Zuspruch; aber dann kam gewöhnlich beim Versuch eines geschlechtlichen Verkehrs der üble Geruch dazwischen, und zwar noch ehe ich irgend etwas darüber gelesen hatte. Zweimal erging es mir so : als ich mit einem Mäd- chen im Bett lag und gerade die Kleider hochheben wollte, kam. mir der Geruch wie von Stiefelwichse an die Nase, so dass ich das Mädchen entsetzt fahren Hess. Bei Umarmung eines Mädchens ist mir zuweilen aus deren Haaren ein unangenehmer Geruch gekommen, wie von ranzigem Fett. Beim Tanzen mit jungen Mädchen trat ein so widerwärtiger Geruch auf wie, sit venia verbo, vom. Locus. Zuweilen spüre ich freilich nichts dergleichen, sonden^ völlige Geruchlosigkeit; sehr selten kam es mir aber vor wie ein lieblicher Duft, ohne dass ich jedoch in diesen Fällen Gelegenheit zur Prüfung meiner Potenz gehabt oder gesucht hätte. Ich habe- häufig getanzt, lediglich um zu untersuchen, wie der Geruch de» "Weibes bei dieser Gelegenheit auf mich wirkt; aber auch dabei habe, ich fast immer Antipathie gespürt."

Diese Geruchsantipathien verhinderten bei dem be* treffenden Mann, den Moll für erblich belastet, und auch sonst in mancher Beziehung abnorm erklärt, voll- kommen die Potenz.

Nach Mantegazza giebt es so starke Geruchs-^ antipathien zwischen Mann und Weib, dass sie zum Hasse^^ zur Rache, zum Ehebruch, ja zum Mord geführt haben^ Aber Galopin's Ansicht, dass der üble Geruch vieler Frauen auf» ihren Charakter schliessen lasse, ist wohl unhaltbar, da dieser üble Geruch doch wohl nur rein körperliche Ursachen hat. Dahin gehört nach Mantegazza vor allem ein stinkender Atem, welcher in verschiedenen Gesetzesbüchem als Ehescheidungsgrund gilt. „Nicht jedermann weiss, warum die TochterVincenzo Monti's nicht mit dem Grafen Perticari, ihrem Gatten^r


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in derselben Kammer schlafen konnte ; nicht jeder kennt die Ursache der eisigen Kälte jenes Ehebettes. Ich er- fuhr sie von einem Zeitgenossen. Der arme Graf hatte einen so stinkenden Atem, dass er das Zimmer ver- pestete, welches er bewohnte."*) Schon früher ist diese forensische Bedeutung von Geruchsantipathien er- kannt worden. Der Leipziger medizinischen Fakultät wurde zu Ende des 17. Jahrhunderts allen Ernstes die Frage vorgelegt: „an foetor alarum sufflciens causa divortii."^) Der üble Geruch der Achseln, welcher hier zum ersten Male als Ehescheidungsgrund geltend ge- macht wird, soll nach Dio Chrysostomus von der Venus über die Lemnierinnen verhängt worden sein, da- mit ihre Männer sich von ihnen abwendeten.^) Neben dem Gerüche des Mundes und der Achseln spielt bei diesen Geruchsantipathien die Ausdünstung übermässig schwitzender Füsse eine grosse ßoUe, die sogenannte Bromidrosis pedum, mit welchem Leiden Ludwig XIV. und Heinrich IV. von Frankreich behaftet waren. Die Abneigung, welche des Letzteren zweite Gemahlin, die Königin Margarethe, gegen ihren Gatten hegte, soll allein durch dieses Uebel hervorgerufen worden sein.*) Es ist sicher, dass auch heute manche unglücklichen Ehen auf Geruchsantipathieen sich zurückführen lassen. Treffend -sagt Galopin: „Une femme peut aimer passionnement un manchot, un bossu, ou un ampute des deux pieds ou


  • ) P. Mantegazza in Jäger's Monatsblatt. 1891. Bd. X,

S. 94.

«) Paul Ammann, „Medicina critica". Leipzig 1693. S. 599.

  • ) J. Rosenbaum, „Geschichte der Lustseuche." HaUe 1893.

.S. 148.

  • ) J. Hyrtl, „Handbuch der topograph. Anatomie." Wien 1882.

3d. II, S. 752.


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des deux mains; eile ne saurait etre long temps amoureuse- d'an homme qui sent mauvais du nez, des pieds ou de la peau, en generali") Das Umgekelirte wird wohl auch vorkommen. Nach Jäger braucht es nicht einmal ein lokalisierter unangenehmer Geruch zu sein, der die Antipathie hervorruft, sondern es genügt dazu blos ein heterogener Geruch, wie aus der folgenden von ihm mitgeteilten und gebilligten Aeusserung eines Freundes erhellt: „Ich könnte Ihnen tausend und tausend Begeg- nisse herzählen, von frühester Kindheit an bis heute, wo im gesellschaftlichen Umgang, wie bei Freundschaft und Liebe, alle meine Sympathien oder Antipathien, die ich gegen Personen empfand, mit denen mich das Leben zusammenführte, der Geruchsinn doch eigentlich — mir nur zu oft unbewusst — der ausschlaggebende war. Ich traf, wie eben jeder Mensch, mit Personen zusammen, die mir nur Gutes erwiesen, wie nicht minder mit solchen, die mir nur Uebles zufügten ; teils konnte ich dergleichen voraussagen, teils wurde ich aber auch durch plötzliche Feindschaft verblüfft. Ich habe ungewöhnlichen Schön- heitssinn gegenüber allen Naturreichen, und Künstler ersten Ranges, mit denen ich viel verkehrte, legten Wert auf mein Urteil, bei vielen Begegnissen gaben aber weder schön noch hässlich oder auch nur gewöhn- lich den Ausschlag, ebensowenig, ob man mir Gutes oder Uebles that; sondern einfach die Atmosphäre, in der mir körperlich ein Wesen entgegentrat, entschied, ob sym- pathisch oder antipathiscL Man muss nun aber ja nicht glauben, dass ich etwas dabei rieche, das physisch so bemerkbar wäre, wie etwa Duft und Gestank, nicht


  • ) Galopin a. a. 0. S. 208.


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am Entferntesten!'") — Ich bezweifle, dasa im normalen Xeben nnd Verkehr zwischen Menschen der Oerachssinn eine so grosse Brille spielt nnd mnss bekennen, dass er 1)61 mir nur durch besonders unangendime Geräche jLfficiert wird, die auf irgend einer lokalen körperlichen Ursache bemhen. Ich glaabe auch, dass die meisten .übrigen Menschen im täglichen Verkehr sich mehr durch Auge und Gehör in ihren Sympathieen und Aatipathieen >l)eeinflussen lassen, als durch den Geruch.

Als ebenso problematisch muss ich die Behauptung Jäger'8 bezeidinen, dass die sexuellen Gerüche „auch im Leibe ihres Erzeugers als Nervina wirken und ■die char^teristische Nervenaufregung des Geschlechts- .triebes erzeugen."*)

Da die menschliehe Kleidaag im Stande ist, Riech- ■stoSe aufzunehmen, so ist es erklärlich, dass auch diese unter Umständen sexuell erregend wirken könueu. Hier- .ans erklärt sich leicht der Geruchsfetischismns, der sich nur auf solche menschlieben Gebrauchsgegenstände be- sieht, und den ich im folgenden Abschnitte ausführlich behandle.^)


') Jäger „Entdeckung der Seele". Bd. I, S. 150.

5 Jäger a. a,. 0. I, S. 59—60.

  • ) Karl du Frei erzählt, dasa eine Somnambule zwanzig

Bcheinbar geruchlose OegenstAnde, Ringe, Broschen, Nadeln, die Jehu YCtschiedenen Personen angehörten, beioch und sie an ihre besitzet wieder verteilte. (,J>ie Somnambule vor Gericht" iniDie .Zeit Bd. I, 1894. No. 3.)


n.


Pathologieder sexuellen Gerüche.


1. Oerachsslnn und sexnelle StOrangeD.

Ich habe im ersten Abschnitte gezeigt, welche innigen Beziehungen zwischen den physiologischen Funktionen •der Nase und der Geschlechtsorgane bestehen. Das <Jleiche trifft für die menschliche Pathologie zu. Und •zwar wird nicht blos die Nase durch krankhafte Ver- änderungen der Geschlechtsorgane in Mitleidenschaft ge- zogen, sondern man hat auch eine Abhängigkeit des Urogenitalapparates von Aflektionen der Nase beobachtet, '80 dass John Mackenzie sogar die Theorie aufstellte, -dass das Zurückbleiben in der geschlechtlichen Ent- wickelung möglicherweise durch das gleichzeitige Bestehen Ton Nasenkrankheiten bedingt sei.*)

Freilich beruhen wohl die meisten Ursachen der Byperosmie und Anosmie auf Veränderungen in »der Nase selbst, nämlich auf Asymmetrie des Nasen- Skelettes, welche in leichterem Grade überaus häufig vorkommt und auf zwei Gruppen zurückgeführt werden "iann, auf die Verkrümmungen der Nasenscheide-


^) Endriss a. a. 0. S. 57.


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wand und auf Leisten und Dornen am Septum. Zwaardemaker legt ausführlich dar, wie diese Asym- metrien sowohl eine Erhöhung, als auch eine Herab- stimmung des Geruchsvennögens herbeiführen können.*) Auch Vergiftungen rufen neben Anosmien auch Hyperosmien hervor wie z. B. Cocainvergiftung, bei der im Anfangsstadium eine Verschärfung des Eiechver- mögens, später aber hochgradige Anosmie eintritt.

Von grösserem Interesse ist die Beeinflussung des Geruchssinnes durch sexuelle Vorgänge und Stör- ungen. Bemerkenswert ist ein von HeschP) mitge- teilter Fall von Mangel beider Riechkolben bei gleichzeitiger Verkümmer ung der Genitalien. Es handelte sich um einen 45 jährigen, sonst wohlge- bildeten Mann, dessen Hoden bohnengross, ohne Samen- kanälchen waren, und dessen Kehlkopf von weiblichen Dimensionen erschien. Jede Spur von Riechnerven fehlte ; auch die Trigona olfactoria und die Furche an der un- teren Fläche der Vorderlappen des Gehirns mangelten. Die Löcher der Siebplatte waren spärlich; statt Nerven traten durch dieselbe nervenlose Fortsätze der Dura. Auch in der Schleimhaut der Nase fand sich Mangel an Nerven. — Auf den gleichen Zusammenhang deutet ein Fall von Anosmie nach Ovarienexstirpation, über den Gottschalk berichtet.^)

Beobachtung 2. — Bei einer 36jährigen Virgo hatte Gottschalk wegen eines faustgrossen, intraligamentär sitzenden Myoms, welches zu heftigen, unstillbaren Blutungen Veranlassung gab, beide Eierstöcke nebst einem Teil der Tuben entfernt. Circa


  • ) Zwaardemaker a. a. 0. S. 145.
  • ) Wiener Zeitschrift für prakt. Heilkunde vom 22. März 1861.

^) S. Gottschalk „Anosmie nach operativer Entfernung, beider Eierstöcke". Deutsche med. Wochenschr. 1891. No. 26.


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IV2 Jahre nach der Operation wurde die sonst erhalten gebliebene Menstruation sehr unregelmässig, und es traten nacheinander alle Erscheinungen des Klimacteriums auf. Gleichzeitig klagte Patientin darüber, dass sie allmählich ganz den Geruch und Geschmack ver- loren habe. Eine genauere Prüfung zeigte, dass im Bereiche der Geschmacksnerven keine Störung vorliege. Dagegenwar aller- dings der Geruchssinn völlig erloschen. Durch sorgfältige Untersuchung seitens verschiedener Spezialisten wurde femer fest- gestellt, dass eine Abnormität seitens der Nase und deren Schleim- häute nicht vorhanden war. Desgleichen konnten zentrale Ursachen wie Abszesse und Tumoren im Schädelraum ausgeschlossen werden, so dass nach Gottschalk's Ansicht nichts anderes als Ursache der Erkrankung zurückblieb als eine „Reflexneurose, bedingt oder hervorgerufen durch das künstlich erzeugte Klimakterium'^

Diese abnormen Funktionen der Geruchsnerven werden bei vielen sexuellen Störungen beobachtet. Die Natur dieser Riechstörungen ist eine verschiedene. Ent- weder besteht blos reine Hyperosmie und Anosmie, oder aber eine krankhafte Empfindlichkeit, so dass Gerüche, die für gesunde Nerven angenehm oder indifferent sind, unangenehm empfunden werden. Es können auch ohne äussere Veranlassung Geruchshallucinationen auftreten oder wirklich vorhandene Gerüche anders empfunden werden als im normalen Zustande. Dr. P e y ^ r sah eifie Alteration der Geruchsnerven in Form einer ausser- ordentlichen Empfindlichkeit und Feinheit bei einem hochgradigen Sexualneurastheniker. Derselbe konnte sich z. B. nie in einem Gesellschafts- zimmer aufhalten, weil sein Geruchsorgan gegen die ge- ringste Verunreinigung der Luft durch Ausdünstung, Parfüm etc. so empfindlich geworden war, dass ihn heftiges Unwohlsein befiel.^


  • ) A. P e y e r , „üeber nervösen Schnupfen und Speichelfluss und

den ätiologischen Zusammenhang derselben mit Erlorankungen des Sexualapparates. Münchener med. Wochenschrift 1889. No. 4, S. 62.

Hagen, sexaeUe Oerfiohe. 6


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Im Verlaufe der Schwangerschaft, besonders während der ersten Monate, ist die Hyperosmie nach Aussage vieler Beobachter etwas sehr Grewöhnliches.*)

Die merkwürdige Thatsache, dass der Geruchssinn durch Onanie häufig sehr geschärft und verfeinert wird^, erleuchtet ebenfalls diesen Zusammenhang zwischen Nase und Genitalorganen.

Endlich tritt bei Psychosen deutlich ein Konsensus zwischen Geruchs- und Geschlechtsorganen hervor, indem sowohl bei masturbatorischen Fällen von Psychose bei beiden Geschlechtem, als auch bei Psychosen auf Grund von Erkrankung der weiblichen Genitalien Geruchs- hallucinationen überaus häufig sind.^

2. Der Cferachsfetischlsmus.

Nach den Feststellungen so hervorragender Forscher auf dem Gebiete der Lehre von der „Psychopathia sexuaKs" wie v. Kraf f t-Ebing und Moll spielen beim normalen Menschen die sexuellen Gerüche heute nur noch eine sehr geringe Rolle. Sie sind eben im Laufe der .fortschreitenden Civilisierung durch andere Sinneseindrücke mehr geistiger Natur ersetzt worden. Ich werde in der Schlussbetrachtung auf dieses Verhält- nis der Geruchseindrücke zu anderen sexuell wirksamen Einflüssen näher eingehen. Von Interesse ist in dieser Hinsicht, dass ein so enragierter Geruchsfanatiker wie Gustav Jäger, der dem Geruchssinn die grösste Praevalenz in der tierischen Oekonomie zugesteht und


  • ) Zwaardemaker a. a. 0. S. 154.
  • ) Gie ssler a. a. 0. S. 45.
  • ) Giessler a. a. 0. S. 44.


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die ganze Welt aus und durch Gerüche erklärt, naiv meint, dass „die meisten verliebten Menschen keine Ahnung davon haben, dass ein geliebter Gegenstand wohlriechend ist." Das findet er auch ganz begreiflich. Denn „ein Sinneseindruck kommt nur zu vollem Be- wusstsein, wenn die geistige Aufmerksamkeit darauf konzentriert wird, und das ist weder bei Liebespaaren, noch bei Ehepaaren in der Kegel der Fall, sie haben sich so vieles andere zu sagen, so viel an anderes zu denken, dass sie dem keine Auf- merksamkeit schenken . . . .Dazukommt femer, dass bei uns Kulturmenschen das Bewusstsein für die Wirkung der Düfte bis jetzt vollst än- dig gefehlt hat."')

Mit diesen Worten liefert Jäger selbst einen Be- ^ weis dafür, dass beim normalen Kulturmenschen die von den körperlichen Ausdünstungen herrührenden Geruchs- eindrücke gegenüber den anderen Einflüssen gänzlich verschwinden, wie das auch erklärlich ist. Denn der normale Mensch hat gegen die meisten dieser Aus- dünstungen einen gewissen mehr oder minder starken Widerwillen, da die Natur dieser sexuellen Gerüche, welche, wie wir sahen, fast ausschliesslich der Klasse der Caprylgerüche, also den Zersetzungsgerüchen angehören, für die meisten Menschen eine unangenehme ist. Es dürften nur sehr wenige normale Menschen seiu, denen z. B. der scharfe Geruch des Schweisses oder gar jener der Genitalabsonderungen angenehm ist.^) Hierzu


  • ) G. Jaeger, Entdeckung der Seele. Bd. I. 141.

^ Drastisch sagt Hyrtl: „AUe Excretionsverrichtungen haben etwas Hässliches, ja Ekelerregendes an sich. Ausser Kranken und Aerzten spricht deshalb, trotz ihrer Unentbehrlichkeit, Niemand Ton ihnen. Der wohlthuende Eindruck, welchen der Anblick einer

6*


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kommt noch, dass die Schärfe des Geruchssinnes beim normalen Kulturmenschen entschieden gegenüber der- jenigen beim uncivilisierten Wilden und bei krankhaften Zuständen vermindert ist, und die Nase dann um so mehr gegen sexuelle Gerüche abgestumpft sein wird.*)

Eine schärfere Ausbildung des Geruchssinnes und Ver- wertung desselben für sexuelle Zwecke ist beim Kultur- menschen meist schon das Zeichen eines beginnenden krankhaften Zustandes. So sahen wir, dass beim Neu- rastheniker fast stets eine Hyperosmie und intensivere Reaktion auf Geruchseindrücke zu beobachten ist. Ohne dass hier eine schwerere krankhafte Entartung vorliegt, kann man von einer Praevalenz des Geruchssinnes über die übrigen Sinne sprechen, von dem, was Binet als „type olfactif" bezeichnet hat, was er eine Art von „kleinem" Geruchsfetischismus nennt.^) Ein solcher Olf activer legt in allen Verhältnissen seines Lebens grossen


voUendet schönen Menschengestalt in uns hervorzurufen pflegt, ver- liert sich augenblicklich, wenn man ihn mit einer Excretion in Verbindung bringt. AUe Illusion hört dann auf. Man denke Zeus Olympius auf dem Leibstuhl statt auf dem Wolkenthron, mit dem Spucknapf statt dem Donnerkeile, man denke an eine Juno, die sich in die Finger schneuzt, an einen rülpsenden Ganymed, an einen von Blähungen umdufteten Adonis, an einen schwitzenden Vulcan, an Hercules im Pissoir beschäftigt, an einen mit hartem Stuhlgang ringenden Achilles, an einen schlafenden Endymion cum profluvio seminis noct]irno, an eine kreissende Pallas Athene mit Hängebauch, an die jungfräuliche Königin der Nacht im Wochen- bett mit strömenden Lochien, an Venus Anadyomene mit menstruen- trief enden Schamteilen etc. Aesthe tischer wäre es gewesen, wenn diese Funktionen von dem Ebenbilde Gottes hätten wegbleiben können." J. Hyrtl, „Lehrbuch der Anatomie des Menschen"; 20. Aufl.. Wen 1889. S. 276.

  • ) Auch der Gebrauch der künstlichen Parfüme beweist in

gewissem Sinne das unangenehme Empfundenwerden der natürlichen Gerüche. Darüber später.

^ A. Binet, „Le Fötichisme dans l'amour". 2© 6dit. Paris 1891. S. 5 und S. 28.


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Wert auf den Geruch der Gegenstände so z. B., wenn er Arzt ist, auf die verschiedenen Gerüche bei ver- schiedenen Krankheiten. Dieser Olfactive wird auch jeder Frau einen besonderen Geruch beilegen, und eiue noch so hübsche Frau wird ihm nicht gefallen, wenn sie eine ihm unangenehme Ausdünstung hat; dagegen wird er sich durch eine hässliche Frau verführen lassen, deren Geruch ihn angenehm berührt. Das alles ist nach Bin et eine logische Folge der Praevalenz des Geruchssinnes über die übrigen Sinne. Wenn also ein reicher, distin- guierter, intelligenter Mann eine ältliche, hässliche, geist- lose Frau heiratet, ohne alle Reize, so ist vielleicht nur die Geruchssympathie an dieser Ehe schuld. Das ist ein typischer Fall von „petit fötichisme". Bin et ist entschieden der Ansicht, dass derartige Ehen meist eine Folge von Geruchseindrücken sind*). Er teilt die folgende Beobachtung mit, welche uns einen solchen „Type olfactif" bei einem offenbaren Neurastheniker vorführt.^)

Beobachtung 3. Ein Student der Medicin, welcher eines Tages auf einem freien Platze auf einer Bank sass und ein pathologisches Werk las, bemerkte plötzlich, dass er durch eine hartnäckige Erection belästigt wurde. Indem er sich umdrehte, bemerkte er eine rot- haarige Frau, die auf der anderen Seite der Bank sass, und die einen starken Geruch verbreitete. Er schrieb die sexuelle Erregung diesem unbewussten Geruchseindrucke zu.

Dieser Typus olfactivus ist der Vorläufer des eigentlichen pathologischen Geruchsfetischismus. Wenn nämlich der Olfactive schliesslich dahin gelangt, bei der Frau nur noch eins zu suchen: den Geruch, dann handelt es sich um wahren Fetischismus. Es macht


  • ) B i n e t a. a. 0. S. 26.

«) B i n e t a. a. 0. S. 28.


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wenig aus, ob die Frau alt, verfallen, dumm oder von niederem Stande sei. Sie verbreitet den und den Greruch. Das genügt. Dann wird dieses „detail cutane" , wie Binet sagt, die'Hauptsache, auf die sich alle sexuellen Wünsche koncentrieren. Alle Alters-, Vermögens-, CoUvenienz- und socialen Rücksichten werden dem Genüsse des Geruches geopfert Und noch mehr: ein unwider- stehlicher Antrieb zwingt den Geruchsfetischisten, der Frau zu folgen, bei der er „seinen" Geruch erkannt hat. Er kann ebenso wenig diesem Triebe Widerstand leisten wie der Alkoholist dem Anblicke eines Glases Wein. Der Geruch ist für den Geruchsfetischisten nicht blos ein sexueller Reiz, sondern auch der höchste sexuelle Genuss.

Dieser „grand fetichisme" des Geruches kommt nur bei krankhaft Entarteten vor, bei jungen Wüstlingen, die alle Genüsse erschöpft haben und ein „präparatorisches Mittel zur Gewinnung relativer temporärer Potenz" (Kraff t-Ebing) brauchen oder auch bei solchen geistig Abnormen, die im Gerüche allein sexuelle Befriedigung finden, wie das im Greisenalter so häufig der Fall ist, aber auch bei jüngeren Personen beobachtet worden ist-

Charakteristisch ist eine Aeusserung Baudelaire's, der selbst ein Geruchsfetischist war, über die Entstehung desselben infolge von sexueller Entartung. In seinen „Petits Poemes en Prose" lässt er in der Schilderung „Portraits de Maitresses" einen Kenner dieses Gegen- standes über die Entwickelung der Liebe sagen: „Alle Menschen haben das Alter Cherubin's gehabt. Das ist die Zeit, wo man aus Mangel an Dryaden, ohne Wider- willen Eichenstämme umarmt. Das ist der erste Grad der Liebe. Beim zweiten Grade fängt man an, zu wählen.


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Das Ueberlegen allein ist schon eine Decadence. Man sucht dann ganz entschieden nur die Schönheit. Was mich betrifft, so rühme ich mich seit langem die klimacterische Epoche des dritten Grades erreicht zu haben, wo die Schönheit selbst nicht mehr genügt^ wenn sie nicht durchdenGeruch oder durch den Schmuck gewürzt wird"»).

Hier wird ja ganz deutlich ausgesprochen, dass die Ausbildung des Geruchssinnes in der Liebe erst eine Folge der Uebersättigung, dass sie etwas Künstliches, Krankhaftes ist, das mit der normalen Liebe nichts zu thun hat. In einer derartigen sexuellen Bedeutung entwickelt sich der Geruchssinn nur bei Entarteten, nicht nur bei höheren, sondern selbst solchen tiefstehender Art wie z. B. den Idioten.

Dafür spricht auch das häufige Auftreten des Geruchs- fetischismus im höheren Alter, welches ein grossesKontingent zu den später zu schildernden Kategorien von Geruchs- fetischisten stellt. Galopin teilt einen solchen charakter- istischen Fall von senilem Geruchsfetischismus mit.*)

Beobachtung 4. — Ein alter impotenter Grobian hatte ein Dienstmädchen, das sich seinen Wünschen gefügig zeigte. Das ganze Vergnügen dieses 80jährigen Lüstlings bestand darin, das Mädchen zu berühren und es „zu riechen," wie er sagte. Der Gebrauch jeder Art von künstlichem Parfüm wurde streng untersagt, und das Mädchen durfte nur einmal in der Woche frisches Wasser benutzen ! — Eines Tages woUte das Mädchen dem Hofknecht ge- fäUig sein, der feinere Empfindungen hatte als sein Herr und beging das schreckliche Verbrechen, ohne des letzteren Erlaubniss sich zu waschen. Dieser bemerkte das sofort und sagte : „Dein Bouquet hat


  • ) Charles Baudelaire „Petits Poemes en Prose" Nouv.

EtJit. Paris 1892 S. 121—122.

«) Galopin a. a. 0. S. 107— 108.


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keinen Geruch; Du wirst morgen gehen, weil du meinen Befehlen nicht gehorcht hast." Die Arme wurde von dem Hofe fortgejagt und durfte niemals wieder dort erscheinen.

Wenn nun auch die eigentliche Ursache des Geruchs- fetischismus eine allmählich sich vollziehende sexuelle Entartung ist, so ist nicht zu leugnen, dass die G e w h n h e i t und zufällige äussere Einflüsse eine grosse Rolle bei der Entstehung derselhen spielen. Abgesehen von der Heredität, der Vererbung eines besonders empfindlichen Geruchswerkzeuges, ist es möglich, dass die Entwickelung des Geruchssinnes durch gewisse Moden nach der sexuellen Richtung hin beeinflusst ward. Nicht nui* kann durch den häufigen Gebrauch künstlicher Parfüms, wie er besonders in der vornehmen, „distinguirten" Welt üblich ist, sondern auch die ebenfalls von dieser ge- pflegte Vorliebe für den „Haut-goüt" gewisser mit unangenehmen Gerüchen behafteter Nahrungsmittel (Schnepfeneingeweide, verfaultes Wildpret) eine perverse Richtung des Geruchssinnes hervorgerufen oder wenigstens mit begünstigt werden. „C'est la cohtume qui petrit nos gouts, la contume, c'est-ä-dire les associations d'idiees quiser6petentfr6quemment." (Bin et). Dass ein zufälliger äusserer Einfluss den Menschen in mächtiger, nach- haltiger Weise und nach einer bestimmten Richtung beeinflussen kann, hat schon Descartes erkannt, der gerade dafür auch den Geruch als Beispiel wählt. In seiner Abhandlung „Ueber die Leidenschaften der Seele" untersucht er im Artikel 136, woher die manchem Menschen eigentümlichen Wirkungen der Leidenschaften kommen, und führt diese auf die immer wieder auf- tretenden identischen Ideenassociationen zurück. „So ist es z. B. leicht möglich , dass der besondere


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Widerwille, den manche gegen den Rosengeruch oder die Katzen oder Aehnliches haben, nur davon kommt, dass sie im Beginn ihres Lebens durch einen ähnlichen Gegenstand stark verletzt worden sind ... So kann der Rosengeruch dem Kind in der Wiege heftiges Kopf- weh verursacht haben, ohne dass Jemand es bemerkt hat, und ohne dass eine Erinnerung davon zurückge- blieben ist, obgleich die Vorstellung des damaligen Wider- willens gegen die Rosen bis an sein Lebensende in dem Gehirn eingedrückt bleibt, "i)

Der Geruchsfetischismus findet sich fast ausschliess- lich bei Männern. Das erklärt sich daraus, dass der Geruchssinn bei der Frau weniger entwickelt ist als beim Manne^), andererseits die Frauen durch den Geruch künst- licher Parfüms nicht wenig zur Ausbildung des Geruchsfeti- schismus beim Manne beitragen.

Eine klassische Schilderung eines solchen nach Frauenduft gierigen und in ihm schwelgenden männlichen G^ruchsfetischisten hat der Pariser Polizei-Chef, G.Mace entworfen: „Folgen wir diesem Manne mit seiner nach- lässigen Haltung und weissgetüpfelten Halsbinde. Er ist allein. Was hat er wohl in dieser Ausstellung, wo alles nach der Frau riecht (es ist von einem der grossen „magasins de nouveautes" die Rede), zu suchen? . . . Er ist glücklich in dieser wallenden Bewegung, die hervorgebracht ist durch diese ansehnliche weibliche Versammlung, von der Ausströmungen von Düften aus- gehen, welche seine Sinne reizen. Er ist ein Verrückter, ein Leidenschaftsnarr, der sich in den natürlichen und


^) Reii6 Descartes* philosophische Werke übers, von J. H. V. Kiichmann. 2. Aufl. Heidelberg 1891 Bd. IV S. 95. «) Tardif a. a. 0. S. 77.


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künstiichen Düften des weiblichen Geschlechts berauscht. Er lässt sich mit Hochgenuss von der Menge treiben, die ihn drückt, einschliesst und ihn drei Schritte vorwärts schiebt, um ihn wieder fünf zurückzubringen. Er lebt und atmet in diesem weiblichen Element, wie der Fisch im Wasser. Diese Menschen sind ebenso zahlreich wie die Taschen- diebe, deren Gebahren sie an sich tragen. Sogar Beamte der geheimen Polizei, auch wenn sie in ihrem Hand- werk gerieben sind, lassen sich da oft genug täuschen, und erkennen erst, nachdem sie einen solchen Menschen einige Minuten beobachtet haben, dass sie ihre Zeit verloren haben, indem sie dem Unrechten folgten. Sie täuschen sich um so leichter, da diese traurigen Gesellen zu ihrem Stelldichein die nämlichen Orte wählen, wie die Taschendiebe. Die einen ziehen den „Jardin des Plantes" , die Museen vor, die anderen die grossen Verkaufsräume; während der Charwoche aber mit Vor- liebe die Kirchen, wo die Säulen dazu dienen, die un- sauberen Handgriffe zu verbergen."*)

Das ist das Bild des Geruchsfetischisten, der über- haupt mit der blossen Einatmung der weiblichen Atmosphäre sich begnügt, gewissermassen der Typus des allgemeinen Geruchsfetischismus, aus welchem letzteren die verschiedenen Kategorien des speciellen Geruchsfetischismus sich entwickeln, die wir jetzt im einzelnen betrachten wollen.

1. Die Taschentuch- und Eletderfettsehtsten.

Es giebt Männer, auf welche einzelne Stücke der weiblichen Garderobe, wie Hemden, Spitzen, Schürzen, Peignoirs, Nachtmützen, Strümpfe, Schuhe und Taschen-


1) Nach Jägers Monatsblatt. 1888 Bd. VII S. 229—230.


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tücher einen grösseren geschlechtlichen Reiz ansüben als die Besitzerin dieser Dinge selber. Dieser abnorme Kleiderfetischismus hängt durchaus nicht immer mit dem Gerüche zusammen. So erwähnt Eulenburg, wo er in seinem Werke über die „Sexuale Neuropathie" über den Kleiderfetischismus spricht, den Zusammenhang des- selben mit dem Gerüche überhaupt nicht.^) Auch Moll macht darauf aufmerksam, dass z. B. der Taschenfetisch- ismus in verschiedener Weise zur sexuellen Befriedigung benutzt werden kann. „Die einen fühlen sich getrieben, Taschentücher von Weibern zu stehlen und zu Hause in ihrer Wohnung zu sammeln, sie machen nichts weiter mit ihnen, soweit mir bekannt ist und sind bei deren Besitz und Anblick glücklich. Andere zerbeissen leiden- schaftlich Taschentücher von weiblichen Personen und erlangen hierbei sexuelle Befriedigung. Diez erwähnt einen Mann, der beim Zerreissen von Frauenwäsche eine Ejaculation bekam.^)

Hieraus geht wieder hervor, dass durchaus nicht immer Geruchsempfindungen bei diesen Vorgängen eine Rolle spielen und dass auch alle anderen Sinne sowie rein geistige Einflüsse Faktoren der geschlechtlichen Erregung sein können. Bald wird dieser, bald jener Sinn zur Erzeugung sexueller Regungen benutzt.

So sind natürlich auch in vielen Fällen Geruchs- ein drücke beim Taschentuch- und Kleiderfetischismus die massgebenden. Indem diese Gebrauchsgegenstände mit den Ausdünstungsstoffen ihrer Besitzerinnen durch-


^) A. Eulenburg „Sexuale Neuropathie".' Leipzig 1895. S. 102.

  • ) A. Moll „Die konträre Sexualempfindung". Berlin 1893.

S. 161.


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tränkt werden, dienen siq den Geruchsfetischisten als sexuelles Stimulans und Surrogat des realen Geschlechts- genusses. Der wahre „Odor di femina" findet sich für ihn in diesen Gegenständen. Dass diesen Wahrnehmungen der spezifischen Geruchsfetischisten etwas Wahres zu Grunde liegt, beweisen die Thatsachen einer derartigen sexuellen Wirkung von Gebrauchsgegenständen, ohne dass an Fetischismus zu denken ist. So erzählt Professor Most in Rostock: „Von einem wollüstigen jungen Bauern erfuhr ich, dass er manche keusche Dirne zur Wollust gereizt und seinen Zweck leicht erreicht habe, indem er beim Tanze einige Zeit sein Taschentuch unter den Achseln getragen und der von Schweiss triefenden Tänzerin damit das Gesicht getrocknet hatte,"*) und ähnlich ist der bekannte, viel erzählte Fall des französischen Königs Heinrichs in, welcher sich zufällig bei dem Ver- mählungsfest des Königs von Navarra mit Margarethe von Valois mittelst des schweisstrief enden Hemdes der Maria von Cleve das Gesicht getrocknet hatte. Ob- gleich Letztere die Braut des Prinzen von Conde war, wurde Heinrich sofort von der leidenschaftlichsten Liebe zu ihr ergriffen.*)

So ist es erklärlich, dass wir auch unter den Taschentuch- und Kleiderdieben viele Geruchsfetischisten finden werden, wie die folgenden Beobachtungen lehren.

Beobachtung 5. — Zur Zeit der letzten aUgemeinen Aus- stellung wurde ein Schneider vom Boulevard Sebastopol, der drei- mal hintereinander verhaftet worden war, schliesslich zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Die beiden ersten Verhaftungen hatten ihn nicht zu bessern vermocht. In seinem Zimmer fanden sich mehr


  • ) Zippe „Wiener med. Wochenschr." 1879 No. 24.
  • ) Cloquet a. a. 0. S. 128.


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als 300 Taschentücher, die mit yerschiedenen Anfangsbuchstaben gestickt waren, unter welchen er sorgfältig mit roter Baumwolle seinen Vornamen angebracht hatte. — Wenn er eben ein Taschen- tuch an sich genommen hatte, führte er es mit leidenschaftlicher Bewegung an seine Lippen, saugte den Duft ein und zog sich zurück, indem er schwankte wie ein Betrunkener.*)

Beobachtung 6. — Ein Fall bei einem 43jährigen Hand- werker, bei dem Moll einen epileptischen Zustand vermutet. — X. erinnert sich, dass er im 11. Lebensjahre sowohl von seinen Eltern als auch von seinen älteren Geschwistern viel Prügel bekam, weil er ihnen häufig ein weisses Taschentuch, das einen grossen bunten Namenszug hatte, entwendete. Er benutzte das Taschentuch dann zu seinem Gebrauch; er hatte es ganz besonders auf dieses eine Tuch abgesehen. Was er sich bei der Entwendung gedacht hat, kann X. nicht mehr sagen. Die Entwendung des beschriebenen Taschentuches versuchte X. mehrere Monate hindurch sehr häufig, dann hörte dies ganz von selbst auf. Von jener Zeit bis zum zwanzigsten Lebensjahre hat X., wie er sich erinnert, weder weisse Taschentücher im Gebrauch gehabt noch eine besondere Neigung für sie gespürt.

Erst seit dem 30. Jahre bemerkt er sexuelle Erregung bei dem Gebrauche von Taschentüchern. Es traten seit dieser Zeit periodische Anfälle von einem starken Triebe, ein weisses Taschen- tuch an sich zu reissen, auf. Nachdem X., 29 Jahre alt, den Typhus überstanden hatte, bemerkte er besonders deutlich diesen Trieb. Nach Sjähriger Pause kam die Neigung wieder. Darauf trat eine Pause von 3 Jahren ein und schliesslich eine von ungefähr einem Jahre . . . Wenn ein solcher Zustand auftritt, so ist X. ganz und gar von dem Gedanken an das Taschentuch gefangen genom- men. Er vermag diese Vorstellung nicht zu bannen, er läuft einer Dame, bei der er ein weisses Taschentuch sieht, nach und versucht auf jede Weise, das letztere an sich zu btingen. Hierbei zeigt sich starke Erregung und ein unbeschreibliches; Angstgefühl mit Schweiss-

ausbruch

X. wurde, als er vor einigen Jahren den zweiten Diebstahl auf der Strasse verübte, festgehalten und zur Polizei gebracht. Auf


  • ) Binet a. a. 0. S. 39.


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die Frage, was er mit dem Taschentuch gemacht habe, erwiderte er, dass er es nur an die Nase halte, sich eventuell die Nase damit wische; hierbei ginge ihm Sperma ab. Genaueres vermag X. nicht anzugeben. Er hat sich nach seiner damaligen Frei- sprechung von einem Arzte behandeln lassen, der ihm den Rat gab, keine leinenen Hemden mehr zu tragen, da er durch sie zu dieser eigentümlichen Erregung käme.

Häufig hat X. in der Zeit, wo der Trieb zu den Taschen- tüchern ihn packt, starke Kopfschmerzen; die Anfälle wollen bei X. nur nach starker Arbeit gekommen sein.

Im ganzen hat X. wie er angiebt, nur etwa fünfmal Samen- erguss bei dem Gebrauch eines solchen Taschentuches gehabt. Die Erection tritt übrigens erst dann ein, wenn er sich mit dem Taschentuche das Gesicht und die Nase wischt, ist aber noch nicht vorhanden, wenn er der betreffenden Dame nach- läuft.»)

Ein sehr interessanter Fall von Taschentuchfetisch- ismus, der wesentlich mit Geruchsempfindungen zusammen- hängt, war derjenige des Wiener Bäckers Caspar Eiles. Berichte über denselben finden sich in der letzten Auflage von Krafft-Ebings „Psychopathia sexualis"-) und in Jägers Monatsblatt^)

Beobachtung 7. — Zum erstenmale wurde Caspar Eiles im Jahre 1874 wegen Taschentuchdiebstahls verhaftet. Zippe berichtet darüber (Wiener med. Wochenschrift 1879 No. 23): „Ein bisher unbescholtener, 32 Jahre alter lediger Bäckermeister wurde ertappt, als er einer Dame ein Taschentuch stahl. Er gestand mit aufrichtiger Reue, dass er bereits 80 — 90 derartige Sacktücher entwendet hatte. Er hatte es nur auf solche abgesehen und zwar ausschliesslich bei jüngeren und ihm zusagenden Frauenzimmern.


  • ) A. Moll „Untersuchungen über die Libido sexualis**.

Berlin 1898. Bd. I. S. 721— 722.

«) R. V. Krafft-Ebing „Psychopathie sexualis." 10. Aug. Stuttgart 1898. S. 166—168.

  • ) Jägers Monatsblatt. Bd. X, 1891. S. 77—80.


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Inculpat bietet in seiner äusseren Erscheinung nichts Auf- fälliges. Er kleidet sich sehr gewählt, zeigt ein eigentümliches, teils ängstlich depressives, teils unmännlich devotes Wesen und Benehmen, das sich oft bis zu einem larmoyanten Ton und Thränen steigert. Auch eine unverkennbare Unbehilflichkeit, Schwäche in der Auffassung, Trägheit in der Orientierung und Reflexion giebt er zu erkennen. Eine seiner Schwestern ist epileptisch. Er lebt in guten Verhältnissen, war nie schwer krank, entwickelte sich gut. In der Mitteilung seiner Lebensgeschichte zeigt er Gedächtnis- schwäche, Unklarheit; und auch das Rechnen fällt ihm schwer, obwohl er Mher gut gelernt hatte und aufEasste. Sein ängstlichet unsicheres Wesen machte den Verdacht der Onanie rege. Inculpas gestand, dass er seit dem 19. Jahre diesem Laster in excessiver Weise ergeben war ....

Seit einigen Jahren hatte er in Folge seines Lasters an Abgespanntheit, Mattigkeit, Zittern der Beine, Rückenschmerzen, Unlust zur Arbeit gelitten. Oefters kam auch eine traurig ängst- liche Verstimmung über ihn, in welcher er die Leute mied. Von den Folgen geschlechtlichen Verkehrs mit Frauenzimmern hatte er übertriebene, abenteuerliche Vorstellungen und konnte sich nicht zu solchem entschliessen. In letzter Zeit hatte er jedoch an Ver- ehelichung gedacht.

Mit tiefer Beue und in schwachsinniger Weise gestand nun Inculpat, dass er vor Ve Jslire im Menschengedränge beim Anblick eines jungen hübschen Mädchens sich heftig geschlechtlich erregt fühlte, sich an dasselbe drängen musste und den Drang empfand, durch Wegnahme des Taschentuches sich für eine ausgiebigere Befriedigung seiner geschlechtlichen Regung zu entschädigen.

In der Folge wurde er, sobald er ein ihm zusagendes Frauen- zimmer gewahr wurde, unter heftiger geschlechtlicher Erregung, Herzklopfen, Erection und Impetus coeundi vom Drang erfasst, sich an die betreffende Person zu drängen ihr — faute de mieux -^ das Taschentuch zu entwenden. Obwohl ihn keinen Moment das Be- wusstsein der Strafbarkeit seiner Handlung verliess, konnte er seinem Drange nicht Widerstand leisten. Dabei fühlte er Angst, die teils durch den zwangsmässigen geschlechtlichen Trieb, teils durch die Furcht vor Entdeckung bedingt war.

Das Gutachten machte mit Recht den angeborenen Schwach-


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sinn, den zerrüttenden Einfluss der Onanie geltend und führte das abnorme Gelüste auf einen perversen Geschlechtstrieb zurück, wobei ein interessanter und physiologisch auch ge- kannter Gonnex zwischen Geruchs- und Geschlechts- sinn bestehe. Die Unwiderstehlichkeit des krankhaften Triebs wurde anerkannt. Inculpat wurde nicht bestraft.

Derselbe Taschentuchfetischist wurde imAugust 1890 gelegentlich des Sängerbundesfestes wieder verhaftet, als er eben zwei Damen die Taschentücher entwendet hatte. Man fand in seiner Wohnung nicht weniger als 434 Damentaschentücher, darunter feine Seiden-, Spitzen- und Battisttaschentücher, und es wurde konstatirt, dass Eil es erst vor wenigen Tagen ein grosses Packet Taschentücher verbrannt hatte. Bei dem Verhöre erklärte er, dass er keinen weiteren Zweck mit diesen Diebstählen verfolge als den, sich an demDufte der geraubtenTaschentücher zu berauschen. Er war durch diese sonderbare Leidenschaft zum Verbrecher ge- worden. Zunächst hatte er, der ursprünglich ein vermögender und allgemein geachteter Bäckermeister war, seine Vermögensverhältnisse dadurch ruiniert, dass er Mädchen und Frauen, mit denen er ge- schäftlich verkehrte oder die er zufällig in Vergnügungslokalen und auf der Strasse traf, die Taschentücher zu horrenden Preisen abkaufte und oft 10—50 Gulden für ein Exemplar bezahlte. Nach- dem er in Konkurs geraten war, kaufte er die Taschentücher nicht mehr, sondern stahl sie den Frauen. Er wurde auch nach 1879 wiederholt ertappt und einmal sogar bestraft. Inculpat behauptet, dass die Aneignung eines Taschentuches einer sympathischen Dame ihm soviel wert gewesen sei, als ob er mit der Betreffenden sexuell verkehrt habe. Er wurde wiederum freigesprochen.

Aehnlich wie diese Fälle von TaschentuchfetiscMs- mus werden viele andere Fälle von Kleidungsfetischismus mit Geruchsempfindungen zusammenhängen. Der „intime Charakter" der weiblichen Leibwäsche, den Krafft- Ebing als besonders verführerisch hervorhebt, besteht eben zum grossen Teile in dem von dieser ausgehendem Gerüche. Letzterer scheint besonders zu wirken bei dem sogenannten „Unterrockfetischismus", auf den Gley


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zuerst aufmerksam gemacht hat, wo Männer durch den Anblick und die Nahe der „Dessous einer Frau iu lebhafte sinnliche Erregung versetzt werden/)

So erzählt Jacob Falke in „Die Trachten- und Moden weit": „Im Mittelalter war die Welt raffiniert sinnreich in ihrem idealen Liebesgenuss; so tauschte man die Hemden mit einander, wenn man sie schon getragen hatte; die Kitter legten die der Damen an, Hessen sie im Streit zerhauen und stellten sie in diesem Zustand ihren ursprünglichen Besitzerinnen zurück, die sie aufs neue trugen." Jäger, der diese Stelle mitteilt, bemerkt dazu, dass dieser Genuss nicht ideal, sondern sehr real gewesen sei; denn am Hemde „hängt der Duft der Person, und der Duft eines Kitterhemdes nach beendigtem Strausse war jedenfalls eine reale Grösse."^

Die Tagalen sollen besonders feine Nasen für Kleidergerüche haben und selbst in einer grösseren Gre- sellschaft am Gerüche der Taschentücher deren Besitzer erkennen. Es giebt bei ihnen Diener, welche durch Beriechen unter einem Dutzend fremder, frischgewaschener Hemden das Eigentum ihres Herrn sofort herausfinden. Liebende tauschen Kleidungsstücke aus, um sich am Beriechen derselben zu erfreuen. Ist der fremde Duft durch den eigenen verdrängt, so findet neuer Austausch statt.^)

2. Haar- und Zopffetlseblsmus.

Auch bei dem so häufigen Haar- und Zoj^fletisch- ismus spielen Geruchsempfindungen entschieden eine


1) Binet a. a. 0. S. 36.

  • ) G. Jägers Monatsblatt 1883 Bd. n S. 240.
  • ^ Petermanns Mitteilungen 1883. Ergänzungsheft S. 10.

Hagen, sexaeUe Gerüche. 7


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Bolle, mehr als die übrigen Sinneseindrttcke , da ja schon auf den normalen Menschen der Haarduft der (beliebten eine besondere Anziehungskraft ausübt Mit Recht betont v. Kraf ft-ETbing, dass der Uebergans: vom Bewunderer des Frauenhaares in noch physiologischer Breite zum pathologischen Fetischismus ein fliessender sei/) Der Brauch der Liebenden, sich gegenseitig Haarlocken oder Haarbüschel zu geben, die, wie mir von Vielen berichtet wird, häufig berochen werden, damit das Bild des oder der fernen Geliebten recht deutlich vor die Seele trete, ist jedenfalls eine ganz normale Erscheinung der sexuellen Osphresiologie. Hier dient das Haar nur dazu, um die Erinnerung an die geliebte Person überhaupt zu erwecken und aus der Geruchs- empfindung das ganze Wesen derselben zu vergegen- wärtigen.

Pathologisch sind jene Fälle, in denen das Haar an sich, ohne Zusammenhang mit dem Körper, als^ Liebesfetisch verehrt wird. Bedenklich nahe an diesen Haarietischismus streift jene Erzählung Casanova's, der, nachdem er einer von ihm geliebten Frau auf Korfu erst eine Locke gestohlen hatte, nun von ihr ein ganzes Büschel Haare bekam, über deren Verwendung er Folgendes erzählt*):

Beobachtung 8. — „Reich im Besitz ihrer Haare, berat- schlagte ich mit meiner Liebe, um zu wissen, was ich damit machen BoUte; denn ich wollte den sentimentalen Geist verhüten, den sie mir zeigte, indem sie mich nötigte, die kleinen Abfälle zurück- zugeben, um mir dann eine Locke zu schenken, die hinreichend war, um sie flechten zu lassen.


») V. Krafft-Ebing a. a. 0. S. 156.

  • ) J. Casanova's Memoiren, Ausg. von Alvensleben und

Schmidt, Bd. m 8. 139-^140.


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Sie war anderthalb Ellen lang.

Nachdem ich mich über den Gebrauch entschieden hatte, ging ich zu einem jüdischen Zuckerbäcker, dessen Tochter eine geschickte Stickerin war, und Hess dieselbe in meiner Gegenwart auf ein Armband von grünem Atlas die vier Anfangsbuchstaben unserer Namen sticken.

Dann verfertigte sie mir aus den übrigen Haaren eine sehr dünne Schnur.

An das eine Ende derselben liess ich ein schwarzes Band befestigen, welches eine Schlinge bildete und mir dazu hätte dienen können, mich zu erwürgen, wenn die Liebe mich jemals zur Ver- zweiflung gebracht hätte.

Daraus machte ich mir ein Halsband.

Ich wollte nichts von einer so köstlichen Gabe einbüssen, schnitt die noch übrigen Haare mit meiner Scheere sehr fein in Stücke und liess diese in meiner Gegenwart in Pastillen von Ambra, Zucker, Vanille, Engelwurz, Melonensaft und Storax mischen; die Zuckerkömer, die aus dieser Mischung gemacht wurden, sah ich vor mir anfertigen."

Mace hat in seinem interessanten Werke „Un joli monde" die verschiedenen Arten von Haarfetischisten geschildert, Wie sie sich an die Frauen heranmachen, die Haare berühren, beschnüffeln, sogar schmecken und schliesslich die Zöpfe derselben abschneiden. Diese „Zopfabschneider" werden in den grossen Städten sehr oft beobachtet. Es ist nicht immer sicher, ob Geruchs- empfindungen die Ursache ihrer Manipulationen bilden. Doch scheint der folgende von Kraf f t-Ebing beobachtete Fall dafür zu sprechen.^)

Beobachtung 9. — Herr X., Mitte der Dreissiger, aus höherer Gesellschaftsklasse, ledig, aus angeblich nicht belasteter Familie, jedoch von Kindsbeinen auf nervös, unstät, eigenartig, will seit etwa dem 8. Jahre sich mächtig durch Frauenhaare an-


>) V. Krafft-Ebing a. a. 0. S. 159—160.

7*


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gezogen geffihlt haben. Ganz besonders war dies Seitens junger Mädchen der Fall. Als er 9 Jahre alt war, trieb ein 13 Jahre altes Mädchen mit ihm Unzucht. Er hatte kein Verständnis dafür und blieb dabei ganz unerregt. Auch die 16 jährige Schwester dieses Mädchens machte sich mit ihm zu schaffen, küsste ihn ab presste ihn an sich. Er Hess sich das ruhig gefallen, weil das Haar dieses Mädchens ihm so gut gefiel. Etwa 18 Jahre alt begann er wollüstige Empfindungen beim Anblick von ihm zusagendem Frauenhaar zu verspüren. Allmählich kamen jene auch spontan, und sofort gesellten sich Erinnerungsbilder von Mädchenhaar hinzu. }m 11. Jahre wurde er von Mitschülern zur Masturbation verführt- Die associative Knüpfung sexueller Gefühle und einer fetischistischen Vorstellung war damals schon festgeschlossen und trat jeweils hervor, wenn Patient mit seinen Kameraden Unzucht trieb. Mit den Jahren wurde der Fetisch immer mächtiger. Selbst falsche Zöpfe begannen ihn zu erregen, jedoch waren ihm lebende immer lieber. Wenn er solche berühren oder gar küssen konnte, war er ganz selig. Er verfasste Aufsätze und machte Gedichte über die Schön- heit des Frauenhaars, zeichnete Zöpfe und masturbierte dazu. Vom 14. Jahre ab wurde er von seinem Fetisch so mächtig erregt, dass er heftige Erectionen bekam. Entgegen seinem früheren Geschmack als Knabe, reizten ihn nur mehr Zöpfe, ganz besonders üppige, schwarze, dicht geflochtene. Er empfand lebhaften Drang, solche Zöpfe zu küssen, resp. an ihnen zu saugen. Das Betasten solchen Haares machte ihm wenig Befriedigung, viel mehr der Anblick, namentlich aber das Küssen und Saugen.

. War ihm dies unmöglich, so war er unglücklich bis zu Taedium vitae. Er versuchte sich dann schadlos zu halten, indem er sich phantastisch „Haarabenteuer" ausmalte und dazu masturbierte.

Nicht selten auf der Strasse und im Gedränge, konnte er sich nicht zurückhalten, Damen einen Kuss auf den Kopf zu drücken. Er eilte dann heim, um zu masturbieren. Zuweilen konnte er jenem Impuls Widerstand leisten, aber er musste unter lebhaften Angstgefühlen schleunigst die Flucht ergreifen, um aus dem Bann- kreis seines Fetisch zu gelangen. Nur einmal im Gedränge trieb es ihn, einem Mädchen den Zopf abzuschneiden. Er hatte dabei heftige Angst, reüssierte nicht mit seinem Taschenmesser und entging mit Mühe durch die Flucht der Gefahr, erwischt zu werden.


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Erwachsen, vetsnchte er durch Coitus mit Paellis sich zu befriedigen. Er gelangte zu mächtiger Erection durch Küssen der Zöpfe, brachte es aber zu keiner Ejaculation. Deshalb war er vom Ck)itus unbefriedigt. Gleichwohl war seine liebste Vorstellung: Coitus mit Haarkttssen. Dieses allein genügte ihm nicht, da er dadurch noch nicht zur Ejaculation gelangte. Faute de mieux stahl er einmal einer Dame ihr ausgekämmtes Haar, steckte es in den Mund und masturbierte dazu, in dem er sich die Eigentümerin vorstellte. Im Dunkeln hatte er kein Interesse am Weib, weil er dessen Zöpfe nicht sah. Auch aufgelöstes Kopfhaar hatte für ihn keinen Beiz, ebensowenig Schamhaare. Seine erotischen Träume drehten sich nur um Zöpfe. In der letzten Zeit war Patient sexuell so erregt worden, dass er in eine Art Satyriasis geriet. Er wurde unfähig zum Beruf, fühlte sich so unglücklich, dass er sich in Alkohol zu betäuben suchte. Er konsumierte sehr grosse Mengen, bekam ein Alkoholdelirium, einen Anfall von Alkohol- epilepsie, wurde spitalsbedürftig. Nach Beseitigung der Intoxikation schwand ziemlich rasch die sexuelle Erregung unter geeigneter Behandlung, und als Patient entlassen wurde, war er von seiner nur noch in Träumen ab und zu sich geltend machenden Fetisch- vorstellung befreit.

Der körperliche Befund ergab normale Genitalien, wie über- haupt keine Degenerationszeichen.

Moll berichtet über einen Künstler, der besonders von einer Stelle des menschlichen Körpers erregt wird, nämlich von der Grenze zwischen dem behaarten Kopf nnd dem Nacken, da, wo der stärkere Haarwuchs auf- hört. Diese Stelle soll übrigens auch von einigen französischen Schriftstellern, u. a.von6uy deMaupassant als besonders zum Küssen einladend bezeichnet worden sein.') Ich erinnere dabei an die Behauptung Jägers, dass gerade diese Körpergegend durch besonders intensive Ausdünstung sich auszeichne. Immerhin ist auch hier


  • ) A. Moll „Die konträre Sexualempfindung*'. 2. Aufl. S. 167.

3. Aufl. S. 269.


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hervorzuheben, dass beim Zopf- und Haarfetischismus nicht nur Geruchseindrücke beteiligt sind. Auch Tast- und Gesichts- ja Gehörsinn (Rascheln der Haare) kommen in Betracht Wieder ein Beweis, dass beim Menschen die Geruchsempfindungennichtmehr eine so ausschliessliche Bedeutung für die Sexualität haben wie bei den Tieren.

3. Fnss- und Schahfetiscblsmus.

Für den so häufigen Fuss- und Schuhfetischismus sind wohl Geruchseindrücke in erster Linie massgebend, während der Zusammenhang mit dem Masochismus, den V. Krafft-Ebing so sehr betont, wohl erst sekundärer Natur ist. Die folgende Aeusserung Mo 11s scheint mir eine durchaus richtige Erklärung des Fuss- und Stiefel- fetischismus zu geben : „Bei dem engen Zusammenhang, in dem unter pathologischen Verhältnissen Geruchssinn und Geschlechtstrieb stehen, sei immerhin darauf hin- gewiesen, dass vielleicht der Fuss- und Stiefelfetischismus mitunter dem intensiven Gerüche, der den Füssen und den Stiefeln anhaftet, seine Entstehung verdankt, oder wenigstens dadurch begünstigt wird."*) Da ich später zeigen werde, dass auch in den Geruchseindrücken als einer Quelle sexueller Erregung ein masochistisches bezw. sadistisches Element enthalten ist, so lässt sich diese Annahme sehr wohl mit derjenigen v. Kr af f t-Ebings vereinigen. Der folgende klassische Fall beweist, wie sehr neben masochistischen Vorstellungen die Geruchs- empfindungen als sexuelle Fetische hervorragen können.*)


^) A. Moll „Die konträre Sexualempfindung**. 2. Auflage S. 184—185; 3. Aufl. S. 306.

  • ) R. V. Krafft-Ebing,, Arbeiten aus dem Gesamtgebiet der

Psychiatrie und Neuropathologie" Heft IV. Leipzig 1899 S. 129—131.


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Beobachtung 10. —

B., 31. J., Beamter, stammt aus neuropathiscli belasteter Familie, war von Kindesbeinen auf nervös, schwächlich, litt an nächtlichem Aufschrecken. Mit 16 Jahren hatte er die erste Pollution. Mit 17 Jahren verliebte er sich in eine 28jährige, nicht hübsche Französin. Ein besonderes Interesse hatten für ihn ihre Schuhe. Sobald er es unbemerkt thun konnte, bedeckte er dieselben mit Küssen und fühlte dabei ein wonniges Erbeben. Zu Ejaculation kam es bei derlei Schuhszenen nicht. B. versichert, damals vom Unterschied der Geschlechter noch gar nichts gewusst zu haben. Seine Schuhverehrung sei ihm selbst ganz rätselhaft vor- gekommen. Vom 22. Jahre ab etwa 1 mal monatlich Coitus. B. obwohl libidinös, fühlte sich dabei jeweils seelisch ganz un- befriedigt. Eines Tages begegnete er einer Hetäre, die durch ihre stolze Haltung, ihr fascinierendes Auge, ihr herausforderndes Wesen einen eigentümlichen Eindruck auf ihn machte. Es war ihm, als müsste er vor diesem herrischen Geschöpf in den Staub sinken, ihm die Füsse küssen und wie ein Hund oder Sklave ihm folgen. Ganz besonders imponierte ihm der „majestätische*^ Fuss mit dem Schuh und seinem Glanzlack. Der Gedanke, einem solchen Weib als Sklave zu dienen, machte ihn wollüstig erbeben. In der folgenden Nacht konnte er nicht schlafen vor solchen Gedanken und während er, auf dem Leib liegen, in der Phantasie diesem Weibe die Füsse küsste, kam er zu einer Ejaculation. Da B. von Natur schüchtern war, seiner Potenz nicht ganz traute, überdies Abscheu vor Meretrices hatte, benutzte er in der Folge seine Ent- deckung psychischer Masturbation zu seiner Befriedigung und ver- zichtete ganz auf wirklichen Umgang mit dem Weibe. Er dachte sich bei dieser solitären Befriedigung den herrlichen Fuss des herrischen Weibes, zu welchem optischen Erinnerungsbild sich mit der Zeit die Geruchsvorstellung eines Damenfusses oder -Schuhes assoziierte. In seinen nächtlichen erotischen Ekstasen bedeckte er das Phantasiebild des Frauenfusses mit un- zähligen Küssen. In erotischen Träumen folgte er gebieterischen Frauen. Es regnete. Die Domina hob ziemlich ihr Kleid, er „sah den süssen Fuss, fühlte fast dessen elastisch weiche und doch feste warme Form, sah ein Stück Wade in rotseidenem Strumpfe" ; dann kam es regelmässig zur Pollution. Ein wahrer Genuss war


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es B., bei Regenwetter auf der Strasse herumzustreifen und derlei Traumbilder in Wirklichkeit zu schauen; glückte ihm dies, so wurde die betreffende Persönlichkeit Gegenstand seiner Träume und Fetisch seiner psychisch masturbatorischen Akte, um die Illusion bei letzteren zu potenzieren, kam er dazu, seinen eignen, mit dem Sekret seiner Ftisse eingeriebenen Strumpf sich vor die Nase zu legen. Mit dieser Hülfe gewann sein Phantasiebild auf der Höhe der Ekstase fast Wirklichkeit — er war berauscht vom Duft des vor- gestellten Damenfusses, den er in grösster Wollust küsste, saugte und biss, wobei dann endlich Ejaculation er- folgte. Daneben fanden sich aber auch im Traum oder in der wollüstigen Ekstase rein masochistische Bilder ein, z. B. die herrliche Frauengestalt stand nur leicht verhüllt, mit einer Peitsche in der Hand, vor ihm, er als ihr Sklave vor ihr auf der Erde knieend. Sie hieb mit der Peitsche auf ihn los, setze ihm den Fuss auf Hals, Gesicht und Mund, bis er sich dazu herbei Hess, secretum inter digitos nudos pedis ejus bene olens exsugere. Um die l^uschung zu vervollständigen, benutzte er propria secreta pedum, indem er sie an die Nase führte. In dieser Ekstase empfand er einen köstlichen Wohlgeruch, während er ausserhalb des Paroxismus sudorem proprium non bene olentem fand. Be- merkenswerter Weise wurden diese Fuss- und Schuhfetischismen ohne irgendwelche Veranlassung lange Zeit abgelöst durch Podex- fetischismus, wobei B. als Hülfe seiner Illusion eine Mädchenunter- hose und Stercus proprium naribus appositum benutzte. Darauf kam eine Zeit, wo sein Fetisch der Cunnus feminae war und er ideellen Cunnilingus trieb (die lasciven Beschreibungen dieser imaginativen Genüsse entziehen sich jeder Schilderung). Unter- stützend dabei wirkten das Berühren von Fetzen aus dem Achsel- höhlenteil eines weiblichen Tricotleibchens, Strümpfe, Schuhe gleicher Provenienz. Nach 6 Jahren, mit zunehmender Neurasthenie und erlahmender Phantasie (?), verlor B. die Fähigkeit zu der dergestalt betriebenen psychischen Onanie und wurde ein gewöhnlicher Masturbant. So ging es Jahre weiter. Zunehmende Neurasthenie nötigte B. endlich, seine Masturbation einzuschränken, sich einer Behandlung zu unterziehen. In der Beconvaleszenz machte er die Be- kanntschaft eines seiner masochistischen Gefühlsweise entsprechenden


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Mädchens, erzielte endlich Coitus unter Zuhülfenahme masochistischer Situationen und fühlte sich vollkommen befriedigt. Nun lebten aber die früheren fetischistischen Fascinationen (Fuss, Podex, Foetor ani et cunni) und masochistischen Gelüste wieder auf und in der BeMedigung dieser Appetenzen (Anilingus, Cunnilingus) fand B. weitaus grösseren Genuss als in dem nur honoris causa und als Episode jener Scheusslichkeiten geleisteten Coitus. Das Ende dieser cynischen, aber für die wissenschaftliche Untersuchung auf dem Gebiete der Psychopathia sexualis wichtigen Betrachtung war eine — Heirat, zu welcher sich B., nachdem ihm seine Maitresse davongelaufen war, entschloss. B., der bereits Familien- vater ist, versichert, dass er es mit der Ehefrau genau so mache wie mit der Maitresse und dass sie beide befriedigt von dieser Art des maritalen Umgangs seien!!

Dieser Fall ist jedenfalls lehrreich in Bezug auf die mächtige Praevalenz von Geruchsempfindungen bei krankhaft verändertem Sexualtriebe. Es ist wahrscheinlich, dass diese Geruchsreize- und Halluzinationen das Primäre waren und erst sekundär die masochistischen Vorstellungen hervorgerufen haben. Besonders deutlich ist wohl dieser Zusammenhang bei denjenigen Fällen, wo es den Be- treffenden um eine möglich st intensiv eGeruchsempfindung zu thun ist, zu welchem Zwecke sie sich besonders gern die schmutzigsten Individuen aussuchen. Ein Beispiel für die letztere Spezialität, wenn auch ohne Masochismus, ist der folgende Fall aus der nicht seltenen Kategorie der Zehenriecher.*)

Beobachtung 11. — H. v. G., Gutsbesitzer, Major a. D., im 60. Jahre gestorben, aus einer Familie stammend, in der Leichtsinn, Schuldenmachen und Lockerung der ethischen Begriffe hereditär ist. In seiner Jugend schon den toUsten Ausschweifungen ergeben (als Veranstalter „nackter Bälle" bekannt), immer von cynischem und brutalem Wesen, jedoch in seinem Militärdienste stramm und genau,


')Krafft-Ebing„Psychopathiasexualis". 5. Aufl. Stuttg. 1890. S. 66—67.


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musste wegen einer nicht bekannt gewordenen, unsauberen Affare quittieren und lebte durch 17 Jahre als Privatmann. Um die Verwaltung seines Vermögens völlig unbekümmert, führte er sich als Lebemann fiberall ein, war aber ob seines lasciven Wesens überall gemieden. Die ihm trotz seiner Brüskheit doch deutlich gewordene Isolierung aus den angestrebten Gesellschaftskreisen ver- anlasste ihn wohl, dass er mit Vorliebe ordinäre Gesellschaft, Fischer, Handwerker, Gasthaus — „Schwemmen" aufsuchte. Ob er mit Männern in geschlechtlichem Verkehr trat, ist nicht nach- weisbar; sicher ist aber, dass er auch im späteren Alter Symposien mit gemischter Gesellschaft arrangierte und als Wüstling be- kannt war.

In den letzten Jahren seines Lebens hielt er sich abends in der Nähe von Neubauten auf, suchte sich aus den den Bau verlassenden Arbeiterinnen die schmutzigsten heraus und bewog sie, ihn zu be- gleiten. Es ist sicher gestellt, dass er die Tagelöhnerinnen sich entkleiden Hess und ihnen dann an den Zehen saugte, worauf seine Libido rege wurde und er selbe dann befriedigte.

Eng mit dem Fussfetischismus verknüpft ist der Schnhfetischismus, der ebenfalls nicht selten Geruchs- empfindungen seinen Ursprung verdankt. Eudolf Klein- paul hat zuerst auf die eigentümlichen symbolischen Beziehungen zwischen Schuh und weiblicher Scham hin- gewiesen, wofür er zahlreiche Beispiele anführt.*) Moll erinnert an ein Gedicht „Der Schuh", in welchem die Scheide des Mädchens mit dem Schuhe verglichen wird. Weshalb der Schuh als Symbol der weiblichen Scham angesehen wird, erklärt keiner der beiden Autoren. Ob nicht hier vielleicht primitive G^ruchsvorstellungen eine EoUe spielen, die eine unwillkürliche Ideenasso- ciation zwischen dem manchmal sehr intensiven Gerüche des Leders und dem Foetor cunni zur Folge hatten?


  • ) Rudolf Eleinpaul „Sprache ohne Worte. Idee einer all-

gemeinen Wissenschaft der Sprache." Leipzig. S. 108, 307, 325. cit. nach Moll „Die konträre Sexualempf." 3. Aufl. S. 306.


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Jedenfalls wird der Schuhfetischismus noch heute oft genug durch Geruchseindrticke hervorgerufen. So bekennt ein Patient von v. Krafft-Bbing, dass er den Geruch von Lackleder an den weiblichen Schuhen sehr gern habe, ohne dass er im übrigen ein ausgesprochener Schuh- fetischist war.') Aus einem sehr interessanten Falle von Fuss- und Schuhfetischismus, über den A. Moll sehr aus- führlich berichtet, ist die folgende Stelle bemerkenswert^: „Zwischen dem 13. und 16. Lebensjahre wurde des X. Schwärmerei für nackte Frauenfüsse sehr gross. Stets suchte er deshalb die Mädchen beim Scheuern der Stuben- dielen abzupassen, und dieser Anblick rief Erektion bei ihm hervor. An einem stillen Plätzchen onanierte X. dann, meist unmittelbar nach den empfangenen Ein- drücken. Er nahm den Mädchen Strümpfe und Schuhe weg, roch an diesen herum und küsste sie, bis Ejakulation erfolgte. Er leckte die innere Sohle ab, er machte einen Strumpf nass, sog das Wasser aus, zog sich Strümpfe und Schuhe der Mädchen an, ejakulierte in diese Kleidungsstücke hinein. Dergleichen Mani- pulationen machte er faute de mieux zuweilen mit seinen eigenen Strümpfen. Die Friktionen an den genannten Kleidungsstücken der Mädchen oflerebant dem X. permagnam voluptatem. Er suchte die Erregung möglichst lange usque ad ejaculationem hinzuziehen. Amando sensit ejaculationem appropinquare actionem interrumpit et post nonnullas minutas denuo incepit. Des Nachts schlich sich X. auf den Zehen in die Zimmer, wo die Mädchen schliefen, nahm Strümpfe und Schuhe derselben


  • ) V. Krafft-Ebing „Arbeiten etc." S. 159.

•) A. Moll „Untersuchungen über die Libido sexualis" Bd. I S. 290—291.


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weg, et post masturbationem stellte er sie wieder an der Mädchen Bett. Wenn die Mädchen nachmittags behufs Rollen der Wäsche abwesend waren und sonst niemand zu Hause war — X. lauerte auf solche Momente — zog er Schuhe und Strümpfe aus und legte sich in das Bett eines der Mädchen, um in der geschilderten Weise zu onanieren."

Ein berühmter Fuss- und Schuhfetischist war der französische Schriftsteller E6tif de la Bretonne, von dessen bizarrer Persönlichkeit Eugen Dühren in seinem Werke über den Marquis de Sade eine ausführliche Schilderung entwirft.*) Auch Moll erwähnt diese Leiden- schaft von R6tif de la Bretonne^. Dass dieselbe zum Teil mit Geruchsempfindungen zusammenhing, geht aus einer Stelle in R6tifs berüchtigtem Eoman „L'Anti- Justine ou les Delices de l'Amour" hervor, der nach Charles Mon seiet zum grössten Teile Autobiographie ist. Hier wird eine Szene geschildert, in der R6tif von einer Dirne deren Schuhe überreicht werden. Es heisst dort*):

„Le surlendemain quand je vis Conquette, je la trouvais coiff6e en battant-l'oeil, ce qui, avec ses yeux ä longs cils, la rendait charmante; eile avait des souliers de coutil de soie neufs qu'elle essayait. Je me jetai ä genoux en lui disant: „Conquette, ton pied est le mieux fait possible, mais il est un peu grand, et ce soulicr fort pointu, ces talons minces trop 61ev6s, le fönt


  • ) E. Dühren „Der Marquis de Sade und seine Zeit."

Charlottenburg 1900. Verlag von H. Barsdorf S. 95—100.

«) Moll 1. c. S. 498—499.

  • ) „L*Anti- Justine ou les D61ices de TAmour** par R6tif de

la Bretonne. Bruxelles 1890. (Neudruck). Capitel 46 S. 125— 126.


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paraitre plus petit de moitie. Qu'il est divin! . . . . et je b .... , comme tu le vois .... — Mon eher papa, comme je sais ä quel point vous m'adorez, j'ai voulu consacrer cette chaussure avant de vous la preter pour orner votre cheminee. Voici les blancs d'hier, avec lesquels j'ai tant ete ... ce que vous savez. Voyez la jolie forme que leur a donnee mon pied: ils sont plus voluptueux qu'avant d'avoir 6te mis." — Je flairai avidement le dedans de ces divins souliers. „Ah!

je b .... ! m'6criai-je, tes sacres b de souliers

sont embaumes!"

Hier spricht R6tif de la Bretonne deutlich aus, dass besonders der Geruch der Schuhe ihn sexuell stark erregt.^)

4. Achsel-Fetischismus.

Der intensive Geruch, den, wie wir sahen, die menschlichen Achselhöhlen bisweilen verbreiten, ist zu- weilen die Ursache eines speziellen Achselfetischismus, lieber einen solchen Fall berichtet Charles Fere^)

Beobachtung 12. — Vor 20 Jahren hatte ich oft Gelegenheit, mit einem Manne von beinahe 60 Jahren auf die Jagd zu gehen, der sich einer robusten Gesundheit erfreute, und in dessen Familie keine groben neuropathischen Züge nachweisbar waren. Dieser Herr hatte die Gewohnheit, Mädchen und Frauen, selbst ältere, auf eine sonderbare Weise zu necken, die mich sehr in Erstaunen setzte. Er


  • ) Ebenso Cap. XX; „C'est Cypris, et le dedans de ses

chaussures sent l'ambroisie"; Cap. XXXTT: „Cependant Cordaboyau flairait la chaussure mignonne de Conquette Ing6nue"; Cap. XXXV: „Lui ajant le nez dans une mule mignonne qu'il m'avait arrach6e du pied."

«) Tardif a. a. 0. S. 81.


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belästigte nur Frauen, die auf den Feldern mit aufgestülpten Hemdsärmeln arbeiteten und drängte sich so an sie heran, dass er mit der Hand ihnen unter die Achseln fahren konnte. Wenn er seinen Zweck erreicht hatte, den seine Opfer oft genug nicht errieten, ging er befriedigt von dannen, hielt aber sehr lange Zeit seine feuchte Hand an der Nase mit einem Ausdruck des höchsten Yer- gnttgens. Nach langem Zögern gab er mir die folgende Erklärung als etwas ganz Natürliches: Es ist der Geruch, der mich erregt, und der mich Meilen weit gehen lässt.


Viele Riechstoffe zeichnen sich dadurch aus, dass sie gleichzeitig auch den Geschmackssinn erregen. Hier erfolgen Geruchs- und Geschmackseindrücke in dem- selben Augenblick und sind von dem empfindenden Individuum sehr schwer von einander zu trennen. Nach Zwaardemaker*) besteht oft zwischen Geruch und Geschmack dieselbe Association, wie vereinzelte Personen sie zwischen Ton und Farbe darbieten, und welche dann zur sogenannten „Audition color6e" Veranlassung giebt. Audi in der sexuellen Osphresiologie, besonders im pathologischen Teile derselben, spielt diese Association eine Rolle. Dass der Geschmack allein als solcher sexuell erregende Nachwirkungen haben könne, ist sehr unwahrscheinlich*). Auch jene merkwürdigen Formen des „Liebeszaubers", bei denen Speisen mit Genitalsecreten, Schweiss und anderen körperlichen Absonderungen und Ausscheidungen vermischt und dem zu „Bezaubernden"


^) Zwaardemaker a, a. 0. S. 211.

«) Doch berichtet Roubaud über einen solchen merkwürdigen Fall. Einer seiner Freunde konnte niemals Schlagsahne essen, ohne sofort wollüstige Gedanken zu haben. (F. Roubaud „Trait6 de rimpuissance etc.« 1876. S. 6).


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gereicht werden, lassen sich wohl am besten aus einer beabsichtigten Geruchs Wirkung erklären. Mit Recht reiht Günther^) die Ansicht des Volkes in das Kapitel der erotischen Gerüche ein, nach welcher von den Sekretionen des menschlichen Körpers der Schweiss, das Ohrenschmalz, das Menstruationsblut in Rücksicht auf den Mann, Semen virile aber hinsichtlich des Weibes eine unwiderstehliche Wirkung als Liebesmittel ausüben.

So herrscht in Mecklenburg der Glaube, die Geliebte müsse dem Geliebten folgen, wenn derselbe ihr einen Apfel mit seinem Achselduft imprägniert zu essen ge- geben habe^. In Pfeiffers „Germania" (Bd. I S. 80) heisst es, dass an einem bestimmten Tage die Weiber sich nackt in einem Komhaufen wälzten und aus dem Korne dann eine Speise für Liebeszauber bereiteten. — In den Verordnungen über die Kirchenbussen, welche Bischof Burchard von Worms erliess, finden sich zwei Stellen, die deutlich beweisen, dass die Verwendung von Menstruationsblut und anderen Unsauberkeiten zu erotischen Zaubermitteln damals öfters auch in Deutsch- land vorkam. Der fromme Kirchenfürst sagt nämlich: „Hast Du gethan, was einzelne Frauen zu thun pflegen? Sie bewahren ihr Menstruationsblut auf, mischen es in Speise und Trank und reichen es ihren Männern und geben es ihnen zu essen oder zu trinken, damit sie mehr von ihnen geliebt werden. Hast Du das gethan, so mögest Du während fünf Jahren an den gesetzlichen Feiertagen Busse thun.'* Und femer:


») R. Günther a. a. 0. S. 202. <) Jägers Monatsblatt I S. 156.


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„Hast Du gethan, was einzelne Frauen zu thun pflegen? Sie werfen sich auf das Antlitz und mit entblössten Hinterbacken pflegen sie in der Kerbe Brot zu zerreiben, das sie dann dem Gatten zu essen geben. Das thun sie, um die Liebe jener mehr anzu- fachen."')

Dass auch in neuerer Zeit derartige Manipulationen nodi vorkommen, beweist folgende Szene ans einer erotischen Schrift vom Jahre 1832, die offenbar reale Verhältnisse und Erfahrungen schildert*):

Beobachtung 13. — „J'entends une Toix d'bomme dans la chambre, je quitte la sonnette que je tenaia dSjä, et je regarde par le trou de la semire qui ce pouvait 6tre. Je voia Sophie en chemise, assise sur les genous de l'^picier, tenant d'une main membrum virile i lui et de l'autie main la queue de la poSle, J'espere qu'eUe 6tait embairaEti^e, auBsi les mains de l'^picier avaient- elles beau jeu et jouaient-elleB bieo; quand l'omelette fut faite on laiBsa un peu refroidir, et ensuite Sophie se mit & genoui, baissa la tSte jusqu'ä terre, havssa d'autant les nates, l'^icier leva sa chemiee, lui appliqua l'omelette sur lea nates et se mit ä la mangei, en a;ant soin lambendi anum et cunnum & cbsqua bouchöe."

Auch ein von Eulenburg in seiner „sexuellen Neuropathie" (3. 101) berichteter Fall, wo ein Mann sexuellen Gennsa im Verzehren von in die weiblichen Ctenitalien eingeführten Erdbeeren fand, weist auf diese eigentümliche Assoziation von Geruch und Ge- schmack hin.^)

') A. Günther a. a. 0. S. 212—213.

') jjjes Amours Seerets de M. Mayeni, ßeritea par lui-m6me." Jrüssel 1832. S. 54—55.

') Ebenso dei von Günther (a. a. 0. S. 213) mitgeteUte /olksglaube, dass Muskatnussstttcke und PfeSerkörner , welche len VeidanuQgskanal passierten, unwiderstehliche Aphrodisiaca leien (I).


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Diese Thatsachen erleichtern das Vertändnis für jene merkwürdigen Kategorien von sexuellen Geruchs- fetischisten, zu deren Besprechung ich jetzt übergehe.

5. Die Cnnnilingui und Fellatores*

Es ist unzweifelhaft, dass bei dieser Kategorie von sexuellem Fetischismus, wobei der Betreffende opus peragit linguam arrigendo in cunnum, eumque lambit — oder wie der Fellator vel labris vel lingua perfricandi atque exsugendi officium peni praestat, die Geruchs- empfindungen die wichtigste Rolle spielen.

Forberg und Rosenbaum haben so ausführliche Nachrichten über die Geschichte dieser Perversitäten gegeben und die einzelnen Details derselben so genau mitgeteilt, dass nur auf sie bezüglich des näheren Studiums verwiesen werden kann.*)

Von Interesse sind die Bemerkungen des viel- erfahrenen Moll über diese Art des Geruchsfetischismus. „Der Cunnilingus activus/* sagt er, „der, wenigstens in einigen grossen Städten, von Männern der „guten Gesellschaft" mit Vorliebe ausgeführt wird, scheint in einigen Fällen in Geruchsreizen, die vom Cunnus aus- gehen, seine Quelle zu haben; doch spielen auch andere Reizquellen hierbei eine Rolle, z.B. der Wunsch, libidinem feminae excitare, id quod saepe coitu non fieri potest, ac libidine feminae se ipsum excitare. Kulturgeschichtlich ist bemerkenswert die Häufigkeit, mit der der Cunnilingus


  • ) „Antonii Panormitae Hennaphxoditus." Primus in Germania

«didit et apophoreta adjecit Friedr. Carol. Forberg. Coburgi 1824. S. 277—304; S. 322—345. — „Geschichte der Lustseuche im Altertum etc." Dargestellt von Dr. Julius Bösen bäum. 6. Aufl. HaUe a. S. 1893. S. 227-278.

Hagen, sexueUe Gerüche. 8


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im niedergehenden Eömischen Eeiche ausgeführt wurde, wenn man aus den Stellen der Schriftsteller einen Schluss ziehen darf." ^)

Auch heute noch spielt das „gamahucher" in den erotischen Schriften die Hauptrolle, und es ist nicht be- deutungslos, dass gerade bei den Konträrsexualen diese konzentrierte Verehrung der Geschlechtsteile so häufig ist. Tardif spricht die sonderbare Ansicht aus, dass die- jenigen Menschen, welche durch den odor genitaKum an- gezogen würden, nur einem normalen Triebe folgten, während die sexuelle Wirkung der übrigen Körperdüfte den eigentlichen Perversitäten beizuzählen sei^}. Das ist natürlich grundfalsch. Der normale Mensch wird höchstens noch durch eine allgemeine Körperausdünstung, insofern sie nicht intensiv unangenehm ist, angezogen, durch die Genitalgerüche direkt abgestossen. Ein umgekehrtes Verhalten, wie es die Cunnilingui darbieten, ist eben Atavismus, da man bei Tieren derartige Mani- pulationen öfter beobachtet. Gesunde und normale Men- schen empfinden den heftigsten Widerwillen gegen alle in jenen Gegenden lokalisierten Ausdünstungen.

Dass der Akt des Cunnilingus nur eine besondere Abart des sexuellen Geruchsfetischismus ist, beweisen auch jene nicht seltenen Fälle, in denen er mit Vorliebe post mictionem puellae ausgeführt wird. Schon Retif de la Breton ne schildert eine solche Szene ^). Es wird eben bei dieser Perversität ein möglichst intensiver Ge- ruchseindruck gesucht. Hier sind auch die von Tardieu zuerst beschriebenen „ßenifleurs" zu nennen, über die


^) A. Moll „Libido sexualis" Bd. I S. 134.

2) Tardif a. a. 0. S. 82.

3) „L'Antijustine" etc. S. 33.


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der berühmte französisclie Gerichtsarzt sagt: „Foedissi- mum tandem et singiüare genus libidinosorum vivido colore exprimit appellatio renifleurs, qui in secretos locos, nimirum circa theatrorum porticos, convenientes quo complures feminae ad micturiendum festinant, per nares uriales odore excitati, illico se invicem pollunt." ^) Aehnlich sind die „Epongeurs", jene Individuen, welche sich in die öffentlichen Bedürfnisanstalten schleichen und mit Schwämmen den Urin auffangen und die also ge- tränkten Schwämme voll Behagen an die Nase führen.*) Das bibere urinam kommt auch in de Sade's „Justine et Juliette", den „Mem. e. Sängerin" u. a. öfter vor.

6. Die Kopromanen („Stercoraires^O und Phllotanl (Krafft-Ebings ,,PodexfetIscliIsmas^^).

Mit dem treffenden Namen „Podexfetischismus" be- zeichnet V. Krafft-Ebing jene scheusslichen Fälle von Geruchsfetischismus, bei denen die Vorstellungen der be- treffenden Individuen durch die von den Nates und vom Anus ausgehenden Geruchseindrücke in sexuellem Sinne beeinflusst werden.

Es hat ja von jeher Personen gegeben, die sich mit besonderem Behagen in rebus scatologicis herum- tummelten, wie ein Blick in die kuriose „Bibliotheca Scatologica" lehrt*). Die grosse Mehrzahl der scato- logischen Werke ist in Frankreich erschienen, so dass die „Scatologie" mit Recht eine Specialität der Franzosen


^) „]^tude ni6dico-l^gale sur les Attentats aux moeurs" par Ambro ise Tardieu. 5. 6d. Paris 1867. S. 183. — Vgl. auch A. Coffignon „La Corruption ä Paris. Paris 1900. S. 346—347. «) A. Eulenburg a. a. 0. S. 103.

«) „Bibliotheca Scatologica" Scatopolis 5850 (Paris 1850), Verfasser: P. Jannet, J. P. Payen u. Aug. Veinaut.


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genannt worden ist Unter den Büchern, die Pantagruel in Rabelais' Gargantua in der Bücherei von St Victor findet, befindet sich auch eine „Ars honeste farzandi in societate per M. Ortvinum" ^), und im 18. Jahrhundert erschien eine „L'Art de Peter, Essai Th6ori-physique et Methodique A Tusage des personnes constip6es, des Per- sonnages graves et austferes, des Dames mölancholiques, et de tous ceux qui sont esclaves du pr6]ug6. Suivi de l'Histoire de Pet-en-FAir et de la* Reine des Amazonas, oü Ton trouve Torigine des Vuidangeurs, Nouvelle Edition. Augmentee de laSoci6t6 des Francs-Peteurs, pour ceux qui d6sireront y etre invit^s; avec une gravure ä Teau forte: En Westphalie, Chez Florent-Q, rue Pet-en Gueule, au Soufflet 1776."

Immerhin sind diese „Scatologen" noch relativ harm- lose Persönlichkeiten neben den Podexfetischisten par excellence, den „stercoraires", wie sie LöoTaxil nennt und ausführlich geschildert hat^) und die man wieder in die Kategorien der „Kopromanen", der „Philotani" und der „Abortfetischisten" einteilen kann. Nicht blos die Odores flatulenti, sondern auch der Lambitus ani und sogar, horribile dictu, das Verschlingen von Faeces sind jene mit intensiven, unangenehmen Geruchsempfindungen verbundenen Akte, durch welche diese Podexfetischisten allein sexuell befriedigt werden. Schon über C a 1 i g u 1 a wird berichtet: et quidem stercus uxoris degustavit", ^)


  • ) Rabelais' »«Gargantua und Pantagruel". Leipzig o. J.

Bd. I. S. 204 (Buch 2 Kap. 7). In einer kleinen Broschüre „Eloge des pets" vergleicht der seine Geliebte besingende „Farceur en compagnie" dieselbe mit einem „6tron fumant."

«)L6o Taxil „La Corruption fin de si^cle", Paris 1894 S. 225-226.

•) A. Eulenburg, a. a. 0. S. 103.


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und Martial sagt bezeichnend in einem Epigramm

(Lib. m Epigr. 77):

Nescio quod stomachi Vitium secretius esse Suspicor, ut quid enim, Bactice, saprofagis?

Auch Galen geisselt dieses also schon im Altertum sehr verbreitete Laster 0, welches in der Neuzeit nach den Angaben verschiedener Autoren wieder recht häufig geworden, aber keineswegs auf das vornehme Wüstling- tum beschränkt ist. Der Marquis de S ade hat in seiner „Justine et Juliette" derartige Szenen öfter geschildert, und auch in den berüchtigten „Memoiren einer Sängerin" kommt eine Episode vor, wo ein alter Wüstling in einem Budapester Bordell excrementa puellae ore excipit. Folgende Beobachtungen Krafft-Ebing's mögen die verschiedenen Arten der Kopromanie illustrieren und zugleich beweisen, dass es hauptsächlich die Geruchs- wirkung ist, welche erstrebt wird.^)

Beobachtung 14. — Ein als Sonderling und Misanthrop seiner Umgebung von Jugend her bekannter Notar, der in seiner im Convict verbrachten Studienzeit der Onanie sehr ergeben war, regte, nach eigener Erzählung, seine Geschlechtslust dadurch auf, dass er eine Anzahl von ihm gebrauchter Elosetpapiere auf der Bettdecke ausbreitete, bis durch Betrachtung und Beriechung der- selben Erection eintrat, die er dann zur Onanie benützte.

Nach seinem Tode fand sich ein grosser Korb solcher Papiere mit genau notiertem Datum und Jahreszahl bei seinem Bette vor.

Beobachtung 15. — Ein im höchsten Grade decrepider, russischer Fürst liess sich von seiner Maitresse, die sich über ihn, ihm den Rücken wendend, setzen musste, auf die Brust defäcieren und regte nur auf diese Weise die Reste seiner Libido an.


  • ) Gl. Galen i, Opera omnia^ Leipzig 1826, Bd. XII. (De

simplic. medicament. tcmperamentis ac facultatibus Lib. X Kap. I, S. 249).

  • ) R. V. Krafft-Ebing, „Psychopathia sexualis", 5. Aufl.

S. 67; 10. Aufl. S. 124 u. 125.


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Beobachtung 16. «- Ein Mann souteniert eine Maitresse in aussergewöhnlich glänzender Weise mit der ihr auferlegten Ver- pflichtung, ausschliesslich Marzipan zu essen. Ut libidinosus fiat et ejaculare possit excrementa feminae ore excipit.

Der folgende von Neri mitgeteilte Fall ist ein krasses Beispiel dafür, wie sehr der Geruchssinn das ganze sexuelle Leben beherrschen kann.^)

Beobachtung 17 — 27 jähriger Arbeiter. — Summa ei fit Yoluptas, si meretrices in os ejus faeces et urinas deponunt. Vinum supra corpus scortorum effusum defluens ore ad meretricis cunnum adposito excipit. Valde delectatur, si sanguinem menstrualem ex vagina effluentem sugere potuit. Osculatur calceos sororis, cuius pedes sudore madent. Libido eins tum demum maxime satiatur, si a pueUis insultatur; immo vero yerberatur, ut sanguis exeat. Dum verberatur, genibus nixus veniam et clementiam puellae ex- petit, deinde masturbare incipit.

Eine besondere Kategorie bilden jene Individuen, welche Taxil als „stercoraires platoniques" bezeichnet hat^), welche sich damit begnügen, den Defäkationsakt Anderer aus der Feme zu beobachten und dies in den Pariser Bordellen mit Hülfe eines sogenannten „Tabouret de Verre" bewerkstelligen, dessen Boden von Glas und so hoch angebracht ist, dass ein Mann sich darunter hinstrecken und zuschauen kann, wie das daraufsitzende Weib seine Notdurft verrichtet. Aehnliche Scheusslich- keiten werden auch in der „Justine*' des Marquis de Sade geschildert, wo z. B. Saint-Florent und Rodin die Justine bei dem Defäkationsakt beobachten et valde delectantur^).

Hierher gehört auch der seltsame Hang gewisser Leute, sich auf Aborten aufzuhalten („ Abortf etischis-

^) „Arehivio deUe Psicopatie sessuale", 1896, S. 108. — Nach Krafft-Ebing a. a. 0., S. 125.

«) Taxil a. a. 0. S. 226.

    • ) E. D Uhren, „Der Marquis de Sade und seine Zeit**.

Charlottenburg 1900, S. 331 u. 332.


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mus"), welcher natürlich meist bei den „platonischen Kopromanen" sich findet, wie der folgende Fall von Moll darthut^).

Beobachtung 18. — X., 27 Jahre alt, Kaufmann, unver- heiratet, stammt aus einer Familie, in der nach seiner Angabe Nerven- und Geisteskrankheiten nicht vorkommen. Der Vater ist nach Angabe des X. vor 26V2 Jahren am SchlaganfaU gestorben, während die Mutter noch lebt und gesund ist. Auf genauere Er- kundigungen bei der Mutter stellte sich jedoch heraus, dass der Vater Spieler war und durch Selbstmord geendet hat, der aber dem Sohne, um das Andenken des Vaters nicht herabzusetzen, ver- schwiegen wurde. Ebenso beendete ein Bruder des Vaters frei- willig sein Leben durch Erhängen. Zwei Brüder des X. sind ge- storben, und zwar der eine an einer Kinderkrankheit im Alter von sechs Jahren, der andere später an Lungenentzündung. Trunk- sucht, Epilepsie und ähnliche Vorkommnisse in der Familie werden in Abrede gesteUt. Von Seiten der mütterlichen Verwandtschaft ist nur zu ermitteln, dass. eine Schwester der Mutter an Kopf- schmerz und Rheumatismus leidet.

X. selbst erklärt, dass er niemals nervenkrank war und auch kein nervöses Temperament gezeigt habe. Er soU aber nach An- gabe der Mutter bis zu seinem 12. Jahre an Krämpfen gelitten haben, doch ist sie nicht imstande. Genaueres über deren Natur anzugeben; um Epilepsie scheint es sich nicht gehandelt zu haben. Im geselligen Verkehr war X. nach Angabe der Mutter nicht normal, da er sich fast immer von seinen Kameraden zurückzog. In der Schule lernte er schwer. Was die auf den normalen Ge- schlechtsverkehr gerichteten Fragen betrifft, so giebt X. an, dass er ihn im Alter von 20 Jahren begonnen, aber nicht häufig — übrigens fast nur mit Prostituierten — ausgeübt habe. Das Weib als solches habe bei ihm Geschlechtstrieb erregt. Ein nackendes Weib bewirke bei ihm Erektion, und der normale Coitus gewähre ihm Befriedigung.

Onanie hat X. nach seiner Angabe fast nie getrieben, und angeblich nur bei solchen Vorfällen, wie derjenige ist, dessentwegen X. jetzt angeklagt ist; d. h. er onanierte nur, während er auf dem Aborte gcnitalia feminae defaecantis betrachtete. Nächtliche Pollu-


A. Moll, „Libido sexualis", Bd. I, S. 837—839.


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tionen sollen nur selten vorkommen, dann aber gewöhnlich mit der Vorstellung der Betrachtung genitalium feminearum einhergehen.

Einen besonderen Hang will X. von jeher gehabt haben, sich auf Aborten aufzuhalten. Mit 13 Jahren schon blieb X. mit Vorliebe an solchen Orten, und zwar in der Absicht, hier die Gre- schlechtsorgane von Menschen zu sehen. Der Greruch des Klosets ist dem X. angenehm, jedenfalls nicht ekelhaft. Dennoch soll es nicht der Geruch allein sein, der ihn hier anlockt, da er auch ge- ruchlose ilosets gern besucht. Angeblich treibt den X. der Wunsch, die genitalia feminarum zu sehen, nach diesen Orten, deshalb sucht er auch nur solche Aborte auf, an denen er, wenn auch in niederkauemder Stellung, Gelegenheit hat, die Geschlechtsorgane und auch das Hinterteil eines den Ort benutzenden Weibes zu er- blicken. Selbst wenn dies durch Dunkelheit verhindert ist, ge- währt es dem X. doch einen besonderen Reiz, sich in dieser Atmo- sphäre eine solche Situation vorzustellen. Mitunter ist die sexuelle Erregung des X. auf dem Klosett bei Betrachtung oder bei der Vorstellung der genannten partes muliebres eine solche, dass er Erektion bekommt und sich durch Onanie befriedigt. Diese Art der 'Befriedigung gewährt dem X. viel grösseres Vergnügen als der normale Coitus. Der odor stercoralis auf dem Klosett ist nach X. geeignet, bei ihm geschlechtliche Erregung zu verursachen. Auf Befragen giebt er an, dass auch andere für normale Menschen ekelhafte Akte ihm keinerlei Ekel verursachen würden. Er wäre imstande, lingaa anum feminae lambere. — Hier macht übrigens X. ohne weitere Frage eine Einschränkung, die durchaus glaubwürdig ist und dem Forscher auf dem Gebiete der sexuellen Psychologie den Eindruck der Wahrhaftigkeit gewährt, da sich die Einschränkung mit bekannten Vorgängen bei anderen sexuellen Perversionen deckt. X. sagt nämlich, dass das Weib, an dem er eine solche ekelhafte Handlung ausführen würde, schön und jung sein müsse; bei einem anderen könne er eine solche Handlung nicht ausführen. Höchstens käme es, wenn es im Dunkeln geschähe, auf die Persönlichkeit des Weibes nicht an.

X. erzählt noch mehrere Vorfälle aus seiner Kindheit, die wohl eine Verwandtschaft mit den in neuerer Zeit beobachteten Vorgängen haben. So hat es ihm im Alter von 8 oder 9 Jahren einen besonderen Reiz gewährt, wenn seine sechsjährige Cousine


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sich auf sein Gesicht setzte. Im Alter von 5 oder 6 Jahren er- innert sich X., mit seinem Gesicht an die Nates eines Dienst- mädchens gekommen zu sein, unter dessen Bock er gekrochen war. Er glauht damals schon hierbei ein grosses Vergnügen gefunden zu haben.

X. giebt an, dass, wenn er an einen Abort denkt, ein innerer Trieb ihn dorthin ziehe, und dass er dann diesen Gedanken nicht wieder los werden könne. . . . Um sich ein Weib dort anzusehen, ging X. selbst dann aufs Kloset, wenn er sich dabei der Möglich- keit aussetzte, durch die Fäkalien des Weibes besudelt zu werden. Der Gedanke, dass das Weib oben auf dem Klosett war, genügte zur Erregung, selbst wenn er das Weib nicht sehen konnte. Der oder stercoralis auf dem Klosett regt den Patienten sexuell auf, doch ist der Geruch nicht unbedingt hierzu notwendig. Schon dreimal ist X. bei dieser Gelegenheit abgefasst worden, er will aber sonst die Sache nicht allzu oft gethan haben.

X. hat sich nach seiner Angabe sowohl durch Suggestion als auch durch Kaltwasserkur von seiner Perversion heilen zu lassen versucht; aber es ist dies nicht gelungen.

Auf die Frage, warum er sich nicht lieber bei Prostituierten befriedige, weiss X. zunächst keine Antwort zu geben. X., der in guten Vermögensverhältnissen lebt, giebt aber ausdrücklich an, dass ihn durchaus nicht etwa der Wunsch, Geld zu sparen, auf das Klosett getrieben habe. Beim Anblick eines schönen Weibes hat X. nach seiner Angabe auch schon normale Erregung; aber es be- reitet ihm mehr Vergnügen, das Weib auf dem Klosett zu sehen, als mit ihm zu coitieren. Im allgemeinen wird er femer mehr durch ein unschuldiges Mädchen erregt als durch eine öffentliche Dirne. Dieser Umstand hat ihn, wie er vermutet, zum Teil dazu veranlasst, sich mit Prostituierten weniger abzugeben.

In der Einleitung hob ich hervor, dass keine Sinnes- cmpfindung so sehr wie die Geruchsempfindung heftige und plötzliche Affekte hervorruft. Ist nun abgesehen von der Intensität der Empfindung die Qualität des Ge- ruches eine besonders unangenehme, so wird die Wirkung in der That eine besonders heftige, energische sein. So lässt es sich erklären, dass manche Masochisten derartige, von der Herrin ausgehende Gerüche als


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besonders wollusterregend empfinden. Es ist eben eine besondere Art der Demütigung, der sie sich unter- werfen. In dieser Form treten die Geruchsempfindungen direkt als masochistische oder sadistische Er- scheinungen auf, wie schon v. Krafft-Ebing wieder- holt hervorgehoben hat^). Er nennt diesen Trieb zu ekelhaften Geruchs- und Geschmacksempfindungen im Eahmen des Masochismus Koprolagnie, die man natürlich in eine aktive und passive Koprolagnie einteilen kann. Einige Beispiele dafür:

Nach Sacher-Masoch schenkte eine dänische Dame keinem Manne ihre Gunst, bevor er sich nicht eine Zeit lang als ihr Sklave behandeln liess. Amantes cogere solebat, ut ei pedes et podicem lamberent. Sie liess ihre Liebhaber so lange mit Ketten schliessen, bis sie ihr ge- horchten lambendo pedes. Einmal wurde der „Sklave" an die Pforten ihres Himmelbettes gefesselt und musste Zeuge sein, wie sie einem Anderen die höchste Gunst erwies. Nachdem dieser sie verlassen hatte, wurde der gefesselte „Sklave" von ihren Dienerinnen solange gepeitscht, bis er dazu bereit war, lambere po dicem dominae^).

Hier berauscht sich die Domina in sadistischer Weise an dem Gedanken und dem Umstände, dass ein Anderer koprolagnistische Akte an ihr vornimmt.

Charakteristisch für passive Koprolagnie ist das folgende Beispiel.^)

  • ) „Arbeiten etc.", S. 128, 145; „Psychopathia sexualis". 10. Aufl.

S. 120. Noch eine andere Erklärung ist möglich. Es ist bekannt, dass der Mensch seine eigenen Flatus bei weitem nicht so unan- genehm riechend findet, als die Anderer. Wenn sich nun de. „Philotanus" mit der Geliebten identifiziert, so muss deresi Flatus ihm wenigstens nicht unangenehmer erscheinen als der eigene.

«) Krafft-Ebing, Psychop. sex. S. 122.

3) ibid. S. 123.


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Beobachtung 19. — Herr Z., 24 Jahre, Beamter aus Buss- land, stammt von neuropathischer Mutter und psjchopathischem Vater. Z. ist ein intelligenter, feinfühliger, normal gebauter Mensch von gefälligem Aeusseren und feinen Manieren; schwere Krank- heiten hat er nicht überstanden.

Er behauptet, von Kindesbeinen . auf nervös zu sein, gleich seiner Mutter, hat neuropathisches Auge und empfindet in der letzten Zeit cerebral-asthenische Beschwerden. Er klagt bitter über eine Perversion seiner Vita sexualis, die ihn oft ganz verzweifelt mache, ihm jegliche Selbstachtung raube und geeignet sei, ihn noch zum Selbstmord zu bringen.

Der Alp, welcher auf ihm laste, sei ein unnatürliches Gelüste nach mictio mulieris in os suum, das ihn ziemlich regelmässig alle 4 Wochen heimsuche. Gefragt nach der Entstehung dieser Perversion, teilt er folgende interessante, weil genetisch wichtige Thatsachen mit. Als er 6 Jahre alt war, traf es sich zufällig, dass er in einer gemischten Knaben-Mädchenschule einem neben ihm sitzenden kleinen Mädchen cum manu sub podicem fuhr. Er empfand daran ein grosses Wohlbehagen, wiederholte gelegentlich diese Handlung mit dem gleichen Erfolg. Die Erinnerung an solche angenehme Situationen spielte von nun an eine gewisse Bolle in seiner Phantasie.

Puerum decem annorum serva educatrix libidine motu ad corpus suum appressit et digitum ejus in vaginam introduxit. Cum postea fortuitu digito nasum tangeret, odore ejus valde delectatus fuit.

Im Anschluss an das mit ihm von dem Weibe begangene ünzuchtsdelict entwickelte sich bei ihm nun die mit einer Art Wollust betonte Vorstellung, gefesselt inter femora mulieris cumbere, coactus ut dormiat sub ejus podice et ut bibat ejus urinam.

Vom 13. Jahr an treten diese Phantasien ganz zurück. Mit 15 Jahren erster Coitus, mit 16 Jahren zweiter, ganz normal und ohne solche Vorstellungen.

Deficiente pecunia et magna libidine perturbatus masturbatione eam satiabat.

Mit 17 Jahren kamen die perversen Vc^stellungskreiee wieder. Sie wurden immer mächtiger und von nun an vergebens bekämpft.

Mit dem 19. Jahre erlag er ihrem Antriebe. Cum mulier quaedam, in os ei minxit, maxima voluptate affectus est. Er coitirte


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dann mit dem feilen Weibe. Seither kam fiber ihn regelmässig alle 4 Wochen der Drang, diese Situation zu wiederholen.

Hatte er seinem perversen Drang genügt, so schämte er sich vor sich selber und empfand grossen Ekel. Zu Ejaculation kam es in der Folge dabei nur ausnahmsweise, jedoch hatte er mächtige Erection und Orgasmus und befriedigte sich dann, wenn es nicht zur Ejaculation gekommen war, durch den Coitus.

In der Zwischenzeit seiner übermässig und impulsiv sich geltend machenden Antriebe fühlte er sich vollkommen frei von derartigen perversen Gedanken, aber auch von ideellem Masochismus. Ebenso wenig ergaben sich fetischistische Beziehungen. Die Libido ist intervallär eine geringe und wird in normaler Weise, ohne Hinzu* treten der perversen Vorstellungskreise, befriedigt. Es geschah ihm wiederholt, dass er, wenn der Drang zur Wiederholung des perversen Aktes ihn heimsuchte, vom Lande viele Stunden weit nach der Hauptstadt reisen musste, um jenem zu fröhnen.

Wiederholt versuchte der feinfühlige, sein krankhaftes Gelüste selbst verabscheuende Kranke seinem Drange zu widerstehen, aber vergeblich, da qualvolle Unruhe, Angst, Zittern, Schlaflosigkeit dann unerträglich wurden und er um jeden Preis seiner psychischen. Spannung durch die erlösende Befriedigung seines Dranges ledige werden musste. Dies erreichte er jedesmal sofort mit der Folge- gebung, aber dann kamen wieder die Selbstvorwürfe und die Selbst- verachtung bis zu bedenklichem Taedium vitae. Durch diese seelischen Kämpfe ist der Unglückliche neuerlich recht neurasthenisch ge- worden und klagt über Gedächtnisschwäche, Zerstreutheit, geistige Unfähigkeit, Kopf druck. Seine letzte Hoffnung ist, dass es ärzt- licher Kunst gelinge, ihn von seinem schrecklichen Gelüste zu be- freien und ihn vor sich selbst sittlich zu rehabilitiren.

In der „Justine*' und „Juliette" des Marquis de Sade wimmelt es von solchen sadistischen und masocM- stischen Betonungen und Verwertungen der Geruchs- eindrücke. Besonders bei der Orgie der „Gesellschaft der Freunde des Verbrechens" spielen diese koprolagni- stischen Akte eine grosse Rolle. „Episcopus in nasum suum mingi imperat. Femina ad feminae alterius mammam defaecat. Vir per duas horas lingit os, oculos, aures,


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nares, spatia interdigitalia pedum, anum puellae. Senex devorat faeces filiae etc.')

Noch deutlicher beweist die Verwendung von Ge- rüchen zur Hervorruf ung und Verstärkung von sadistischen bezw. masochistischen Vorstellungen die in England nicht ungebräuchliche Verwendung von Blumen bei der Flagellation I So heisst es in einer solchen Flagellations- Erzählung: „Sie nahm Miss N. mit nach dem Garten und pflückte für sie einen herrlichen Blumenstrauss, aber von so ungeheurer Grösse, dass letztere sich fast schämte, ihn zu tragen. Da jedoch ihre Freundin einen von gleicher Grösse trug, steckte sie ihn an ihren Busen. „Ich sehe, meine Liebe," sagte sie, „Du kennst noch nicht den geheimen Einfluss der Blumen; wisse, liebes Kind, dass ihr süsser Duft eine ungewöhnliche Wirkung auf vide Männer und Frauen hat; aber um diese Wirkung auf Männer auszuüben, müssen sie einen so lieblichen Busen schmücken wie den Deinigen." Nach der korrecten Weise soll das Bouquet sehr gross sein und auf der linken Seite der Brust getragen werden."^) Es handelte sich um zwei active Flagellantinnen!


Sehr interessant ist die Frage nach der sexuellen Osphresiologie bei den Konträrsexuellen. Im voraus sei bemerkt, dass in der Homosexualität in der That Geruchsempfindungen eine bedeutende Eolle zu spielen scheinen.

Jäger, der ja den Duft des Menschen für seine


1) E. Dühren a. a. 0. S. 351.

  • ) „Aphrodite Flagellatrix. Venus Schoöl-Mistress or Birchen

Sports." Paris 1898 S. 103.


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„Seele" erklärt, leitet natürlich die Genese der konträren Sexualempfindung überhaupt allein aus dem Gerüche ab. Seine Theorie der homosexualen Idiosynkrasieen lautet f olgendermassen :

1. Die Homosexualität beruht auf einer ganz ent- schieden angeborenen Specifität der Seelenstoffe. Die- selben sind bei den Homosexualen derart beschaffen,

dass sie mit den Seelendüften des Weibes in entschiedener Harmonie stehen und zwar so, dass sie dem Weib gegen- über völlig impotent sind: Das Weib riecht ihnen am ganzen Leib übel, insbesondere die Brüste und der Schoss. Sie können das Weib also unmöglich als Objekt zur Befriedigung ihres Geschlechtstriebes benutzen. Diese idiosynkrasische Antipathie ist nicht bei allen derartigen Individuen gleich stark, so dass manche noch mit dem Weibe leben können, freilich nur mit Ueberwindung des Ekels und auf Kosten ihrer ' Gesundheit. Bei anderen ist sie aber absolut unüberwindlich.

2. Die Seelenstoffe der Homosexualen stehen in Harmonie mit Personen des gleichen Geschlechtes, die Differenz dabei ist Altersdifferenz. Da der Geschlechts- trieb der mächtigste Trieb ist — und nie ganz erstickt werden kann — so bleibt, da dem Homösexualen ein- same Onanie fast unmöglich ist, demselben nichts übrig, als seinen Geschlechtstrieb beim gleichen Geschlecht zu befriedigen.*)

Jeder, der weiss, dass es nicht allein der Geruch ist, welcher bei der sexuellen Anziehung in Frage kommt, wird das Unrichtige und üebertriebene dieser Jäger- scheu Theorie einsehen.

Immerhin ist es zweifellos, dass die Geruchsempflind-

1) G. Jäger „Entdeckung der Seele" I S. 268.


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ungen auch die Homosexualität in starker Weise beein- flussen. John Addington Symonds hat über die Rolle der erotischen Gerüche bei den männlichen Homo- sexuellen bemerkenswerte Studien gemacht/) Die That- sache, dass besonders Männer niederen Standes, wie Lakaien, Kutscher, Grooms, Jockeys, Polizisten, Soldaten, Bauern, Fuhrleute, Postillone, Maurer, Zimmerleute von vornehmen und gebildeten Urningen sehr begehrt werden, erklärt er daraus, dass diese Leute das besitzen, was Straten den „natürlichen schönen Geruch des Fleisches" nennt. „Dieser Duft ist, wie ein anonymer Enthusiast auf diesem Gebiete sagt, eine besondere Eigentümlich- keit junger Männer, die im Freien leben und eine natür- liche Beschäftigung haben. Diese angenehme Eigenschaft findet sich nie bei Weibern; die Perspiration solcher Männer hat einen Duft, der sehr verschieden von dem junger Mädchen in einem Ballsaal ist: er ist zarter, ätherischer, durchdringender, feiner und schwerer zu diffe- renzieren. In der Heuernte oder im Winter, wenn sie Heu von den Scheunen auf den Bergen herunterbringen, tragen die jungen Bauern den Duft des Feldes an sich, das der Herr gesegnet hat. Ihr Körper und ihre Kleider geben einen undefinirbaren, aus Reinheit und Sexualität gemischten Duft von sich. Jede Drüse des starken Körpers scheint den Geruch von Gras und Kräutern angehäuft zu haben, der langsam aus der kühlen frischen Haut der Burschen wegdunstet. Man merkt das nicht ini Zimmer, sondern man muss die Hände eines solchen Burschen nehmen und sein Gesicht darein vergraben


^) ,J)as konträre Geschlechtsgeftihl" von Havelock Ellis und J. A. Symonds, deutsch von H. Kurella Leipzig 1896, S. 288—291.


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t

oder mit ihm unter derselben Decke im Bett liegen, um dieses Aroma zu fühlen. Keine andere Geruchsempfindung ist reicher gesättigt mit vergeistigter Poesie, der Poesie der Jugend, der Morgenstunden auf den Bergen, freudig verrichteter Arbeit und der gottgogebenen Ernte, die menschlicher Fleiss einheimst. Sie verdanken das der Freiheit und Einfachheit ihres Lebens in freier Luft, der Gesundheit, die es herbeiführt, der robusten Kraft, die durch ihre Beschäftigung entwickelt wird, und einem gewissen Etwas, das an die ursprüngliche Natur er- innert . . . Ich will noch erwähnen, dass ein Mann von guter Herkunft und Erziehung sich nur, und zwar un- widerstehlich, zu kräftigen Mähern und Emtearbeitem hingezogen fühlte; ein anderer vornehmer Mann sagte mir, er würde durch Stallgeruch erotisch angeregt, denn er erinnere sich dabei an einen Reitknecht, den er leiden- schaftlich geliebt hatte. — Nach Symonds üben Sol- daten deshalb eine so grosse Anziehungskraft auf Urninge aus, weil sie „ein mächtiges männliches Effluvium mit sich tragen" infolge der Massenanhäufungen männlicher Personen in den Kasernen. Aehnliches gilt von Matrosen, wie sie auch z. B. Pierre Loti in seinen Romanen geschildert hat.

Schon Aristophanes verweilt in der Schilderung des vollkommenen athenischen Jünglings dabei, dass er einen natürlichen Wohlgeruch besitzt, und die beiden folgenden Gedichte aus der griechischen Anthologie von einem homosexuellen Dichter heben die Vorzüge der männ- lichen Ausdünstungvor derweiblichen mit Nachdruck hervor :

Ich frage nicht nach Locken oder Flechten

In verlockender Verwirrung ausgebreitet,

Ich frage nicht nach der Kunst

Die eine gemalte Wange mit unbeständigem Reize schmückt.


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Gebt mir einen Jüngling, der Gesicht und Hand Von Staub und Sand der Eennbahn bedeckt hat, Dessen glühendes Gesicht den Duft Der ungeschmückten Frische aushaucht. Solch ein Jüngling ist für mein Herz süss, Dessen Reize allen Beiz der Echtheit haben. Der Farben und Wohlgerüche, Schminke und Locken Trägen, verbuhlten Korinthischen Mädchen lässt.


Sohn des Eukliades, Euphorion,

Nach dem Faustkampfe, in dem er siegte,

Kränzte ich mit Blumen und mit schöner Seide,

Mit weichen, honigsüssen Blumen seine Stirn.

Dann küsste ich ihn dreimal, wo er ganz voll Blut war.

Seinen Mund, seine Augen, alle seine Wunden:

Duftiger als reiner Weihrauch war, ich schwör's.

Der wilde Saft des Blutes, der davon floss.

Der folgende Fall ist ebenfalls charakteristisch in dieser Beziehung.

Beobachtung 20. Symonds teilt (a. a. 0. S. 289—290) folgenden Brief eines veronesischen Edelmannes nlit: ,3onifazio entkleidete sich eines Abends, um mir Vergnügen zu machen. Er hat das volle, rundliche, bernsteinfarbene Fleisch, wie die Schule des Giorgione es ihrem San Sebastian gab, fein geformte Gelenke, feste Nates und schweUende Schenkel, auf denen dunkle, seidige Daunen aufschiessen, dazu runde, elastische und kräftige Genitalien; als er sich dann wieder ankleidete, fiel mir sein alter Gürtel aus gestrickter Seide in die Hand, der unter seinen Hosen lag und noch die Wärme seines Körpers behalten hatte. Ich begrub mein Gesicht darein und berauschte mich beinahe an seinem herrlichen Dufte nach junger Männlichkeit und frischem Heu. Er sagte mir, dass er ihn seit zwei Jahren trüge; kein Wunder, dass er nach ihm roch.

Ich bat ihn, mir den Gürtel zur Erinnerung zu geben; er lächelte und sagte: „Sie wollen ihn gern haben, weil er so lange auf meiner pancia (Wanst) gelegen hat." „Ja, ganz richtig" — sagte ich zu ihm — „so oft ich ihn küsse, wird er mir Dich

Hagen, sexueUe Q^rtlche. 9


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wiederbringen.'* Ich binde ihn jetzt manchmal um meinen Leib, wenn ich schlafen gehe. Sein Geruch macht mir schon eine kräftige Erektion und die Berührung seiner Franzen mit meinen Genitalien hat manchmal eine unwillkürliche Ejaculation heryorgerufen.'*

Ueber ähnliche Fälle berichtet Moll.*) In einem Falle war einem Homosexuellen ein MitschiQer wegen seines „waldigen moosartigen Geruches" so lieb, dass er sich in seinen Leistungen anstrengte, um immer den weit oben gelegenen Platz neben ihm zu erhalten. In einem anderen Fall liebt der Betreffende es besonders, wenn aus den Achselhöhlen des Geliebten ein recht intensiver Schweissgeruch in seine Nase dringt.

Auch zwischen weiblichen Homosexuellen existieren derartige Sympathien durch den Geruch, üeber die Gräfin Sarolta V., eine Tribade mit männlichen Allüren, berichtet v. Krafft-Ebing: „Bemerkenswert, und für die Bedeutung von Geruchsempflndungen in ihrer Vita sexualis sprechend, ist auch ihre Mitteilung, dass sie gelegentlich einer Entfernung ihrer Marie jene Partien des Sophas aufgesucht und berochen habe, in denen Mariens Kopf zu liegen pflegte, um aus diesen Stellen mit Wonne den Geruch der Haare zu inhalieren." Jedenfalls müssen die sexuellen Gerüche gerade bei Tribaden besonders ins Gewicht fallen, da nach den Aeusserungen eines effeminierten Mannes, der auf diesem Gebiete Studien machte, die „Geruchsempfindung der Frauen ihrem Geschlechte gegenüber enorm ist",*) während bekanntlich im übrigen der Geruchssinn der Frauen weniger scharf ist als der der Männer.


1) „Libido sexualis*' S. 19, S. 61.

«)v. Krafft-Ebing „Psychopath, sexualis." 10. Aufl. S. 273; S. 205.


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Mit diesen Beobachtungen stimmt es überein, dass

der Geruch des anderen Geschlechtes den homosexuellen

Personen durchaus zuwider ist. So berichtet ein Urning in seiner Autobiographie: „Weiber sind mir in ge- schlechtlicher Hinsicht nicht nur gleichgültig, sondern auch widerlich. Den weiblichen Körper als das Prototyp der menschlichen Schönheit hinzustellen, ist für mein Empfinden lächerlich, unf asslich; den Busen finde ich ekelhaft, die weibliche Hüftbildung hässlich. Das Tanzen ist mir daher ein Greul; schon der Geruch ist mir höchst widerlich, den das sogenannte schöne Geschlecht ausströmt, wenn es vom Tanze erhitzt ist." Bei einem anderen Urning hat besonders der „spezifische Frauengeruch^ dazu beigetragen, seinen Horror femin ae zu vergrössem. Ein Dritter meint: „Schon die Nähe von Dirnen erregte mir Uebelkeit und Brechreiz, namentlich konnte ich sie nicht riechen."')

So wird es nicht Wunder nehmen, dass man alle Arten von Geruchsfetischismus auch bei Konträr- sexuellen findet.

Nach Moll findet sich der Taschenfetischismus auch bei Männern, die sich zum Manne hingezogen fühlen. „Sowie dem Fetischisten , den das weibliche Taschentuch reizt, der geschlechtliche Verkehr mit dem Weibe keinerlei Befriedigung gewährt, ebenso liegt dies für den mannmännlichen Verkehr bei Fetischisten, die Taschentücher von Männern lieben. Derartige Fetisch- isten werden weder durch Paederastie noch durch mutuelle Onanie gereizt, die Geschlechtsorgane des Mannes sind ihnen ebenso abstossend, wie die Geschlechtsorgane des


^) a. a. 0. 5. Aufl. S. 194-195; 131—132; 137.

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Weibes dem Fetischisten , der die Taschentücher der Weiber liebt." Moll teilt einen solchen bezeichnenden Fall mit')

Fuss- und Schuhfetischismus kommt ebenfalls öfter vor. Lecken und Küssen der Füsse wird bei Urningen häufig beobachtet. Einige lieben besonders schweissige Füsse. Moll hörte von einem Urning, dass es ihm grosse, sexuelle Erregung verursache, in einem Kahne zu fahren und hierbei die entblössten Füsse des Schiffers zu be- trachten.*) Garnier („Les F^tichistes" S. 114; zitiert nach Kr äfft -E hing „Psychop. sex." 10. Aufl. S. 276) teilt folgenden Fall von Schuhfetischismus von Kontrar- sexuellen mit.

Beobachtung 21. — X., 26 Jahre alt, aus höherem Stand, wurde über Masturbation in einer öffentlichen Anlage betreten und verhaftet. Er ist hereditär schwer belastet, hat einen abnormen Schädel, erschien von Kindsbeinen auf eigentümlich, psychisch abnorm, hatte schon mit 10 Jahren eine sonderbare Inclination für Lackstiefel, ergab sich mit 18 Jahren der Masturbation, wobei er aber um zur Ejakulation zu gelangen, jedes Mal des Anblicks von Lackstiefeln teilhaftig werden musste. Er hatte nie eine Neigung zum Weibe und fühlte sich, als er mit etwa 21 Jahren einmal Coitus in einem Lupanar unternahm, davon gar nicht be- friedigt. Mit 24 Jahren entwickelte sich immer mehr eine homo- sexuelle Empfindung. Er fühlte sieh aber nur zu jungen Männern von eleganter Kleidung und mit Lackstiefeln hingezogen. In der Erinnerung an solche masturbierte er. Sein Ideal war aber das Zusammenleben mit einem solchen Mann und die Ausführung mutueller Masturbation .... Seit dem 16. Jahre, wo ihn junge Leute zu interessieren begannen, hatte er nur Auge für ihr Schuh- werk und nur dann gefielen sie ihm, wenn sie Lackstiefel anhatten. Lieblingsaufenthalt waren ihm Schuhwarenläden und der Platz vor der Militärschule, wo er Gelegenheit hatte, Offiziere in Lackstiefeln


1) Moll „Kontr. Sexualempf.« 2. Anfl. S. 161—162. «) a. a. 0. S. 168.


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2u bewundern. Eines Ta^s kaufte er sich solche und berauschte sich daheim in ihrem Anblick. Aber schon ihr „Duft^ ge- ntigte, um ihn sexuell mächtig zu erregen.*)

Die gewöhnliche geschlechtliche Befriedigung bei männlichen und weiblichen Homosexuellen besteht in der Fellatio bezw. dem Cunnilingus, so dass man hier eigentlich nicht von einem Fetischismus reden kann. Indessen werden auch diese Akte nicht selten wegen der damit verbundenen Geruchsempfindungen bevorzugt. So übt in einem Falle von Havelock Ellis ein für Gerüche besonders sensibler Urning mit Vorliebe die Fellatio aus*), und wenn andere Urninge sich die Genitalien parfümieren^), so spricht dies ebenfalls für eine speziell angestrebte Wirkung auf das Geruchsorgan. — Das Gleiche gilt für den Cunnilingus der Tribaden. In einem Briefe eines solchen homosexuellen Mädchens heisst es: „Kann es wohl etwas Reizenderes und Entzückenderes geben, als wenn eine Freundin ihr Gesicht inter femora alterius collocat atque lingua labiisque labia permagna vaginae imbuit, linguam in vaginam immittit, mucum olentem clitoridis lambit eo modo ut odoribus vaginae ebria sit?"*)

Endlich sind in gleicher Weise Podexfetischismus und Koprolagnie bei Konträrsexuellen vertreten. So legt ein Uming seinen „erregten Sinnen keine Fesseln an,


') Ein Urning erzählt: „Das Abnormste, was ich kennen lernte, war die Gepflogenheit eines Herrn aus der Umgebung von Berlin. Is juvenes sordidos pedes habentes aliis praefert, pedes eorum quasi furibundus lambit." v. Krafft-Ebing. 10. Aufl. S. 243.

  • ) Havelock Ellis a. a. 0. S. 148.

») Moll „Lib. sex.« S. 828.

  • ) Moll „Kontr. Sexualempf.« 3. Aufl. S. 550.


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gestattet seinen tierischen Instinkten freies Anstoben: osculor, premo, amplector eum, lingna meam in os ejus immitto; ore cnpiditate tremente ejus labrum superius sugo, faciem meam ad ejus nates adpono et odore voluptari e natibus emanente voluptate obstupescor." Ein Leipziger Homosexueller linguam in anum coeno iniquatum, quod ei gratissimum est, immittit^)

Beobachtung 22*) Frl. X., 26 Jahre. Vater sehr jähzornig, ein Bruder wahrscheinlich homosexueU.

Mit 5 Jahren hat die X. mit einem 4 Jahre alten Knaben Cunnilingus bezw. Succio genitalium getrieben, vom 6. — 10. Jahre Cunnilingus mutuus, mit 12 Jahren (Menstruation) mit einer Gou- vernante.

Von da ab bis zum 17. Jahre deficiente occasione solitäre Masturbation, wobei sich die X. andere Mädchen, besonders die Gouvernante in der Phantasie vorsteUte. Von 17 Jahren an Cunni- lingus mit diversen Freundinnen bis zur Gegenwart, wobei sie bald aktiv, bald passiv war, und jeweils Ejaculationsgeftihl hatte. Seit Jahren auch Koprolagnie.

Maxime dilecta fuit lambendo anum feminarum amatarum, lam- bendo sanguinem menstrualem amicae, immisione feminae dilectae in OS proprium.

Den gleichen Effekt hatten verbera amicae dilectae robustae nudae ad nates. Der Gedanke, dass sie in corpore viri Koprolagnie treibe, wäre ihr widerlich, verbera vivi ohne irgend welchen Reiz, Der Versuch, durch Cunnilingus seitens eines Mannes Befriedigung zu finden, gelang nur, indem sie in ihrer Phantasie statt des vix eine femina unterschob.

Die X. versuchte wiederholt Coitus cum viro, erkannte aber, dass sie dabei ganz unerregt blieb.

Ihre erotischen Träume waren ausschliesslich homosexueU und drehten sich um aktiven oder passiven Cunnilingus.

Beim mutueUen Küssen gewährte es der X. grossen Genuss, sich von der Consors beissen zu lassen, am liebsten ins Ohr-


1) Krafft-Ebing „Psychop. sex." 10. Aufl. S. 247 u. 243. t) Krafft-Ebing „Arbeiten etc." S. 146, 147.


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läppchen, selbst bis zu Sclmieizeinpfindung und Anschwellen dieses Körperteils.

Die X. hatte von jeher männliche Neigungen, liebte es, als Mann sich unter Männern zu zeigen, arbeitete schon mit 10 — 15 Jahren in der Brauerei einer Verwandten, mit Vorliebe in Hosen und Schurzfell. Sie ist intelligent, gutmütig, fühlte sich in ihrer homo- sexuellen perversen Existenz ganz glücklich.

Sie raucht viel, trinkt gerne Bier, hat grosse Hände und Füsse, auffallend schwach entwickelte Mammae.

Kehlkopf (von Dr. Fla tau untersucht) durchaus weiblich.

Auch dieser Fall zeigt deutlich die Beziehungen des Gei'uchssinnes zu masochi^tischen Vorstellungen.

Man legt sogar dem Geruchssinne einige Bedeutung für die Genese der Paederastie bei. Nach Stark reizt der „Haut-goüt*' des Afters zu Paedicatio. Moll meint, dass, wenn wirklich einzelne Leute diese Art der Be- friedigung vorzögen, es sich nicht nur um konträre Sexual- empfindung, sondern gleichzeitig um eine weitere Perversion des Geschlechtstriebes handele, die an die Koprophagie

erinnere.^)

3. Berähmte Oernchsfanatlker.

In diesem Kapitel will ich einige Celebritäten be- handeln, welche sich durch ihre auffällige Betonung der Bedeutung des Geruches im menschlichen Leben, speziell im Sexualleben, und zwar ausschliesslich auf litterarischem Wege bekannt gemacht haben. Es sind dies vor allem die Dichter Baudelaire, Zola und der Naturforscher Gustav Jäger.

Charles Baudelaire (geb. am 9. April 1821 zu Paris, gest. 31. August 1867 eben daselbst), der geistige Führer und Begründer des französischen „Parnasses" war unzweifelhaft eine sexuell perverse Persönlichkeit*),

') A. Moll „Kontr. Sexualempf.« 3. Aufl. S. 383.

^) Vergl. darüber E. D uhren „Der Marquis de Sade etc." S. 462.


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der an progressiver Paralyse zu Grunde ging. Er hat bekanntlich dem Opium- und Haschischgenuss begeisterte Loblieder gesungen, in den „künstlichen Paradiesen"'), wie er überhaupt alles „Künstliche" dem Natürlichen vorzieht. Baudelaire ist ein geradezu fanatischer Geruchs - Monomane. Diese Thatsache hat nicht erst Nord au hervorgehoben*), sondern vor ihm schon Theo- phile Gautierin der Biographie Bau delaire's, welche in der Ausgabe der „Fleurs du mal" abgedruckt ist.

Gautier sagt^): „Ein reizendes Gedicht über die Parfüme unterscheidet dieselben nach verschiedenen Klassen, welche Gedanken, Sensationen und verschiedene Erinnerungen erwecken. Einige davon sind frisch wie Kinderfleisch, grün wie die Prairien im Frühling, er- innern an Morgenröte und tragen Unschuldsgedanken mit sich. Andere, wie Moschus, Ambra, Benzoe, Narde und Weihrauch sind herrlich, triun^hierend, weltlich, reizen zur Koketterie, zur Liebe, zum Luxus, zu Fest und Glanz. Wenn man sie in die Sphäre der Farben versetzte, würden sie das Gold und den Purpur re- präsentieren.*)


^) „Les Paradis artificiels" in : Oeuvres Completes de Charles Baudelaire. Paris 1892. Bd. IV S. 153—383.

  • ) M. Nordau „Entartung". Berl. 1892. S. 82 ff.

•) „Oeuvres compl. de Baudelaire". Par. 1898. Bd. I S. 32—33.

  • ) Hier bezieht sich Gautier auf das vierte Gedicht in den

„Fleurs du Mal", das den Titel „Correspondances" tiägt und lautet:

La Nature est un temple oü de vivants piliers Laissent parfois sortir de confuses paroles; L'homme y passe ä travers des forets de symboles Qui Tobservent avec des regards familiers.

Oomme de longs 6chos qui de loin se confondent

Dans une t6n6breuse et profonde unit6,

Yaste comme la nuit et comme la clart6,

Les paifums, les couleurs et les sons se r^pondent.


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Der Dichter kommt oft auf diesen Gedanken der Bedeutung der Düfte zurück. Bei einer dunklen Schön- heit vom Cap oder einer indischen Bajadere, die sich nach Paris verirrt hat und die Mission zu haben scheint, seinen ,.spleen nostalgiqae" einzuschläfern, spricht er von einem aus „Moschus und Havanna" gemischten Gerüche, der seine Seele nach den geliebten Gefilden der Sonne ver- setzt, wo sich die Blätter des Palmbaumes in der heissen, blauen Luft^ fäche r art ig entfalten, wo ^e Sehiffsmasten sich hin- und hemeigen beim harmonischen Rauschen des Meeres, während die schweigenden Sklaven den jungen Herrn aus seiner müden Melancholie aufzuheitern suchen. — Weiter vergleicht er sich, in dem er sich fragt, was von seinem Werke bleiben wird, mit einem alten verschlossenen Flamen, welches man in einem verlassenen Hause in der Tiefe eines Schrankes mitten unter Spinngewebe hat liegen lassen. Dem offenen Schranke entströmen mit dem Geriiche der Vergangen- heit leichte Düfte von Kleidern, Spitzen, Puderschachteln, die Erinnerungen an alte Liebe und ehemalige Eleganz wachrufen; und wenn man zufällig die klebrige, alte Phiole öffnete, würde ein scharfer Geruch von englischem Salz und von Pestessig herausströmen, ein mächtiges Gegen- gift gegen die moderne Pestilenz. Oft findet man diese Vorliebe für das Aroma, welches die Wesen und die Dinge in eine leichte Wolke einhüllt. Sehr wenige Dichter haben diese Eigentümlichkeit; sie begnügen sich


n est des parfums frais comme des chairs d'enfants, Donx comme les hautbois, yerts comme les prairies, — Et d*aatres, corrompus, riches et triomphants,

Ayant rexpansion des choses infinies,

Comme Fambre, le musc, le benjoin et Fencens,

Qui chantent les transports de Fesprit et des sens.


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gewöhnlich damit, in ihren Versen das Licht, die Farbe, die Mnsik zu besingen ; aber selten giessen sie jenen Tropfen feiner Essenz hinein (y versent cette goutte de fine essence), mit dem die Muse Baudelaires stets den Battist des Taschentuches befeuchtet. "»)

Ren6 Fleury sagt von Baudelaire, dass dieser zwei grosse Passionen hatte, die Liebe zu den Katzen und diejenige zu den Düften. Als ein Heide, der seinem Heidentum den Beigeschmack eines künstlichen Mysti- cismus gab, habe Baudelaire in den Düften die Seele der Materie verehrt, und seine krankhaft geschärften Sinne hätten von dieser umherflatternden, in alle Winkel eindringenden, alles einhüllenden Seele unerhörte Ge- nüsse empfangen. „Er besang sie, und immer gesellte sich zu der höllischen Lithurgie seiner Ausschweifungen die Mattigkeit durch die berauschenden und faden Düfte des paradiesischen Weihrauches. "2)

„II a deux sens excites, exasper6s: le toucher et Todorat."»)

Nach diesen Urteilen ist es wohl überflüssig, noch besonders hervorzuheben, dass Baudelaire in den sexuellen Gerüchen schwelgt und überall solche wittert. „Er liebte das Weib mit seinem Geruchssinn" bemerkt Nordau mit vollkommenem Recht*). Der Sexualduft des Weibes, der „odor di femina" versetzt den Dichter in einen wollüstigen Rausch, lässt alte


  • ) Bezieht sich auf No. 49 der „Fleurs du mal", auf das

Gedicht „Le Flacon".

«) Ren6 Fleury „L'art des Parfüms" in: La Vogue, Januar 1900. S. 38.

^) Gustave Lanson „Histoire de la Litt6rature fran^aise." 3e edit. Par. 1895. S. 1043.

  • ) „Entartung" von Max Nordau. Berl. 1892. Bd n S. 82.


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Eriimerungeii in ihm wach werden, erschliesst ihm unendliche Perspectiven und zaubert ihm paradiesische Bilder vor. So lautet das Gedicht No. 23 der „Fleurs du Mal":

Parfüm exotique

Quand, les deux yeux fenn6s, en un soir chaud d'automne, Je respire l'odeur de ton sein chaleureux, Je vois se d^rouler des rivages heureux Qu'6blouissent les feux d'un soleil monotone;

Une ile paresseuse oü la nature donne Des arbres singidiers et des fruits savoureux; Des hommes dont le corps est mince et vigoureux, Et des femmes dont Toeil par sa franchise 6tonne.

Guid6 par ton odeur vers de charmants climats, Je vois un port rempli de volles et de mäts Encore tout fatigu6s par la vague marine,

Pendant que le parfum des verts tamariniers,

Qui circule dans Pair et m'enfle la narine,

Se mele dans mon äme au chant des mariniers.


Der Duft des weiblichen Haares bezaubert und berauscht den Dichter ganz besonders. Baudelaire entdeckt „eine Hemisphäre" in den Haaren, wie der Titel einer Träumerei in den „Petits Pommes en Prose" lautet.^) „Lass mich riechen, lange, lange, den Duft Deiner Haare, lass mich mein Gesicht darin vergraben^ wie ein durstiger Mensch das Wasser einer Quelle ein- schlürft. Lass meine Hand mit ihnen spielen wie mit einem duftenden Taschentuche, um Erinnerungen in die

1) „Un Hemisphere dans une chevelure" No. 17 der „Petits Poemes en Prose" (Oeuvres completes. Bd. IV S. 47—48.)


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Luft zu schütteln. — Wenn Du alles wissen kömitest, was ich sehe, was ich fühle, alles, was ich in Deinen Haaren erkenne! Meine Seele reist mit dem Dufte wie die Seele anderer Menschen mit der Musik. — Deine Haare enthalten einen ganzen Traum, voll von Segel- und Tauwerk; sie enthalten grosse Meere, deren Winde mich zu herrlichen Klimaten tragen, wo die Feme blauer und tiefer ist, wo die Atmosphäre von Früchten, Blättern und der menschlichen Haut durchduftet wird. — In dem Ozean deiner Haare sehe ich flüchtig einen Hafen, wimmelnd von melancholischen Liedern (!), von kräftigen Männern aller Nationen und von Schiffen aller Formen, deren feiner und komplizierter Bau sich von einem unendlichen Himmel abhebt, in dem die ewige Hitze brütet — In den Liebkosungen deines Haares finde ich die wollüstige Mattigkeit langer Stunden wieder, welche auf einem Divan verbracht wurden, in der Kajüte eines schönen Schiffes, das sanft geschaukelt wurde auf den ruhigen Wellen des Hafens, zwischen Blumentöpfen und erfrischenden Kaskaden.

In der glühenden Tiefe deines Haares atme ich den Duft des Tabaks vermischt mit dem des Opiums und des Zuckers ; in 4er. Nacht deines Haares sehe ich die Unendlichkeit des tropischen Himmelsblau erglänzen; an den flaumigen Ufern deines Haares berau§che ich mich an den aus Theer (!), Moschus und Cocosöl ge- mischten Düften. — Lass mich lange in deine schweren, schwarzen Flechten beissen. Wenn ich deine elastischen und rebellischen Haare zerbeisse, glaube ich Erinnerungen zu essen."

Das Gedicht „La Chevelure" (No. 24 der „Fleurs du Mal) ist eine fast wörtliche poetische Version der


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obigen Prosa und giebt die Gedanken des Dichters noch deutlicher wieder:

toison, moutonnant jusque but Fencolure! boucles! parfum charg6 de nonchaloir! Exstase! Pour peupler ce soir l'alcöve obscure Des Souvenirs dormaitt dans cette chevelure, Je la veux agiter dans Fair comme un mouchoir!

La langoureuse Asie et la brülante Afrique, Tout un monde lointain, absent, presque d6funt, Vit dans tes profondeurs, foret aromatique! Comme d'autres esprits voguent sur la musique, Le mien, 5 mon amour! nage sur ton parfum.

J'irai lä-bas oü Farbre et Fhomme, pleins de r6ve Se päment longuement sous Fardeur des climats; Fortes tresses, soyez la houle qui m'enl^ve! Tu contiens, mer d'6b^ne, un. 6blouissant reve De volles, de rameurs, de flammes et de mäts:

Un port retentissant oü mon äme peut boire A grands flots le parfum, le son et la couleur; Oü les vaisseaux, glissant dans For et dans la moire, Ouvrent leurs vastes bras pour embrasser la gloire D'un ciel pur oü fr6mit Fetemelle chaleur.

Je plongerai ma tete amoureuse d'ivresse Dans ce noir oc6an oü Fautre est enferm6; Et mon esprit subtil que le roulis caresse Saura vous retrouver, 6 feconde paresse, Infinis bercements du loisir embaum6!

Cheveux bleus, paviUon de t^nebres tendues, Voua me rendez Fazur du ciel immense et rond; Sur les bords duvet6s de vos meches tordues Je m'enivre ardemment des senteurs confondues De Fhuile de coco, du musc et du goudron.


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Longtemps: toujours! ma main dans ta criniere lourde

Semera le rubis, la perle et le saphir,

Afin qu'ämon d^sir tu ne sois jamais sourde!

N'es-tu pas Toasis oü je reve, et la gourde

Oü je hume k longs traits le vin du souvenir!


Sehr häufig- wiederholen sich die Gedanken über den sexuellen Geruch des Weibes in den Gedichten und Schriften Baudelaires, und später werde ich noch Gelegenheit haben, zwei besonders eigenartige Beispiele für diese Monomanie anzuführen. Interessant ist, dass der Sexualduft des Weibes bei dem Dichter besonders alte Erinnerungen weckt, ein Umstand, der ja, wie ich oben (S. 7) erwähnt habe, überhaupt der Geruchs- empfindung als solcher eigen ist.

Neben Baudelaire, vielleicht von diesem bcein- flusst, ist Emile Zola, das Haupt des französischen Naturalismus, ein zweiter berühmter Geruchsfanatiker. Er ist es so sehr, dass der Professor der Philosophie am Lyceum in Montpellier, Leopold Bernard, schon im Jahre 1889 eine eigene Monographie über „die Gerüche in den Eomanen von Zola" schreiben konnte, in welcher er alles Material zur Beurteilung dieser Eigentümlich- keit bei dem grossen Romancier zusammengestellt hat.*)

Bemerkenswert ist, dass Bernard diese Vorliebe Zolas für die Gerüche aus einer physischen Praedis- position derselben herleitet. Er vermutet, dass bei dem Dichter eine Hypertrophie des Lobus olfactorius vorhanden sei. Denn auf allen Porträts von Zola hat ihn dessen Nase am meisten frappiert.


') „Les odeurs dans les romans de Zola.*, Par Leopold Bern ard, MontpeUier 1889.


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Nach ihm verschwinden alle anderen Teile des Gesichtes neben der Nase, die gross, fleischig und breit ist und sich durch weite Nasenlöcher auszeichnet, die zu zittern und die Atmosphäre einzuschlürfen scheinen. „Eien qu'ä voir ce nez puissant, aux ailes dilat6es, on devine un homme d'un flaire exceptionnellement subtU. On s'explique les descriptions prestigieuses du Paradou, ' la fameuse Symphonie des fromages; et tont d^autres concertos d'odeurs non moins ötourdissants, bien que moins connus/")

Wir besitzen seit kurzem, wenigstens was die sexuelle Osphresiologie betrifft, eine authentische Aeusserung Zola s selbst über seine Ansicht von der Bedeutung derselben. Im Jahre 1897, vor der Abfassung seiner Schrift über die Beziehungen der Gerüche zur Geschlechtsthätigkeit, schrieb Dr. Tardif an Zola einen Brief, in dem er ihm die folgenden Fragen vorlegte:

Wird der Mensch ebenso leicht wie das Tier durch Geruchsempfindungen beeinflusst, welche Beziehungen zum sexuellen Akt haben?

Vorausgesetzt, dass diese Wirkung der Düfte existiert, ist sie in gleicher Weise offenbar für alle Klassen der Gesellschaft, für alle Kategorien von Menschen, aus denen sie sich zusammensetzt?

Werden die „Neulinge" in der Liebe, die aber feine Sinne und Intelligenz besitzen, werden die über die Liebe „Aufgeklärten," aberDepravierten, und endlich die „Einfachen" (simples), wie der Bauer oder der Städter von materieller oder moralischer Inferiorität in Bezug auf ihren Körper, werden alle diese verschiedenen


  • ) L. Bernard a. a. 0. S. 10— 11.


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Typen in gleicher Weise durch dieselben Grerttehe be- einflusst?

Oder giebt es wohl beim Mann und bei der Frau eine Beziehung zwischen ihrem intellectuellen und sozialen Niveau und dem Parfüm, der sie verfährt?

Empfindet der Mann mehr Vergnügen in Beziehung mit einer parfümierten Frau zu sein als die Frau, welche bei einem Manne den Gebrauch von Parfümen konstatiert ? Oder welches von den Beiden zieht den Parfüm beim anderen Geschlechte vor?

Ist der Gebrauch der Parfüme beim Manne synonym mit Intelligenz zu gleicher Zeit wie mit Effemination und Depravation?

Giebt es eine Beziehung zwischen dem Grade der Intelligenz einer Frau und dem von ihr bevorzugten Parfüm? —

Zola antwortete darauf f olgendermassen :

Paris, 22. Januar 97.

Ach, mein Herr Sie stellen mir zu zahlreiche und zu komplizierte Fragen, als dass ich darauf antworten könnte. Meine wenigen Beobachtungen haben sich nur auf den der Frau eigentümlichen, natürlichen, Geruch bezogen. Derselbe ist sehr verschieden bei den einzelnen Individuen, und ich bin überzeugt, dass er bisweilen auf den Geschlechtstrieb einen bedeutenden Einfluss ausübt, der gewisse grosse Leidenschaften erklärt. Es ist sicher, da SS derGeruchssinn einederSchlingen ist^ in welchen die Natur den Mann fä^ngt, um die Fortpflanzung der Art zu sichern. Betrachten Sie die Tiere zur Zeit der Brunst; und — füge ick hinzu — betrachten Sie die Menschen, obgleich hier


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genaue Beobachtungen feUen. Es würde Ober dieses Thema ein ganzes Buch zn schreiben sein.

Natürlich, wenn der Instinkt in Thätigkeit tritt, kann eine Perversion des Instinktes stattfinden. Da wären wir bei Ihrem Gegenstande. Die künstlichen Parfüme sind sicherlich wie der Schmuck eine von der Frau unternommene Versuchung für den Mann. Das kann von beiden Teilen bis zur krankhaften Uebertreibung geschehen. Die Perversität, die Monstruosität kommen zuletzt.

Ich glaube in der That, dass die Frau sich mehr parfümiert als der Mann, ebenso wie sie sich mehr schmückt; und es scheint ebenso bewiesen, dass in dem Masse als die Intelligenz sich steigert, auch das Raf-

finement zunimmt und zur Perversität führt. Wenn

-der Geruchssinn seine Entartungen hat, so glaube ich indessen, dass sie bei allen Klassen gefunden werden Jcönnen.

Ihr

Emile Zola.

Dieser Brief beweist, welche grosse Bedeutung Zola 4em Geruchssinn in der menschlichen Sexualität beilegt, eine Bedeutung, von der, wie Bernard zuerst in seiner vortrefflichen Abhandlung gezeigt hat, seine Werke nicht weniger Zeugnis ablegen. Nach Bernard war vor Zola die Sprache der Gerüche arm; dieser hat sie wunderbar bereichert. Er hat die feinsten Nuancen der Düfte mit Namen bezeichnet und alle durch sie erregten Sensationen in glücklichen Ausdrücken wiedergegeben. Er hat es in diesen Schilderungen zu der grössten, bis- her erreichten Virtuosität gebracht.

Hagen, die sexaellen^^Gkrüche. 10


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Mit Becht zieht Bernard daraus den Schloss, dass Zola dies nur konnte, weil er wirklich so emp&nd.^)'

Zola schildert nicht nnr die Ansdnnstungen der einzelnen Personen in seinen Romanen, sondern er lässt auch den Gerach gewissennassen in die Handlung des Romans eingreifen nnd durch ihn die Personen zn dei nnd der Aktion bestimmen.') Da er in den „Rongon- Macquarf" das Tier im Menschen hat schildern wollen, so ist es, wie Bernard sagt, nnr natürlich, dass er den zwei tierischen Sinnen, dem Geruch nnd demOeschmack,. eine so grosse Rolle zuerteilt, hinter welcher diejenige der anderen Sinne, des G^chtes, Gehörs und Tastsinns,, zurücktritt. Die letzteren Sinne liefern nach Zola dem Denken das Material der klaren und deutlichen Ideen, aus denen Wissenschaft und Kunst entstehen. Nase und Mund benachrichtigen nur, was dem Magen, den Lungen angenehm oder unangenehm ist, was dem Körper un- mittelbar nützlich oder schädlich ist. Die Empfindungen,, welche sie uns verschaffen, haben ausserdem die Eigen-


^) ,,C'e8t le romaiicier aux narines fr^missantes, au flair subtil^ toujouTs chatouiU^ par les mysterieuses efflaves de Fair; c'est rhomme qui a le plus y6cu par le nez, qui a le plus souffert et 1& plus joui de Todeur des choses, qui a 6te reinu^ le plus d^licieusement par tous les paifums, qui a 6t6 le plus soulev6 de degoüt par toute& les puanteurs : 11 a connu toutes les griseiies et toutes les naus6es ;. son imagination, chose rare, en a consery^ rimpression toute yiye,. et il peut, quand il le veut, la rafraichir jusqu'ä, se donner rHlusiou^ du Premier 6moi ; aussi excelle-t-il ä noter les odeurs, k les d^crire,. k les analyser, k les classer, ä saisir leurs secretes harmonies, leurs myst6rieuses correspondances avec les sentiments et les id6es, leur sourde mais n^ansmoins irr6sistible influence sur les r^solutions et la conduite." Bernard a. a. 0. S. 7.

^) „Le romancier est tenu de vous expliquer comment et pourquoi ses personnages agissent; or (et c'est lä certainement une des originalit^s de Zola) c'est tr^s souvent une Impression de Todorat qui les met en branle, qui est le principe premier et la raison demiere, consciente ounon, de leur conduite." Bernarda. a. 0. S. 8..


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scKaft, unsere Begierden wachzurufen, oder auszulöschen, die Leidenschaften der Venus terrestris zu entfesseln oder zu beruhigen. Daher sind diejenigen, welche um jeden PreisdieBefriediguDgdieserSinnesuchen,Gourmands, Wollüstlinge, Geniesser. Zola versteht es ausgezeichnet, die verschiedenen Arten der gastralen und der sexuellen Gerüche (der „odeurs voluptueuses, aphrodisiaques, 6ro- tiques") zu charakterisieren und den Grad der Wirkung auf unsere Gefühle, Ideen und Handlungen zu bezeichnen. Vor allem aber ist es unter allen diesen Düften, der von dem mensch liehen Körper selbst ausströmende Geruch^ der die mächtigste Wirkung ausübt, wie denn Zola dies auch in seinem Briefe anTardif betont. „Et, plus que Tetouffement chaud de l'air, plus que les clartes vives, plus que les- fleurs larges, eclatantes, pareilles ä des visages riant ou grima^ant entre les feuilles, c'ötaient surtout les odeurs qui la brisaient. ün parfum indöfinissable^ fort, excitant, trainait, fait de mille parfums: sueurs. humaines, haleines de femme, senteurs de chevelures;. et des Souffles doux et fades jusqu'ä Tevanouissement etaient coupös par des Souffles pestilentiels, rüdes, charg6s- de poisons. Mais dans cette musique etrange des odeurs,. la phrase mfelodique qui revenait toujours, dominant, etouffant „les tendresses de la vanille et les acuites des orchidöes, c'ötait cette odeur humaine, penetrante, sensuelle, cette odeur d'amour qui s'echappe le matin dela chambre close de deux jeunes 6poux" („La Cur6e**X Dieser menschliche Sexualgeruch in Zolas Romanen ist nach dem Alter, dem Geschlechte, dem Gesundheits- zustande verschieden, wird durch Laster, durch hereditäre^ Veranlagung, durch Charaktereigenschaften beeinflusst. Ja zwischen dem äusseren Milieu und dem menschlichem

10*


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Organismus findet ein unaufhörlicher Wechsel von Endosmose und Exosmose der feinen Riechatome und Riechstoffe statt/)

Alle diese Gedanken wird man in „La Fante de TAbbö Mouret", in „L'Assommoir", „Nana", „Pot-Bouille" „La Terre" und selbst in dem keuschesten aller Romane Zola 's finden, in „Le R6ve".

In „La Faute de l'Abb^ Mouret" erscheint Albine, -die Zauberfee des alten schattigen und mysteriösen Paradou, rzuerst dem geblendeten Serge „als ein grosser Blumen- strauss von starkem Gerüche." Er riecht, wie sie den Heinen Garten des alten Jeanbernat mit den Effluvien ihrer Unterkleider erfüllt, als sie „diesen herben Geruch des Grünen, den sie an sich hatte, abschüttelte." Ein ander- anal, als Serge Albine draussen gehen sieht, hatten die Lüftchen, die vom Felde hereinkamen, einen mächtigen Parfüm des Grünen, einen Geruch nach wilden Blumen, den Albine von ihren nackten Armen, aus ihrem offenen Mieder und den aufgelösten Haaren schüttelte."

Serge selbst, dieser sanfte Mystiker, dessen Jünglings- zeit in der Tiefe der Sanctuarien, in der Andacht der Sakristeien oder des Presbyteriums dahinfloss, fühlte sich infolgedessen ver weiblicht, „beraubt seines Geschlechtes, seines männlichen Geruches". Im Seminar war er „eine Lilie, deren schöner Duft seine Lehrer entzückte.** Er fühlt sich jetzt wie ein Heiliger und hat „Weihrauch in den letzten Falten (pli) seiner Organe."

Seine Schwester Desiree, die liebe Unschuld, welche an nichts denkt und ihre Tage inmitten der Tiere


^) Bernard a. a. 0. S. 14.


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ihres Hofes verbringt, riecht gut: „sie riecht nach Ge- sundheit."

Bruder Archangias, der Schrecken der Küchenjungen und Mädchen des Hofes der Artaud „riecht wie ein Bock, der niemals befriedigt sein wird."

In „L'Assommoir" haucht Bec-Sale, genannt Boit- sans-Soif, mit dem Munde einen Alkoholgerixh aus, wie „aus alten Branntweinfässem, deren Spundloch man ge- öffnet hat."

Nana haucht „einen Geruch von Leben, eine All- macht des Weibes aus, an dem das Publikum sich berauscht."

Onkel Bachelard in „Pot-Bouille" riecht nach „niederer Ausschweifung, nach Absinth, Tabak und Moschus."

Madame Campardon, die Frau des Architekten „reifte den Dreissigern entgegen und hatte einen sanften Geschmack (saveur) und einen schönen frischen Geruch nach Herbstfrüchten."

Besonders im „Ventre de Paris" schwelgt Zola in der Beschreibung der menschlichen Düfte.

Ciaire, die jüngere Tochter der Mutter Mehudin,. die blonde Fischhändlerin, verbreitet um sich „einen Geruch nach Laich, einen jener scharfen Gerüche, die aus den Binsen und den schlammigen Seerosen aufsteigen."

Lisa, die schöne Schweinefleischhändlerin aus der Eue Eambuhan, „hatte nicht den Geruch nach gewürzten Seefischen und den Haut-goütduft, den „ihre Rivalin, die schöne Normande aushauchte." Sie roch nach Fett und hatte den faden Duft von schönem Fleische."

Florent, der zärtliche Humanitätsutopist, der freund- liche Revolutionär, der sich in die Verwaltung der Hallen.


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verirrt hat, „trug überall die Fischhandlung mit sich herum in seinen Kleidern, seinem Barte, seinenjHaaren."

FranQoise, die brave Gemiisegärtnerin von Nanterre „roch nach Erde, Heu, freier Luft und freiem Himmel."

Cadine, das enfant gät6e der Hallen, das hübsche Blumenmädchen, „roch gut von den Füssen bis zum Kopfe. Sie war ein warmer lebender Blumenstrauss."

Die Schilderung der Sarriette, der nicht minder anbetungswürdigen Obsthändlerin schliesst ebenfalls mit einem Signalement ihres charakteristischen Geruches. „Ihr Mund war gleichsam bemalt und parfümiert mit einer Schminke aus dem Serail. Ein Pflaumengeruch stieg aus ihren Unterkleidern auf. Ihr schlecht geknotetes Halstuch duftete nach Erdbeeren."

Noch zahlreiche weitere Beispiele der Schilderung von Sexualgerüchen in Zolas Romanen Hessen sich anführen; wie z. B. die berühmte „Käse-Symphonie" im „L'Assommoir", dieHuysmans in der „Duft- Symphonie" in „A rebours" nachgeahmt hat. Wie die Sexualdüfte der Wäsche anhaften, lehrt Zola in der Beschreibung der Schmutzwäsche ebenfalls in „L'Assommoir". In dem Salon von Worms, „dem genialen Schneider, vor dem die Damen des zweiten Kaiserreiches sich beugten, hatten die Seide, der Atlas, der Sammt und die Spitzen ihre leichten Arome mit demjenigen der Haare und der ambra- duftenden Schultern vermählt; und die Luft des Salons bewahrte diese duftige Wärme, diesen Weihrauch des Fleisches und des Luxus, der das Zimmer in eine einer geheimen Gottheit geweihte Kapelle verwandelte.". („La Ouree").

Sehr oft beschäftigt sich Zola mit dem Gerüche der Heiligen und Priester.


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Wenn der Abb6 Monret an seine Seminar-Jahre -zurückdenkt, sieht er jenes alte Kloster im alten Plassans wieder, ganz „erfüllt von einem Saecnlargeruch der Frömmigkeit."

Das Zimmer des Abbe Faujas baucht „einen be- .sonderen Geruch aus". Es roch nach dem Priester, nach «einem Menschen, der anders war wie die übrigen."

Als Angelika in „Le Reve** im Sterben liegt, kommt der Bischof Mgr. de Hautecoeur gerade in dem Moment der letzten Oelung, als der Priester die NasenöfEnungen mit dem heiligen Oele salbt und dabei die Worte spricht:

„Per istam sanctam unctionem, et suam piissimam, misericordiam indulgeat tibi Dominus quidquid per odoratum deliquisti."

Zola enthüllt den mystischen Sinn der Ceremonie; xmd sagt dann : „Et Todorat retoumait k Tinnocence pre- mifere lave de tonte souillure, non seulement de la honte chamelle des parfums, de la s6duction des fleurs aux halaines trop douces, des senteurs 6parses de l'air qui endorment Täme, mais encore des- fautes de Fodorat In- terieur, les mauvais exemples donn6 k autrui, la peste contagieuse du scandale. Et droite, pure, eile avait fini par etre un lis parmi les lis, un grand lis dont le partum fortiflait les faibles, egayait les forts. Et juste- ment, eile 6tait si candidement d61icate qu'elle n'avait Jamals pu tolerer les oeillets ardents, les lilas musquös, les jacinthes flloreuses, seulement ä Faise parmi les floraisons calmes, les violettes et les primevferes des bois." <„Le Reve")

Man sieht, dass Zola jenen bedeutungsvollen Zu- sammenhang schon erkannt hat, der uns später noch beschäftigen wird, den Zusammenhang zwischen der Ver-


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Wendung der Düfte im religiösen und derjenigen im sexuellen Leben.

Bernard hat Eecht, wenn er am Schlüsse seines gedankenreichen Vortrages bemerkt, dass die gewaltige Bedeutung, welche den Gerflehen in den Werken Z o 1 a's zuerteilt wird, diesen einen ganz eigentümlichen, specifischen Charakter giebt; nicht minder Recht hat er jedoch, wenn er die Frage aufwirft, ob Zola, der sich so viel auf seine Beobachtungsgabe und Wirklichkeits- schilderungen zu gute thut, nicht das richtige Mass überschritten habe, indem er seine Personen in einer so- gewaltigen Abhängigkeit von ihren GeruchseindrückeB erscheinen lässt.

Aehnlich wie Zola hat auch Iwan Turgenjew eine auffallende Vorliebe für Gerüche und Düfte. Er be- sass die seltene Fähigkeit, sich Gerüche in der Ein- bildung zu vergegenwärtigen, im höchsten Grade. Düfte waren ihm mehr als anderen Menschen.*)

In der schwermütigen Erzählung „Die lebendige Reliquie," in welcher das tragische Schicksal eines seit sieben Jahren durch einen unglücklichen Fall gelähmten und ans Bett gefesselten jungen Mädchens geschildert wird, lässt Turgenjew das Unglück der armen Lukeria in einem milderen Lichte erscheinen, da sie ja noch jeden Geruch rieche, selbt den schwachen Duft des Buch- weizens der weit entfernt auf dem Felde blüht, sogar den Duft der blühenden Linden weit unten im Garten^


Während Baudelaire, Zola und Turgenjew als Dichter insbesondere die emotionelle Seite der Ge-


1) Jäger '8 Monatsbl. 1891 Bd. X S. 21—26.


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räche in ihren Werken tiberall hervortreten lassen, kannp Deutschland, das „Land der Denker,** welche von jeher ihre Theorien mit einer zähen Hartnäckigkeit nach allen Richtungen hin verfolgt haben, sich rühmen, einen leib- haftigen „Philosophen des Geruches" hervorgebracht zu. haben in der Person von Gustav Jäger in Stuttgait^^ dem berühmten „Entdecker der Seele".

Es ist nicht meine Absicht, an dieser Stelle die ganze Lehre Jag er 's darzustellen, wie er sie in den zwei umfangTeichen Bänden seines Hauptwerkes') veröffentlicht hat, zumal ich ja schon die wichtigsten, die sexuelle Osphresiologie betreffenden Thatsachen daraus mitgetheilt habe und noch in den späteren Abschnitten bringen werde. Ich werde nur das zur Beurteilung" dieser eigentümlichen Lehre Notwendige erwähnen.

Jäger ist der Geruchsfanatiker par excellence. Man kann sagen, dass er die Welt in Geruch und Duft auflöst. Die Seele aller Dinge ist die spezifische Aus- dünstung derselben. Jäger hat das uralte, urewige Problem gelöst, der die Menschheit fürchterlich pei- nigenden Sphinx die Wahrheit entrissen: er hat die Seele entdeckt!

So wenigstens sagt er:

„In einem Aufsatz der „Deutschen Revue" habe ich die Behauptung aufgestellt, die Seele entdeckt zu haben, indem ich einen ganz bestimmten chemischen Bestandteil des Körpers als Seele denunzierte, nämlich jenen Stoff bez. jene Stoffe, welche die völlige Speci- fität des Ausdünstungsduftes und des Fleischgeschmackes


^) ,^ntdeckung der Seele" von Prof. Dr Gustav Jäger 3. Aufl. Leipzig 1884 2 Bände.


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bedingen.*) Dieser „Seelenstoff" (!) ist absolut specifisch. Er darf och bei gar keiner anderen Species in völlig identischer Weise "vorfinden. Da aber zwei verwandte Arten verwandte Seelen haben, so miiss natürlich bei der „Zersetzung des Seelenstoffes" der Art A ein Ab- spaltungsprodukt auftreten, das auch bei der „Zersetzung der Seele" (!!) von B erscheint.*) Daher ist es sehr wohl möglich, dass dieselben Abspaltungsprodukte bei sehr verschiedenen Tieren vorkommen, wie z. B. der Moschusduft, der sich bei Tintenfischen, Käfern, Schmetter- lingen, Krokodilen, Geiern, Raben, Wiederkäuern, Raub- tieren u. s. w. findet, üeberhaupt, wenn meine Behauptung, die Seele sei eine bestimmte chemische Substanz, richtig ist, so unterliegt diese den Gesetzen des Stoffwechsels gerade so gut wie die übrigen Mischungs- bestandteile des Körpers." (S. 54)

Nach Schiller wird nun die Welt durch Hunger und Liebe regiert. Jäger acceptiert diese unzweifelhaft richtige Ansicht und findet nun, dass gerade beim Hunger und bei der Liebe die „Seele" des Menschen, d. h. seine Ausdünstung sich in besonders charakteristischer Weise bemerkbar mache.

Der Hunger erscheint bei Menschen und Tieren dann, wenn der Vorrat an Circulationsfett und circu- lirenden Kothydraten erschöpft ist und eine umfänglichere Eiweissz ersetz ung beginnt. Da nun der Stoff, welchen Jäger als die Seele bezeichnet, im Eiweiss steckt, so wird bei der Zersetzung des letzteren „die Seele frei und tritt als selbständig agirender Faktor auf"


1) a. a. 0. Bd. I. S. 53. «) a. a. 0. I. S. 54.


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(S. 56) und zwar entweder als „Bouillongeruch" oder als — „Kotduft" (ib. S. 56). Dieses frei werdende Spezifikum wirkt als Nervenreiz, als Excitans oder Nervinum und erzeugt das HungergefühL „Wenn meine Lehre vom Hunger richtig ist, dann muss ein Tier im Hungerzustand eine stärkere speciflsche Ausdünstung haben, als wenn es satt ist. Dies ist in der That der Pall. Verhungerte Tiere haben einen viel stärkeren Ausdünstungsduft, und ihr Fleisch ist viel reicher an schmeckenden Bestandteilen." (ib. S. 57).

Nunmehr geht Jägjer zur Erklärung der Liebe über. Die Thatsache, dass die verschiedenen Organe eines und desselben Tieres verschiedenartige Duft- und Ge- schmacksstoffe besitzen, beweist nach^ Jag er, dass jedes differente Organ seinen eigenartigen Seelenstoff hat. „Es giebt eine Muskelseele, Nierenseele, Leberseele, Nerven- und Gehirnseele, die aber alle nur Modificationen d. h. Differenzierungen des primären Biseelenstoffes sind." (S. 58) So haben auch die Gjeschlechtsstoffe <1. h Eier und Samen ebenfalls ihre eigentümliche Seelenstoffmodification im Molecül ihres Albuminates. Der stark auffallende Geruchsstoff des Samens wird längst mit einem wissenschaftlichen terminus technicus als „aura seminalis'* bezeichnet. Den des Eies nennt Jäger „aura ovulalis".

Die geschlechtliche Liebe ist nun ein Zustand der Nervenaufregung, genau wie der Hunger, nur dass sie sich auf andere Gebiete des Nervenapparates wirft. Auch hier ist das Erregende ein flüchtiger chemischer Stoff, dessen Flüchtigkeit dadurch zu Tage tritt, dass auch er im Ausdünstungsgeruch erscheint. Zur Brunst- zeit ist der Ausdüustungsgeruch bei allen Tieren nicht


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bloss verstärkt, sondern „modificirt". Das Excitans dabei ist beim Manne die aura seminalis, bei dem Weibe die aura ovulalis. Und wie beim Hunger ist auch bei der Liebe der Trieb nicht richtungslos, sondern auf ein bestimmtes Objekt gerichtet, und die hierbei getroffene Auswahl ist bei allen Tieren — deren physikalischer Seelenapparat nicht zu überwiegender Entwicklung ge- langt ist, wie beim Menschen und zum Teil auch den Vögeln — ganz allein von dem Geruchssinn beeinflusst und hängt von der Harmonie und Disharmonie der beidea in Betracht kommenden DuftstofEe ab. (S. 60).

Auch die psychischen Affekte haben ihre eigenen „Seelenstoffe**. Es giebt Trauer-, Freuden-, Hass-, Angst- stoff u. s. w. Das sind aber specitische Duftstoffe des Gehirns, Gehirnseelenstoffe. (S. 66). Im Zustand der Angst ist der Ausdünstungsgeruch und Fleischge- schmack eines Tieres ganz anders als in der Freude. (S. 67).

Wie die Ausdünstungsstoffe nun in der Psychologie den Charakter und die Handlungsweise des Menschen be- einflussen, wie sie in der Ethnologie wirksam sind, wird ausführlich von Jäger auseinandergesetzt Die „Ge- ruchsseele" findet sich überall bei den Pflanzen wie bei den leblosen Objekten. „Alle Naturobjekte duften und zwar ganz specifisch, ja sogar die Steine und das süsse Wasser, denn wir riechen den Kegen, ehe er da ist" (Bd. I, S.365). -• Landwirtschaft, Linguistik, Mag- netismus, Hypnotismus, Massage, Vererbung, Infection, Gedankenlesen, Wünschelruthe , Hellsehen, Idiosynkra- sieen u. s. w., alles wird unter dem Gesichtspunkte der „Geruchsseele" betrachtet, erklärt, und auf seine Be- ziehungen zur menschlichen Nase geprüft.


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,,Kranklieit ist Gestank^'! das ist Dach Jäger das ganze Geheimnis der Medizin. Indem ich seinen ,,Irrsinns"-, seinen „Entbindungs**- und die zahlreichen übrigen Düfte bei physiologischen und pathologischen Zuständen übergehe, erwähne ich nur einige im Rahmen •der sexuellen Osphresiologie besonders interessante An- sichten des Entdeckers der Seele.

Sehr einfach erklärt sich nach Jäger die sogenannte platonische Liebe. Ist nämlich die Körperausdünstung •cioes Menschen für einem zweiten nur in gewisser Distanz Lustduft, in zu grosser Nähe Ekelduft, so luuss die „instinktive" platonische» d. h. von allen fleisch- lichen Gelüsten abhaltende, weil eine direkte Berührung verbietende Liebe daraus resultieren. Dies wird nament- lich der Fall sein, wenn der Duft etwas Mildes, wenig Aufdringliches hat. Dieser Fall muss sich nach Jäger leicht konstatieren lassen: ein solcher Platoniker weilt zwar gern in der Nähe seines Freundes, aber küssen "wird er ihn nicht. ^)

Platol Sokrates! wo hattet Ihr Eure Nasen ? Musste erst Professor Jäger kommen, um Euch die platonische Liebe zu — erschnüffeln ?

Nicht weniger in Erstaunen setzte mich jene merk- würdige Apologie der — mutuellen Onanie, welche man auf Seite 258 des ersten Bandes des Jäger'schen Hauptwerkes findet. Da heisst es verbotenus: „Von den Homosexualen befriedigen sich die Mutuellen gegeii- iseitig harmlos und weitaus weniger gesundheitsschädlich -als die Monosexualen. Denn verglichen mit einsamer Onanie und ihren üblen Folgen für Körper, Seele, •Geist, Gemüt und Herz — ist die gegenseitige Onani

^) Jäger „Entdeckung der Seele" Bd. I S. 251.


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eine direkte Rettnng (KQ. Die Gegenseitigen (!) be- friedigen sich ja doch me«3chlich, sinnlich einander^ lieben sich, wenigstens für den Moment, menschlich warm und leidenschaftlich, ihr Akt bedarf nicht der Phantasiebilder, greift also weder das kleine Gehirn,, noch das Rückgrat an und zerrüttet micht so fürchter-^ lieh das ganze Nervensystem. Sie behalte» auch danach noch ein offenes, gutes Herz für die Menschheit und den Nebenmenschen, sind zwar geile Fritze, aber weder Kopfhänger, noch Mucker und können sich auch nicht so leicht durch üebermass verderben, denn sie bedürfen zum Akt jedenfalls des andern und der Gelegenheit^ und die sind für sie nicht zu jeder Zeit und aller Orten so vorhanden, als für den einsamen Onanisten, der be-^ sonders in der Jugend, meist schon allein der ünersätt* lichkeit erliegt."

Auch die Homosexuellen oder „Pygisten", wie- Jäger sie tauft, sind recht harmlos, wenn sie auch eine- „ekelhafte Bande" sind. „Auch sie befriedigen sich bioss- unter sich I Und was geht das uns an ? Warum wollen wir uns um sie kümmern, die uns ja schon anekeln,, wenn wir nur an sie und ihre verirrte Geschmacks- richtung denken"? — Zumal da diese 100 000 Mono- und. Homosexualen (so viele zählt er in Deutschland) noch eine besondere Tugend haben: „Sie sind keine Weiter* Verbreiter der Syphilis, denn sie kommen insgesamt nicht mit Weibern zusammen." (!I!)0


^) B. Tarnowsky („Die krankhaften Erscheinungen des Ge- schlechtssinnes" Berl. 1886 S. 92) bemerkt: ^Die Päderasten sind im AUgemeinen geneigt, zu glauben, dass venerische Ansteckung- bei der Sodomie nicht stattfinde, und dadurch erklären Einige ihre Leidenschaft für diese Art, den Greschlechtstrieb zu befriedigen^ Eine solche Voraussetzung ist natürlich ganz falsche


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Die Linguistik liefert unserem Geruchsfanatiker das allerreichlichste Material für seine duftigen Etymologien. Ich bin zwar kein Sprachforscher, indessen erlaube ich mir doch den Herren Linguisten die folgende Probe von Jägers „Entdeckungen" auf diesem Grebiete zur Be- urteilung vorzulegen: „Herr Heilbrunn schreibt mir aus Christiania: Ich habe auf meiner Geschäftsreise Viel mit Dampfmtihlen zu thun; dieselben heissen im Schwe- dischen angqvarn; ang heisst Dampf, Dunst. Beim Lesen Ihres Buches fiel mir ein, ob nicht diese Silbe ang auch die Wurzel des deutschen „Angst" sei, mit dem bezeichnenden „st" dahinter, und ob nicht „Angst" und „Stank" überhaupt dieselben Worte seien aus den gleichen Wurzeln zusammengesetzt. (Ich stimme bei und füge noch hinzu: Zu dem ang gehören noch die Worte „eng", „bang". Stank ist ein Duft, der „beengt, bange macht" und Angst ist ein „Engegefühl, das stinkt." Jgr.).*) In der Ga IIa -Sprache heisst atdschäi = stinken. Also auch hier, ruft Jäger enthusiasmiert aus, die ürwurzel „seh" in einem Worte für riechen!^)

Aehnlich werden die Werke der Litteratur auf ihre riechenden Bestandteile hin untersucht, und Jäger ist auch hier unerschöpflich in Entdeckungen und verblüffenden Kommentierungen. In dieser Weise kommentiert er den folgenden Bericht der „Kölnischen Zeitung" über die Zola'sche „Käsesymphonie":

„Im Assommoir giebts der Thaten des Geruohs-


Durch Päderastie kann man sich die nämlichen Formen venerischer Krankheiten zuziehen, wie beim regelmässigen Coitus mit Weibern." Jäger hat sich wohl die obige Mär von einem alten Päderasten aufbinden lassen, was bei einem Mediziner nicht gerade Ueberflus& an Kritik verrät.

^) „Entd. der Seele" Bd. n S. 92—93.

2) ibid. S. 92. .


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rsinnes kein Ende; ihren Triumph aber feiert die Nase in der berühmten Beschreibung der Käsesorten in den Hallen. Sie ist so detailliert und zeugt von einem wichen Eaffinement des Geruchssinnes, dass die Kritik ihr den Namen der „Käsesymphonie" gegeben hat. Sie 4ient zur Begleitung eines psychischen Aktes: ein

schreckliches Geheimnis wird verraten, und in der Seele

der Verräterin wie der Zuhörerinnen drückt sich das Entsetzen über die Enthüllung aus; die Käsesymphonie

setzt diese Empfindungen in Gerüche um. Eine Klatsch-

Schwester erzählt zwei anderen, dass der Halleninspektor Flourent ein entsprungener Gallerensträfling sei, und ^sofort befinden sich alle Grerüche in lebhaftem Streit, (weil in den Personen Gehirnangststoff ent- Jbunden worden ist, fügt Jäger hinzu)."*)

Max Nordau macht die folgenden interessanten Bemerkungen, die, wenn ich nicht irre, schon in ähn- licher Weise von Emil Du Bois-Reymond geäussert worden sind: „Die deutsche Hysterie giebt sich im Anti-

semitismus kund, dieser gefährlichsten Form des Ver-

folgungswahnsinns, in welcher der sich für verfolgt Haltende zum wilden, jedes Verbrechens fähigen Ver- folger wird. Der deutsche Hysteriker beschäftigt sich nach Art der Hypochonder und Staatshämorrhoidarier iLngstlich mit seiner teuern Gesundheit. Seine Delirien -drehen sich um seine Hautausdünstungen und die Ver- richtungen seines Bauches. Er fanatisiert sich für Jägers Flanellleibchen und das selbstgemahlene Schrotmehl der Vegetarier. Er gerät in heftige Emotion bei Kneipps Wasserbegiessungen und barfüssigem Herumlaufen auf

3iassem Grase. Zwischendurch regt er sich in krank-


1) „Entd. der Seele" I S. 233—234.


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Lafter Tierfreundlichkeit („Zoophilie" von Magnan) wegen der Leiden des bei physiologischen Versuchen benutzten Frosches auf und als Grundton klingt in all diesem anti- semitischen, kneipp'schen, jäger'schen, vegetarischen und anti-vivisektionistischen Wahnsinn ein grössenwahn- sinniger, deutschtümelnder Chauvinismus, vor dem der edle Kaiser Friedrich vergebens gewarnt hat. Alle diese verschiedenen Störungen treten in der Regel zusammen auf und man wird in zehn Fälleni neunmal nicht fehl gehen, wenn man den in Jäger- tracht Einherstolzierenden für einen Chauvinisten, dem Kneipp-Schwärmer für einen Schrotbrod-Wüterich und den nach Professorenblut lechzenden Frosch- Anwalt für einen Antisemiten hält."^)

Nordau zeigt die Richtigkeit dieser Ansicht an dem Beispiel Richard Wagners. Auch unser „Woll- apostel" Gustav Jäger weist dieselben Züge auf. Er ist wütender Antisemit, Antivivisektionist, Homöopath und mindestens ein platonischer Anhänger des Vege* tarismus.

Sein Antisemitismus äussert sich nicht nur in Aeusser- ungen ä la Ahlwardt, wie er z. B. mit sichtlichem Be- hagen den 1848 auf den Schriftsteller Moritz Hart- mann gemachten Vers zitiert: „Nichts auf Erden dauert ewig, auch der schönste Jud' wird schäbig"^), was der „Wissenschaftlichkeit" seines Werkes gerade nicht dien- lich ist, sondern er leidet auch an dem Verfolgungs- wahnsinn der meisten fanatischen Judenhasser. „Alles was Harvey geschah, geschieht mir, seit ich die Ent-


^) M. Nordau „Entartung" Berl. 1892 Bd. I S. 325. •^) Entdeckung der Seele Bd. I S. 203.

Hagen, die sexuellen Gerüche. H


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deckung der Seele und die Erfinduog der Neuranalyse mit ihren praktischen Konsequenzen für Kleidung, Heil- kunde und Landwirtschaft veröffentlichte; die aber, welche mich und meine Sache am giftigsten und per- fidesten in ihren Blättern anfeinden und mich als „Seelen- riecher" fortwährend dem Spotte und der Verachtung preisgeben, das sind zum grössten Teil dieselben Juden, welche sich soeben, während ich dies schreibe, mit hochtönenden Phrasen im preussischen Landtage durch ihre Freunde ob der gegen sie in Szene gesetzten Bewegung beschweren lassen, mit einer Miene, als hätten sie nie ein Wässerchen getrübt. — Ich könnte über die gegen mich seit anderthalb Jahren im Gaage befindliche „Judenhetze" ein sehr lehrreiches Büchlein schreiben, unterlasse es aber, weil ich nicht weiter Oel in ein Feuer giessen will, das ohnedies schon stärker brennt, als wünschenswert ist. Sagen musste ich jedoch obiges 1) um die Hauptquelle, aus der die gegnerischen Aus- lassungen über meine Sache stammen, und damit deren Wert zu kennzeichnen, 2) weil jene bis um's kleinste Detail meiner Person sich kümmernde einmütige und wohlorganisierte Gegnerschaft einer der gewich- tigsten Beweise für die Richtigkeit und Wichtig- keit meiner Funde ist: Für die Richtigkeit, weil man mich längst widerlegt hätte, wenn dies irgend mög- lich wäre, denn am Willen dazu fehlt es wahrhaftig nicht. Für die Wichtigkeit, denn wenn meine Riech- stofllehre so verrücktes Zeug wäre, wie jene Organe sagen — warum „so viel Lärm um nichts?"^)

Ist es nicht merkwürdig und lehrreich und für die


') Entd. der Seele H S. 21—22.


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wahre Natur des Antisemitismue bezeichnend, dass so viele berühmte Judenfeinde schliesslich mit Juden Freundschaft schlössen und durch diese ihren Ruhm i^erkünden Hessen? Wie Schopenhauer in Julius Frauenstädt und David Asher seine Apostel hatte,

  • wie R. Wagner sich des kürzlich verstorbenen Hermann

Levi in gleicherweise bediente, so hat auch Gustav Jäger — si licet parva componere magnis — in einem gewissen Leopold Einstein einen eifrigen und mit Dank begrüssten Apostel seiner Lehre gefunden (vergl.

z. B. „Entd. der Seele" I, 352; ü, 89).

Die Homöopathie Jäger's hat zu seiner Dar- ■stellung des „Anthropin" geführt, d. h. homöopathischer Streukügelchen , die mit der aus den menschlichen — Haaren (!) gewonnenen „Humanisierungsflüssigkeit" in der 16. Potenz imprägniert waren und sich von wunderbarer Heilkraft bei den verschiedensten Krankheiten erwiesen, <,JE. d. S." n, 300—312).

Nach derartigen Leistungen wird Jäger sich nicht -wundem dürfen, wenn er von der zünftigen Wissen-

schaft vollkommen ignoriert wird. Zwaardemaker,

«der die neueste und ausführlichste Arbeitjüber die Physio- logie des Geruches geschrieben hat, erwähnt Jäger über- •haupt nicht; ebensowenig Wund t in seiner physiologischen Psychologie. Andere berücksichtigen zwar die An-

schauungen Jäger's; aber mit schlecht verhehltem Er-
staunen über deren Möglichkeit So sagt Moritz
  • Carri6re (in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung 1878

Nr. 220 u. 221), anfangs habe er geglaubt, er habe es mit einer Mystifikation zu thun, ein Schalk wolle den Einfall: in der Seele einen greifbaren Stoff und Mischungs-

ibestandteil zu sehen, persiflieren, allein er habe sich

11*


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doch bald vom Gegenteil überzeugt. Jäger selbst er- wähnt eine „Flut von spöttischen Angriffen gerade aus den Ländern, in welchen sich die Elite der Gresellschaft am meisten von der Natur entfernt hat", nimmt aber einen Brief aus Budapest ernst, in dem es heisst: „Ganz Pest schwärmt für Ihre Theorie, besonders AI a dar Gyoergy, Hauptmitarbeiter des „Hon"; Jokai erklärt Sie für einen Kolumbus u. s. f., und doch las niemand etwas von Ihnen als den Artikel von A. Dux, den iehi Ihnen anbei sende." (E. d. S. I, 366). Bekanntlich hat Victor Meyer, der berühmte Chemiker, in seineno Buche „Aus Natur und Wissenschaft" (Heidelberg 1892> in der Figur und den erstaunlichen Versuchen des Hemr „Adam Dunstmaier" eine köstliche Parodie der Jäger- scheu Lehre geliefert.

Ich enthalte mich hier einer ausführlichen Kritik dieser Lehre. Jäger hat m. E. ganz willkürlich den Geruch als das Prinzip der Welt proklamiert Eir hätte ebenso gut irgend eine andere Sinneswahrnehmung" nehmen können. Denn die Welt ist nicht bloss Geruch, sie ist auch Gesicht, Gehör, Getast und schliesslich reine psychische Vorstellung. Warum nun gerade die Aus- dünstung das „Seelische" sein soll, hat Jäger über- haupt nicht beantwortet. Er hat es nur behauptet, und die N a s e für den einzigen sicheren Führer durchs Leben, erklärt.^) Sein Werk gehört daher zu den litterarischen Exzentrizitäten, wenn auch nicht geleugnet werden soll,^


^) Nach Hellenbach (,D. Vorurtheile der Menschheit" 3. Aufl.. Lpz. 1893 Bd. n S. 150) kann die Seele deswegen nicht das Ge- rochene sein, weil dieses sich dann verflüchtigen mtisste und die- Menschen verschiedene Quantitäten Seele in verschiedenen Momentea. haben würden.


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dass es eine Menge von interessanten Einzelheiten und Beobachtungen enthält, so dass nur zu bedauern ist, -dass ein ursprünglich so reich veranlagter Forscher, dessen Untersuchungen im Anfang seiner Thätigkeit in der Wissenschaft einen guten Klang hatten, auf solche Ab- ivege geraten ist. So bleibt wohl das Urteil zu Recht l)estehen, welches A. Weismann über Jäger gefällt hat: „Es ist wohl die Schuld der zügellosen Spekulationslust <ies Verfassers, dass die guten Gedankenkerne seines Buches unbeachtet und ohne Nachwirkung geblieben sind'*^)


  • ) A. Weismann „Die Kontinuität des Keimplasmas" Jena

1892 S- 58.


m.

Ethnologie der sexuellen Gerüclie.

Nachdem in den vorhergehenden Abschnitten die Thatsachen der sexuellen Osphresiologie in allgemeinr anthropologischer Beziehung dargestellt worden sind^ wirft sich von selbst die Frage auf: wie verhalten sich die sexuellen Gerüche bei den verschiedenen Völkern und Kassen? Giebt es eine Ethnologie der sexuellen* Gerüche?

A priori ist anzunehmen, dass die sexuale Bedeutung^ der Körperausdünstung bei primitiven Völkern noch eine viel bedeutendere KoUe spielen muss als bei den zivilisierten Nationen, da von den kompetentesten For- Sehern die Thatsache als richtig anerkannt und hervor- gehoben wird, dass wilde Völker e.inen bedeutend schär- feren Geruchssinn haben als die kultivierten Rassen.

Charles Darwin stellt es als sicher hin, dass bei den dunkelfarbigen Rassen der Geruchssinn höher ent- wickelt sei als bei den helleren Völkern. Dies sei auch natürlich. Denn wer an das Prinzip einei stufenweisen- Entwickelung glaube, werde nicht leicht zugeben, dass* dieser Sinn in seinem jetzigen Zustande ursprünglich vom Menschen, wie er jetzt existiert, erlangt wurde.. Er erbte die Fähigkeit in einem abgeschwächten und


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insofeiTi rudimentären Zustande von irgend einem früheren Vorfahren, dem sie äussert nutzbar war und von dem sie beständig gebraucht wurde.^)

Zwaardemaker glaubt allerdings, dass die grössere Geruchsschärfe wilder Völker auf eine bestimmte Art von Eindrücken beschränkt sei und erst durch viele Uebuog erworben werde.*)

Derartige Beispiele von scharfem Geruchssinn bei wilden Völkern Südamerikas hat zuerst Alexander von Humboldt gesammelt^). Mühlenpfordt hat diese An- gaben des grossen Keisenden bei Indianern bestätigt^ welche imstande waren, bei Nacht durch den Geruck •die verschiedenen Kassen zu unterscheiden und den Ge*^ ruch der Europäer „Pezuna", den der Indianer „Posco" und den der Neger „Grajo" nannten^). Ebenso behauptet Houzeau, wiederholt Versuche angestellt und konstatiert zu haben, dass Neger und Indianer im Dunkeln Per- sonen an ihrem Gerüche erkennen können.^)

Aus diesen Beobachtungen geht schon hervor, dass man nicht ohne Grund verschiedene Kassen- und Völker- gerüche angenommen hat.

Es ist erklärlich, dass ein Teil dieser Verschieden- heiten in der menscfi%j^en Ausdünstung auf klimatischen Verhältnissen beruht In heissen Ländern, wo die Aus- dünstung und Transpiration des Körpers eine grössere ist, wird auch der Geruch ein intensiverer sein. „Wie die Pflanzen der heissesten Zonen am stärksten duften,


^) Darwin „Abstammung des Menschen" S. 20. 21.

2) Zwaardemaker a. a, 0. S. 131.

3) Darwin a. a. 0. S. 20.

  • ) E. Mühlenpfordt „Versuch einer getreuen Schilderung

der Kepublik Mejico" Hannover 1844 S. 201.

  • ) Darwin a. a. 0. S. 20.


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so duftet auch die menschliche Blume, um ein poetisches Wort zu gebrauchen, in diesen Gegenden stärker*'^). Wenn Zimmermann bei den Südenropäern eine Art von spezifischer Ausdünstung konstatiert, dagegen die- selbe bei den Nordeuropäern vermisste*), so wird dies auf dem Unterschiede im Breitengrade beruhen.

Zweitens scheint entschieden zwischen Hautfarbe und Hautausdünstung ein bestimmter Zusammenhang zu bestehen. Dunkelfarbige Völker unterscheiden sich durch eine ganz spezifische Ausdünstung von den weissen Rassen. Dies hat zuerst Charles Darwin mit Bestimmtheit ausgesprochen*). Auch Carl Vogt bestätigt die Spezificität des Geruches der dunkelgefärbten Rassen, die selbst bei der sorgfältigsten Reinlichkeit sich nicht verliert. Der spezifische Negergeruch „ist und bleibt derselbe, wie man den Neger auch reinigen und nähren mag. Er gehört eben zu der Art, wie der Bisamgeruch zu dem Moschustiere, und beruht auf der ganz eigentümlichen Ausdünstung der Schweissdrüsen, welche übrigens in ihrem Baue ganz so angeordnet sind, wie diejenigen der übrigen Menschenrassen, wenngleich sie grösser und zahlreicher zu sein scheinen."*)

Vogt macht darauf aufmerksam, dass man diesen Rassengeruch nicht mit denjenigen Ausdünstungen ver- wechseln muss, welche auf der Nahrung beruhen und die man auch innerhalb der Rassen selbst konstatieren kann. „Ein Italiener oder Provengale, der viel Zwiebeln, Knoblauch und Sellerie isst, hat gewiss eine ganz andere


^) Monin a. a. 0. S. 3. «) Jäger 's Monatsbl. Bd.VH S. 30. 8) Darwin a. a. 0. S. 220—221.

  • ) „Vorlesungen über den Menschen" von Carl Vogt, Giessen.

1863 Bd, I S. 157.


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AusdünstuDg, als der Isländer oder Norweger, der wesent- lich von Fischen, Thran und ranziger Butter lebt." In ähnlicher Weise äussert sich der Reisende J. G. Kohl in seinen „Eeisen im Innern von Russland und Polen": „Es leidet keinen Zweifel, dass jedes Land und jede Nation ihren ganz eigentümlichen Geruch hat, der mit •entschiedener Bestimmtheit und scharf ausgeprägter Eigentümlichkeit bei jedem Volke auftritt. Man findet ihn in jedem Lande an den öffentlichen Orten, in den Kaffeehäusern, Schenken u. s. w. am meisten entwickelt und kann ihn hier am bequemsten beobachten. Es ist -dieser Nationalgeruch ein Gemisch, welches aus den Ge- rüchen der verschiedenen Getränke und Speisen, die ^as Volk vorzugsweise zu sich nimmt, aus den Gerüchen seiner Kleidung und seiner eigenen spezifischen natio- nalen Ausdünstung zusammengesetzt ist. Es herrscht •darin oft eine Sache, mit der die Nation vielfach in Be- rührung kommt, vornehmlich vor, so z. B. bei den Litthauem der Hering, bei den Polen der Branntwein, bei den Grossrussen das Juchtenleder, bei den Klein- russen der Knoblauch, bei den Juden ihre eigentümlich spezifischen Hautgerüche." ^)

Diese Bemerkungen leiten über zu dem vierten Punkt, der bei der Frage der ethnologischen Verhält- nisse der sexuellen Gerüche in Betracht zu ziehen ist. Das ist die Relativität des subjektiven Urteils. Denn es ist sicher, dass durch die verschiedene Lebensweise der einzelnen Individuen und Völker das Urteil über die •Gerüche modifiziert wird. Auch giebt es Idiosynkrasien in der Empfänglichkeit für Gerüche.

„Dem Landmann ist kräftig riechender Dünger nicht

») Citiert nach Jäger's Monatsbl. II, S. 210.


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unangenehm, er verbindet mit dem Gerüche desselben! den Gedanken an eine reiche Ernte. Dem Perser ist Asa foetida, anderen Orientalen Knoblauch ein Gewürz, mit dem sie ihre Speisen ihrem individuellen Geschmacke zusagender machen. Manche halten das für einen un- angenehmen Geruch, was Andere für angenehm erklären." *)


Nach diesen orientierenden Vorbemerkungen gehe ich dazu über, die einzelnen über die Ethnologie der sexuellen Gerüche bekannten Thatsachen mitzuteilen.

Was die Indianer Amerika's betrifft, so haben die des südlichen, tropischen Amerika eine viel intensivere Ausdünstung als die nordamerikanischen Eothäute. Es giebt besondere Ausdrücke der Kreolen sowohl für die schwachen Ausdünstungen der Amerikaner (catinca) wie für den ausnahmsweise starken und widerlichen Geruch (soreno) der Araukaner^). — Mantegazza wurde wah- rend seines Aufenthaltes in Paraguay von einer hüb- schen, reinlichen Indianerin gepflegt. „Nun wohl, Petrona, welche sich, wie alle Paraguayer, des Tages mehrmals^ wusch, so dass sie von Eeinlichkeit und Jugend glänzte, wie ein Fisch, besass einen solchen ethnischen Geruch^ dass es mir Ekel, fast bis zur Ohnmacht verursachte. Ehe sie noch in die Thür getreten war, roch ich sie schon; es war eine Mischung von den Gerüchen einer Menagerie und verdorbener Zwiebeln."^)

In Mexiko wird behauptet, dass Mischlinge aus


^) W. Runge „Die Nase in ihren Beziehungen zum übrigen. Körper" Inaugural-Dissert. Jena 1885 S. 10.

2) Waitz „Anthrop. der Naturvölker" I S. 114, 118. — Cit. nach 0. Peschel „Völkerkunde" 6. Aufl. Lpz. 1885 S. 91.

») Jag er 's Monatsbl. Bd. X 1891 S. 95.


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europäischem Blute teilweise den Geruch beibehalten^ Avelcher der üautausdünstung der beiden Urgeschlechter eigen ist. Doch vermochte Mühlenpfordt bei Mestizen wie Trigenios nichts hiervon zu bemerken^).

Der Sexualgeruch des Weibes scheint bei den In- dianern Südamerikas noch eine grosse Eolle zu spielen.^)

Letzteres gilt auch von den Südseeinsulanern. Hortense Bare, die Geliebte des Botanikers Ph. Com- merson, den sie in Manneskleidem begleitete, wurde bei der Landung auf einer Sttdseeinsel von den Einge- borenen lediglich durch deren Geruchssinn als Femininum erkannt ^).

Ein ganz besonders spezifischer Geruch soll der mongolischen Rasse eigentümlich sein, den man mit demjenigen der Menschen von biliösem Temperamente verglichen hat, vielleicht durch die Hautfarbe dazu ver-^ anlasst. Virey äussert sich darüber folgendermassen:: „Les gens ä cheveux roux repandent surtout aux aisselles, une odeur trfes forte, que le savant Lorry a bien remarquee; au reste, eile est beaucoup plus alca- line, quoique moins vive, chez les personnes s6ches, brunes et tr6s velues, dans lesquelles on trouve quelque chose d'analogue k Thaleine gravative des quadrupfedes- camivores. Ceci est specialement le caractfere de la race mongole de l'espöce humaine, et des tem- p6raments appeles autrefois bilieux. L'ing6nieux Bordeux. observe que c'est une marque de vigueur et de force^ surtout dans le Systeme de la generation/'*)

^) Mühlenpfordt a. a. 0.

=) Jäger 's Monatsbl. V, 1886 S. 39.

«) ibid. IX, S. 254-255.

  • ) Tardif a. a. 0. S. 77—78.


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Auf den eigentümlielien Geruch der Chinesen hat zuerst Adolf Erman in seiner „Reise um die Erde" {Historischer Bericht ü, 145) hingewiesen. Er erzählt: ^Bei der Rückkehr nach Kiachta besuchte ich daselbst

  • das Haus des Kaufmanns Kotelnikow. Diesesmal und

in mehreren anderen Fällen bemerkte ich schon beim Eintritt in das russische Haus, durch einen eigentüm- lichen Geruch, dass Chinesen in dem Besuchszimmer ^aren! Personen j welche plötzlich in gewisse Gegenden -der Erde versetzt wurden, um deren spezifischen Cha- rakter ohne vermittelnde üebergänge aufzufassen, haben von einem Landesgeruch oder Nationalgeruch gesprochen, und ich verstehe ihre Meinung genugsam, seitdem ich mehrere Beispiele dazu erlebte. Zuerst beim Eintritt in Russland und dann hier an der chinesischen Grenze, woselbst ein Blinder bemerken würde, dass er die sibi- rischen und russischen Umgebungen verlassen hat. Zu -dem Gerüche in Maimatschen trugen freilich die Rauch- lerzen vor den mongolischen Kapellen und der Dampf Ton chinesischem Pulver einiges bei, aber weit wesent- licher die Chinesen selbst, von denen jeder um sich eine Atmosphäre verbreitet, die an den strengen Geruch wies Lauches mnnert. Ich glaube kaum, dass dieses auf .so direkte Weise, wie die Russen es behaupten, von ge- gessenen Zwiebeln herrühre; man würde dann diese Eigentümlichkeit nicht, so wie es hier an der Grenze

geschieht, bei allen Individuen, zu jeder Zeit und an

allen Gegenständen, welche mit ihnen in Berührung ge- wesen sind, wahrnehmen. Man überzeugt sich vielmehr •durch diese und manche verwandte Erfahrungen, dass •die Ausdünstungen des menschlichen Körpers bei den «einzelnen Nationen eine konstant unterscheidende und


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vererbliche Bescliaffenheit annehmen y noch ausser den- jenigen individuellen Merkmalen^ die jeder Sxind an dem Ausdünstungen seines Herrn aufzufassen« weiss, und deren Untersuchung in ein noch zu bebauendes Feld der Chemie gehört.*' ^) — Die Chinesen ihrerseits behaupten^ von den „fremden Teufeln'^, den Europäern, ginge ein für ihre Nasen unausstehlicher Gerach aus. Ein chinesischer Gelehrter erzählt, dieser Gerueh sei für ihn so unange- nehm und wirke so stark, dass er es sofort röche, wenn«  ein Weisser in seinem Zimmer gewesen wäre. Ja, noch, mehr, der Geruch setze sich sogar in seinem Kleiden» fest, und käme er zu seinen chinesischen Freunden, so» sagten diese zu ihm: ,yAha, du bist wieder bei den Fremden gewesen; man riecht es meilenweit."*) Daher' sagen die Chinesen auch, die Europäer müssten so viel baden, weil sie so abscheulich röchen* Die Kinder der* Weissen röchen wie Schafe, behauptete eine chinesische- Kinderfrau. ^)

Ein Beobachter, der sich lange in- Japan aufhielt,, behauptet, dass eine japanische Menschenmenge süss- rieche, eine deutsche sauer.*)

Auch die malayische Easse soll eine eigenartige Ausdünstung besitzen. Pater Bourien sagt von den Mantras im Innern der malayischen Halbinsel: „like the Negroes they emit a very streng odour", ohne freilich Näheres über die Natur dieses Geruches anzugeben.^)


') Abgedr. bei Jäger ,.Eiitd. d. Seele" I, 112-113,

2) Leipz. Zeitung vom 4. April 1892.

®) G. Bauer „Schilderungen aus China" im Schwab. Merkur V. 14. Nov. 1895.

  • ) „Aus d. Lande der aufgehenden Sonne" im Berl. Tagebl..

vom 3. April 1896 2. Beilage.

  • ) „Transaction of the Ethnological Society". New Series 1865*

Bd. m S. 72.


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Die Zigeuner haben von jeher in „schlechtem Gerüche** gestanden. R. Liebich sagt in seinem Buche über die Zigeuner: „Die Zigeuner haben eine eigen- tümliche, widerliche, in geschlossenem Raum besonders Auffallend wahrnehmbare Atmosphäre, deren Geruch sich •ebenso wenig beschreiben lässt als der wesentlich davon Terschiedene, nicht minder spezifische, jedem Krimi- nalisten und Polizeibeamten bekannte Geruch der Armut/' *) üeber die Natur des Zigeunergeruches und dessen •eventuelle forensische Bedeutung giebt der Kriminal- xechtslehrer Hans Gross Aufschluss. „Nur sein Ge- Tuch bleibt zurück, sein eigentümlicher, unverkennbarer, lange haftender Geruch, den niemand vergisst, der ihn ^einmal wahrgenommen hat. Er soll dem, wie es heisst, ebenfalls charakteristischen Negergeruch etwas ähnlich ^ein. Gerichtsbeamte, die diesen Geruch kennen und mit nicht allzu stumpfem Geruchsinn ausgerüstet sind, nehmen es sofort beim Eintritt in das Gerichtshaus wahr, wenn Zigeuner eingeliefert wurden, so dass man glauben muss, er hafte sogar den Wänden an. Dieser Umstand könnte oft dazu benutzt werden, um festzu- stellen, ob Zigeuner da waren. Haben Zigeuner irgend- wo gestohlen, so müssen sie daselbst immerhin eine Zeit lang verweilt und mancherlei angefasst haben; in bliesen Fällen werden sie auch Kästen, Betten u. s. f«  ^eöfEnet haben, so dass Kleidungsstücke u. s. w. frei- lagen und dabei, wie dies ja Wollstoffe zu thun pflegen,

gierig den Geruch aufnehmen und lange Zeit festhalten

konnten. Kommt dann jemand, der den Zigeunergeruch kennt, in den Raum, und ist nicht allzu lange Zeit nach «dem Abzüge verflossen, so kann die Anwesenheit von

  • ) Jäger's Monätsbl. 1881, III, 257.


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Zigeunern mit fast vollkommener Sicherheit festgestellt werden. Müsste man den Zigeunergeruch mit etwas Bekanntem vergleichen, so würde man vielleicht am besten sagen: Fettgeruch mit Mäuseduft verbunden."^)

Vor einigen Jahren erregte die Entführung der Prinzessin Chimay, geborenen Clara Ward, durch den Zigeuner Eigo grosses Aufsehen und beschäftigte lange Zeit die westeuropäische Presse, in welcher die ver- schiedensten Vermutungen über den Ursprung der Liebe der als eine Beaute bekannten Prinzessin zu dem keines- wegs schönen Zigeunermusiker ausgesprochen wurden. Nach dem Berichte eines Journalisten an den „Hannover- schen Courier" handelte es sich in diesem romantischen Falle um eine typische Geruchsliebe. Dieser Herr hatte Gelegenheit, in einem Restaurant in Ofen beim Souper die Frau Rigo-Chimay zu sprechen und be- richtet darüber folgendennassen: „Als Herr Eigo sich zu der im Saale konzertierenden Musikkapelle begab, da benutzte ich diese Gelegenheit, um an seine Ge- fährtin, die, nebenbei bemerkt, eine in jeder Beziehung hochgebildete Frau ist, eine Frage zu stellen: „Ich weiss wohl, meine Gnädigste, dass die Macht der Liebe oft alles vermag, und ich begreife es, dass Sie, hin- gerissen durch sein Geigenspiel, in Liebe zu Herrn Eigo entbrannten — aber, offen gesagt, ich verstehe es nicht, wie Sie als eine geistig so hochstehende Frau ein dauerndes Zusammenleben mit ihm, der augenscheinlich nicht auf Ihrer Bildungsstufe steht, aushalten können?" Die schöne Frau schwieg eine Weile, dann antwortete sie mir errötend: „Ja, wissen Sie, was mich von Anfang

  • ) H. Gross „Handbuch für Untersuchungsrichter, Polizei-

beamte, Gendarmen u. s. w." Graz 1893 S. 228.


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an am meisten zu ihm hingezogen hat? Das war nnd ist sein Geruch".*) Günther, der diese Thatsache bestätigt, hebt mit Recht hervor, dass die Prinzessin Chimay eine sehr nervöse Frau war, auf welche der intensive Schweissgeruch des Zigeuners eine besonders erregende Wirkung ausübte, die er bei einer normalen Frau wohl nicht gehabt hätte. ^)

Am meisten sichergestellt ist die ethnologische Spezificität der Ausdünstung der Negerrasse. Die Natur derselben wird verschieden angegeben. Nach Peschel sind es starke ammoniakalische, ranzige, bock- ähnliche Ausdünstungen, die von den Luftströmungen über den Ozean getragen, in früheren Zeiten schon von weitem die Annäherung eines Sklavenschüfes verkün- digten.^) Fritsch bemerkt, dass bei den Amakosa eine starke, unsichtbare Perspiration vorhanden sein müsse^ die sich durch einen eigentümlichen, penetranten Geruch erkennen lasse. „Derselbe scheint von einer der Butter- säure verwandten Fettsäure herzurühren; er ist aber unabhängig von etwa dem Körper anhaftenden Unreinig- keiten, denn Waschen nimmt den Geruch nicht fort, vielmehr erscheint er dadurch viel stärker, sobald heftige Muskelthätigkeit ausgeführt wird."*)

Von einem anderen erfahrenen Beobachter wird der schwarzen Rasse eine moschusartige Ausdünstung zugeschrieben. „All the black race has a very fine skin which perspires abundantly, and gives forth an in- deflnable odour sui generis, which reminds one slightly of the musky smell of the crocodile. This influence is

^) Jäger 's Monatsbl. 1898 Bd. XV S. 173.

2) R. Günther „Kulturgesch. der Liebe" S. 211.

3) 0. Peschel „Völkerkunde" S. 91.

  • ) G. Fritsch „Die Eingeborenen Südafrikas," BresL1873S.14


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particularly noticeable when she is excited by sexual pässions, and is annoying to beginners who are not Accustomed to it, but you end by getting used tp it. The Negress therefore anoints herseif plentifully with äil the strongest perfumes from Europe, in Order to cönceal her native smell, and she always keeps herseif very clean."^)

Die Intensität dieses Negergemches ist oft sehr

gross. Es wurde schon hervorgehoben, dass man Sklaven-

Ächiffe auf offenem Meere an diesem Gerüche erkannt hat*). Der Konsul Thomas Hutchinson schildert in den stärksten Ausdrücken den spezifischen Geruch west- afrikanischer Neger, welchen die auf dem Markte von Alt-Kalabar versammelte Menge ausströmte. „No vile Compound of drugs or chemicals-would rival the per- ispiratory stench from the assembled multitude. Jt is not only tangible to the olfactory nerves, but you feel ^onscious of its permeating the whole surface of your body. Even after going from the sphere of its gene- Tation it hovers about you and sticks to your clothes .and galls to such an extent, that with stick and um- brölla in your hands, you try to beat it ofE, feeling as if it were an invisible flend endeavouring to become ,assimilated with your very lifeblooi"^)

Waitz hebt besonders den üblen Geruch der Guinea- JNeger hervor, der Balantes, Bissagos und der Neger im Süden von Sierra Leona, der Ibocs, Papaws, Mokos und


^) Untrodden Fields of Anthropology." By a French Army-

Surgeon. Paris 1898 Bd. I S. 235—236.

') Quatrefages ,,Rapport sur les progr^ de rAnthropologie^^ Paris 1867 S. 290.

^) Th. Hutchinson „Impressions of Western Africa^*. London 1858 S. 123.

Hagen, die sexaellen GherUche. 12


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meinti dass diese Ausdünstung dieselbe sei, welche ancBr das schwarze Gefieder der Vögel und das schwarze- Haar der Hunde in Guinea besitze.^

Ueber den Geruch der Kaff er n giebt der folgende? Bericht Aufschluss: „Der Geruch der Eaffem ist stark. und für einen Europäer sehr unangenehm. Einzelne- zeichnen sich vor den anderen durch eine so üble Aus- dünstung aus, dass das ganze Haus davon voll ist, auch, wo sie nur eben hindurchgehen. Die Spur solcher Erz- stänker zu verfolgen, dazu bedarf es keiner Hundenase- Waschen hilft bei diesen nicht; im Gegenteil, es wird dann nur ärger, denn dann haben sich die Poren mehr geöfEnet. Wenn ich in der Schule mit den ABC-Schützea vor der Wandtafel stehe und sie die Buchstaben lehre^ so steigt [in meine Nase so ein süss-säuerlicher Geruch empor, welcher mich allemal an die Bärengrube auf der Pfaueninsel bei Potsdam erinnert."^

Dieser spezifische Negergeruch ist bei den Galla. nicht vorhanden, was Eichard Andree für um so be- achtenswerter erklärt, als auch E. Hartmann den: Versuch gemacht hat, die Galla als ein Uebergangsglied' zu den eigentlichen Negern darzustellen.»)

Diese intensiv unangenehme Ausdünstung der schwar- zen Easse ist femer mit eine Hauptursache der Ab-


^) Wa i t z „Anthropologie der Naturvölker** cit. nach ' J ä g e r * s- Monatsbl. VH S. 55.

2) „Wilhelm Posselts Leben". 2. Aufl. Berlin 1891 S. 93.

^) R. Andree im „Korrespondenzblatt der Deutschen Anthro- polog. GeseUsch." 1876. No. 5. — Vergl. noch die weiteren interessanten Angaben über den Negergeruch bei J. C. Prichard- „Naturgeschichte des Menschengeschlechts". Deutsch v. R. Wagner. Lpz. 1840 Bd. I S. 403—404. — Dort findet sich auch die Angabe- von James, dass der eigentümliche Geruch mancher nordameri- kanischer Indianer von der Gewohnheit herrührt, die Haut mil^ wohlriechenden Pflanzen und mit dem Fett des Bison einzureiben-


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neigung, die zwischen Negern und Weissen besteht, und man hat nicht mit Unrecht die in Nordamerika so aktuelle ,, Negerfrage** als eine Nasenfrage bezeichnet. Von Interesse ist, dass dieser Negergeruch den Indianern Guayana's gerade so widerwärtig ist wie den Europäern. Appun berichtet, dass indianische Frauen und Kinder sich bei der Annäherung eines Negers die Nase zu- hielten und ausspuckten^). Andererseits scheint die gleiche Antipathie auch auf Seiten der Neger und Negermisch- völker gegen die Weissen vorhanden zu sein. Dr. Fischer berichtet, dass dem Massai jeder Fremdling von vorn- herein verhasst sei und dass diese Abneigung so weit gehe, dass ihm schon die Ausdünstung eines Fremden derartig zuwider ist, dass er sich beim Nahen eines solchen wohlriechende Kräuter vor die Nase hält.^)

Im allgemeinen wird auch den sexuellen Beziehungen zwischen Negern und Weissen diese unangenehme Aus- dünstung der ersteren entgegenstehen. Wenn Tardif erzählt: „Ainsi un de nos amis, qui avait vecu aux colonies, nous racontait qu^il ne pouvait avoir des rapports avec une femme noire si eile n'avait pris soin, au pre- alable, de se parfumer pour masquer sa mauvaise odeur naturelle", so wird das für die normal empfindenden Weissen zutreffen. Indess wird gerade den Franzosen eine eigentümliche Vorliebe für den sexuellen Verkehr mit Negern resp. Negerinnen zugeschrieben. Schon im 18. Jahrhundert gab es Neger bord eile in Paris. In einem solchen Bordell, einer gewissen MUe. Isabeau gehörig, befanden sich Negerinnen, Mestizen und Mu- lattinnen, welche an die Liebhaber verkauft wurden,


  • ) „Ausland" 1872 S. 827.

«) Bericht in der „Post" vom 5. Febr. 1884.

12*


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^jWie man die Sklavionen einer Karavane" verkauft/) iDfihren, der über diese Dinge berichtet, erwähnt noch ^as häufige Vorkommen von Negern in den Romanen •des Marquis de Sade.*) Ich verweise noch auf den berüchtigten Eoman des Andrea de Nerciat j^Le I)iable au Ccwps", in dem ebenfalls Neger als Liebhaber von weissen Frauen auftreten. Ebenso wird in einem Pamphlet auf Napoleon HE. und seinen Hof hervor- ^ehoben, dass Madame de Solms besonderen Geschmack .an Negern findet*). Noch heute dienen in verschiedenen Bordellen von Paris und in den Provinzen ständig Negerinnen den Bedürfnissen der zahlreichen nach ihnen Terlangenden Besucher. Galopin hat in seinem Buche einen merkwürdigen Abschnitt, den er betitelt „Le succes des N6gresses ä Paris^*, und aus dem hervorgeht •dass bei dieser eigenartigen Geschmacksrichtung der Franzosen die sexuelle Osphresiologie die grösste Rolle spielt. Es heisst darin: „Une Europeenne est fadasse pour un n^gre; une nögresse trop piquante pour un Europ6en. H faut pourtant tenir compte de l'aberration ^t de la d6pravation du goüt, qui ont provoque rimportation, ä Paris, d'une foule de jeunes mulätresses plus ou moins foncees, qui fönt les delices de quelques vides ou de quelques vieillards lubriques ayant fait for^ tune dans la m^gisserie.

Un de nos confreres, le Dr. X., medecin fran^ais, Wanc d'origine, ä Haiti, 6pousa une negresse dont le


') E. Dühren a. a. 0. S. 133-134. «) E. Dühren a. a. 0. S. 133-134.

  • ) „Les Amours de Napoleon m." Par L'Auteur de la femme

(de C6sar. Genf, Brüssel, Mailand, Turin, London o. J. (1862) Bd. II Seite 287.


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parfum renmait, suivant son expression. „Je ne com- prends pas, nous disait-il, ramour provöque par une blanche fadasse et sans odeur. — Voltaire a dit: Le crapaud ne trouve rien au monde d'aussi joli que sa crapaude."*) Galopin entblödet sich nicht, sogar Vor- schritten und Rezepte zur Verbesserung und Verstärkung der erotischen Ausdünstung der Negerinnen anzugeben!!^) Des Dichters Baudelaire Vorliebe für Negerinnen und Mulattinnen entsprang sicher einer Verirrung seines Geruchssinnes, wie das folgende, oft zitierte Gedicht lehrt :^)

Sed non satiata.

Bizarre deitö, brune comme les nuits, Au parfum m^lange de musc et de havane, Oeuvre de quelque obi, le Faust de la savane, Sorciere au flaue d'6b6ne, enfant des noirs minuits.

Je prefere au constance, ä Fopium, au nuits, L'61ixir de ta bouche oü Tamour se pavane; Quand vers toi mes d6sirs partent en caravane, Tes yeux sont la citerne oü boivent mes ennuis.

Par ces deux grands yeux noirs, soupiraux de ton äme^ demon sans piti6! verse-moi moins de flamme; Je ne suis pas le Styx pour t'embrasser neuf fois,

H61as! et je ne puis, Megere libertine,

Pour briser ton courage et te mettre aux abois

Dans Tenfer de ton lit devenir Proserpine!

Scheinen auch die Franzosen in ganz besonderer Weise für die Angehörigen schwarzer Rassen zu schwärmen, so ist doch keineswegs in anderen europäischen Ländern und Grossstädten eine solche schwarz-weisse Liebe selten. Auch in London, wo Neger und Negerinnen hauptsäch-

1) A. Galopin a. a. 0. S. 183.

') ibid. S. 184.

») „Les Fleurs du Mal" Nr. 27.


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lieh in Musikhallen und auf Variete-Bühnen auftreten, kennt man solche Verhältnisse. Auch dort tauchte schon im 18. Jahrhundert eine afrikanische Negerin als Dcmimondaine auf. Sie war, wie es in einem alten Werke heisst, im wahren Sinne des Wortes, eine ganz neue Erscheinung in der Stadt und ein vollkommenes Exemplar ihrer Rasse. Sie hatte zahlreichen Zulauf und schloss daraus, dass die Capricen dieser Welt so gross seien, dass die Neuheit einer Sache immer den Preis erhöhte. Im Laufe von wenigen Monaten konnte sie auf der Liste ihrer Verehrer vierzig Pairs und fünfzig Mitglieder des Hauses der Gemeinen zählen, so dass sie getrost ein berühmtes Bordell am King's Place über- nehmen konnte.*)

In Berlin spielen ebenfalls Neger in Vari6t6s und Ballhäusern eine verdächtige EoUe. Ich kannte in einer norddeutschen Grossstadt ein solches Liebesbündnis zwischen einer weissen, auffallend hübschen Frau und einem amerikanischen Neger.')


Ich verweile noch einen Augenblick bei einem Gegensatze, den man innerhalb der kaukasischen Rasse zwischen zwei Zweigen derselben, den Ariern und Semiten in Bezug auf die Hautausdünstung aufgestellt hat. Zunächst ist zu bedenken, dass die Völker stets

  • ) „Les S6rails de Londres" Brüssel o. J. S. 153—154.
  • ) Schopenhauer meint, dass im heissen Klima Licht und

Wärme auf dem Bete Malpighii eine langsame, aber beständige Desoxydation der bei uns unzersetzt durch Sie Poren entweichenden Kohlensäure hervorbringen, welche alsdann soviel Karbon zurück- lassen, als zur Färbung der Haut ausreicht, und dass damit wahr- scheinlich der specifische Negergeruch zusammenhänge. (A. S ch o p e n- liauer „Parerga und Paralipomena" Lpz. 1891 Bd. 11 S. 173).


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einer ihnen fremden nnd verhassten Easse allerlei üble Eigenschaften andichten, unter welchen dann eine schlechte Ausdünstung die erste Stelle einnimmt Be- merkenswerte Ausführungen darüber macht Friedrich Ton Hellwald in seiner Kulturgeschichte. Der Hass zwischen Ariern und Semiten hat dazu geführt, dass •die Ersteren den Letzteren, und insbesondere den Juden einen spezifischen, abstossenden Geruch zum Vorwurf machten. Dass es nur Hass und Verleumdung waren, i^elche dieser Behauptung zu Grunde lagen, ersieht man -daraus, dass selbst Stämme, welche den umwohnenden Völkern in vielfacher Hinsicht weit näher standen als •die Juden, den nämlichen, christlichen Glauben hatten, trotzdem gehasst, verachtet und als mit einer wider- lichen Ausdünstung behaftet hingestellt wurden. „Die qualvollste Armut hätte niemanden vermocht, seine Tochter einem Cagot zum Weibe zu geben; die Volks- meinung hatte sie in den Bann gethan; niemand wollte sie sehen, noch weniger berühren. Namenlos elend lebten sie in erbärmlichen Hütten als Zimmerleute oder Dachdecker, von den Dörfern entfernt. In der Kirche ^ab es eine eigene kleine Thüre, einen eigenen Weih- wasserkessel, einen eigenen Winkel für sie; desgleichen auf dem Friedhofe; selbst an eigenen Brunnen -mussten sie trinken. Wie man sich von ihnen erzählte, waren sie Zauberer und Hexenmeister, mit einer stinkenden Ausdünstung und dem Aussatz behaftet, hässlich und von massloser Geilheit"*)

Genau dieselben Fabeln hat der Hass gegen die Juden von jeher verbreitet. Der Ritualmord, der durch


^) P. v. Hellwald „Culturgescliichte in ihrer natürlichen Entwicklung*« Augsb. 1875 S. 610.


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den gelehrten Professor Strack, einen orthodoxen Pro- testanten, in diesem Jahre znm sechsten Male totge- schlagen wurde, lebt immer wieder auf. Wie die Juden^ im Mittelalter durch die „Vergiftung" der Brunnen den» schwarzen Tod hervorgerufen haben sollen, so sollen sie auch durch eine besonders „spezifische" Ausdünstung^ das arische Gemüt und die germanische Nase abstossen.. Der waschechte Antisemit und Homöopath, der Woll-^ apostel und Menschheitsbeglücker Jäger hat in dieser Beziehung wohl das Köstlichste geleistet und in seiner chrislichen Liebe selbst die Person des — Papstes- Pius IX. nicht geschont. Mit Behagen teilt er mit^ was ihm ein Dr. M., wahrscheinlich ein Paralytiker^ über den „Hebräerduft" schreibt: „Von Jugend auf hatte^ jeder Jude für mich einen absonderlichen, wenn auch, nicht immer unangenehmen Duft, und als Junge bekan^ ich manches Kopfstück, wenn ich ganz ungeniert Be- sucher unseres Hauses frug, ob sie auch Juden seien? Später erkannte ich durch den Geruchssinn auch solche- Personen, welche entweder durch Kreuzung oder durch Spiel der Natur nichts weniger als Juden gleich sahen,- die auch niemand im entferntesten dafür hielt, ja die es vielleicht kaum selbst mehr wussten, dass sie jüdischer Abstammung seien oder doch nichts davon wissen wollten. 1847, als ich Pio nono in Rom den PantofEel küsste^ war ich der erste, der des Papstes hebräische Ab- stammung behauptete — die er 1861 selbst den Ge- brüdem Cohn aus Lyon gegenüber zugestand — und. ohne dass ich wusste, dass Kardinal Consalyi schone längst gesagt: „E un ebreol"*)

1) G. Jäger „Entd. d. Seele" 1, 246. — Von demselben Dr.. M.lässt Jäger sich aufbinden, dass beider,Jüdischen,griecliisclien,^


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Da können die Ultramontanen, welche ja neuerdings^

besonders in Frankreich, den Antisemitismus in Erb- pacht genommen zu haben scheinen, sehen, in welche

kirchlichen Gefahren sie sich in der Begleitung solcher „Judenriccher" begeben, die durch dien Gedanken, dass der Stifter der christlichen Religion ein Jude war, sich wenig in ihrem unwürdigen, pöbelhaften Treiben be- irren lassen.

Ich habe sehr häufig in Gesellschaften geweilt, die aus Christen und Juden bestanden» und muss sagen, dass

mir niemals ein solcher spezifischer Geruch der Letzteren angefallen ist. Ja freilich, wenn ein Christ Käse isst, wird er eine Zeit lang nach Käse riechen, und wenn ein Jude Knoblauch gegessen liat, wird er nach Knoblauch riechen. Meines Wissens haben die- westeuropäischen Juden dem Genüsse des Knoblauchs- gänzlich entsagt, und andererseits ist der Knoblauch durchaus kein jüdisches Nationalgericht. Italiener und Proven^alen schwärmen noch heute für den Knoblauch in solchem Masse, dass sie R. Andree als „lauchduftig"^ bezeichnet. *)

Wenn also innerhalb der kaukasischen Rasse quali- tative unterschiede in der Ausdünstung bestehen, so- sind diese ausschliesslich durch die Nahrung hervor- gerufen, ebenso wie die quantitativen durch die Ver- schiedenheiten des Klimas. So reduziert sich auch der angebliche „foetor judaicus" und „semiticus", wie bereits Andree ausführlich dargelegt hat, auf einen Zusammen-

italienischen und teilweise der französischen Nation — und nidit bloss hei Frendenmädchen, anch in der Ehe und bei Lieb- schaften — neben dem Schoosskuss auch der „Steisskuss" zu den Baffinements beim natürlichen Coitus zähle (!1) Vgl. ^^Jahrbuch L sex. Zwischenstufen" Lpz. 1900 Jahrg. n S. 98—99. ^) R. Andree a. a. 0. S.


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liang desselben mit einer früher vorhanden gewesenen Yorliebe für gewisse Gewürze, welche aber durchaus nicht nur bei ihnen beliebt waren. Parturiunt montes, nascetur ridiculus mus!

Man ist natürlich auch daran gegangen, nach Jag er- ^cher Methode, Deutsche und Franzosen durch den Ge- ruch zu unterscheiden. „Ein echter Haarhändler unter- scheidet z. B. zwischen deutschen und französischen Haaren sofort durch den Geruch." Difficile est sati- jram non scribere!

Ein eigentümliches Produkt der sexuellen Osphresio- logie bei primitiven Völkern ist der sogenannte Nasen-

gruss, über den Richard Andree sehr interessante

Mitteilungen zusammengestellt hat.*) Er betrachtet den- selben als eine charakteristische Sitte einzelner Eassen und Völkerfamilien und betont ausdrücklich, dass nicht das Reiben und die mechanische Berührung dabei das Wesentliche sei, sondern das Beriechen. Der Freund zieht vom Freunde, oder von der Freundin durch den Nasengruss d*essen oder deren Ausdünstung ein, gleichsam „um einen Teil des befreundeten oder ge- liebten Wesens in sich aufzunehmen. Hierbei wirkt in grossem Masse unterstützend der scharfe Geruchs- B i n n der auf niederer Stufe stehenden Völker.

Nach Andree hat der Nasengruss ganz bestimmte Verbreitungsbezirke. Er beginnt im Kapland, geht von hier durch den Norden der alten und neuen Welt bis Grönland. Femer findet er sich in Hinterindien, und setzt sich von da über die Südseeinsel .1 bis zur Oster insel fort.


1) Jäger's Monatsbl. 1886 BdVJI. S. 15. 5 „Globus" 1879 Nr. 10.


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Der lappländische Nasengruss, der schon von L i n n e beobachtet wurde, ist noch heute allgemein dort üblich, wie Frijs mitteilt „Die lappische Begrüssung besteht in einer halben Umarmung, wobei man die rechte Hand auf des andern linke Schulter legt, Wange an Wange und Nasenspitze an Nasenspitze reibt, mit dem Wunsche därvan, därvan, wohl, wohl." Ebenso üben die Samojeden und andere sibirische Völker den Nasengruss aus.

Die Ainos auf Sachalin üben nach Andree ein sehr kompliziertes Grussverfahren aus, das aber noch Anklänge an den Nasengruss erkennen lässt Die Freunde legen gegenseitig ihre Köpfe auf die Schulter des anderen.

Alle Eskimos haben den Nasengruss.

Eine weitere Zone des Nasengrusses nimmt südlich in Hinterindien ihren Anfang. Lewin berichtet von den Bergvölkern Tschittagongs eine sonda'bare Art des Küssens. Sie legen nämlich Mund und Nase auf die Wange und ziehen den Atem stark ein. In ihrer Sprache heisst es nicht: ,,gieb mir einen Kuss, sondern rieche mich." Ebenso legen die Birmanen auf den Geruch den Hauptwert. Instead of saying „give me a kiss", they say „give me a smell" sagt Mackenzie.

Ebenso erzählt Crawford, dass auf dem malayischen Archipel dort für unsem Kuss bei allen Stämmen das Riechen eintrete. Die Wörter „riechen** und „grüssen** sind dort überall gleichbedeutend. Kopf und Nacken sind die gewöhnlichen Objekte der Umarmung, wobei ein Schnüffeln hörbar wird. Die Alfurus auf Ceram Teiben sich wie die Katzen mit dem Oberkörper an einander und krümmen den Kücken als Ausdrack ihrer


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Behaglichkeit. Auf Celebes wird ebenfalls das Nasenr reiben geübt.

Den neuseeländischen Nasengruss hat Darwin in seiner Eeise beschrieben. „Die Weiber kauerten nieder und hielten ihr Gesicht aufwärts; meine Begleiter standen über ihnen, legten die Rücken ihrer Nasen in einem rechten Winkel über die ihrigen und fingen da» Drücken an. Das dauerte etwas länger als ein herz- licher Händedruck bei uns. Während des Vorgangs Hessen sie ein behagliches Grunzen hören.** Nach Andre e wird heute auf Neu-Seeland der Nasengruss fast nur noch von alten Weibern und Männern geübt, da die jüngere Generation sich schon das europäische Küssen angewöhnt hat, und die modernen Maorimänner sich ein- fach die Hände nach englischem Muster schütteln. Uebrigens war es nicht ein „einfaches Nasendrücken", wie Darwin angab. Denn Andree macht darauf aufmerk- sam, dass das Wort „hongi" sowohl „riechen" als auch den Nasengruss und Kuss bedeutet. So lag auch hier der Sinn des Nasengrusses darin, dass man den Ge- ruch des geliebten Wesens einatmen wollte.

Die Maoris der Chatham-Inseln haben den neusee- ländischen Nasengruss.

Lamont.und Georg Forster fanden ihn auf den Marquesas- und Penrhyn-Inseln. Von Missionären wurde er auf der Ellice-Gruppe beobachtet, femer auf den Marianen und Kingsmill-Inseln, also überall in der Südsee.

Ob die Schwarzfussindianer Nordamerikas und die Australier in Queensland den Nasengruss kennen, wie Waitz mitteilt, erscheint bei der Isoliertheit dieser Fälle zweifelhaft.


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Diese interessanten, dem Nasengrusse zugrunde liegenden Vorstellungen der Naturvölker lassen erkennen, dass auch die Sprache einen Niederschlag von That- rsachen aufgenommen hat, welche sich auf die sexuelle Osphresiologie beziehen. Dies lässt sich insbesondere ^Mis der poetischen Litteratur vieler Völker nachweisen. Indem ich in dieser Hinsicht auf den sechsten Abschnitt vorweise, will ich an dieser Stelle nur einige Thatsachen aus der arischen Etymologie anführen, welche ent- schieden auf eine primitive Prävalenz der Geruchs- empfindungen in dem Verhältnis der Menschen und der Gescblechter zu einander hinweisen.

Noe macht darauf aufmerksam, dass dass deutsche Wort Eiechen, Geruch, ebenso wie das Wort Rauch mit -einer arischen Wurzel zusammenhängt, welche eine auf- steigende Bewegung andeutet. „Urwüchsige Betrachtungs- weise dachte sich den Körper, von welchem der Duft ausgeht, gewissermassen in Bewegung. Man musste sich das so vorstellen wie einen Heereszug, bei welchem man zuerst auf einzelne Vorplänkler, dann auf zusammen- hängende Schaaren und schliesslich auf die dichten iSlassen des Heeres selbst stösst. Und diese Anschauung von losgelösten Teilen, welche die Nähe des Körpers Tcrkünden, befindet sich in Uebereinstimmung mit den Ueberzeugungen der Wissenschaft. Wir haben schon •einen Teil eines Körpers in uns aufgenommen, indem w'r ihn riechen. Durch diese Kommunion kommen wir mit dem Wesen der Dinge in innigere Berührung ^s durch den Gesichts- oder Gehörsinn, der nur durch Wellenbewegungen angeregt wird, die von den Körpern .ausgehen, aber nicht durch die losgelösten Teile der


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Dinge selbst."*) So erklärt es sich, dass die ursprüng- liche Bedeutung des Wortes Liebe bei den Ariern aof GeruchsYorstdlungen zurückzuffihren ist, da nach ihrer Ansicht eben nur durch den Geruch die innigste Ver- bindung von Mann und Weib herbeigeführt werde. So- bedeutet im Sanskrit die Wurzel „ghrä" sowohl „küssen**- als „beriechen". Im Persischen heisst „bujah" sowohl der Geruch als die Liebe, Sehnsucht. Die Perser sagen daher: Ich bekomme den Gerach jemandes in die Nase,, d. h. ich bekomme Sehnsucht nach ihm. Ebenso haben die Franzosen für „riechen" und „fühlen" nur ein Wort: sentir.

Jäger bringt die Mitteilung, dass man in einigen Gegenden Böhmens Braut und Bräutigam einige Tage- vor der Hochzeit durch einen gewissen Zeitraum (ge- wöhnlich eine Nacht hindurch) allein beisammen seia lässt, und zwar mit der Absicht „aby se scuchli", wört- lich: „damit sie sich zusammenriechen". So nennt man im Böhmischen ein inniges Bekanntwerden.*)

Auf ähnliche Beziehungen zwischen Liebe und Ge^ ruch weisen auch die vielen Blumennamen der Frauen in den meisten Sprachen hin. Auch Heine- nennt die Frauen „Menschenblumen."*)


  • )H. N e „Die Jahreszeiten" cit. nach J ä ge r ' s Monatsbl. Vlii,130^

j) „Entd. d. Seele" I, 334.

  • ) Hiermit hängen auch die Ausdrücke „Defloratio" und „Mos»

Tirginitatis'^ zusammen.


VI.

Der Sunamitismus.

Wie tief im Volksglauben die Vorstellungen von. einem mächtigen Einflüsse der sexuellen Ausdünstungen des Menschen Wurzel gefasst haben, beweisen vor allem die sehr merkwürdigen und interessanten Thatsachen des sogenannten Sunamitismus.

Mit diesem Namen bezeichne ich den uralten Glauben an eine therapeutische und vor allem makrobiotische Wirkung der Ausdünstung junger Personen auf alter insbesondere wenn es sich um verschiedene Geschlechter handelt. Hierbei ist jeder sexuelle Verkehr ausge- schlossen.

Das älteste Beispiel von Sunamitismus, von dem. auch der Name entnommen ist, findet sich in der Bibel' (1. Buch der Könige Kap. I, Vers 1 — 4). Hier wird \rom König David erzählt; „Und da der König alt war und^ wohlbetagt, konnte er nicht warm werden, ob man ihn. gleich mit E^leidern bedeckte. Da sprachen seine Knechte^ zu ihm: Lasst sie meinem Herrn Könige eine Dirne, eine Jungfrau suchen, die vor dem Könige stehe und. sein pflege und schlafe in seinen Armen und wärme meinen König, den Herrn. Und sie suchten eine schöna Dirne in allen Grenzen Israels und fanden Abisag von.


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Sanem und brachten sie dem Könige. Und sie war eine sehr schöne Dirne nnd pflegte des Königs und 4iente ihm. Aber der König erkannte sie nicht.'*

Dr. Johann Heinrich Cohansen, auf den ich später noch zu sprechen komme, hat diese biblische Stelle erläutert und daraus Schlüsse gezogen in Bezug auf die Natur einer richtigen Sunamitin. Er sagt: „Zu Jerusalem waren viele tausend Mägdchen, warum wählten ^e denn nicht mit leichter Mühe eine aus denselben? David hatte eine grosse Menge Weiber, deren IL Buch 4er Könige am dritten sechse angeführt werden, nehm- lich die Abigail, welche Nabais Weib gewesen, die Achinoa, die er von Jesreel erhalten, die Maacha, Haggith, Abital, Egla, wozu auch noch die Michal 2u rechnen ist. Konnten denn, diese den König nicht wärmen, dass man nötig hatte, erst deswegen eine Jungfer zu holen. Ich will das Geheimnis, welches liierunter steckt, anzeigen.

Die Aerzte wollten den König durch die Wärme and durch das Einhauchen einer frischen Jungfrau, welche bei ihm schlief, wieder aufwärmen und länger am Leben erhalten, hierzu aber waren seine Weiber, -welche schon die Jugend abgelegt, wie denn die. vorher benannten alle ihm Söhne geboren, untüchtig und unge- fichickt, sie suchten daher eine junge Frau, welche ge- Bunder und lebhafter als die Weiber war, und erwählten -ein sehr schönes Mägdchen, weil die Schönheit ein Anzeichen einer guten LeibesbeschafEenheit und eines ^ten Temperamentes ist. Sie erwählten eine solche Jungfrau, welche nicht allein in seinem Schoose schliefe, Bondem auch, wie an gedachtem Orte gesagt wird^ für ihm stünde und ihn bediente. Damit er auch auf diese


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Art ihr Anhauchen und ihre Ausdünstung beständig ge- messen möchte.

Sie scheint aber nicht gar zu klein gewesen zu

seyn, weil sie sonst den König nicht hätte bedienen, und

man auch nicht sagen können, dass sie recht keusch

geblieben wäre. Denn wenn sie nicht schon den Ruhm

im sich gehabt, dass sie sehr keusch gewesen, so würde sie dem Könige nicht die Hoffnung zu einem langen Leben, sondern den Tod mit gebracht haben.

Aus dieser Geschichte Davids kann man schliessen, was die Hermippischen Mägdchen für Eigenschaften ge- habt haben. Die erste ist eine vollkommene Gesund- leit. Denn wenn die Zähne zerfressen und die Lungen Anbrüchig sind, wenn in dem Munde ein Fluss ist, und 'der Athem stincket, und der gantze Cörper wie eine Pfütze riechet, wie können die Lebensgeister, die sich ^n einem angenehmen Geruch ergötzen, durch einen solchen Hauch erhalten werden? Lass du Alter dir Ton der Neaera oder Coella tausend verliebte Küsse

geben, und sauge tausend Hauche von ihr ein, dein

iBlut wird doch dadurch nicht munter, noch das kalte Alter wieder warm werden, auch wird nicht der ver- -welckte Leib wieder neue Stärke und Schönheit erlangen, wenn du dir gleich einbildest, dass diese Aushauchung nach Narden und Gewürtze röchen. Wir halten es da- her für unstreitig wahr, dass die Jungfrau von Sunem vollkommen gesund gewesen seye.

Die andere Eigenschaft ist die Schönheit, welche an der Königlichen Beyschläflerin so nachdrücklich ge- rühmt wird, und wodurch wir die Symmetrie und eine ^ute Beschaffenheit des Cörpers verstehen.

Die dritte ist die Keuschheit, oder die jung-

Hagen, die sexueUen Gherüche. 13


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frauliche Unschuld. Denn der Umgang des Dayids mit der Abisag ist so unschuldig gewesen, dass sie auch,, wie die Geschichte bezeuget, keusch geblieben ist Und ich glaube, dass die Aertzte Davids bey der Wahl der Sunamitin nicht allein auf die Leibesgestalt, sondern auch vielmehr auf die Gabe der Keuschheit gesehen,, und sie als grosse Kenner von der Physiognomie aus- der Gesichtsbildung und den Lineamenten geschlossen haben, welche Untersuchung bey einer so grossen An- zahl der Israelitischen Jungfrauen allerdings sehr müh- sam gewesen ist

Man darf sich nicht einbilden, dass alle Mägdchen so heilsame Ausdünstungen haben, dass sie zur Ver- längerung des Lebens dienen könnten, indem sie nicht alle mit einer vollkommenen Leibesbeschaffenheit ver- sehen sind. Es ist aus den Zeugnissen der HeiUgen Schrift bekannt, wie viel Mühe es gekostet, im gantzen Israel eine Jungfrau zu finden, welche sich zur Bey- schläferin für den König schickte. Wenn mir das, was ehmals den Aertzten Davids, aufgetragen würde, und ich einem 70. Jährigen König eine nächtliche Wärmerin suchen solte, so würde ich mich lieber zu den Bauer- hütten als zu den Häusern der Vornehmen wenden. Ich würde vielmehr ein gesundes Bauermägdehen, welche» weisse Zähne hätte, und der es aus dem Munde wohl röche, denn dieses wäre ein Anzeichen, dass sie von guter Verdauung, und folglich eine gesunde Bluterzeugung und Ausdünstung hätte, als ein zärtlich auferzogenes vornehmes Frauenzimmer, nach dem Exempel des Königs. Cyrus dazu erwählen, welcher das Bauermägdehen Aspasia die

Placidi tarn meUens halitus oris

Ut spirare etiam sie yolet ipsa charis.


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Das ist: Einen Honigsüssen Geruch aus dem Munde von sich gab^ dass auch selbst die Gratien so riechen möchten,

Ob sie gleich einen geringen Mann, den Aegonem^ zum Vater, und die Micala zur Mutter hatte, dennoch des Königlichen Bettes würdigte, und sie nicht zur Bey- schläfEerin, sondern zur Königin machte. Ich würde weder auf das edle Geblüthe, noch die hohen Absätze, Pralereyen, das geschminckte Angesicht und den noch heutiges Tages gebräuchlichen Steifenrock sehen, sondern ich würde nur die zwo Eigenschaften, welche an der Sunamitin bemercket werden, nehmlich die Schönheit und Keuschheit, in Betrachtung ziehen." *)

Jäger erklärt den Sanamitismus als „Sympathie"^ hervorgerufen durch den Wohlgeruch der betrefEenden Person. Der Umgang mit einer solchen sympathischen Person wirkt dann heilend und kräftigend auf den Greis und den Kranken. Hier wird der Wohlgerucli direkt zur Arznei.^)

In Scheffel's „Ekkehard" heisst es, dass durch die Annäherung lebender Körper unsichtbar wirkende- Kräfte thätig werden, ausströmen, in einander übergehen und seltsame Beziehungen zwischen den Menschen her- stellen.

Vielleicht beruht auch der folgende altägyptische- Zauber-Spruch auf Vorstellungen einer sunamitischen Wirkung: „Mein ... zu legen an den Nabel der N. N.,. es zu bringen den . . . der N. N., und dass sie gebe, was in ihrer Hand ist in meine Hand, was in ihrem Mund

^) J. H. Cohausen „Von der seltenen Art, sein Leben durch das Anhauchen junger Mägdchen bis auf 115 Jahr zu verlängern"^ Stuttg. 1847, S. 190—193, 219-221.

«) Jägers Monatsbl. 1882 Bd. I S. 175.

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ist in meinen Mnnd, was in ihrem Leib ist in meinen Leib, was in ihren weiblichen Gliedern in . . . gleich, gleich, augenblicklich, augenblicklich."^)

Nach allem ist die Quintessenz des Sunamitismus, dass man der körperlichen Ausdänstung jugendlicher, gesunder und keuscher Personen eine grosse heil- kräftige und lebensverlängemde Wirkung auf Kranke und Greise zuschreibt, und wie wir sahen, ist dieser Glaube uralt.

Vor bald 500 Jahren fand Gommarus, ein Bolog- nesischer Antiquar zu Rom, zufällig ein marmornes Weih- denkmal mit der folgenden Inschrift, welche von Thomas Reinesius in dem „Syntagma inscriptionum antiquarum*^ und später von Johann Kays er im „Pamassus Cli- vensis" wieder abgedruckt wurde:

Aesculapio. Et. Sanitati.

L. Clodius. Hermippus.

Qui. Vivit. Annos. CXV. Dies. V.

Puellarum. Anhelitu.

Quod. Etiam. Post Mortem

Eins.

Non. Parum. Mirantur. Physici.

Jam. Posteri. Sic. Vitam. Ducite.

d. h.: Dem Aeculap und der Sanitas setzet dies L. Clodius Hermippus, welcher 115 Jahre und 5 Tage durch die Ausdünstung junger Mädchen lebte, worüber sich auch nach seinem Tode die Aerzte nicht wenig wundem. Ihr Nachkommen führt Euer Leben auf die- selbe Art.


») Günther a. a. 0. S. 201.


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Es war der mimstersche Arzt Johann Heinrich Cohausen (geboren 1665 zu Hildesheim, gestorben 13. Juli 1750), welcher dieser Entdeckung seine berühmte, satirische Schrift „Der wiederlebendc Hermippus, oder curieuse physicalisch-mediziuische Abhandlung von der seltenen Art, sein Leben durch das Anhauchen Junger- Mägdchen bis auf 115 Jahr zu verlängern, aus einem römischen Denkmal genommen, nun aber mit medicinischen Gründen befestiget, und durch Beweise und Exempel, wie auch mit einer wunderbaren Erfindung aus der philosophischen Scheidekunst erläutert und bestätiget von von Joh. Heinrich Cohausen, M. D. Jetzo aus dem Lateinischen übersetzt. Gedruckt in der alten Knaben Buchdruckerey, 1783. Octav. Mit einer Abbildung*' widmete.*) Diese Schrift ist die einzige mir bekannte spezielle Monographie über den Sunamitismus.

Cohausen weist vor allem darauf hin, dass Hermippus sich die Inschrift nicht gesetzt hat, son- dern dass sie ihm von einem Anderen nach seinem Tode gesetzt worden sei. „Es ist aber nichts neues, dass man die leichtgläubigen Antiquarios verführet und betrüget. Es werden falsche Müntzen gepräget, falsche Götzen- bilder gemacht, falsche Hieroglyphische Figuren in Edel- steine ausgestochen; es werden alte Innschriften erdichtet, damit man durch ihren Verkauf einen Gewinst ziehe, oder den Antiquariis was zu thun mache und sie ermüde, wie dergleichen dem Pater Kirch er, einem der schai-f- sinnigsten Kenner der Hieroglyphischen Figuren, und


  • ) Wieder abgedruckt in : „Der Schatzgräber in den litterari-

schen und bildlichen Seltenheiten, Sonderbarkeiten etc. hauptsächlich des dunklen Mittelalters". Herausgeg. von J. Scheible Stuttgart lÖiT. 2. Thcil, S. 139- 279, nach welcher Ausgabe ich citire.


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anderen Antiquitätsverständig^i bekantennassen be- gegnet ist."')

Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass es sich um eine gefälschte Inschrift handelt Cohansen entwirft nun ein höchst ergötzliches satirisches Gemälde von dem Leben dieses angeblichen Hermippus, welche Schil- derung zu meinem Erstaunen Carus Sterne als eine ernstgemeinte betrachtet.*)

Unser Hermippus hat nach Cohausen in Ge- sellschaft solcher Mädchen gelebt, welche ihre Puppen und Gespielinnen noch nicht der Liebe aufgeopfert hatten, welche auch sehr klein waren und wie die Schwester des weisen Königs noch keine Brüste hatten, mit welchen es sich daher ganz unschuldig umgehen und eine keusche Ergötzung haben Hess. „Man konnte sich mit denselben unterhalten, spielen, schertzen, ohne dass die Lust erreget, die Munterkeit verloren, und der Schlaf gestöret wurde, und das Gemüthc durfte sich nicht mit Sorgen plagen, noch mit argwöhnischen Gedancken quälen, welche sonst gemeiniglich auf die Liebe eines alten Mannes folgen. Man darf nicht dencken, dass Hermippus ein grosser Herr gewesen sey, welcher, wie der Sultan, in dem Frauenzimmer unter schönen und erwachsenen Mädchen gesessen, und durch ihr Anhauchen, sein leb- haftes Alter so hoch gebracht habe. Denn es wäre davon sonst wohl etwas auf dem Denkmahl gedeutet worden, und man könnte die Nachkommen nicht ohne eine offenbahre Thorheit zu der Nachfolge eines so grossen Mannes ermaahnen."^)

  • ) CohauBon a. a. 0. S. 160—161.

•) CaruB Sterne Jäger's Mitbewerber um die „Entdeckung der Seele" in Jäger 's Monatsbl. 1896. Bd. IX, S. 32. •) Cohausen a. a. 0. S. 180—181.


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Nunmehr lässt sich Cohausen den Einwand machen, dass bei dem langen Leben des Hermippus doch diese „kleinen keuschen Jungfrauen" ihr Amt nur wenige Jahre verrichten konnten, da sie nicht immer Kinder blieben und so andere an ihre Stelle treten mussten. „Wenn wir nur von des Hermippi 60ten Jahre an rech- nen, so muss er von da bis in sein 115. Jahr die Mägdchen wenigstens 10 mahl verändert haben, wenn auch diese Aenderung nur aller 5 Jahr geschehen ist." Daher müsste Hermippus eigentlich doch ein sehr reicher und vornehmer Mann gewesen sein, der sich eine so grosse Anzahl von Mädchen leisten konnte. Aber diese An- nahme ist durchaus unnötig. Denn es ist nach unserem Autor ganz klar, was Hermippus war. Er hat in einem römischen „Mägdgen-Waisenhause", oder in einem „ Jungfer - Gymnasio" das Amt eines Vorstehers oder Lehrers verrichtet und also einen Teil seines Lebens in der Gesellschaft und unter der Ausdünstung von Mädchen zugebracht, wiewohl Cohausen die Knaben von seinem Umgange und Unterrichte nicht völlig ausgeschlossen haben will, indem bekannt sei, dass rtie Lehrer und Schulmeister zu allen Zeiten gleichsam ein gewisses Vor- recht auf ein langes Leben gehabt haben, wofür er Bei- spiele anführt.

Der Glanzpunkt der köstlichen Satire ist die Schil- derung des Lebens des Hermippus inmitten seiner Ideinen Sunamitinnen.

„Das Waysenhaus, welches einem Pallaste ähnlich war, hatte viele und prächtige Wohn- und Speisezimmer, aus welchen er sich ein geraumes zu seinem und der Mägdchen täglichen Auffenthalt ausgelesen hatte, damit der Hauch, welcher aus den Cörpern und dem Munde


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der vielen Mägdchen beständig herausgieng, die einge- schlossene Luft hinlänglich erfüllen, und mit heilsamen Ausdünstungen reichlich vermischen möchte, und sie aJso- durch den üebergang in des Hermippus Lungen die ge- suchte Würckung desto besser thun könnten. In diesem hielt er sich mit ihnen einen grossen Theil des Tages auf, und brachte die Zeit mit freundlichen und angenehmen Gesprächen, mit Ertheilung guter Lebensregeln, mit Er- zehlung artiger Historien, und mit geschickten Ermah- nungen zur Tugend zu. — Gleich sehr frühe, wenn das Geräusche der aufwachenden Mägdchen gemeiniglich auf- weckte, machen die Mägdchen in dem Zimmer ein. starkes Feuer, und damit die Luft, welche die Nacht über verdicket worden, wiederum dünne werden möchte.. Sie räucherten es auch besonders bey feuchter Witterung mit dem besten Räucherwerck gemeinlich einige mahl des Tages aus, weil sie von ihrem Herrn gelemet hatten,, wie dienlich dieses zur Erhaltung der Gesundheit wäre.. Wenn der Alte aufstand, so warteten ihm, als ihrem Ober- aufseher und Vater die erwachsenen Mägdchen, denn wir wollen das lange Leben des Hermippi nicht allein den gantz kleinen Mägdchen zuschreiben, sogleich in denn Speisezimmer auf, und wünschten ihm Glück, dass er die Nacht glücklich vollbracht hätte. Manchmahl erklärte er ihnen ihre angenehmen Träume, welche sie ihm er- zehlten, und wendete sie auf die Verbesserung der Sitten an. Einige aus denselben, welche etwas grösser, gesetzter,, und schon der Schmeichelung erfahren waren, kämmten, ihm die schneeweissen Haare aus, andere machten ihm den langen und weissen Bart zurechte, andere riebeik ihm sanft den Nacken und die Schultern mit einem rauhen Tuche,. welches die Alten für sehr gesund hielten.


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Und wäre es damals gebräuchlich gewesen, Thee oder Coff ee zu trincken, so würden ihm ohne Zweiffei einige denselben gebracht haben. Wenigstens können diejenigen, welche sich an dieses Geträncke so sehr gewöhnt haben, daraus, dass man sie im damahligen Zeiten nicht gehabt, schliessen, dass man auch ohne sie ein langes Leben erlangen kan.

Wenn die Unterrichtsstunden vorbey waren, so wurde die übrige Zeit, mit Genehmhaltung des Hermippl, zu Kindischen Vergnügen angewendet. Sie sprangen, sie spielten mit ihren Puppen, manchmahl sangen sie auch. Denn die Alten hielten nichts zur Erhaltung der Gesundheit für dienlicher und kräftiger, als das singen und die Musick. Und auf diese Art trug alles, nebst dem Anhauchen der Mägdchen zur Erhaltung unseres Alten etT^as bey.

Bald vergnügte ihn die seltene Gestalt dieses Mägd- chens, bald nahm ihm jener frühzeitige Bescheidenheit ein, und die Schamhaftigkeit und die frühzeitige Frömmigkeit

Wenn er etwa seiner Geschäfte wegen sich ein wenig aus dem Zimmer entfernen musste, so sähe man die kleinen Mägdchen ihn mit ihren Händen aufhalten, und ihn, wenn er auch schon an der Thür war, mit ihren Küssen wiederum zurückbringen.

Bey seiner Wiederkunft sprangen sie ihm wiederum entgegen, und küssten und drückten ihn, und umgaben, wie der Poet redet, mit ihren kurtzen Armen seine Schultern. Einige hüpften dem alten Greiss auf den Schooss, und klopften ihn, ohne dass er darüber böse wurde. Eine andere kroch auf seine Schultern, ja alle lieffen hauffenweis herzu, um ihn zu umfassen. Und


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also spielte der wieder jung wordene Hermippus in der That mit den Mägdchen, denn wie Quintilianns saget, so Hessen die Römer nicht allein bey ihren Verrichtungen und Ernsthaften Dingen, sondern auch bey ihren Ergötz- lichkeiten und Kinderspielen Maasse und Schamhaftig- keit sehen.

An dem Waysenhause lag ein sehr angenehmer Garten, in welchem sehr viele Blumen und Kräuter stunden, die mit ihrem angenehmen Geruch die Lebens- geister erquicken, und vieles zu Verlängerung des Lebens beytragen, mit welchen die fleissigen Mägdchen täglich das Zimmer anfüllten. In diesen begab er sich alle Tage,- wenn das Wetter heiter war, mit allen seinen jungen Mägdchen, deren jede eine Puppe bey sich hatte und gieng mit denselben darinnen spatziren, und lebte unter ihnen ohne Sorgen, und hatte auch nicht einmal die Sorge, wie er die Sorgen vermeiden möchte. Er hielt mit den Platonickem dafür, dass ohne dieses eintzige aus den Lebensmitteln die übrigen alle zur Verlängerung des Lebens nicht helffen, hier scherzete, spielete, tanzte und sang er mit den Mägdchen, und that als ein in der That junger Mensch auch wieder jung."*)

Die wirkliche Ansicht des Dr. Cohausen über den Wert des Sunamitismus teile ich weiter unten mit. Nach den obigen Auszügen kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der gelehrte Leibarzt des Bischofs von Münster sich über den Glauben an die wohlthätigen Wirkungen der Ausdünstungen jugendlicher Individuen lustig gemacht hat, der auch nach Hermippus' Zeit ein weit verbreiteter geblieben war. Besonders soll die


Cohausen a. a. 0. S. 205—208.


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Erwärmung und Belebung alter Leute durch Knaben und Mädchen bei den jüdischen Aerzten sehr gebräuch- lich gewesen sein, die ja in der Bibel ein nahe liegendes Beispiel vor Augen hatten.

So soll, wie Baco von Verulam berichtet, der Kaiser Friedrich Barbarossa in seinem Alter an den Magen und die Hüften beständig Knaben angelegt haben^), und Martin Crusius erzählt in der „Schwä- bischen Chronik (3. Teil, 3. Buch, Cap. 10): „Als Kaiser Rudolph von Habsburg von einem Schwindfieber (wie Cuspinian schreibt) ergriffen wurde, liess er öfters derer Fürsten und anderer vornehmen Herren Gemahlinnen, Töchter und Kinder zu sich kommen, und küsste sie in jener Gegenwart. Als man ihn um die Ursache befragte, gab er nach seiner Art scherzhaft zur Antwort: Er finde kein besseres Mittel zur Stärkung seiner Gesundheit, als wenn er die süssen Seelen von Jungfrauen und die angenehmen Geister derer jungen Mägdlein an sich ziehe. Diese Herren, so ihn herzlich liebten, lachten darüber und brachten öfters ihre Gemahlinnen zu diesem ehrlichen Alten." ^)

Marsilius Ficinus(1433 — 1499), der italienische Arzt und Philosoph kommt in seinem Werke „De Sani- tate tuenda" im 18. Kapitel des zweiten Buches auch auf den Sunamitismus zu sprechen. Er erörtert weit- läufig, dass der Geruch und der „Halitus" die Lebens- geister erhalten und stärken. Er sagt: „Was wir für Luft schöpfen, was wir für Geruch einziehen, eben das wird der Spiritus in uns, denn die Luft giebt dem Spiritus die Beschaffenheit, die sie hat, denn wir haben


1) Cohausen a. a. 0. S. 191—192.

«) Jäger' s Monatsbl. 1890, Bd. IX S. 195—196.


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keinen reinen, sondern einen vermischten Spiritus. Ans^ (Mesem allen ziehe ich den Schloss, welchen er auch selbst gemacht und in L. II C. 15 geschickt ansgedrücket hat. Wenn schon die Ausdünstungen aus dem regno- vegetabili unserm Leben sehr zuträglich sind, wie sehr mtlssen die aerischen einem aerischen, die harmonischen einem harmonischen, die noch warmen und lebendigen einem lebenden, die mit Empfindung begabten einem empfindlichen, die vernünftigen einem vernünftigen Spiritus nützen." Hiermit hat Ficinus nach Cohausen aus- drücken wollen, dass, wenn aus den unbeseelten Aus- dünstungen der Pflanzen für die Betagten eine solche Erquickung zu erwarten ist, um wie viel heilsamer müsse dann nicht einem alten Körper das Aushauchen eines jungen Mädchens sein. Denn wenn dieses vollkommen gesund ist, so ist es allen Blumen und wohlriechenden Sachen bei weitem vorzuziehen. Denn „die Ausdünstungen der jungen Mägdchen schicken sich besser vor ihn, in- dem sie etwas von der Natur der lebendigen Kraft, welche denen unbeseelten riechenden Cörpem fehlt, bey sich haben, und daher eine lebhafte und starcke Be- wegung bey einem alten Manne wieder zuwege bringen." ') Von der warmen Atemluft sagt Ficinus an einer auderen Stelle, dass „diese Luft warm oder laulich, rege und gewissermassen lebendig und wie ein Tier aus Ge- lenken und Gliedern zusammengesetzt sei, so dass sie nicht allein eine eigene Bewegung und Trieb, sondern auch gleichsam eine Seele habe, dass man sie gewisser- massen ein Tier nennen könnte, welches aus Luft be- steht und mit Vernunft begabt sei." Dies zeigt er an einem Beispiel „Es gehet ein solcher Dunst, welcher

1) Cohausen a. a. 0. S. 170—171.


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in dem Hertzen des Phoedri erzeuget worden, sogleich nach dem Hertzen des Lysias zu, welches dieselbe wegen seiner Schlapphant dichter machet, und in sein Blut vertreibet, so dass des Phoedri Blut nunmehr in dem Hertzen des Lysias ist. Daher kommt es, dass ^e beyde sogleich anfangen zu schreyen. Der Lysias sagt zum f hoedro: Phoedre mein Hertz! mein liebstes Inneres! Phoedrus spricht zu der Lysias: 0! mein -Geist Lysias! Ol mein Blut! Phoedrus folgt dem Lysias, weil sein Hertze nach Liebe verlangat Lysias

gehet dem Phoedro nach, weil das Blut sein eigen

•Gefässe suchet, und sich nach seiner eigentlichen Woh nung sehnet."*)

Carus Sterne, der auch diese Stelle mitteilt, be- •zieht dies durchaus auf eine Vorwegnahme der Ja ger- ochen Ansichten.*)

Baco von Verulam (1561 — 1626) teilte diese An- 4schauungen des Platonikers Ficinus. Auch er erblickt in den körperlichen Ausdünstungen „Lebensgeister", welche von einem Menschen auf den anderen übergehen und schreibt in der „Silva silvarum": „Die Geister junger Personen können einem alten. Kör per, wenn sie in denselben kommen, entweder das Leben wiederbringen, oder ihn durch eine lange Zeit beständig gesund er- halten. — Es wurde beobachtet, dass Greise, welche sich häufig und bei ununterbrochener Unterhaltung den Versammlungen von Jünglingen zugesellten, langlebig wurden, da ihre Geister aus solcher Vereinigung gestärkt hervorgingen. So befanden sich die alten Rhetoren und Sophisten immer unter jugendlichen Zuhörern und Zu-


^) Cohausen a. a. 0. S. 179—180.

  • ) Carus Sterne a. a. 0. S. 31.


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hörern, wie Gorgias, Pythagoras, Isokrates u. A.^ welche das hundertste Lebensjahr erreichten und ebenso auch mehrere Grammatiker wie Orbilius u. A;"*)

Baco will die sunamitische Wirkung noch dadurch vergrössem, dass man das Mädchen nach Art der per-^ sischen Jungfrauen mit Myrrhen und anderen dergleichen: Dingen salbt, nicht sowohl, um dadurch die Annehm* lichkeiten zu vermehren, als vielmehr um „die Wärme- aus dem lebendigen Körper zu vergrössem."^

üeber praktische Erfahrungen auf dem Gebiete- des Sunamitismus berichten die Aerzte Capivaccio- (t 1589) und Forestus (1522—1597). Der Erster^ erhielt den in Marasmus verfallenen Erben eines vor- nehmen Hauses in Italien dadurch am Leben, dass er ihn zwischen zwei jungen und kräftigen Mädchen schlafen, liess. Forestus rettete einen schwer kranken Bologneser dadurch, dass er ihn Tag und Nacht bei einer 20jährigen: Amme ruhen liess.

Auch der holländische ArztBo erb aave (1668 —1738). erzählte seinen Schülern, dass er einen deutschen Prinzen auf dieselbe Weise habe gerettet werden sehen ^).

Co hausen erwähnt den über 150 Jahre alt ge- wordenen Thomas Parr, der von 1483 bis 1635 lebte- und mehrere junge Frauen heiratete. „Und in der That ist es merckwürdig, dass dergleichen alte Leute, die lange gelebt, gemeiniglich auch viele junge Weiber ge- habt haben, welches ich mit vielen Exempeln beweisen, könnte. Unter diesen finde ich ein sehr rares, welches sich in unserem Vaterlande zugetragen hat und keines-

^) Cohausen S. 216.

ibid. S. J91.

8) Cloquet a. a. 0. S. 116.


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wegs zu vergessen ist. Der Herr von Bevervörde, Herr in Mensink, hat in seinem 110. Jahre die andere Ge- mahlin genommen, und mit ihr zwey Töchter erzeuget^ nnd das 134. Jahr gesund erreichet. Dieses ist mir von seinem Uhrenckel immer für gewiss erzehlet worden.*'^)

Von Interesse ist die Stellungnahme Cohausen's^ selbst, der in seiner Schrift die wichtigsten früheren Thatsachen und Ansichten über den Sunamitismus ge- sammelt hat. Er ist, wohl nicht mit Unrecht, ein grosser Skeptiker.

Zunächst ist diese Art der Lebensverlängerung nicht für alle Menschen zu empfehlen. Schon der heilige Hieronymus wollte die Mädchen aus den Häusern, Stuben und Betten der Geistlichen ganz und gar vertreiben,, weil sie „nicht nach den fleischlichen Gesichtern der Mägdchen, sondern nach den himmlischen Dingen seufzen sollen."

Cohausen dehnt diese Einschränkung noch weiter aus. „Die Erwärmung von Mägdchen gehöret daher nicht für einen Edelmann, Soldaten, Hofmann, Advocaten,, Arzt oder Geistlichen, ja sie gehöret nicht für einen jungen starken Menschen, ja auch nicht einmahl für einen muntern alten. Der vernünftige Leser darf nicht denken, dass ich, indem ich die Eigen- schaften eines Mägdchens, welches einen Alten erhalten soll, mit einigem Schein beschrieben in der That ihren Beyschlaf billigte, und ihn als Mittel zur Erhaltung des Lebens anpreise.. Hieronymus hat dieses selbst an dem Könige David gemissbilliget, und es unter die Fabeln gezehlet. Wollen einige kindische Alten den Hauch der Mägdchen ein-^

Cohausen a. a. 0. 235—236.


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ziehen, und sich einbilden, dass auch sie dadurch länger bauchen werden, so mögen sie es thun."*) — Abw sie dürfen, wie Cohausen weiter ausführt, sich nicht ver bergen, dass gewisse Gefahren mit in den Kauf ge' nommen werden müssen. „Eine mannbare Jungfrau fcan einem muntern Alten nipHlt zur lächtlichen Stärckung dienen. Sie kan die erloschenen Flammen wieder an- fachen, welche aber die natürliche Wärme eines alten Mannes eher verzehren als stärken. Das vertrocknete und graue Alter ist nicht allezeit von den Reitzungen der Wollust frey. Es mag der 70. jährige Konig David in seinem Bette immer eine Jungfrau gehabt haben» welche, ob sie gleich sehr schön gewesen, dennoch keusch geblieben. Trauet auch einem solchen Alter nicht Es glimmen noch in dem Blute einige Funcken, welche leicht in ein gross Feuer ausbrechen können. Die Liebe alter Leute, obgleich nicht aller, ist nach dem Ovidius ein schändlich Ding. Denn auch sie werden oft von dem Cupido getroffen. Ihr aber, vortrefliche Jüng- linge heyrathet schöne junge Weiber, denn auch durch dieses ist es öfters geschehen, dass alte Ehemänner wieder glücklich sind belebet worden. Eine gute Frau verdoppelt nach dem Ausspruch der ewigen Wahrheit ihres Mannes Jahre. Warum soltet ihr nicht, wenn ihr eine solche Frau nehmet, hundert Jahr erreichen können?" *) Zum Schlüsse spricht der Autor seine wahre An- sicht über Hermippus und den Wert des Sunamitis- mus aus: „Wenn du das dunstige lange Leben des Hermippi für eine wahre Geschichte hältst, so irrest du, halt es vielmehr für eine sinnreiche Fabel, die sich auf

  • ) Cohausen a. a. 0. S. 251.
  • ) ibid. S. 254-255.


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natürliche Gründe steifEet, und welche der listige Ver- theidiger des Denckmahls erdacht hat, um die Anti- quarios zu betrügen. Es wäre eben so viel, wenn man von den kleinen Mägdchen ein langes Leben er- halten wolte, als wenn man bey einem Bettler einen Schatz suchte, der nicht einmal einen Heller hätte. Niemand erwarte von den unvollkommenen Zweigen der Mägdchen die späten Früchte eines hohen Alters. Selbst ihre Ausflüsse sind noch roh und unreif, und erwarten erst mit den Jahren ihre rechte und natürliche ReiJffie. Welcher Verständige wird solche Mägdchen, die kaum reden gelemet, beständig um sich haben, geschweige dass er sie auf seinem Schoosse und des Nachts in sein Bette nehmen solte, um ihre Ausdünstungen und Aushauchungen zu geniessen. Ist dieses nicht eine närrische und ver- gebliche Arbeit? Das ist ein elender alter Mann, der erst von den jungen Mägdchen muss gestärcket werden. Weit besser würde ihm ein an seiner Seite oder auf dem Unterleibe liegendes Möpsgen seyn, als eine junge Beyschläfferin, die noch selbst äusserliche Wärme von nöthen hat, und deren schwache Wärme ein kalter alter Mann eher verlöschen, als seine damit erhalten wird. Und was? wird sie die verlohrenen Kräfte des Cörpers wieder bringen: Die Runtzeln an der Stirne und die grauen Haare wegnehmen. Die zitternden Hände und strauchelnden Füsse stärken, und die blintzenden Augen eröfnen? Weg demnach mit dem Hauche der kleinen, und mit dem Beyschlafe der mannbahren Jungfrauen! weg mit der Erdichtung eines so dunstigen langen Lebens! Weg mit dem Hermippus, der vielleicht sein langes Leben nicht dem Anhauche der Mägdchen, nicht dem Aesculapio und der Hygiaea, den erdichteten

Hagen, sexaelle Gerüche. 14


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und eingebildeten Schatzgöttern, sondern vielmehr dem günstigen Schicksale und Glück zu dancken gehabt, welche gemeiniglich die verborgenen Ursachen der Be- gebenheiten, und ein offenbahrer Behuf der Unwissen- heit sind." ')

CohausT^n's Schrift hatte die Aufmerksamkeit wieder auf den Sunamitismus gelenkt, und so erklärt es sich, dass derselbe nicht nur im Volksglauben, sondern auch in der Litteratur des 18. und 19. Jahrhunderts sich er- hielt und sogar praktisch verwirklicht wurde.

Ob die türkischen Sultane deswegen so gern mitten unter den Frauen ihres Serails zu sitzen pflegen, um Tag und Nacht ihre Ausdünstung zu gemessen, wie Cohausen vermutet, lasse ich dahingestellt sein.

Das Frankreich des 18. Jahrhunderts, 'wie es die Goncourts, und Dühren in seinem „Marquis de Sade" geschildert haben, entneiTt durch Aus- schweifungen aller Art, scheint besonders zum Suna- mitismus als einem Verjüngungsmittel gegriffen zu haben.

Ein berühmter Nachahmer des Königs David war der durch sein lüderliches Leben berüchtigte Abbe und Schriftsteller Claude Henri Fus6e de Voisenon (1708 tbis 1775), der Liebhaber der Schauspielerinnen Favart und Mlle Quinault und der bekannten Madame du Chä-

telet. Li seinem Alter nahm er sich Fräulein Huchon äIs Sunamitin ins Haus, ohne sie weiter anzutasten. Der Bibliothekar Qu er Ion berichtet darüber in der Vor-


  • ) Cohausen a. a. 0. S. 254—256. — Wem aus diesen

WoTtei noch nicht der satirische Charakter der Schrift deutlich geworden ist, der betrachte das derselben beigegebene Titelbild, auf welchem der ehrwürdige Hermippus von artigen, singenden Kind- lein umgeben ist, deren eines er auf dem Schosse hält, während hinter ihm ein — Esel steht.


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Tede einer erotischen Schrift des Abb6 deVoisenon: -„Cette bagatelle fut trouv6e panni les papiers de feu li. l'abbö de Voisenon; on y reconnaitra aisöment son tstyle. n la composa, quelques temps avant de passer pour les amusements de mademoiselle Huchon, sa nou-

  • velle amie, laquelle il avait pris comme le saint roi

David dans sa vieillesse prit la jeune Abisag, pour le arechauflfer. C'etait une fiUe d'une grande beaut6; eile dormait toujours ä c6t6 de lui, et il la laissa iioujours viergel Ah!"^)

Das Verfahren dieses Lebemanns legt die Vermutung nahe, dass derartige Praktiken zu seiner Zeit üblich waren. Und in der That gab es in Paris im 18. Jahr- hundert, besonders im Palais-Royal Kupplerinnen, die sich zn diesem Zwecke zahlreiche Mädchen hielten, die in der ersten Blüte ihres Alters und von vollkommener 'Gesundheit sein mussten*).

Retif de la Bretonne bringt über das Treiben -dieser Sunamitinnen des Palais-Royal hochinteressante Mitteilungen in seinem berühmten Werke „Le Palais- Royal". Zwar hat er einen grossen Teil seiner Nach- richten in das Gewand von Erzählungen gekleidet. Aber ■€s unterliegt keinem Zweifel, dass seinen Schilderungen thatsächliche Verhältnisse zu Grunde liegen. Er sagt

selbst an einer Stelle im „Monsieur Nicolas"
„Dans ce

trait6 ex professo sur lesFilles du Palais-Royal, j'ai approfondi la matifere, j'ai d6voil6 une foule de choses que j'avais vues, et par moi-meme, et par


^) „Exercices de Devotion de M. Henri Roch avec Ifadame la Dachesse de Condor**, Par feu M. TAbbö de Voisenon, de joyeuse memoire de son vivant Membre de FAcad^mie ibran^aise! NouveUe Edition. A Vaucluse, 1786. Pr6face S. I.

•) E. Dühren a. a. 0. S. 163.

14


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mon ami le doctenr Gnilbert de PrövaP): les diffe- rentes mani^res de se divertir k Paris avec les femme» et de les faire senrir anx plaisirs des bommes.

Ueber die Snnamitinnen bandelt der zweite Band von E6tirs Scbrift „Le Palais Royal"«)

Die berfibmteste Sitnamitinnen-Handlerin war Madame „Janns^y wie B^tif sie nennt Sie bielt mebr als 40 junge Mädcben ans den Vorstädten nnd d^ Provinz zur Verfügung ihrer Kunden. Selten bediente sie sieb einiger im Centrum von Paris geborener Mädcben. Als ebe- malige Hausbälterin eines bernbmten Arztes verstand Madame Janus ibr Metier vortrefflicb. Ibre Elevinnen Wurden in einem abseits gelegenen Hause „jenseits des- Boulevard" für ibren Beruf ausgebildet Sie bekamen^ die gesundesten Speisen und mussten sieb durcb täg- liebe Bewegung kräftigen. Madame* Janus nabm von. den der „Wiederberstellung" bedürftigen Greisen einen Louisdor für die Naebt Jedes Mädcben erbielt 6 Francs,, sie selbst 12. Bei den ersten Malen war sie selbst zu- gegen und liess zunächst den Greis in ein aromatisches Bad steigen, worauf sie ibn massierte und abtrocknete, bis eine vollständige Frische und Eeinheit seines Körpers erreicht war. Darauf legte sie ibm einen festen Maul- korb (museliöre) an und legte ibn zu den beiden Sn- namitinnen ins Bett, so dass deren Haut genau die seinige berührte. „II s'entrelace dans les deux vierges- (car il faut qu'elles le soient)."

Ein Mädchen konnte nur acht Näcbte hinter einander


  • ) lieber den Arzt Guilbert de Pr6val vgl. die ausfuhr-

ichen Nachrichten bei Dtihren a. a. 0. S. 213—216.

•) „Le Palais Royal" Deuxi^me Partie. Les Sunamites«  A Paris 1790 (Neudruck) Seite 1—139.


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•den Dienst versehen. Die beiden ersten Sunamitinnen -mirden dann durch zwei andere ersetzt und konnten

ßich ' ausruhen, nahmen Bäder an den beiden ersten

T]'agen und vergnügten sich vierzehn Tage lang, bis die Reihe wieder an sie kam. Denn ein Greis hatte drei Taar Mädchen nötig.

Die grösste Aufmerksamkeit wurde der Erhaltung ^er Virginität der Sunamitinnen gewidmet. Denn ein Terlust derselben machte die Mädchen, besonders wäh- rend einer Gravidität, eher schädlich als nützlich für »die Greise. Wenn ein solcher ein Mädchen verführte, schadete er nach der Ähsicht der Kenner nicht nur sich «selbst, sondern ging auch noch einer am ersten Tage deponierten Summe verlustig.

Ein Mädchen versah den sunamitischen Dienst nur 4rei Jahre lang nach dem Eintritt der Pubertät. „Plus i^rd, eile dominerait le vieillard et repousserait ses »effluences, sans influer en lui, si eile etait neuve; ^t si c'etait une de ses anciennes Sunamites, eile lui Teinfluerait les humeurs peccantes, qu'il lui aurait in flu 6 es." Eine Sunamitin, die täglich in Anspruch genommen wurde, konnte überhaupt nur ein Jahr dienen.^)

Zur Steigerung der sunamitischen Wirkung war ein Mädchen stets eine Blondine, die andere eine Brünette.*)

Madame „ Janus" bediente sich zu ärztlichen Zwecken eines im Hause wohnenden Arztes, Namens „B[ermippus"(!)*)

Unter den Kunden der Madame Janus nennt R6tif einen alten Bankier, einen Purpurhändler, einen Herzog, «einen Marschall von Prankreich, einen „m^decin million-


  • ) R6tif de la Bretonne a. a. 0. S. 30—32.

•) ibid. S. 51. •) ibid. S. 101.


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naire'*, einen Börsianer und einen Eentier. Und wenn Madame Janus eher bekannt gewesen wäre, so würde sie ohne Zweifel Voltaire, Eousseau, Diderot^ d'Alembert, noch früher Montesquieu und Fonte- nelle konserviert haben. „Combien d'honnetes pöres de famille, d'hommes utiles k T^tat, eile aurait pu conduire ä une vieillesse exp6riment6e!*)

Interessant ist der Bericht der Sunamitin „Eose" über ihre in Gemeinschaft ihrer Grefährtin „Oeillette bei dem alten Bankier geleisteten Dienste. Sie erzähltr „A notre premiöre entröe chez lui, nous etions instruites- par maman Janus. Ainsi, nous ne fimes point de sottes^ difficultös. H se mit au lit au milieu de nous, s'entre- lagant de son mieux. Je vous assure que c'est une- grande peine surtout en 6t6! H faut toute Tamitiö que nous portons ä maman; et le besoin que nous avons de- nous faire un sort, pour nous obliger k supporter la fatique, Tinsalubritö, la singularitö . . .. les dögoüts de-

notre emploi! Un vieillard . . . qui tousse . . . crache

mouche . . . sue ... et fait mille autres choses . . . non moins d6sagr6ables I . . Ha! . . Enfln, nous le faisons,- et nous aspirons au moment de notre liberte, comme des. prisonniers k la Bastille, k voir le jour. Je vous assure- que nous ne ferons pas comme EosaJie etFanchette, et que Jamals nous ne gagnerons le döpötl^

Sonderbare Präliminarien pflegte der alte Herzog der sunamitischen Prozedur vorhergehen zu lassen, wie „Amande" erzählt. „Nous avons k restaurer un vieux du^ bien dögoütant. Avant nous, il se faisait appliquer sur le- Corps, des pi6ces de veau; mais cela ne vaut pas^

ibid. S. 37. 38.

  • ) ibid. S. 45—46.


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notre chair, dont la douce chaleur lui a dejä rendu la moitie de ses fofces. H redevient libertin, et nous avons beaucoup de peine ä nous en defendre! Mais maman lui a bien dit, Tun de ces jours, que s'il s'echappait, il perdrait de deux fagons, le d6p6t d'argent, et la vie qu'il aime si fort!"') Es wird also liier der menschliche durch eine Art von tierischem Sunamitismus unterstützt, auf welchen letzteren ich weiter unten zu sprechen komme. Auch das Jahrhundert der Naturwissenschaften hat den Glauben an die lebensverlängemden Wirkungen des Sunamitismus nicht überwunden. Von einem verstorbenen Geldfürsten erzählt man, dass er in seinem hohen Alter zwischen zwei Ammen schlief und sich auch von deren Milch nährte, was allerdings Beides dem Begriffe des strengen Sunamitismus widerspricht. Auch von einem sehr alt gewordenen regierenden Fürsten dieses Jahr- hunderts wird berichtet, dass er ein junges Mädchen zu diesem Zwecke hielt. Das Gleiche wird von dem unter so erschwerenden Umständen zn sehr hohem Alter ge- langten Feldmarschall R. erzählt, und Louise Weil be- richtet in ihrem Buche „Ans dem schwäbischen Pfarr- hans nach Amerika", dass sie ein altet Mann zu gleichem Zwecke engagieren wollte.*)

König David und die schöne Sunamitin Abi sag figurieren auch auf dem Titel eines im Jahre 1884 in London erschienenen sunamitischen Romans, des ein- zigen, den ich kenne. Der Titel desselben lautet: „Abishag; a Luscious Tale of a Successful Physio- logical Search after Rejuvenescence, Fully disclosing the Secret of the only natural and true Elixir capable of


») S. 53.

«) Jäger „Entd. d. Seele" I, 139.


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eflecting such a desirable necessity, By David 11. Jerusalem 1851/* (London 1884).

Das „Elixir der Wiederverjüngung", das im Titel angekündigt wird, bestellt in der Berührung mit einem jungen Mädchen. Der Verfasser, der von der Episode von David und der Abisag ausgeht, erzählt, dass er sechs Monate nach seiner Hochzeit, seiner Frau überdrüssig, mit seinem Dienstmädchen Jemima verkehrt und diese intimen Beziehungen zwei Jahre unterhält, bis das Mädchen heiratet. Mit zunehmendem Alter schwindet sein sexuelles Vermögen immer mehr, bis er Jemima's Nachfolgerin, eine junge Waise von 18 Jahren, die vorher nicht im Dienst gewesen ist, verführt und dadurch wieder in die Lage kommt, sowohl Herrin als auch Dienerin zu befriedigen. Seine Frau beglück- wünscht ihn wegen dieser Rückkehr seiner alten Kraft und fragt nach der Ursache, worauf er ihr das Geheim- nis enthüllt. Seine Frau ist sehr überrascht, dass von solchen Mädchen eine solche Wirkung ausgehen könne. Da sie aber ein gefügiges Weib ist, beschliesst sie das Geheimnis zu bewahren und aus der Entdeckung ihren Nutzen zu ziehen. Als Polly fortgeht, um einen jungen Schlächter zu heiraten, engagiert sie ein anderes ge- lehriges junges Mädchen, und wechselt von da ab alle drei Monate ihre Dienstmädchen, „as fresh girls are most effective."

Die Idee, dass die eigne Frau, um ihren Gatten zu stärken, andere Mädchen zu sunamitischen Diensten heranzieht und dann selbst aus diesen Nutzen zieht für die Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse, ist jeden- falls ganz neu. Der Verfasser erklärt, sein Buch sei


~ 217 —

ToUkommen wahrheitsgetreu und das glückliche Ergebnis seiner sorgfältigen Experimente.

Auch die darstellende Kunst hat sich den Sunamitismus nicht entgehen lassen. Im Jahre 1889 befand sich auf der Kunstausstellung in München von der Hand des Malers Douba aus Prag die biblische Erzählung von David und Abisag dargestellt.

Die schon von Baco ausgesprochene Ansicht, dass Lehrer deswegen so oft alt werden, weil sie beständig im Kontakte mit der Jugend sind, ist nach Jäger heute noch im Volke weit verbreitet, wobei dieser an- nimmt, dass Mädchenschullehrer länger leben als Knaben- schullehrer, weil die Einatmung des Mädchenduftes ge- sünder sei als die von Knabenduft. *)

Es giebt auch einen tierischen Sunamitismus. Dahin gehört der alte Glaube, dass Schwindsüchtige in der Atmosphäre der Kuhställe wieder zu Kräften kommen und schliesslich geheilt werden. — Baco von Verulam berichtet, dass Aerzte zu seiner Zeit an den Leib alter Leute junge Hunde, welche unter allen Tieren die hitzigsten sein sollen, die Nacht hindurch angelegt hätten, um dadurch einen günstigen Einfluss auf die Greise auszuüben.*) — Cloquet bemerkt: „On regarde assez gen6ralement encore comme salutaires les 6ma- nations odorantes qui s'6chappent du corps des animaux jeunes et vigoureux. On a souvent employe avec succes comme remfede, Tair des etables qui renferment des vaches ou des chevaux tenus proprement: c'est surtout pour les vieillards languissants ou pour les malades 6puis6s par les plaisirs de l'amour, qu'il est avantisigeux


») Jäger a. a. 0. I, 139. •) Cohausen a. a. 0. S. 192.


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de vivre dans une atmosphfere remplie de ces emanations restaurantes." *)

Der therapeutische bezw. makrobiotische Wert dea Sunamitismus ist natürlich ein vollkommen problematischer. Die moderne Wissenschaft hat noch keine Thatsache ent- deckt, welche dafür spräche, dass die Ausdünstung^ jugendlicher Personen alten, abgelebten Individuen das Leben verjünge und verlängere. Wenn man bedenkt^ dass die Sunamitin die guten Eigenschaften der Jugend^ Gesundheit und Schönheit haben muss, so ist es- natürlich denkbar, dass diese Vereinigung einen günstigen, meinetwegen auch einen belebenden Einfluss auf altersschwache Personen ausübt, wie überhaupt alle» Frische und Gesunde auf jjeden Menschen belebend und anregend wirkt. Im besten Falle ist der Sunamitis- mus eine Art von Suggestionstherapie, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Ausdünstung jugend- lieber Personen als solc^he eine positive Wirkung ausübt.

Eine gesunde Lehre steckt in dem Glauben an die Heilkraft des Sunamitismus. Das ist die Mahnung, mög- lichst keusch zu sein und des Verkehrs mit einem reinen, unschuldigen Mädchen auch reinen Sinnes sich zu erfreuen. Das ist eine schöne und goldene Mahnung, die keineswegs die [Kräfte des normalen Menschen übersteigt. |In diesem Sinne deutet Cohausen die Worte des Hermippus: Jam posteri sie vitam dueite, indem er sagt: „Er hätte auch nicht unrecht geredet^ wenn er seine Aufschrift nur an die Liebhaber der Venus und an die Söhne des Cupido gerichtet hätte, welche- das Anhauchen ihrer Nymphen für ihr Leben halten^

^) Cloquet a. a. 0. S. 115.


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und nicht glauben, dass sie ohne dasselbe leben können. Sie verehren auch, mit Erlaubnis der Gratien, die Necktarischen ructus der Mädchen. Ja, wenn es die Lust befiehlet, die Aufsteigungen aus dem Magen, und das Schlucksen ebenso, als wenn sie aus den ausge- trockneten Lippen die beste Jugendluft schöpften."*)

Gegenüber diesem pathologischen Geruchsfetischi»- mus erscheint der Sunamitismus mit seinem Glauben an das Heil der Keuschheit wirklich in einem idealeren Lichte.


^) Cohausen a. a. 0. S. 161.


V.

Die künstlichen Duftstoffe (Parfiime) und ihre Bedeutung für die sexuelle

Osphresiologie.

Ein reiches und interessantes Kapitel der sexuellen Osphresiologie bildet die Lehre von den künstlichen Duftstoffen oder Parfümen, welche uns vielleicht am meisten die Bedeutung der Kiechstoffe für das Sexual- leben der Menschheit erkennen lässt und diese Be- ziehungen zwischen Geruchssinn und Greschlechtstrieb gerade in uralter Zeit als besonders hervortretende nach- weist.

Denn nach Paschkis gehören die Wohlgerüche zu den ältesten Schönheitsmitteln. Fast alle heute noch gebräuchlichen waren bereits im grauen Altertum bekannt*), und es ist nur die Form der Anwendung, in welcher die Neuzeit Fortschritte gemacht hat. — Eine kurze Uebersicht über die wichtigsten künstlichen Duft- stoffe soll hier nach der Klassifikation von Paschkis*) gegeben werden, bevor ich die sexuelle Bedeutung der Parfüme näher ins Auge fasse.

^) Vgl. die klassische Abhandlung von K. F. Heusinger „Meletemata quaedam de antiquitatibus castorei et moschi^. Mar- tuTg 1852.

«) H. Paschkis „Kosmetik für Aerzte". 2. Aufl. Wien 1893. ß. 173—175.


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Das Tierreich liefert die folgenden drei Haupt- parffime: 1. Ambra grisea, eine hellgrau bräunliche oder aschgraue, zähe, in der Wärme zu einem Oele schmelzende Masse von eigentümlichem, nicht gerade angenehmem Geruch, der aber bei starker Verdünnung- angenehmer wird. Die Herkunft ist ziemlich dunkel. Die Ambra stammt vom Pottasche (Physeter macro- cephalus), nach Einigen aus dem Darm desselben, nach Anderen aus der Rachenhöhle oder der Harnblase.-

2. Moschus, Kömer von schwarzbrauner Farbe und eigentümlichem, durchdringendem, sehr lange duf- tendem Gerüche. Der Moschus oder Bisam ist das- Sekret der Drüsen eines in der Nähe der Geschlechts- teile, etwa 15 cm vom Nabel entfernt liegenden Be^ hälters des männlichen Moschustieres (Moschus moschi- ferus L.). Dieser Moschusbeutel besteht aus verschie- denen Häuten, ist nach aussen mit der von Haaren bedeckten Bauchhaut überzogen und hat zwei Oeffnungen^ Die Drüsen liegen zwischen den einzelnen Häuten. Die beste Sorte ist der tonkinesische Moschus, weniger wert- voll der russische oder Kabardinermoschus, der Nepal- und Assammoschus.

3. Zibethum, eine gelbbräunliche, salbenartige,, unangenehm scharf riechende Absonderung der Z^beth- katze (Viverra civetta) aus einer zwischen After und Geschlechtsteilen befindlichen Tasche. Besonders in Betracht kommt die afrikanische Zibeth.

4. Castoreum, Bibergeil, eine käseartige, durch-^ dringend riechende Substanz, welche in zwei dem After naheliegenden Beuteln beim Biber (Castor L.) ent-^ halten ist. Das sibirische Castoreum ist geschätzter als das canadische.


— 222 —

Die Riechstoffe dieser Droguen lösen sich in Alkohol, werden aber wegen ihres durchdringenden Geruches nicht als selbständige Parfüms benutzt, sondern anderen zu- gesetzt. Sie dienen vor allem als Fixirungsmittel, indem «ie sehr feinen, lieblichen, aber flüchtigen Gerüchen

grössere Haltbarkeit verleihen.

Das Pflanzenreich enthält sehr zahlreiche Riech- stoffe. Paschkis führt an: die L a b i a t e n (Lavandula, Origanum, Melissa, Mentha viridis u. piperita, Ros- marinus offic, Salvia offic, Thymus (serpyllum, Pogoste- mon Patchouly); die ümbelliferen (Anethum gra- veolens, Pimpinella anisum, Foeniculum vulg., Opoponax <5hironium); die Leguminosen (Myroxylon pemiferum und tolniferum, Acacia famesiana, Dipterix odorata, Santalum album); die Irideen (Iris florentina); die Orchideen (Vanilla planifolia); die Liliaceen (Poly- anthes tuberosa) ;dieConiferen (Juniperus virginiana) ; die Laurineen (Cinnamomum Camphora, Laurus, Cassia, die verschiedenen Zimmtrinden) ; die Gramineen (Andro- pogon Schoenanthus, muricatus, nardus) ;dieLonicereen Sambucus nigra) ;dieMagnoliaceen (Ulicium anisatum); die Rosaceen (Rosa centifolia und Damascena); die Geraniaceen (Pelargonium odoratissimum) ; die Con- volvulaceen (Convolvulus Scoparius [Rosenholz]); die Resedaceen (Reseda odorata); die Violaceen (Viola odorata); die Styra|ceen (Styrax offic); die Myrta- ceen (Myrtus communis und Caryophyllus aromaticus); dieAurantiaceen (Citrus Bergamia, medica, aurantium) ; Aroideen (Acorus Calamus); Amaryllideen (Nar- cissus odor.); Borrigineen (Heliotropium peruvianum) Jasmineen (Jasminum odorat); Apocyneen (Plu- meria alba).


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Es sind die Blüten (Acacie, Heliotrop, Veilchen, Jasmin, Hollunder, Flieder, Rose) oder der Stengel (Minzen, Salbei, Patchouli, Ruchgras) oder Früihte tmd Samen (Umbelliferen, Stemanis, Vanille, Tonka- bohne) oder die Rinde (Cascarille, Zimmt, Santal) und Wurzel (Iris, Acorus), welche die wohlriechenden Stoffe enthalten, die aber bei einigen Pflanzen in allen Teilen verbreitet sind.

Alle diese Duftstoffe, auf verschiedenem Wege ge- nommen, spielen in der sexuellen Osphresiologie eine Rolle. Von jeher sind es aber zwei Parfüms gewesen, die als besondere sexuelle Stimulantien gegolten haben, die Ambra und der Moschus. Wenn Paschkis meint, dass die heutige Beliebtheit der mit diesen Duft- Stoffen geschwängerten Riechwässer, wie der „Eau de €ologne russe", des „Parfüm Peau d*Espagne" u. a. der zunehmenden Verrohung oder den modern zerrütteten Nerven, welche immer stärkere Reize verlangen, zuge- tschrieben werden müsse'), so ist das ein Irrtum, da Moschus und Ambra auch in früheren Zeiten trotz oder Tielmehr wegen ihres scharfen Geruches die beliebtesten Toilettenmittel waren.

Geht man an die Untersuchung nach dem Ur- sprünge des Gebrauches der sexuellen Parfüme, so Mnn der religiöse Faktor nicht übersehen werden. Das mystische Element, welches in der Geruchs- €mpfindnng steckt, musste dieselbe in gleicher Weise •für den religiösen Kult wie für den Dienst der Venus .als bedeutsam erscheinen lassen. Auch auf diesem Ge- riete offenbart sich jener eigentümliche Zusammenhang 2zwischen Religion und Wollust, der schon von so vielen

  • ) Paschkis a. a. 0. S. 178.


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Forschern betont worden ist. Bei den religiösen Feier» und Kulten lernten die Menschen vielleicht zuerst die- Mystik und Wollust der Gerüche kennen, und es zeugte- von tiefer Menschenkenntnis, dass die Priester mittelst der Wohlgerüche die Menschen an sich zu fesseln suchten- Mit Eecht bemerkt Fleury, ^ass von allen Genüssen,, die den Menschen bezaubern und zur Eeligion hinziehen^ derjenige des Geruches die wirksamste und eindrucks- vollste ist, besonders für die Frauen*). Und es ist sehr bezeichnend, dass der heilige Augustinus in: jenem Abschnitt seiner „Confessiones", wo er von den durch die Sinne uns zuteil werdenden Genüssen handelt, alle verwirft ausser denjenigen der Wohlgerüche. Er sagt: „Ueber die Versuchung der Wohlgerüche ängstige ich mich nicht zu sehr. Sind sie nicht da, so verachte ich sie nicht, stets bereit, sie auch zu entbehren."^

^) „La splendeur des robes de lin ou de pourpre, l'^tiiicelle- ment des ors et des riches m^taux dont le temple 6tait revetu, la. fr6nesie meme de la musique sacr6e, eurent sans doute moins de prise sur les cr^dules que Tocculte, in6vitable et grisante Penetration des parfums: venus sur l'air, mais non invisibles comme l'air, ils entraient partout avec lui; bleuätres et fugaces, troublants ä regarder^ ils s'attachaient aux plis des vetements, ils impr6gnaient les d^tours les plus lointains du corps et se glissaient par des chemins cach^s. jusqu'au centre meme de la vie nerveuse pour la faire d^faiUir en extase absolue. Alors le reve sensuel et divin ä la fois, un reve demi-tiansparent , demi-obscur commengait: ä travers ses ondes veloutees, ses spirales etranges, quelque chose semblait remuer, appaiaitre et se d^rober tour ä toiir: quelque cbose: l'esprit, le dieu. Les naifs (et combien etaient-ils) croyaient ais6ment l'avoir Yu et leur äme etait conquise pour jamais. Les femmes ne pou- vaient resister ä cet amant nouveau, 16ger, imprenable, obsedant: le parfum. C'est lui qui les entrainait en foule delirante aux mysteres d'Eleusis, cbez la bonne deesse. Et cbez nous aujourd'bui qui peut dire si l'encens n'a pas par sa douceur apre et insidieuse, inclin6 bien des ämes jeunes et inconsciemment sensuelles vers l'exclusive et mystique adoration des cloitres?" R. Fleury a. a. 0. S. 39—40.

2) „Die Bekenntnisse des heiligen Augustinus" übers, von. Otto F. Lachmann Leipzig 1888 Buch X Kap. 32 S. 264.


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Baudelaire hat in einem seiner Gedichte diese innige Beziehung zwischen dem religiösen Gebrauch der Par- füme und dem menschlichen Sexualleben deutlich zum Ausdruck gebracht^):

Le Parfüm.

Lecteur, as-tu quelquefois respirö Avec ivresse et lente gounnandise Ce grain d'encens qui remplit une ^glise, Ou d*un Sachet le musc inv^t6r^?

Charme profond, magique, dont nous grise Dans le präsent le pass6 restaurö! Ainsi Tamant sur un corps ador6 Du Souvenir cueiUe la fleur exquise.

De ses cheveux 61astiques et lourds, Vivant Sachet, encensoir de Talcöve, Une senteur montait, sauvage et fauve^

Et des habits, mousseline ou velours, Tout impr6gn6s de sa jeunesse pure, Se d6gageait un parfum de fourrure.

Diese Wirkung auf die Sinnlichkeit, welche schon die Religionen des alten Orients und des klassischen Altertums durch die Anwendung von Parfümen erstrebten, wird auch in der Neuzeit erreicht, wenn der Duft des Weihrauchs und der Myrrhe die Gläubigen in eine ver- zückte und mystische Stimmung versetzt.

Neben dem religiösen Ursprung des Gebrauches der künstlichen Duftstoffe kommt ein zweiter Paktor in Betracht: die Beziehungen dieser Parfüme zu dem natürlichen „Odor di femina". Denn es war ohne Zweifel zuerst das Weib, welches sich der künstlichen

^) „Les Fleurs du Mal** No. 39.

Hage ' sexuelle Gerüche. 15


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Duftstoffe als sexuelles Eeizmittel und zu kos- metischen Zwecken bediente.

Es ist vielleicht möglich, den Gebrauch einiger Parfüme direkt aus den natürlichen Grerüchen des Weibes abzuleiten. Einen solchen Zusammenhang scheint auch Tardif anzuerkennen*). Da es sicher ist, dass in primi- tiveren Zeiten die sexuellen Gerüche eine viel wichtigere Eolle spielten als heutzutage, so wurden offenbar bei der „geschlechtlichen Zuchtwahl" jene Weiber von den Männern bevorzugt, die sich durch einen besonders stark ausgeprägten „Odor di femina" auszeichneten. Ebenso wenig zweifelhaft ist es, dass es Frauen gab, die jene spezifische Ausdünstung aus irgend welchen Gründen in geringerem Masse besassen und daher darauf ausgehen mussten, diesen Mangel durch ähnliche künst- liche Duftstoffe zu ersetzen. Wir haben früher gesehen, dass alle stark ausgesprochenen sexuellen Gerüche, als der Capryl-Gruppe angehörend, von unangenehmer und scharfer Natur sind. So erklärt es sich, dass die Frauen als Surrogate ebenfalls am frühesten sehr scharfe Riechstoffe wie Moschus, Castoreum, Zibethum und Ambra verwendeten, welche denn auch zu den ältesten nachweisbaren Parfümen gehören. Dass die Natur in reicher Fülle sowohl tierische als vegetabilische Riechstoffe darbietet, welche den Sexualdüften ähnlich sind, haben wir ja früher gesehen. Professor Jäger lässt sich z. B. von seinem Correspondenten Dr. M. be- richten: „Schon unter uns etwas erwachsenen Jungens


  • ) „11 y a une corr61ation 6troite entre les parfums et les

odeurs, et par li, selon nous, entre eux et le sens g^n^sique. Leur influence sur ce sens n'est qu'une d6riyation de celle des odeurs, modifi^e par la • civilisation et le bien-^tre mat6riel qu'elle procure." Taidif a. a. 0. S. 82.


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gab man sich gegenseitig eine grüne Pflanze zum Be- riechen herum — deren botanischen Namen ich nie er- fuhr — , die aber veritabel wie eine Vulva roch, was uns sehr reizte."^) Diese Pflanze ist, wie ich oben (S. 16) angeführt habe, der stinkende Gänsefuss (Cheno- podium vulvaria). Es ist durchaus wahrscheinlich, dass von derartigen Analogien ein Teil der heutigen künst- lichen Duftstoffe seinen Ursprung ableitet. Es wäre auch sonst kaum zu erklären, wie gerade im Anfang die unangenehmen und scharf riechenden Substanzen von den Frauen bevorzugt werden konnten. Ich glaube mit dieser Theorie den ersten Gebrauch der Parfüme rich- tiger zu erklären als mit jener heute allgemein ver- breiteten Annahme, dass die Parfüme lediglich als Ver- .schön,erungsmittel, d. h. zur Verdeckung der eigenen üblen Gerüche der Frau dienten. Ich glaube, dass dieser Punkt, den Zwaardemaker^), Jäger^), Moll*), Havelock Ellis^) u. A. sehr in den Vordergrund stellen, erst in zweiter Linie in Betracht kommt und erst für die Neuzeit, in der man überhaupt eine Aversion gegen alle sich irgendwie auffällig bemerkbar machenden ^körperlichen Ausdünstungen hat, Bedeutung erlangt hat Es ist anzunehmen, dass auch heute noch die Parfüme als künstliche Keizmittel dienen, und wenn man sich darüber wundert, dass so viele unangenehme und abstossende Eiechstoffe in diesem Sinne verwendet


^) „Ein bisher ungedrucktes Kapitel über Homosexualität aus der „Entdeckung der Seele" von Gustav Jaeger im „Jahrb. f. sex. Zwischenst." II. Lpz. 1900 S. 100.

•) Zwaardemaker a. a. 0. S. 264.

») Jäger „Entd. d. Seele" I, 31.

  • ) Moll „Libido ^exualis" I, S. 378.

») Havelock Ellis „Mann und Weib" Leipzig 1894 S. 133.

15*


- 228 —

werden, so möge noch daran erinnert werden, dass hier die uralte Tradition und die Erblichkeit der Mode eben- falls zur Erklärung mit herangezogen werden müssen.

Jedenfalls waren es stets die Frauen, welche darauf bedacht waren, den Vorrat an künstlichen Duft- stoflen zu vermehren, wie schon der alte Servius richtig bemerkt hat*), und man hat sogar aus der Vorliebe einer Frau für ein bestimmtes Parfüm auf den Charakter der- selben geschlossen. Nach Zimmermann schlössen schon die Griechen „von wenigem auf alles", von einem Gerüche oder einem Kleide auf den Mann."*) Der Amerikaner Harry Thurston Peck that den Ausspruch: „Sage mir was Du gern riechst, und ich will Dir sagen, wer Du bist," und teilte dann die Parfümliebhaberinnen in folgende Gruppen ein : 1) Weisse Kose, Celtis, Chypro, Peau d*Espagne, Patchuli — sie haben alle denselben schweren, süssen, fast betäubenden Duft. Angenehm sind sie liebenden Menschen nicht; sie neigen zur Sentimentalität, Schwatzhaftigkeit, Sinnlichkeit, körper- lichen und geistigen Trägheit, sind verschwenderisch und haben Tendenz zum — Dickwerden. — 2) Moschus- liebhaber. Es sind „brutale und indifferenzierte" Personen. — 3) Veilchenparfum — Bildung, guter Geschmack, Liebe zum Schönen. — 4) Eau de Cologne — höchste Keinheit des Charakters, feinster Geschmack, umfang- reiche Bildung, scharfer Verstand. — 6) Corylopsis und


^) ,^eminae praesertim contentae non fuerunt ungaentis ad Buinmam suavitatem conditis; sed etiam in dies ab eis nova excogitata fuerunt, ut inexplebilem cupiditatem boni odoris insatiabilitate ex- plerent." Petri Seryii Spoletini Dissertatio Philologica De do- li bus etc. Bomae 1641 S. 144.

^) J. G. Zimmermann „Von der Erfahrung in der Arznei- kunst. Zttrich 1787 S. 601.


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Ayapana — Ausnahmenaturen, kapriciös und ein wenig pervers. Sie lieben das Seltsame, das Rokoko. Das Böse in ihnen tritt nicht immer ans Tageslicht^). — Aehnliche Beobachtungen hat Ren6 Fleury gemacht „Une f emme de gout se trahit par son parfum. Silencieuse et r6serv6e, quelques gouttes d'huile antique ä Textrait de violette lui suffiront; fi6re, un peu cravachante, eile aimera le tzinniah hautain; blonde et caressante, et languissante et troubl6e, eile s'annoncera teile par Fhöliotrope blanc; müre, encore sensuelle, un peu massive, eile aura de rinclination pour le patchouli, ardemment; äprement voluptueuse, ses favoris seront le stephanotis, le chypre, Topulent opoponax; simple, franche, le foin coup6 impr6- gnera son mouchoir. Comme toute soci6t6 feminine s'adonne ä une certaine famille de parfums qui disent fid^lement ses moeurs et son esprit, dans chaque soci6t6 chaque mondaine se laisselire par son parfum Et cette lecture n'est pas trompeuse, car si defiante et si rus6e qu'elle soit partout ailleurs, la femme est sinc^re devant ce qui lui plait et court d'instinct ä Podeur la mieux seyante."^)


Die Heimat der Parfümierkunst ist Aegypten, welches im Altertum die künstlichen Duftstoffe sowohl nach dem Orient als auch nach Hellas in grösstem Massstabe vertrieb. Die Aegypterinnen hatten bereits die Kunst der Parfümierung der einzelnen Körperteile aufs höchste ausgebildet und besassen Parfüme für das Haar, den Mund und die Geschlechtsteile. Hauptsächlich wurde die weisse Blüte des Hennastrauches von ihnen


  • ) „Wiener Reichspost" vom 16. Okt. 1898.
  • ) R. Fleury a. a. 0. S. 43.


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verwendet, die bekanntlich auch von den Juden als Hauptparfüm benutzt wurde. Ebers macht in den An- merkungen seiner aegyptischen Eomane interessante Mitteilungen über die aegyptischen Parfüme.

Die Juden hatten in Aegypten den Gebrauch der künstlichen Duftstoffe kennen gelernt und verwendeten als solche ausser Henna die Myrrhen, Cinnamomum, Cassia und Calamus. Wie Fleury sich ausdrückt, werden die grossen Verführungsscenen in der Bibel alle unter der Begleitung von Parfümen gespielt; Euth kam parfümiert zu Boas; Judith war für Holofernes ein berauschendes Bouquet und Esther berauschte den Geruchssinn des Ahasver. — Letztere brauchte ein ganzes Jahr, um für den Geruchsfetischisten Ahasver präpariert zu werden. Sechs Monate wurde sie mit Balsam und Myrrhen parfümiert und sechs Monate mit guter Spezerei geschmückt.

Von den Aegyptern kam der Gebrauch der erotischen Parfüme nach Griechenland und von Griechenland nach Eom. Bei den älteren Griechen waren besonders die wohlriechenden Salben und Oele beliebt, welche fester und flüssiger Art waren. Die wohlriechenden Oele dienten wie die heutigen parfümierten Essenzen als Sprengflüssigkeiten. Es wurde mit ihnen ein unerhörter Luxus getrieben, so dass z. B. die Consuln Licinius Crassus und Julius Caesar den Verkauf ausländischer Wohlgerüche verbieten mussten. Veilchen aus Athen, Eosen aus Kyrene, Narden aus Assyrien, Hennabliiten aus Aegypten dienten als duftgebende Mittel, die nicht blos für sich allein, sondern auch in Mischungen ver- wendet wurden. Je nach der Provenienz oder der Firma waren die Duftflüssigkeiten besonders geschätzt. Solche


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berühmte Parfümeure waren Cosmus,Nicero, Aurelian. Salben von sehr zarten Gerüchen wurden mittels En- flenrage, Oele durch Maceration zubereitet. Letztes wurden im Wasserbade erwärmt und mehrere Male hintereinander mit frischen Blüten beschickt. Die Alten wussten schon, dass sehr zarte Gerüche, um haltbarer zu werden, eine Unterstützung durch einen kräftigeren Duftkörper verlangen. So erhielt Lilienöl als Körper Calamus und Myrrhe, Kosenöl Andropogon Schönanthus. Zwar kannte man nicht den Alkohol als solchen: aber man versetzte Wein mit Aromen, der dann zu Parfümerie- zwecken verwendet wurde, worüber Dioscorides in seiner Materia medica zahlreiche Angaben machte)

Die Parfüme waren, wie Dufour sich ausdrückt, im Altertume die Begleiterinnen der „einen und der anderen Venus". Die Alten kannten keine Liebe ohne Duftstoffe. Diese Vorliebe war aus dem Orient nach Hellas und Rom verpflanzt worden, und Eom war bald so „parfümiert wie Sybaris und Babylon." Je mehr man aber die Parfüme schätzte und begehrte, um so mehr verachtete man die Parfümeure und Parfümeusen, die meist Courtisanen, Kupplerinnen, Cinaeden und Bordell- wirte waren. Anständige Leute, die ihre Dienste nötig hatten, traten in ihre Läden nur mit verhülltem Antlitze ein. Cicero und Horaz sprechen von ihnen mit der tiefsten Verachtung. Die Bezeichnung „unguentaria" war gleichbedeutend mit Hure und Kupplerin^). Die Läden derselben galten als Stätten der schlimmsten Unzucht, so dass reiche Leute sich in ihren eigenen


') Paschkis a. a. 0. S. 9-10.

') Vgl. die Prostituierten-Terminologie bei M i r a b ea u „Erotika Biblion«'. Amsterdam 1890 S. 154.


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Häusern Parfttmeure hielten.^) Dufour schildert mit beredten Worten die gewaltige Bedeutung der kfinstlichen Diiftstoffe in der römischen Eaiserzeit, welche ohne Zweifel die parfttmwfitigste Periode in der Geschichte der Menschheit gewesen ist,*) und weist auf die nicht minder gewaltige sexuelle Bedeutung dieser zahllosai Duftreize hin. Besonders bei den Praeludien der „pa- laestra venerea" spielten die Parfüme eine grosse Eolle. Die beiden Liebenden Hessen sich den ganzen Körper mit wohlriechenden Salben und Oelen einreiben, nach- dem sie sich mit parfümierten Wässern gewaschen hatten; der Weihrauch stieg im Liebesgemach empor wie bei einem Opfer; das Bett war von Blumenguirlanden um- geben und mit Eosen bestreut Es wurde wie die übrigen Möbel mit Narden und Cinnamomum besprengt Der Liebesakt wurde durch häufige Waschungen mit parfümierten Essenzen unterbrochen. — DieComposition und Art der Anwendung von Parfümen bildete einen


  • ) P. Dufour „Histoire de la Prostitution. Brüssel 1861.

Bd. n S. 142.

') „n 7 avait sans doute des parfums caract^ristiques qui annon^aient de loin la condition de la personne, son rang, ses moeuTS et sa sant^: teile odeur forte et p6n6trante r6y61ait la n^cessit^ de cacher quelque mauyaise odeur naturelle; teile odeur Buave et douce convenait aux matrones d6gantes, aux hommes de bon goüt et de vie d^cente; teile odtur 6nivrante d^nonijait la courtisane ou tout moins la femme coquette et Mgere; teile odeur 6neryante et aga^ante accusait le passage d'un giton ; ici un parfum, lä un autre, et de toutes parts, dans les rues, ä la promenade, dans les maisons, un m^lange indefinissable d'odeurs aromatiques qui absorbaient Tair. En effet, chaque homme, chaque femme, chaque enfant se parfumait au sortir du lit, apres le bain, avant le repas, et en se couchant; on se frottait tout le corps avec des huiles parfum6es, on en versait aussi sur la chevelure, on impr^gnait d'essences les habits, on brülait nuit et jour des aromates, on en mangeait dans tous les mets, on en buvait dans toutes les boissons.^' Dufour a. a. 0. Bd. II S. 142—143.


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der wichtigsten Teile der „Ars amandi", in welchem be- sonders die Prostituierten es zu einem grossen Eaffinement gebracht hatten.

Im Mittelalter waren es besonders die Kreuzzüge und die arabischen Aerzte, welche einer neuerlichen Verbreitung und Anwendung der Parfüme im christlichen Abendlande' den grössten Vorschub leisteten. Die Damen der ritterlichen Gesellschaft verstanden nicht zum wenigsten die Kunst der Parfümierung zu erotischen Zwecken^). Durch das Schlafgemach zog sinnberauschend der Duft des Weihrauches. In den Kaminen brannte wohlriechendes Holz. Auf den Teppichen am Boden standen (wie es im „Parcival" heisst):

— in Muscheln, Büchsen, Töpfchen Und serpentinenen Näpfchen Die kostbarsten Aromata. Es streuten Ambra und Theriak Ihre Düfte; auf dem Boden lag Cardemom, Zenffel und Muskat, Dass man mit Füssen darauf trat, Wodurch ihr Wohlgeruch sich mehrt.

Keitie Festesfeier, keine Hochzeit im Frankreich des Mittelalters, ohne dass man mit Eosen das Haupt bekränzte. Der Verfasser des Eomans „Perce-Foresf' trägt Sorge, bei der Beschreibung eines Festes zu be-


^) „Les romantiques chätelaines, Celles qu'on revoit avec de hauts hennins,' des robes longues et plates, des visages tristes et des mains effil^es, celles qui regardent leurs ä pieds le beau page et le grand 16vrier, prirent l'habitude de se „perfumer** pour effacer ehez les rüdes crois6s, qui n'ayaient pas soupconn6 pareille ivresse, le regret des houris musulmanes. Et depuis il n'y eut vraie co- quette, vraie mignonne, vraie gente dame qui ne füt doublement fleur, fleur douce ä voir, fleur musqu^e, fleur ambr^e, ä respirer suave." R. Fleury a. a. 0. S. 41.


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merken, dass „avoist chascon et chascune an chapean de roses snr son chief."

Die Renaissance, die „Wiedei^ebnrt" des Alter- tums, liess auch die sexneUen Parfome zn äbnlicher Bedeutung wieder gelangen, wie sie dieselben bei Griechen und Römern gehabt hatten. Nach Tardif macht die Renaissance ^.Epoche in der Geschichte der Parfttmerie." Aehnlich drückt sich Piesse aus, und Jakob Burkhardt bestätigt es ebenfalls.

Von Italien ging eine neue, unendlich raffinierte Kunst des sich Parfümierens aus, und eine grosse Zahl von Schriftstellern wie z. B. Saigini, Giovanni Mari- nello, Giovanni Baptista Porta, Isabella Cortese u. A. verfasste spezielle Werke über diesen Gegenstand.*) Zu diesem Aufschwünge trug noch das Bekanntwerden neuer Duftstoffe in Folge der Entdeckung Amerikas bei. Zu diesen gehörten z. B. der Oacao, die Vanille, der Perubalsam u. s. w.

Von Italien, der damaligen Pflanzstätte alles sexuellen Raffinements verpflanzte hauptsächlich Katha- rinavonMedici den übermässigen Gebrauch der Parfüme nach Frankreich, wo er allerdings noch merkwürdigere Formen annahm, Katharina berief viele berühmte italienische Parfümeure nach Frankreich^), die dann unter Heinrich DI. kaum die Ansprüche des verderbten Hofes befriedigen konnten. Brantome bemerkt, dass früher die italienischen und spanischen Frauen sich mehr parfümiert hätten, zu seiner Zeit aber „nos dames frangoises surpassent tout."^)

») Tardif S. 24; Paschkis S. 19 u. 22. «) Tardif a. a. 0. S. 24.

  • ) Brantome „Vies des Dames galantes". Paris o. J.

S. 160.


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Die im Jahre 1495 zuerst in Neapel zum Ausbrucli gekommene Syphilis war ferner eine weitere Ursache der gesteigerten Anwendung künstlicher Duftstoffe in jener Zeit. Nach Haeser umgab man sich, wie früher in Pestzeiten, nunmehr fast beständig mit Wohlgerüchen, um sich vor den „giftigen Dünsten" der Syphilitischen zu schützen, oder auch, um krankhafte Effluvien des eigenen Körpers zu verbergen. Jacobus Sylvius, ein zeitgenössischer Arzt, sagt darüber: „Dli tamen, si diis placet, hac ignobili nobilitate sibi placentes, jam auli- corum mores et ritus imitandos sibi proponunt. Ocreas ex tenui aluta tibiis suis inducunt. Candidulas et tenellas manus chirothecis odoriferis vestiunt. Puellas matronasque domi, in viis, in foro, in templo, nusquam non suaviter basiant, «atque molliter medias amplectuntur; hoc unum nobilitatis exercitium in iis desideres, quod membra trahentes amplius tripudiare, et lacertos exerere non possint. Sed mirum fortasse quibusdam videbitur, quod ad mulierum oscula admittantur, cum intus corruptis humoribus gravissimam ore mephitim exhalent. Sane habent, inquam, isti sycophantae antidotum , quo puellis f acile imponant. Pastillos enim ex suaveolentibus condimentis confectos assidue manibus suis ita rotant, ut ab imprudentibus non facile teter faucium vapor percipiatur.*")

D uf ou r glaubt, dass das um jene Zeit bei den Frauen auftretende Bedürfnis der Eeinlichkeit ebenfalls die Sucht, sich zu parfümieren, so allgemein verbreitet habe. Nach ihm erwachte erst im 16. Jahrhundert bei den


^) H. Haeser „Lehrbuch der Geschichte der Medicin." 3. Aufl. Bd. m. Jena 1882. S. 316.


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anständigen Frauen dies ReinKchkeitsbedürfnis. Bis dahin hatten sie sich sogar öffentlich gerühmt, sich niemals an den' geheimen Teilen zu waschen und dies Letztere den Courtisanen und Prostituierten überlassen,^ was Beroalde de Verville mit groben Worten geisselte*). Derselbe Autor berichtet über eine echt französische Erfindung, die wohl einzig in der Geschichte der künstlichen Duftstoffe ist und den scatologischen Anlagen der Franzosen alle Ehre macht. Das waren die „pets parfumes" des 16. Jahrhunderts.^)


1) Dufour a. a. 0. Bd VI S. 18.

') ,)Les choses puants sont ceux de Celles qui fönt des enfants, d'autant que le cul y passe meide et tout; mais ceux des putains sont si souvent brayez (couverts de braies ou chaußses), et savonnez, qu'ils ne puent point ! et que FAr^tin y mette le nez, pour mieux voir«. Dufour a. a. 0. Bd VII S. 41. *

  • ) Beroalde erzählt darüber: „Elle, comme les chastes cour-

tisanes le Sijavent pratiquer, avoit amass6 des petites pellicules 16geres comme Celles de poules, doug6es (fines) et d^licates, les avoit rempli de vent musqu^, selon l'artifice des parfumeurs. La belle Imp^ria, ayant quantit^ de telles ballottes, tenant le gentilhomme entre ses bras, se laissoit aimer." Tout k coup, la dame prit adroitement une de ces vessies et la fit 6clater. Le gentilhomme, que ce bruit 6quivoque avait troubl6 assez t'ächeusement, mit la tete hors du lit. „Ce n'est pas ce que vous pensez, lui dit la belle, Imp^ria; il faut savoir, avant que craindre." En effet, le sieur de Lieme ne fut pas peu 6tonn^ de sentir une odeur d^licieuse qui lui montait au nez ; il s'informa si cette odeur provenait d'une cause qui lui avait fait craindre un parf um d'une autre espece. Elle r^pondit que les dames italiennes usaient de nourriture aromatique et employaient tout de parfums k leur toilette, qu'elles en rendoient la quintessence, „ainsi que par le bec d'une comue." Le gentil- homme, 6merveill6, s'6cria: „Vraiment! nos dames ont bien un autre naturel de pets!" Schliesslich lässt die raffinierte Courtisane dem entzückten Cavalier auch noch den zweifelhaften Genuss eines unverfälschten „pet naturel" zu Teil wetden — — P. Dufour „Histoire de la Prostitution" Bd. VIT S. 40 — Dufour vermutet, dass diese künstlichen „pets italiens" unter der Regierung der Valois, von den italienischen Parfümeuren, die Katharina von Medici berief, mit nach Frankreich gebracht worden seien und dort schnell am Hofe unter den Courtisanen grossen Anklang fanden.


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Das 18. Jahrhundert, und besonders die Eegierungs- ^eit des fünfzehnten Ludwig, bezeichnet die letzte goldene Zeit der Parfüme. Sie wüteten damals wie eine wirkliche Epidemie (Tardif). Die vornehmen Frauen parfümierten sich jeden Tag mit einem anderen Parfüm, und die Marquise de Pompadour gab mehr als 500 000 Livres jährlich für Wohlgerüche aus. Versailles hiess „la cour parfumee." „Certes cn ce temps cytlier^en Tindiffference pour les odeurs eut ete crime: car jamais Tempire feminin ne s'etendit si loin et ne fut si prospere. Sans la bergamote d'Italie, sans la frangipane et la marechale qui firent des fortunes, et, qui sait, peut-etre aussi des passions^ eüt-il et6 si florissant ? Alors les vastes paniers des robes bouffantes, les mouchoirs de fin linon et • de dentelles^ les gants haut montes, degagerent des senteurs charmantes; les cheveux des marquises furent neigeux de poudres odorantes et les caillettes regence detaiUferent les gavottes : au rythme parfum6 des eventails mourants. Dan» Tembarquement de Watteau, est-ce que ces nuage» d'un bleu pälissant, d'un bleu soie de boudoir ne semblent pas des envolements de parfums seducteurs et favorables au mystere du voyage? Et cette delicieuse feintise qui^ sous le nom de Vapeurs, faisait s'6vanouir nos aieules,, n'etait-ce pas simple pretexte ä deboucher bien vite avec de petits cris d'effroi le menu flacon des sels sau- veurs qui fleuraient si douces choses?" (Fleury).

Der Duc de Eichelieu, einer der grössten Wüst- linge des ancien regime Jebte in einer beständigen Atmosphäre von Wohlgerüchen, die man in seinen Zimmern aussprengte. — Ein berühmter Stutzer-Club des 18. Jahrhunderts, der sogenannte „Ordre de la frivo- lit6", der sich nur mit der Einführung neuer und


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Verbesserung alter Moden und mit sonstigen galanten Dingen beschäftigte und dessen Mitglieder täglich vier Stunden bei der Toilette zubrachten, hatte als Erkennungs zeichen ganz bestimmte Parfüme und Blumen, welche jedes Mitglied bei sich haben musste/)

Die im 18. Jahrhundert hauptsächlich verwendeten Duftstoffe waren Peau d'Espagne, Moschus, Zibeth, also im allgemeinen sehr scharfe Riechstoffe. Sehr be- rühmt waren auch die von Madame du Barry u. A. mit Vorliebe benutzten „Seragliopastillen", deren Haupt- bestandteile Ambra war. Später, kurz vor Beginn der Revolution, zog man mildere Parfüme vor, wie Veilchen- und Rosendüfte, und während der Revolutionszeit wurde der GebraucH von Parfümen als aristokratischer Luxus geächtet. Erst unter dem Direktorium wurden nach dem Vorgange der Madame Tallien und der Josöphine Beauharnais die Parfüme wieder Mode. Napoleon L liebte besonders die Eau de Cologne, mit welcher er sich jeden Morgen Kopf und Schultern parfümierte. Daneben war Rosmarin sehr beliebt.^)

In England wurde der Gebrauch der künstlichen Duftstoffe unter der Regierung der Königin Elisabeth allgemein. Bei seiner Rückkehr von Italien brachte Eduard de Vere, Graf von Oxford, von dort parfümierte Handschuhe, Riechkissen, parfümierte Wämser und andere Nouveautes mit. Seitdem wurde ein wahrer Luxus mit Parfümen getrieben. Man fabrizierte Parfüm- Schachteln („sweet-coffers"), in welchen jede Dame ihr


  • ) Arthur Dinaux .,Les soci6t6s badines." Paris 1867 ßd. I

S. 350.

•) Tardif a. a. 0. S. 25-26; Pleury a. a. 0. S. 42.


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Lieblingsparfüm hatte. Man hatte stets Flacons mit Essenzen, „Riechkugeln" und kleine Duftbüchsen von feinster Goldschmiedearbeit bei sich. Handschuhe, Mäntel und Schuhe wurden parfümiert. Die Satiren der Schrift- steller machten sich über diese Parfümierungssucht lustig.

Im Jahre 1770 erliess das englische Parlament die folgende für die sexuelle Osphresiologie sehr inter- essante Verordnung: „Jede Frau in jedem Alter, jedem Rang, jedem Berufe, Jungfrau, Frau oder Witwe, die, vom Beginn dieser Verordnung, einen Unterthanen Seiner Majestät mit Hülfe von Parfümen, falschen Haaren, spanischer Schminke, Stahlschnürleibchen, Reif- röcken, hohen Schuhabsätzen, falschen Hüften zur Heirat verlockt, wird die vom Gesetz gegenwärtig gegen Hexerei und ähnliche Praktiken vorgesehenen Strafen erleiden, und die Heirat wird für null und nichtig erklärt werden."^)

Was die Gegenwart betrifft, so darf behauptet werden, dass wohl nur noch in Frankreich der Gebrauch der Parfüme in allen Volksklassen sehr verbreitet ist. In den nordischen Ländern, Deutschland, England u. a. hat derselbe stark abgenommen, was wohl mit dem Allgemeinwerden des Badens zusammenhängt. Paris besitzt heute das Monopol der Parfumfabrikation. Es liefert der ganzen Welt künstliche Duftstoffe, von denen es jährlich im Werte von 100 Millionen Francs produ- ziert. Berühmt sind die grossen Parfümmagazine und Parfttmerien von Leuth6rie, Guerlain, Piver, Pinaud, Violet, Houbigaut, Roger et Gallet, Oellö u. A. Paris ist trotz Johann Maria Farina


  • ) Tardif %. a. 0. S. 22-23.


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in Köln und Atkinson in London heute die Zentrale für die Parfümfabrikation/)


Dass die Parfümierung als ein Mittel der sexuellen Anziehung zu betrachten ist, wird besonders dadurch deutlich, dass man seit dem Altertume die einzelnen Körperteile oft mit verschiedenen Duftstoffen par- fümierte. So berichtet Hieronymus Mercurialis von den Alten (Variar. Lection. lib. II c. 19): „Metopio Aegyptio sicut et Mendesio crura et pedes inungebantur; Phoeniceo malae et mammae; Serpyllino, genua et Collum. Sysimbrino, alterum brachium; Amoricino, supercilia et coma; Amomo, coma etc."*)

Uralt und besonders bedeutungsvoll für die sexuelle Osphresiologie ist die Sitte der Parfümierung der weiblichen (und männlichen) Geschlechtsteile. Der


^) „La cassollette qui brülait dans les palais de Babyloae, de- Suze ou de Venise, fume encore dans les s^rails de T^h^ran et des bords du Bosphore; la yie de la sultane et de Todalisque s'6coule sui les coussins impr^gn^s d'ambre, le bouquin du narghil^ aux. l^vres, entre l'heure du bain et Tarriv^e du maitre. Pour les soins- myst^rieux de la toilette, les musulmanes suivent encore les pr^s- criptions et les formules religieuses dont les commentateurs du Coran donnent le secret. Les derviches ont toujours le monopole- des pätes 6pilatoires et des cosm^tiques qu'on applique apr^ le bain qui, chaque vendredi, purifie le vrai croyant; mais pour les autres parfums et les autres cosm^tiques, TOrient a perdu son monopole; les orangers de Grasse, les ins de Florence, les lis de- Limagne remplacent les fleurs de TOrient, et si l'Arabie nous foumit encore la myrrhe et ses reines, les Indes le santal et le benjoin^ le Tonkin son musc, ces parfums nous arrivent ä F^tat de mati^rea^ premi^res; Paris les transforme, leur donne T^Hgant cachet de la mode, et les r6pand dans le monde entier.*^ Claye „Les talismans de la beaut6" Cit. nach Tardif S. 26 — 27..

•) CloquVt. a. a 0. S. 108. Pjascbkis a« a. 0. S. 6.)


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Ursprung dieser bemerkenswerten Sitte ein aegyptischer zu sein. v. Oefele, ein genauer Kenner der aegyptischen Kultur und Medizin erklärt diese eigenartige, zuerst bei den Aegyptem nachweisbare sexuelle Kosmetik für eine Notwendigkeit beim geschlechtlichen Konkurrenzkampf in Folge der Polygamie, welche in Aegypten herrschte^ Zur Parfümierung der weiblichen Genitalien diente das berühmte Kyphi (Kiphi), ein aus vielen aromatischen Stoffen zusammengesetztes Mittel Von demselben heisst es in einem mehr als 3000 Jahre alten Papyrus-Eezept: „Für Frauen als Kügelchen herzustellen, um damit zu räuchern unter ihnen, sodann als Pillen für das Loch aus ihnen, um angenehm zu machen den Geruch des des Loches von ihnen."^) ~ Diese Parfümierung der weiblichenGenitalienhat sich durch Jahrtausende^ hindurch in Aegypten erhalten. Denn der berühmte- italienische Arzt Prospero Alpini, welcher sich dreii Jahre lang, von 1581 bis 1584 in Aegypten aufhielt, berichtet in seinem Werke über die Heilkunde der Aegypter: „Aegyptiacae mulieres unguunt vulvam ambaro, Zibetho etc., sicque voluptatem coöuntibus conciliant, aa veluti italae mulieres, atque aliarum multaioim etiam nationum ad capillorum facieique cultum omne adhibent Studium, ita Aegyptiae capillorum Studium negligunt . . . atque ad pudendorum abditarumque corporis partium omatum omnem diligentiam adhibent."*)

Früh scheint diese Kosmetik der Vulva im Abend-^ lande, wahrscheinlich durch arabische Aerzte, eingeführt


') S. H. Baas „D. geschichtl. Entwickelung des ärztlichen Standes.« Berl. 1886 S. 37—38.

  • ) Prosper Alpinus „De Medicina Aegypüorum". LiberlH

Cap. 15. Nördl. 1829.

Hangen, sexueUe Gerüche. 16


worden zu sein^ Denn im 11. Jahrhundert schrieb die salemitanische Aerztin Trotula ein Werk, dessen Manuscript sich gegenwärtig in der Laurentiana zu Florenz befindet, mit dem bezeichnenden Titel: „Trotula, in utilitatem mulierum et pro decoratione earum, scilicet de facie et de vulva earum."*)

In der Eenaissancezeit kam zu der Parfümirung der weiblichen Geschlechtsteile noch das Kämmen und Frisiren hinzu, und auch die galanten Männer liessen ihren Genitalien dieselbe Sorgfalt zu Teil werden. Dufour sagt: „H n'y avait que les debauches et les femmes dissolues qui le (le poil honteux) peignaient, le frisaient et le parfumaient avec mille recherches de sensualite obsc^ne." Besonders die Barbiere und Bader besorgten zur Zeit Franz des Ersten diese geheime Kosmetik.^)

Auch dem 18. Jahrhundert waren diese Künste hicht unbekannt. Der „Espion de la Cour" und der „Gazetier Cuirasse, ou Anecdotes scandaleuses de la Cour de France" berichten, dass sich Madame du Barry das Innere ihrer Genitalien zu parfümiren pflegte, um den König Ludwig XV. an sich zu fesseln. „L'attachement du roi pour Madame du Barry lui est venu des efförts prodigieux qu'elle lui fit faire au moyen d'un bapteme (lavement) ambr6 dont eile se parfuma intörieure- ment tous les jours. On ajoute qu'elle joignit k cela un secret dont on ne se sert pas encore eni bonne societ6." — Den Schlüssel zu dieser Anekdote ent- halten die folgenden Bemerkungen: „Les mouches caä-


  • ) H. Ha es er a. a. 0. Bd. I. Jena 1875 S. 663.

a) Dufour a. a. 0. Bd. Vn. S. 46.


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tharides, i diabolini, Tessence de girofl6e,'les bapteme» amb'fifes etc., sont des inventions de notre si^cle dont la d^bilite eut 6t6 incurable sans ces secours, Tauteur ne peüt retidre 1 e secret de la mäuvaise societe, dont se sert la Comtesse, sans blesser la bonne, tout ce qu'il peut dire decemment est que ce secret est iin diminutif des erreurs philosophiques."^) — Auch in der „Anti- Justine" von Ketif de la Bretonnc und in den Werken des Marquis de Sade kommt das Parfümiren der Genitalien vor. Aehnlichem Gebrauche dienen die mit Ambra, Moschus u. a. gefüllten Parfümkugeln der Chinesen.^) — Neben den Genitalien ist es be- sonders der Mund, der von jeher ein Gegenstand der Kosmetik gewesen ist. Ein betreffendes Recept des ^Papyros Ebers" 1500 v. Chr. lautet: „Nimm trockene Myrrhen, Wachholderbeeren, Weihrauch, Kau, Mastix- zweige, Bockshorn, Hebut aus Nordsyrien, luekuun, Eosinen. Diese sind zu zerstossen, in Eins zu mischen und ans Feuer zu stellen. Ein Anderes für die Frauen ist herzustellen, indem man dem nach obiger Vorschrift bereiteten Mittel einen Zusatz von Honig giebt,, ea kocht, mischt und zu Kügelchen formt. Sie räuchern damit. Sodann macht man Mundpillen daraus, um den Geruch des Mundes angenehm zu machen/' Ein ähnliches Kecept hat auch Dioscojrides (50 n. Chr.)^). Sehr wichtig waren aüch^ bei den Griechen und Römern die Wohlgerüche für die Pflege des Mundes. Um den Atem angenehm riechend zu machen,


  • ) J. D»venport „Aphrodisiacs and Anti-Aphrodisiacs**

London 1869 S. 93—94. ^

«) Tardif a. a. 0. S. 18. :. ; :

») Paschkis a. a. 0. S. 4. . ; . 16* -


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oder den üblen Geruch desselben zu verdecken, ge- brauchte man mit Safran, Rosen ü. a. parfümirte Mund- wässer, oder man trank Myrrhen, chiotischen Mastix, oder gar köstliche Zubereitungen, ähnlich unseren parfttmirten Cachous.^)

Esse quid hoc dicam, quod olent tua basia myrrham Hoc mihi suspectum est, quod oles bene, Postume semper Postume, non bene ölet, qui bene semper ölet.

(Martialis lib. II. epigr. 1^.)

Die eifersüchtigen Griechen Hessen ihre Frauen beim Ausgehen Zwiebeln essen I

Ein Recept aus der Renaissancezeit gegen „Toute puanteur et f6deur du bouche" teilt Dufour mit*) — Ausführliche Mitteilungen über die gegenwärtig ge- bräuchliche Kosmetik des Mundes enthält das Capitel „Der Mund" in Paschkis' „Kosmetik für Aerzte." (S. 238—258).

Den üblen Geruch der Achseln beseitigte man im 16. Jahrhundert durch Pulver von Myrthenlaub oder durch Waschen mit Alaunlösung oder essigsaurem Blei.)

Zum Arsenal der sexuellen Parfümkunst gehören femer die parfümirten Bäder, die ebenfalls schon im Altertum gebräuchlich waren. Oleum jasminum u. a. aromatische Substanzen wurden dem Bade zugesetzt.*)


ibid. S. 11.

') „Prens poudre de sauge une once, fleui de rosmarin trois onces, clou de girofles cinq dragmes, caneUe battue un dragme^ nn grain de musc ou tant qu'il te plaira; puis prendras autant de miel qu'il te sera n^cessaire ä incorporer la composition susdite,^^ de laqueUe useras, quand bon te semblera, ä la grosseur ou yaleur d'une febve ou noisette, plus, ou moins, ä ta volonte: Teile (com- position est utile et profitable pour Testomach, et rend une haleine plaisante. "Dufour a. a. 0. VII S. 50.

») Paschkis a. a. 0. S. 23.

  • ) ibid. S. 8.


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In den Gedichten der „Anthologia graeca" sind einige Anfschriften ^n Badeanstalten erhalten, welche das Aroma der Bäder als besonderen Vorzug hervorheben, — - Besonders im 18. Jahrhundert kamen die parfttmirt^n Bäder sehr in Aufschwung und wurden sowohl in den Toilettenzimmem der vornehmen Damen als auch in den öffentlichen Häusern benutzt. Sie kamen in be- sonderen Badewannen, den „baignoires ä la Dauphine Marie Antoinette" zur Anwendung. Diese kosmetischen Bäder wurden mit Hülfe von Milch- und Mandelpasten, Eau de chair, de mouron, Eau distillee du miel, de la rose, Suc de melon, Balsamen u. a. zubereitet. Unter dem Direktorium machte besonders Madame Tallien für diese aromatischen Bäder Propaganda. Auch heute kommen in Frankreich noch parfümirte Bäder zur An- wendung. Galopin giebt Vorschriften dafür und em- pfiehlt sogar lokale parfümirte Bäder für die weiblichen Genitalien.') Die neueste französische Specialität sind die Blumenbäder. Blumenbäder erfreuen öich jetzt, so schreibt die Zeitschrift „La Fronde", bei den Pariser Damen einer besonderen Beliebtheit. Sie sollen nicht nur die Haut mit dem Parfüm imprägnieren, sondern die grosse Menge der lebenden wohlriechenden Pflanzen kräftigt und riegt auch den Körper an wie ein Cham- pagnerbad. Es giebt zwei Arten von Blumenbädern. Die eine, die trockene, ist sehr einfach: Man füllt die heisse Badewanne mit Blüten, und es genügt dann, eine Stunde in diesem parfümirten Bett zuzubringen. Die zweite Art besteht darin, dass man Dutzende von BlumenbüBileln in heissem Wasser weicht und aus


») öalopin a. a. 0. S. 184.


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diesem Wasser das Bad bereitet.*) JUgör empfiehlt im Anschlüsse an Frau E 1 i s e Reg^Un ebenfalls Blumen- bäder, Bäder, denen ein Abguga von [„Quendeln** •(wilder Thymian, Thymus serpylliM" I^.)' zugesetzt wird.

Das parfümirte Bett gehört gleichfalls zu dfen neuesten Pariser Moden. Eine bekannte und beliebte •Herzogin fährte diesen neuen Luxus ein. Besagte Aristokratin, deren Gastfreundsdiaft sprichwörtlich ist, treibt die Sache soweit, dasssiedie nach einer Gesellschaft •in ihrem Palais übernachtenden Damen mit einem Bett überraschen lässt, zwischen dessen spitzenbesetzten Kissen mindestens ein Dutzend Riechkissön verborgen sind, die das Lieblingsparfüm des betreffenden weib- lichen Gastes ausströmen.^)

^ Die parfümirten Handschuhe sind eine Er- findung der Renaissance, die aus Italien kam und von dort besonders nach England und Prankreich importii* wurde. Auch die Spanier fabricirten parfümirte Hand- schuhe, die aber wegen ihres überaus scharfen Geruches hinter den italienischen zurückstanden und oft den sie tragenden Damen Kopfschmerzen verursachten. A ri t o n i o Perez war ein solcher berühmter „Gantier parfumeur." Zur Zeit der Fronde waren in Frankreich am meisten Im Gebrauche die parfümirten Handschuhe aus Rom, Grenoble, Blois, Esla und Paris. Herr de Chanteloüp liess sich am 18. October 1649 von dem Maler Poussin in Rom „ä la frangipane" parfümirte Handschuhe von der damals wegen ihrer Parfüme berühmten Sigöora Maddalena besorgen. In Paris gab es im Jahre 1692


») Jäger 's Monatsbl. 1899 Bd. XVin S. 162. «) Jäger* s Monatbl. 1899. Bd. XVm S. 196.


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eine gewisse Zahl von „Gantiers parfumeurs** in der Rue de TArbre-Sec und der Rue Saint-Honor6. Unter J^atharina v. Medici wurde Jeanne d'Albret durch ein Paar parfümitte Handschuhe vergiftet.') Die Königin Elisabeth von England war von einem Paar parfti- fflirter Handschuhe so entzückt, dass sie sich mit den von ihnen bekleideten Händen malen liess.«) Heute giebt es zahlreiche Vorschriften zum Parftimirön der Handschuhe — die beliebtesten. Mittel sind Peau d'Espagne, Ambra- und Veilchendnfte.^)

Ein weiterer Auswuchs der Parfttmsucht ist das Parfümiren grösserer Räume und öffentlicher Plätze. Die Vicomtesse Xacla giebt Vorschriften für die Parfümirung von Wohnzimmern.*) Besonders bei Festen war schon in früheren Zeiten dieser Gebrauch bekannt. Nach Mathieu de Coucy, dem Geschichts- schreiber Carl 's VII., sah man bei einem von dem Herzog Philipp dem Guten von Burgund gegebenen Feste die Statue eines Kindes, welche „pissoit de l'eau- rose'*. Es gab sogar Fontänen, deren aromatische Wässer den Festsaal durchdufteten. Der „Mercure Galäfit" vom März 1681 berichtet, über eine Orangön- blüten-Wasserfontäne, die bei einem in Marseille ge- gebenen Feste während des ganzen Diners in Thätig- keit war. An Festtagen wurden selbst die öfEentlichen Springbrunnen bisweilen parfümirt.^)


^) 0. U^anne „L'ombrelle, le gant, le manchon". Paris 1883 S. 81—88.

2) Tardif a. a. 0. S. 22.

  • ) Vicomtesse Na da „Le Boudoir. Conseils d'616gance. Paris

S. 1S7 — 128. Die Verfasserin erwähnt auch parfümirte Briefe und Lesezeichen. (S. 127, 131.)

  • ) a. a. 0. S. 129.

») Tardif S. 23—24.


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In der nenesten Zeit hat man angefangen, die Wohlgerüche auf der Theaterbühne zu verwerten. Französische Symbolisten Hessen den Vortrag ihrer Dich- tungen auf der Bühne von Gerüchen begleiten, welche angeblich dem Inhalte der Verse angepasst waren und wohl die sexuelle Wirkung der letzteren mit verstärken sollten. ')

Unser grosser Dichter Friedrich v. Schiller liatte schon im 18. Jahrhundert denselben Gedanken. In „Kabale und Liebe^* Akt 1, Scene 6, schreibt er vor: Hofmarschall von Kalb in einem reichen, aber geschmackvollen Hofkleide, mit Kammerhermschlüssel, zwei Uhren und einem Degen, Chapeau-bas und frisirt A la Herisson. Er fliegt mit grossem Geräusch auf den Präsidenten zu und breitet einen Bisamgeruch über ^as ganze Parterre.

In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts kam in einer Berliner Posse „Köck und Guste" ein galanter Friseur vor, der einen wahren Duft bis ins Publikum ausströmte und durch die zurückbleibenden Spuren des- selben die Eifersucht eines in seiner Ehre gefährdeten Ehemannes erwecken sollte. — Bei einem zu Ehren des deutschen Kaisers am 10. September 1891 im Münchener Hoftheater veranstalteten Ballet „Im Morgen- lande" wurden während eines Blumenwalzers der Frau Flora Jungmann parfümirte Flüssigkeiten ausgesprengt. Im Jahre 1897, als das neue Ballet von Hassreiter »,Die rothen Schuhe'*, in der Budapester Oper eine Premiere erlebte, konnten die Blätter der ungarischen Hauptstadt nicht genug erzählen von der glänzenden Ausstattung und der Fülle szenischer Wunder, die dem Ballet zu


1) Nordau „Entartung" II, S. 407.


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einem Erfolge verhalfen. Zu diesen Wundern gehörte in erster Linie der Rosenwalzer. Während er auf der Bühne getanzt wurde, verbreitete sich im Zuschauerraum der Duft von White-rose-Parfüm, damit so die Illusion noch verstärkt würde. ^)

In gewissem Sinne sind auch die Blumen künstliche Mittel, durch welche eine sexuelle Wirkung der Ge- schlechter auf einander erstrebt wird. Jäger meint, dass wenn das weibliche Geschlecht seinen Liebreizen heimlich aufhelfen wolle, es Blumen zu Hilfe nehmen solle. Damit flechte es Rosen ins Leben, aber nicht wenn es „mit Bocks- und Katerduft*' die Umgebung verpeste^). Blumen spielten die Hauptrolle bei dem berühmten Feste der Floralien im alten Rom und dienten als sexuelle Stimulantien. ^) Die Blumenkränze wurden bei allen Gelegenheiten aufs Haupt gesetzt, wo ^jTrunkenheit der Sinne und des Weines ein Schutz-


^) Ein Vorbild dieser Dinge in der römischen Kaiserzeit war jener feine künstliche Regen von Wasser oder Wein, mit wohl- riechendem Crocus vermischt, der zur Abkühlung der heissen Luft durch ein Druckwerk über den Zuschauerraum im Theater oder Amphitheater verbreitet wurde. Auch bestreute man, um widrigen Geruch zu vermeiden, verschiedene Plätze mit Blumen, namentlich mit scharf riechendem Crocus. Indessen gehörte solcher Luxus nicht wesentlich zu den Spielen, sondern die Zuschauer verdankten ihn dann und wann der Freigebigkeit des jeweiligen Veranstalters der Spiele. Deshalb war es auch Sitte, dies durch Anschlag (album) auf den besuchtesten Orten der Stadt bekannt zu machen, wie z. B. der folgende aus Pompeji lautet: Venatio, AtWetae, Sparsiones, Vela. Erunt. d. h. es giebt eine Jagd mit wilden Tieren, Athleten- Kämpfe, Regen mit wohlriechendem Wasser; über die Zu- schauer wird ein Zeltdach ausgespannt. — Jäger 's Monatsbl. 1897, XVI. S. 202.

^) Jäger's Monatsbl. XV, S. 191—192. — Jäger vergisst zu bemerken, weshalb gerade unangenehme und scharfe Riech- stoffe von jeher von den Frauen bevorzugt wurden. lieber die Ur- sache dieser merkwürdigen Erscheinung habe ich oben gesprochen.

8) Dufour I, 288.


^50 -


^jj Der Geruch der Blumen mässigte

^ttel 'I^J^^J^ nod erhöhte zu gleicher Zeit den Ger

•den ^^°^.^|^<<9 Das Blumenbouquet ist noch heute

^ scbuldigste Form, in welcher die sexuelle Osphresio-

  • ^. y,j^ Wirkungen entfaltet, obgleich dies nicht immer

fen Betreffenden so zum Bewusstsein kommt wie jener

Dame, die Mantegazza gegenüber die Aeusserung that:

' Ich empfinde zuweilen beim Riechen an Blumen ein

solches Behagen, dass ich eine Sünde zu begehen

glaube."*)


Mit Eecht wird der Gebrauch von Parfümen als das sicherste Kennzeichen der Verweiblichung des Mannes betrachtet. So sehr und mit solchem Recht gilt das sich Parfümiren als • eine speciflsche Frauenmode. ^Flenry schreibt allerdings den Männern das Verdienst einer gewissen Veredelung der Parfttmkunst zu. „Cest . k eux que les parfums, apr^s avoir ete plutot un artifice de s6duction, un decor, doivent d'etre entres dans Fart desint6ress6, d'avoir leur place daus tonte esthetique intelligente et complexe"^). Inwieweit dies berechtigt ist, lasse ich dahingestellt sein. Jedenfalls halten wir j modernen, gesund und normal empfindenden Menschen einen sich parfümirenden Mann für ein weibisches Wesen, .für einen Effeminirten. Als in Xenophon*s „Gast- mahl" Kallias den Gästen Wohlgernche bringen lassen will, tadelt Sokrates dies als der Männer unwürdig. Es waren besonders die homosexuellen Männer, die


^) ib. n, 167.

^)P. Mantegazza „Die Physiologie der Liebe" übers, von E. Engel, Jena 1888 S. 184. 8) Fleury a. a. 0. S. 44.


— 251 .r^

.Kinaeden, die sich im Altertum parfttmirten. Der j ,Unguentarius**;<ParfümeTir) musste jeden Tag denKiBaeden in Wohlgerüche einhüllen. Lucins Afranius schildert .eine solche Scene sehr anschaulich. *) Auch heute sind es hauptsächlich die passiven Urninge und männlichen Prostituirten, die solcher Künste sich bedienen^.

Wie es Geruchsfetischisten in Beziehung auf die natürlichen Sexualgerüche des Weibes giebt, so giebt es auch Parfümfetischisten, d. h. solche Männer, welche durch ein bestimmtes künstliches Parfüm, das dieJFrau gebrauchen muss^ geschlechtlich eiregt werden. Der eine ist Veilchenduft-, der zeite Iris-, der dritte Heliotrop-, der vierte Ambra-Fetischist. Tardif be- richtet über einen solchen charakteristischen Fall^):

Beobachtung 23. — Un jeune homme, fianc6 depuis peu, continuait toutefqis & yiyre ayec sa maitresse. U la quittait, tous les soirs, pour aller faire sa cour. Mais lorsque' sä midtresge se parfumait ä Fambre royal, eile 6tait süre de le garder aupres d'elle, car cette influence du paiium sur les sens de ce jeune homme^tait •plus forte que sa volonte.

Natürlich können auch sexuelle Antipathien durch Parfüme hervorgerufen werden. Nach Jäger beruhen diese Antipathien zwischen den verschiedenen Ge- schlechtern darauf, dass es „männliche" und „weibliche" Parfüme giebt. Die männlichen wirken anziehend auf das weibliche, dagegen abstossend auf das männliche Geschlecht. Nun seien aber Bisam, Moschus und ähnliche tierische Riechstoffe, die bei ihren Erzeugern im Dienste der geschlechtlichen Liebe stehen, und ihr Träger ist teils ausschliesslich, wie beim Moschus, teils in her- vorragendem Masse wie beim Bisam^ das männliche


') Dufour I, S. 351.

«) A. Moll konträre Sexualempf." 3. Aufl. S. 162.

») Tardif a. a. 0. S. 85.


— 252

Geschlecht. „Wenn man nun gegenwärtig, nament- lich seit dem Aufkommen der famosen „Döringseife'*, auf Schritt und Tritt an allen öffentlichen Orten und zwar in hervorragendem Masse bei dem weiblichen Ge- schlechte auf den Moschusgeruch stösst, ja auf Damen, die eine ganze Wolke dieses Bocksgestanks um sich haben, so findet der Kundige es ganz begreiflich, dass in unseren sogenannten gebildeten Ständen die Klagen über das Sitzenbleiben der Mädchen so überhandnehmen." *)

Diese Ansicht Jäger' s ist völlig unrichtig. Denn es wäre gar nicht zu verstehen, wie sich dann gerade Moschus, Zibeth und die anderen thatsächlich unangenehm bocksartig riechenden Parfüme, die zu den ältesten Parfümen gehören, bis auf den heutigen Tag im Ge- brauch erhalten konnten. Richtig ist nur, dass heute mehr Männer als in früheren Zeiten durch diese Parfüme unangenehm berührt werden, weil eben die fortschreitende Entwickelung der zivilisirten Menschheit die Greruchs- empflndungen ihrer früheren grossen Bedeutung beraubt hat. So ist es gekommen, dass die Sexualgerüche und Parfüme einerseits im Leben des normalen Menschen kaum noch eine positive Rolle spielen, dagegen in nega- tivem Sinne sehr häufig abstossend wirken, und zwar vorzüglich beim Manne, dessen Geruchssinn schärfer ist als der des Weibes. Hieraus erklären sich gewisse Antipathien und Idiosynkrasien, welche auch durch Parfüme hervorgerufen werden können. ^)

An dieser Stelle sei beiläufig bemerkt, dass auch Tiere für künstliche Wohlgerüche empfänglich sind.


1) Jäger's MonatBblatt XV S. 191.

  • ) Beispiele bei Galopin a. a. 0. 143 — 144; 206 und in

Jäger's Monatsbl. Bd. I, S. 109.


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Nach Tardif ist dies besonders im Zustande der Domesti«  kation der Fall. Der Elephant steht vor allem in dem Rufe eines parftimliebenden Tieres, und soll nach Hoch- egger besonders den Orangebltttenduft lieben. Die Nachtigallen fangen zu singen an, wenn man ihnen wohlriechende Stoffe in den Käfig legt. Die Katzen lieben ganz eigenartige Gerüche wie Valeriana, und Aehnliches. *) Hunde scheinen dagegen gegen Parfüme ganz unempfindlich zu sein. Hält man einem Jagdhunde ein mit Wohlgerüchen getränktes Taschentuch vor die Nase, so riecht er daran, wendet sich aber darauf gleich- gültig ab^).

Galopin berichtet über eigenartige Versuche, die man besonders bei Pferden, aber auch bei Kühen gemacht hat, um die dem sexuellen Verkehr mit einem bestimmten weiblichen Tiere abgeneigten männlichen Tiere zum Coitus zu verlocken. Man injicirte wohlriechende Flüssig- keiten wie z. B. Thymian- und Salbeiwässer in die Vagina, wodurch die männlichen Tiere sich zur Begattung ver- leiten Hessen.^)

Da die Wirkung der Parfüme fast ausschliesslich auf das Sexualsystem beschränkt ist, so hat man bei Sexualleiden aller Art sie als therapeutische Mittel in Anwendung gebracht, vor allem bei Impotenz und Anaphrodisie und Sterilität. Schon Hippokrates (Aphorism. 59 Sect. 5) empfahl die Einführung von Myrrhen und anderen aromatischen Substanzen in die Vagina als ein sowohl den Mann als auch die Frau sexuell


  • ) R. Hochegger „üeber den Geruch" in: Wiener Fremden-

blatt vom 28. Jan. 1890.

•) Giessler a. a. 0. S. 43.

^ Galopin a. a. 0. S. 159—160.


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erregendes Mittel, welche Behandlungsmethode von Späteren acceptirt wurde. Michael Ettmüller (Opera omnia Lugd. 1590 Bd. n S. 462) riet znr Durch- räncherung der Vagina mit parfnmirten Dämpf en. Eonrad G essner wendete parfnmirte Pessare an!') Nach Gyurkovechky sind [die meisten Parfüme in ihrer Wirkung bei Impotenz ganz flflchtig und unzuverlässig und wirken überhaupt nur bei geschlechtlich ohnehin leicht erregbaren Individuen*).

Wirksamer scheinen die Parfüme als Sedativa bei sexuellen Erregungszuständen zu sein. Der Geruch des Kampfers ist bei Priapismus von Erfolg nach dem alten Spruche der salemitanischen Schule:

Gamphora per nares, castrat odore mares.

In den Mönchsklöstern lobte man als Antidotum gegen sündhafte Gliedsteifigkeit das Aroma der Ruta graveolens, welche deshalb sehr ausgiebig in Kloster- gärten kultivirt, und zu dem Vinum rutae verwendet wurde*). Bei Hysterie und anderen sexuellen Neu- rosen hat sich die Valeriana vortrefflich bewährt Schliesslich sei noch eine Indikation erwähnt: das ist die Beseitigung und Verdeckung übler Gerüche durch Parfüme, was schon im Altertum der Arzt Kriton empfahl, wie Aetius berichtet*).

Descourtilz erwähnt, das es Fälle von relativer


^) „MuUer conseille le musc mM6 avec des aromatiques, in- troduits d'une maniere quelconque, pour lubrifter le yagin." Mirabeau „Erotica Biblion" Amsterdam 189 J S. 149. . .

•) Victor G. Vecki _v. Gyurkovechky „Pathol. u. Ther. der männl. Impotenz 2. Aufl. Wien u. Lpz. 1897 S. 239.

•) J. Hyrtl „Topogr. Anatomie" II, 94.

  • ) Cloquet a. a. 0. S. 11*. — .


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Impotenz giebt, die nur durch die Wirkung des nattuv liehen „Odor di femina** beseitigt wird*). Diesen Um- stand aber, wie auch Roubaud leise andeutet,*) thera- peutisch zu benutzen, erscheint doch sehr bedenklich.


») Tardif a. a. 0. S. 80. •) Roubaud a. a. 0. S. 63.


1 .


VI.

Die sexuellen Gerüche in der Litteratur-

Die Litteratur aller Völker und Zeiten ist reich an Anspielungen auf Thatsachen der sexuellen Osphresiologie^ und es würde ein Buch für sich beanspruchen, wollte man auch nur einigermassen erschöpfend alle in Poesie und Prosa ausgesprochenen Gedanken und Vorstellungen über dieses Thema zusammenstellen. Ich begnüge mich an dieser Stelle mit einer kurzen Uebersicht und mit der Mitteilung einiger charakteristischer Beispiele für die grosse Aufmerksamkeit welche die Dichter zu allen Zeiten den menschlichen Sexualdüften zugewendet haben. Dabei fällt die merkwürdige Thatsache auf , dass e» fast ausschliesslich der Sexualduft des Weibes ist, der der poetischen Verherrlichung für wert gehalten wird* Der „Odor di femina" ist bei allen Völkern ein Gegen* stand litterarischer Betrachtung. Der Mannesgeruch kommt kaum in der Poesie vor. Es ist dies eine interessante, kulturgeschichtURhe Thatsache, für welche die Erklärung nahe liegt, dass der Mann von Natur einen schärferen Geruchssinn besitzt als das Weib und daher für den weiblichen Odor empfänglicher war als umgekehrt das Weib für den männlichen; weiter aber auch, dass für den Mann einst die weibliche


— 257 —

Ausdünstung eine grosse sexuelle Bedeutung besass. Denn je weiter man in der Litteratur zunickgellt, desto glühendere und — natürlichere Schilderungen der weiblichen Ausdünstungen wird man finden. Ich sage ^natürlichere", weil dieselbe Schilderung, die man z. B. in der Bibel trifft, bei einem modernen Dichter als etwas Künstliches angesehen werden würde. Wenn das hohe Lied in glilhend-woUüstigcn Phantasien und Träumen über den herrlichen Geruch der Geliebten schwelgt und z. B. den Duft ihrer Brüste mit demjenigen der köstlichsten Parfüme vergleicht, so klingt aus diesem wunderbaren Lied der Liebe überall das natürliche Empfinden der damaligen Zeit hervor. Wenn aber z. B. ein modemer Symbolist wie Edmond Haraucourt sich die einzelnen Körperteile vornimmt und deren ver- schiedene Gerüche analysiert — denn etwas Anderes als eine Analyse ist seine „Symphonie" nicht — so ist das einfach künstliches Raffinement. Es entspricht in keiner Weise mehr unserem heutigen Empfinden. Wie viel Natur und feine Empfindung spricht nicht aus der folgenden Stelle eines aegyptischen Liedes, das Spiegelberg in der Festschrift für Georg Ebers {Leipz. 1897) zuerst übersetzt hat:

wäre ich der Wäscher, welcher monatlich ihre Kleider wäscht ! Welcher die Oelflecken wäscht, die im Kopftuche sind! Dann würde ich ihren Duft atmen!

Und welche tiefe Symbolik liegt darin, dass Käma, der indische Liebesgott, als Pfeile Blumen m seinem Köcher hat!

Es ist eine uralte orientalische Anschauung, dass das Weib die Verkörperung des Wohlgeruches sei,

Hagen, die sexuellen Gerüche. 17


\^UIV


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eJche als solche dem Orient eigentümlich ist und erst von dort ins Abendland gelangt. Die nordischen Völker, wie überhaupt kältere Klimate, sind weniger im Banne dieses „Odor di femina". In der Edda spielt er gar keine Rolle. Doch kehren wir zum Orient zurück.

In einem chinesischen Liede heisst es: „Von den Schönsten in Tientsin und Taku habe ich zwölf ausgewählt: Kneif u hat etwas Poetisches. Ihre Zimmt- blütenseele ist glänzend und geheimnisvoll, selbst ihr Schatten ist voller Wohlgeruch. In einem vom Himmel gesandten glückseligen Traum verwandelt sie sich mit ihrem Genossen in ein paar Mandarinenten (Sinnbild ehelicher Treue). Wie sie zart und schwach auf ihrem gestickten Seidenlager ruht, lehnt sie die duftende Schulter an den herrlichen Freund. Yue-ju ist durch- sichtig und klar. Ihr Fleisch und Gebein sind von Edelstein. Ihre Seele ist wie Schnee. Ob sie lacht oder weint, immer ist sie vollkommen. Wenn sie ihre roten Lippen öffnet, so erfüllt ihr Atem das hierfür zu kleine Tientsin mit Wohlgeruch.*'

Die persische Poesie ist wohl die duftreichste der Welt. Aber auch in ihr ist es stets das Weib, dessen natürliche und künstliche Gerüche besungen werden. Der Mann pflegte für gewöhnlich nicht sich zu par- fümieren. „Nur Weiber freut Geruch und Farbentand** sagt Ferid-ed-din Attar im „Pend-nameh*^ — Sadi schildert im „Bostan" in dem schönen Dialog zwischen Mamun und seiner Geliebten mit feinem Verständnis sowohl die sympathische als auch die antipathische Wirkung körperlicher Ausdünstungen :


— 259 —

Als Mamun derChalif in Bagdad thront'

Kauft er ein Mädchen, lieblich wie der Mond;

Scharfsinn war ihr ein Spiel, ihr Leib voll Wonne^

Ein Rosenstock, ihr Antlitz eine Sonne;

Die Fingerspitzen färbte, in das Blut

Der Mächt'gen tauchend sie mit Hennaglut,

Selbst Heilige verführten ihre Brauen,

Wie Regenbogen vor der Sonn' zu schauen.

In stiller Nacht verweigerte den Leib

Dem Mamun einst das Hurigleiche Weib,

Dies Zornes Feuer könnt' er nicht verhalten.

Wie Zwillingspaar wollt' er das Haupt ihr spalten.

Sie sprach: „Schlag ab mit scharfem Schwerte hier

Mein Haupt, doch habe nichts zu thun mit mir!"

„Was ist's, sprach er, das deine Ruh gestöret?

Was hab' ich an mir, das dich so empöret?"

„Magst du, sprach sie mich dem Verderben weihen,

Das Riechen deines Mund's ist meine Pein;

Durch ( Pf eil und Schwert stirbt man auf einmal

schmählich, Durch den Geruch des Mundes nur allmählich, Als dieses Wort der mächt'ge Fürst vernimmt. Fühlt er sich tief empöret und ergrimmt; Er nimmt Arznei, so schwer es ihn auch kränket. Die ihm wie Rosenduft den Odem schenket. Die Schöne nahm er zur Gefährtin sich: „Sie sagt die Fehler mir, drum liebt sie mich."

Sadi preist auch im „Gulistau** das „Jasmin- antlitz** und die „duftigen Locken" der Geliebten und verweist auf die zur Liebe einladenden Frühlings- düfte:

Mädchen, sieh wie rings der Frühling selbst den Staub lebendige

macht, Wie die Welt aus tausend Tropfen Morgentau's herüberlacht, Wie es duftet rings von Rosen, Moschus und Basilikon — Komm Knab aus deiner Höhe, dein in Brünsten harr ich schon^

17*


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Ein neupersischer Dichter Hussein Ali Mirza (geb. 1814) singt in seinem „Alkoran der Liebe":

Duft aus Jasminen- und Rosendolden Scheint zu strömen von Fatmes Lippen; Lilienodem schein* ich zu nippen, Efiss' ich den lieblichen Busen ihr dreist. Mehr der Würze doch hat der Holden Herz und Seele, Gemüt und Geist.

Von Persiens Rosengärten nach Arabien ist der Weg nicht weit. Welche grosse EoUe der Geruchssinn in der Liebe bei Mohamed und seinem Volke spielt, lehrt die Lektüre der arabischen Ars amandi, welche Tins durch die Uebersetzung von Paul de Regia zu- gänglich geworden ist^).

Der Dichter Motannabi sagt von der Geliebten*' „Sie blickt mich an mit den Augen einer Gazelle in einer weinerlichen Stellung, und wischte das Regengesprühe über eine Rose von Anam. Ihre Lippen sind duftender als Sommerlüftchen, und lieblicher, denn scythischer Moschus ihr Hyacinthenhaar." In „Tausend und Eine Nacht" heisst es: „Ihre Augen sind schwarz, wohlduftend ihr Mund; ihre Aepfelwangen sind wie Anemonen."

Albanesische Lieder 3 vergleichen den Duft der Geliebten mit BergmeHssen, den Mund mit Gewürz- nelken und nennen sie selbst Pomeranze und Organe. Aehnlich ein kroatisches Lied „Der schönste Duft":


  • ) „El Ktab des Lois secretes de Tamour" trad. par

P. de R6gla S. 213—221 (Les Parfüms et les odeurs).


- 261 —

„0 Mädchen, meine Seele, Wonach duftet der Busen dein? Nach der Quitte, oder der Pomeranze, Nach der Strohblume oder Basilikum?" Das Mädchen ihm antwortet: ,0 meiner Treu junger Held! Mein Busen duftet

Weder nach der Quitte, noch der Pomeranze, Weder nach der Strohblume, noch dem Basilikum, Sondern nach der Seele eines Mädchens."

Ancli im classischen Altertum finden die sexuellen Gerüche in der Litteratur zahlreiche Erwägungen. So wurde eine berühmte Hetäre „Sisymbrion" (Thymian) genannt, weil sie, besonders nach dem Tanze, einen aromatischen Duft aushauchte^). In der Dias (VI, 483) nimmt Andromache den Astyanax an ihren „duftenden Busen*'. In No. 93 des 7ten Buches seiner Epigramme schildert Marti al den unangenehmen Geruch der Thais:

Tam male Thais ölet, quam non fuUonis avari Testa vetus, media sed modo fracta via, Non ab amore recens hircus, non ora leonis, Non detracta cani transtiberina cutis, Pullus abortivo nee cum putrescit in ovo, imphora corrupto nee vitiata garo. Virus ut hoc alio fallax permutet odore, Deposita quotiens balnea veste petit, Psilothro viret aut acida latet oblita creta Aut tegitur pingui terque quaterque faba. Cum bene se tutam per frondes mille putavit, Omnia cum fecit Thaida Thais ölet,

Eine an eine kokette Schöne gerichtete Ode des


  • ) Dufour a. a, 0. Bd. I S. 197.


— 2o2 —

Horaz (11, 8) schliesst mit den Worten: „Doch fürchten •die Mütter für ihre Jungen, auch sparsame Greise und arme kurz vermählte Frauen, es möchte Dein Dunstkreis die Männer fesseln." Der odor hircinus der Achsel- höhlen spielt in der zwölften Epode des Dichters •eine EoUe.

Ausonius warnt bei dem Worte „Cysthus" {= pudendum muliebre) davor, zu glauben, cysthum herbam lanuginosam et cysthum pudendum muliebre •ejusdem odoris esse.*)

Unter den modernen Dichtern erwähnt Shake- speare den „Odor di femina":

Ach, Julia! Ist Deiner Freude Maass

Gehäuft wie meines, und weisst Du mehr die Kunst,

Sie kund zu geben, würze rings die Luft durch Deinen Hauch,

(Romeo und Julia.)

Und an einer anderen Stelle:

Wenn nichts als einzig der Geruch mir bliebe, —

Die Lieb' zu Dir würde doch nicht kleiner;

Denn von den Dünsten Deines Angesichts

Steigt Atemdunst, der Liebe erzeugt durch Riechen.

In „Cymbeline** (II, 2) heisst es: „Es ist ihr Hauch, der so durchduftet das Gemach."

Eine] eigümentliche Stelle über die sexuelle Wirkung der männlichen Ausdünstung auf die Frau findet sich in Grimmelshausen's „Simplicius Simplicissimus** (im „Anhang und erster Continuatio'^): „Grobe Arbeiten zu verrichten, war mir ungelegen, weil ich nie gerne dicke Bretter gebohrt, aus Furcht, die in meinen subtilen


1) Schur ig „Muliebria". Dresd. 1729 S. 48.


— 263 —

Händen aufEahrenden Blasen dürften mich gar zu sehr brennen, und mein nach einem Bock riechen- der lieblicher Schweissgeruch möchte das schöne Frauenvolk, das ich doch ziemlich anfing zu hassen, mir nur wieder zum Verdrusse herbei- locken."

Der französische Dichter Parny schildert in seinem Gedicht „Le revenant", wie er nach seinem Tode als Geist der Geliebten nahen wolle, aber so leise, dass er nur die Feder ihres Kopfputzes und das gekräuselte Haar, auf dessen Duft es abgesehen sei, fächele. Aehnlich sagt er im „Cabinet de Toilette":

Ce chapeau, ces rubans, ces fleurs, Qui formaient hier sa pamre De sa flottante chevelure Conservent les douces odeurs.

Auch Chateaubriand schildert in „Atala" die eigentümlichen Wirkungen des Haarduftes: „L'autre jöur le vent jeta tes cheveux sur mon visage, tandis que tu te delassais sur mon sein; je crus sentir le leger toucher des esprits invisibles."

Friedrich von Schiller besass eine eigentümliche Idiosynkrasie des Geruchssinnes. Denn er wurde, wie allgemein bekannt ist, durch den Geruch fauler Aepfel, in die schönste poetische Stimmung versetzt. Oefter kommt er auch in seinen Werken auf die menschliche Ausdünstung zu sprechen. „Und Nektarduft von Mädchen- lippen sogst." (An einen Moralisten). „Die Wollust Deinen Hauch zu trinken.*' (Das Geheimnis der Remi- niscenz).

„Dein Geruch ist Mord*' (Don Carlos V,4) und:


— 264

Die Seelen schienen ohne Worteslaut Sich ohne Mittel geistig zu berühren Als sich mein Atem mischte mit dem ihren.

(D. Braut von Messina 11,5)

Hauff sagt an einer Stelle in „Abner der Jude, der nichts gesehen hat": „Mach' nun keine Umstände, hier muss der Sklave vorbeigekommen sein; riechst du vielleicht noch den Duft seines Schweisses in der Luft?"

Franz Grillparzer gehörte ebenfalls zu den durch den Geruchssinn sexuell erregbaren Menschen. „Es ist ^och eine sonderbare Sache um das menschliche Herz. Ich liebte A * * nie, oder wenn ich sie liebte, so waren es höchstens zwei Tage; sie ward mir mit jeder Stunde gleichgültiger, und die Liebe erstarb mir wie eine erlöschende Lampe. Sie hatte mir öfter, ich ihr manchmal Bücher geliehen, und jedes, das ich von ihrer Hand erhielt, hatte den Duft eines Parfüms an sich, dessen sie sich zu bedienen pflegt. Nun sind es allbereits vier öder fünf iStonate, dass wir einander ganz gleichgültig sind, und nun erst schickt sie mir Schillers „Don Carlos", den ich ihr einst in jenen frohen Stunden geliehen. Kaum kommt mir der Duft des Geruches entgegen, so kommt mein Herz in Bewegung, ich denke nur an sie, überall schwebt sie mir vor, und es hätte wahrscheinlich in den ersten Momenten nur ihrer Anwesenheit bedurft, um meine Leidenschaft (zwar vermutlich nicht auf längere Zeit) aber gewiss flammender als je anzufachen. Jetzt, da ich das schreibe, ist zwar das Phantom schon halb und halb entschwunden, aber seltsam ist es doch beim

Himmel !"0


^) „B^eiu^tnisse Franz GriUparzers^' in Frankf. Zeitang*' Tom 12. Febr. 1893.


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In F. W. Hackländers .yKullen heisst es: „Auch vehte durch diesen Raum jener unsagbar süsse Duft, der uns das Bewohntsein durch eine geliebte Person verkündet, ein Duft, der nicht ausschliesslich Parfüm ist, der aber mehr entzückt, ja berauscht als alle Wohl- gerüche Arabiens."

Fort mit dem Geruch, dem zauberhaften; er mahnt mich An die Haare, die mir einst aUe Sinne bestrickt

singt E. Mörike; und Fr. Bodenstedt:

Was ist der Duft, den Schiras' Flur uns herhaucht mit den Winden, Verglichen mit der Düfte Hauch, die Deinem Mund entschwinden?

Heinrich Heine, der von sich selbst sagt, dass er aus Sauerkraut und Ambrosia zusammengesetzt sei, lässt die menschlichen Ausdünstungen oft in der cynischesten Weise zu ihrem Rechte kommen, wie G. Brandes aus- führlich darlegt^)

In Richard Wagner *s „Siegfried" redet dieser die Brünhilde an:

Süss erbebt mir ihr blühender Mund: Wie mild erzitternd mich Zagen er reizt! Ach, dieses Athems Wonnig warmes Gedüft!

Eine sehr interessante Stelle enthält der Roman „El Gusano de Luz" (Das Johanniswürmchen) des spanischen Schriftstellers Salvador Rueda. Ein junges Mädchen ist einem Bauernburschen begegnet und ihr blieb „seit dem Tage des Vorfalls, im Geruchssinn eine gewisse Empfindung von menschlichen Wesen." Später begegnet sie ihrem Onkel. „Das Mädchen atmete die

') G. Brandes „Hauptströmungen der Litteratur des 19. Jahr- hunderts" 6. Bd. Leipzig 1899 Verl. von H. Barsdorf. S. 104 bis 200. Vgl. bes. das Kapitel „Heine und Aristophanes" S. 171 — 187.


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Empfindung (den Duft) ein, welcher ihr seit jener Be- gegnung mit dem Bauemburschen in den Sinnen ge- blieben war, nur mit dem Unterschied, welchen sie so- gleich wahrnahm, dass der Duft des Onkels intensiver war, so etwa, wie man zwischen altem und neuem Wein einen Duftunterschied wahrnimmt." Sie pflegte ihm (dem Onkel) den Hut abzunehmen, in denselben die Nase zu stecken und in dessen Futter jenen specifischen Duft zu suchen, den sie nie vergessen konnte . . . . * Hätte man sie unter einer Anzahl Hüten, denjenigen ihres Onkels aussuchen lassen, so hätte sie denselben blos durch den Geruch sofort erkannt.*'

Konrad Telmann sagt einmal in der Novellen- sammlung „Schattenpflanze'*. „Es schien ihm, als schwebe hier noch der eigentümliche Duft, der von Thessas Haaren oder Gewändern ausströmte und der ihm in ihrem Boudoir damals schon aufgefallen war, um seinen Platz. Er kannte diesen Duft nicht, aber es war für ihn etwas Berauschendes darin.*'

Edmond de Goncourt beschreibt in „La Faustin** wie die Schauspielerin den Lord Annandale an ihrem Busen riechen lässt. „Riechen Sie; was riechen Sie? sagte sie zu Lord Annandale. — Nun, die Nelke er- widerte er und genoss sie mit seinen Lippen: — Was noch? — Ihre Haut." — In „Renee Mauperin** von dem- selben Schriftsteller und seinem Bruder Jules heisst es: „Schliesslich lebte sie nur noch durch ihn und für ihn, durch seine Gegenwart, die Gedanken an ihn, seine Zukunft, sein Bild, durch das, was sie von ihm mitnahm, wenn sie ihn gesehen hatte. Sobald sie von ihm schied, fuhr sie mehrmals mit ihren Händen durch seine Haare und zog dann schnell ihre Handschuhe an. Und diesen


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ganzen und folgenden Tag atmete sie an der Seite ihres Mannes, neben ihrer Tochter, in ihrem Innern, indem sie an ihrer flachen Hand, die sie nicht gewaschen hatte, roch, ihren Geliebten ein, da sie den Duft seiner Haare einsog."

J. K. Huysmaus hat in „A rebours" in dem Herzog Des Esseintes einen Geruchsfetischisten geschildert, der mit Hülfe zahlreicher Parfümein Riechsymphonien schwelgt. Nachdem er in seinem Zimmer die verschiedensten Düfte ausgesprengt hat, „blies er einen leichten Regen von Menschen- und beinahe Katzendüften hinein, die nach Unterröcken rochen und die gepuderte und geschminkte Frau ankündigten: Stephanotis, Ayapana, Opoponax, Zypern, Shanipaka, Sarcanthus; darauf setzte er eine Ahnung Seringa, um diesem künstlichen Leben der Schminke eine natürliche Blüte von schweissgebadetem Lächeln (!) und von Freuden, die im Sonnenbrand umher- tollen, hinzuzufügen/'*)

Maurice Barrys verweilt besonders bei scato- logischen Schilderungen in seinen Romanen.

Auch Leo Tolstoi kennt die Beziehungen des Gefuchssinnes zum Geschlechtsleben. In „Krieg und Frieden'* lässt er den Grafen Pierre plötzlich den Ent- schluss fassen, die Prinzessin Helene zu heiraten, als ^r auf dem Balle ihren Duft riecht; und in der Erzählung ^,Die Kosaken spricht er nie vom Onkel Jeroschka, ohne seines Geruches zu gedenken. („Zugleich mit ihm war in die Stube ein kräftiger, aber nicht unangenehmer Geruch gedrungen.")

^) Auch Senancour meint in seinem „Obermann" dass eine Reihe verschiedenartiger Wohlgerüche eine ebenso reiche Melodie enthalte, wie die Musik. Er meint durch den Geruchssinn die ver- borgenen Harmonien des Daseins erfassen zu können. Vergl. G. Brandes a. a. 0. Bd. I, S. 88.


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Ich habe schon oben (S. 45 — 46), bei Erwähnung der Cadet-Devaux'schen Abhandlung, des grossen Interesses gedacht, welches unser grösster Dichter Goethe an der Frage der „Atmosphere de la femme" genommen hat. Es war der Driburger Badearzt Anton Theo bald Brück (geb. 29. Sept. 1798, gest. 22. Juli 1885 als Geheimer Sanitätsrath) , welcher Goethen einen Auszug der Abhandlung des französischen Forschers mit eigenen Bemerkungen übersandte. Dieser Auszug fand sich in Goethe's Nachlass und ist abgedruckt im ersten Bande der von F. Th. Bratranek herausgegebenen natur- wissenschaftlichen Correspondenz Goethe 's (Leipzig 1874 S. 74—78). In dem diese Sendung begleitenden Briefe Brück's, datirt Osnabrück, den 8. Februar 1825 heisst es u. a.: „Dem Leser der Hefte zur Naturwissen- schaft und Morphologie" ist es aus den Aeusserungen Ew. Excellenz bekannt, wie grosse Freude es Ihnen ge- währe, eine Region nach der andern des grenzenlosen Naturreichs sich aufklären und, was Sie längst im Glauben und Ahnen vorgesehen und oft nur leise im Allgemeinen angedeutet, nun von andern Seiten her bestimmt aus- gesprochen und im einzelnen nachgewiesen zu sehen. . . Den vorliegenden Blättern glaub' ich insofern einen Werth beimessen zu dürfen, als sich darin jene Wenigen von Gott verliehene Gabe Ew. Excellenz: durch ein Ahnen und — möcht' ich sagen — Hineinfühlen in das Naturleben dessen Innerstes zu ergründen, wiederum beurkundet.*' Brück fügt seinem Auszuge der Cadet- Devaux'schen Abhandlung einfge interessante eigene Bemerkungen hinzu. „Mit ernstem Blicke betrachtet", sagt er, „scheint diese Atmosphärologie nicht ganz aus der Luft gegriffen. Keinem scharfsinnigen Be-


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obachter (und wenn er auch lebhaft fühlt) wird die be- sprochene „Atmosphäre des femmes*' entgangen sein; aber dass man selbst ihrer bezaubernden Kraft nicht ebenso leicht entgehen könne, wie den durch andere Sinne einwirkenden Reizen des Weibes, bezweifle ich sehr. Es möchte von schwacher Selbstbeherrschung von vorherr- schender Tierheit zeugen bei einem Manne, der durch jenen Dunstkreis bezaubert würde! Wahrlich, weit edlere und seelenvollere Reize verlieh die Natur dem Weibe! Die grosse Gewalt desselben über uns ge- stehen wir daher Herrn C.-D. nicht ein und schieben

sie gern den sinnlichen Sultanen zu Aber, wie

gesagt, die Sache selbst hat Grund. Schreiber dieses übernimmt es, ohne unter zehn Malen ein Mal zu irren, zu bestimmen, ob in einem Gemache ein Mann oder eine Frau geschlafen habe, wie ihn denn auch überall, unter den von C.-D. angegebenen Bedingungen, die .»Atmosphäre des femmes** bestimmt und nicht eben un- angenehm anspricht. Es gehört dazu nicht gerade eine so feine Nase, wie jener Mann hatte, wovon — irre ich nicht — Zimmermann in seinem Werke „von der Einsamkeit" erzählt, welcher gewisse Tugenden und Un- tugenden spürte. — Neu ist also die Sache nicht; denn abgesehen davon, dass längst unsere Physiologen von einer „unmerklichen Ausdünstung" sprachen: können wir auch in einem unserer grössten Dichter ähnliche Stellen, wie die oben von Parny angeführte nachweisen. In Goethe 's „Faust" sagt Mephisto zu Faust:

Indessen könnt Ihr ganz aUein

In aUer Hoffnung künftiger Freuden

In ihrem (Gretchen's) Dunstkreis satt euch weiden.


- 270 — Und in Gretchen's Kammer ruft entzückt Fanst:

Umgiebt mich hier ein Zauberduft?

„Wenigstens glauben wir mit demselben Rechte diese Stellen hierher ziehen zu können, als mit welchem Goethe selbst jene Stelle aus seinem „Faust** wo der schwarze Pudel einen Lichtstreifen im Laufe nach- zieht, für eine „dichterische Ahnung und nur im halben Bewusstsein geschriebene** erklärt, und sie als eine wirkliche optische Erscheinung in seinen Heften „zur Morphologie" (Bd. 1, Heft 4. S. 258) nachweist. Auf jeden Fall möchte es höchst erwünscht sein^ wenn dieser scharfsinnige, feinfühlende Be- obachter aller Naturerscheinung selbst sich hierüber auszusprechen nicht verschmähte!"

Wie hat sich Goethe zu diesem letzteren Wunsche des jungen wissbegierigen Arztes verhalten? Darüber hat Carus Sterne interessante Nachforschungen ange- stellt*). Nach ihm ist es nicht bekannt, ob Goethe diesen Brief beantwortet hat, aber es ist wohl kaum daran zu zweifeln. Dafür spricht schon der Umstand, dass er den Brief sorgfältig aufbewahrte, so dass man ihn in seinem Nachlasse fand. Dem Wunsche, eine wissenschaftliche Abhandlung über das Thema und seine darauf sich beziehenden Wahrnehmungen hat Goethe zwar nicht entsprochen, aber dennoch gab er nach Carus Sterne eine Antwort, die uns beweist, dass er die Sache weiter verfolgt und auch eigenartige Erfahrungen dabei sammelte. Diese Antwort findet sich in einer nach jenem Briefe des Dr. Brück verfassten Partie des zweiten Teiles von „Faust". Wenn im ersten Teile


^) Jäger's MonatsbU 1896 IX S. 58—59.


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nur von der Wirkung der weiblichen Ausdünstung auf Männer die Rede war, welche allein von Cadet- Devaux und Brück berücksichtigt wurde, so schildert Goethe hier umgekehrt die gefangennehmende Wirkung des männlichen Duftes auf weibliche Herzen:

Junge Dame (entzückt): Zum Weihrauchsdampf was duftet so

gemischt. Das mir das Herz zum innigsten erfrischt?

Aeltere. Fürwahr! es dringt ein Hauch tief ins Gemtite,

Er kommt von ihm!

Aelteste. Es ist des Wachstums Blüte,

Im Jüngling als Ambrosia bereitet

Und atmosphärisch rings umher verbreitet.

Im dritten Akte heisst es:

Chor. Sage, gibt's auch Tänzer da?

Phorkyas. Die besten! goldgelockte frische Bubenschaar; Die duften Jugend! Paris duftete einzig so, Als er der Königin zu nahe kam.

Carus Sterne weist auf den „tief psychologischen" Zug in der ersten Stelle hin, wo die jüngste Zu- schauerin die Einwirkung zunächst spürt, ohne noch recht zu wissen, woher es kommt, dann von der älteren belehrt wird, dass es von Paris, dem schönsten der Männer, ausgehe, worauf die älteste mit ihrer gereiften Erfahrung gleichsam warnt, nicht etwa zu glauben, dass dieser Duft aus einem Parfümerieladen stamme, sondern es sei des „Wachstums Blüte?

Hiernach kann wohl nicht bezweifelt werden, dass Goethe sich mit den Problemen der sexuellen Osphresio- logie eingehend beschäftigt hat.


VlI. Schluss.

In dem Vorhergehenden habe ich die Thatsachen der sexuellen Osphresiologie in anatomischer, physiologischer, pathologischer Hinsicht zusammengestellt und nachge- wiesen, welche tiefe Spuren dieselbe im Volksglauben und in den Moden hinterlassen hat, Spuren die von der einstigen grossen Bedeutung der Gerüche Mr das menschliche Ge- schlechtsleben ein deutliches, auf keine Weise hinwegzu- leugnendes Zeugnis ablegen.

Es wirft sich nun die Frage auf: Wie gross ist diese Bedeutung heute? Wie wird sie sich in Zukunft gestalten ?

Plato (dem sich übrigens später Thomas Morus in der „Utopia" anschloss) setzte noch im „Staate" (De Kepublica IX S. 264 ed. Bipont.) die Wohlgerüche auf gleiche Stufe mit den Geistesfreuden. Dem Urteil des grössten Philosophen des Altertumes steht das- jenige des grössten Philosophen der Neuzeit, Kant's, entgegen, das ich gleich im Anfange dieses Werkes mitgeteilt habe. Nach Kant hat Arthur Schopen- hauer sich mit der Frage nach dem Werte der Kultur des Geruchssinnes beschäftigt und ist ebenfalls zu dem Besnltate gekommen, dass beim Menschen der Gremchs-


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sinn der niedrigste Sinn sei*), zugleich ein rein affek- tiver Sinn und daher für die Psyche des modernen Menschen ton sehr inferiorer Bedeutung^. Der objektiven Anschauung dienen nach Schopenhauer eigentlich nur zwei Sinne: der Tast- und Gesichtssinn. Sie allein liefern die Data, auf deren Grundlage der Verstand die objektive Welt entstehen lässt. Die anderen drei Sinne: Gehör, Geruch, Geschmack, bleiben in der Hauptsache subjektiv. Denn ihre Empfindungen deuten zwar auf eine äussere Ursache, aber enthalten keine Data zur Bestimmung räumlicher Verhältnisse derselben. Daher können jene drei Sinne zwar dienen, uns die Gegenwart der unsschon anderweitig bekannten Objekte anzukündigen. Aber auf Grundlage ihrer Data kommt, keine räumliche Konstruktion, also keine objektive Anschauung zu Stande. Aus dem Geruch können wir nie die Eose konstruieren.^) — Auch nach Max Nordau hat das Rieqhen gegenwärtig an der Erkenntnis des Menschen kaum mehr einen Anteil, da er seine Eindrücke von der Aussenwelt nicht mehr durch die Nase, sondern hauptsächlich durch Auge und Ohr erlangt. Zu den Begriffen, welche aus einzelnen Bestandteilen der Vor- stellungen gebildet werden, liefern Geruchswahrnehmungen nur einen verschwindend kleinen Beitrag.*)


') A. Schopenhauer „Die Welt als Wille und Vorstellung" Lpz. 1891 Bd. II S. 38.

  • ) „Gerüche aber sind immer angenehm: Geschmäcke noch

mehr. Die beiden letzteren Sinne sind also am meisten mit dem Willen inquiniert: daher sind sie immer die unedelsten i^nd von Kant die subjektiven Sinne genannt worden." A. Schopenhauer .,D. Welt ab Wille u. VorsteUung.« Bd. I S. 270.

  • ) A. Schopenhauer „lieber die vierfache Wurzel des

Satzes vom zureichenden Grunde" in: Werke Bd. III Lpz. 1891. S. 67—68.

  • ) M. Nordau a. a. 0. II, 408.

Hagen, die sexueUen Gerüche. 18


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Die Richtigkeit dieser Ansicht wird bestätigt durch die phylogenetische Abschwächung des Geruchs- sinnes beim Mijnschen und den Primaten. Während bei den Säugetieren piit ausgebildetem Geruchssinno das Geruchsorgan sehr komplizierte Einrichtungen auf- weist, ist beim Menschen und auch bei den übrigen EMmaten, eine Rückbildung des Riechorgans erfolgt. Es ist nur noch in einem verkümmerten Zustande. Dies drückt sich vor allem aus in der bedeutenden Rückbildung des Riechlappens des Gehirns, dos Lobus olfactorius und jener Teile des Grosshirns, welche, mit dem Lobus olfactorius in Zusammenhang stehend, die zentralen Apparate des Riechorganes vor- stellen. Als solche erweisen sich vornehmlich der Gyrus Hippocampi mit dem Ammonshom, dann dio diesem angeschlossene Fascia dentata mit den Fthir Setzungen auf die Balkenoberfläche, wo die Längsstriifem Rudimente eines Gyrus marginalis sind, der mit denn Gyrus fornicatus zusammen gehört, von dessen frontalem Abschnitt auch beim Menschen noch Züge ia den Traktus olfactorius gelangen. Diese sämtlichen Gebilde befinden sich beim Menschen, mit jenen der Säugetiere mit ausgebildetem Geruchssinne verglichen y im Zustande grösserer oder geringerer Rück- bildung. Die relativ geringe Ausbildung des Gyrus Hippocampi hat noch die Entstehung der Sylvischen Grube zur Folge, welche den Säugetieren mit entwickeltem Geruchssinne abgeht*). Die gleiche Rückbildung weisen die peripheren Gebilde des menschlichen Geruchsorganes


') C. Gegenbaur »^Lehrbuch der Anatomie des Menschen". 4. Aufl. Lpz. 1890 S. 407.


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auf. Die Nasenmnsclieln sind, wie Gegenbanr sich ausdrückt, nur ein „Ueberrestviel reicherer Gestaltungen.** Während die untere Muschel auch bei den Säugetieren mit entwickeltem Geruchssinne direkter Beziehungen zum Riechapparat entbehrt, sind es nur die oberen vom Ethmoidale ausgehenden Muscheln, welche jene Be- ziehungen bewahren, aber in ihren bei den Primaten viel einfacheren Verhältnissen die stattgefundene Rück- bildung erkennen lassen. Ob von einer vorderen oberen Muschel, wie sie bei Säugetieren als Nasoturbinale besteht, beim Menschen ein Rudiment vorkommt, ist nicht ganz sicher.*) Hyrtl weist darauf hin, dass der geringe Umfang der Regio olf actoria beim Menschen CS verschuldet, dass unser Vermögen zu spüren und zu wittern weit hinter jenem der Tiere zurücksteht.*)

An die Stelle des Riechlappens ist beim Menschen der Stirnlappen, der Sitz der höchsten Geistes- verrichtungen und der Sprache getreten.

Daher ist die Tbatsache verständlich, dass der am meisten fortgeschrittene Mensch eine Einbusse an der Schärfe des Geruchssinnes erleidet und dass umgekehrt die wilden Völker, welche sich noch auf primitivster Geistesstufe befinden, sich durch eine auffallende Schärfe des Geruchssinnes auszeichnen. Die höhere Entwickelung der Sprache und höheren Psyche erfordert eine ausser- ordentliche Oberflächenvergrösserung des Gehirns und der Stimlappen, so dass der Umfang des Olfactorins- zentrums sich verkleinerte. Auge und Ohr wurden die Hauptsinneswerkzeuge. Der Geruchssinn trat zurück.*)

^) Gegenbaur a. a. 0. S. 529.

^ J. Hyrtl „Lehrb. der Anatomie des Menschen." 20. Aufl. Wien 1889. S. 603.

  • ) Zwaardemacker a» a. 0. S. 1—2.

18*


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Ans der letzteren Thatsache erklärt es sich, dass Ange nnd Ohr auch im Geschlechtsleben des Menschen das XJeb ergewicht gewonnen und den Geruchssin aus seiner einstigen mächtigen Stellung in der menschlichen Sexualität verdrängt haben. Es ist daher verständlich, dass der Geruchssinn bei Blinden noch eine grosse Bolle spielen muss'). Moll betrachtet besonders den Gtesichts- und Gehörsinn als diejenigen Sinne, welche gegenwärtig die meisten Beziehungen zum Geschlechts- leben haben.^

Die kulturellen Einflüsse, welche die sexuelle Bedeutung des Geruchssinnes verringert haben, sind ebenfalls durchaus nicht zu unterschätzen. Lombroso macht mit Recht darauf aufmerksam, dass die Civilisation vor allem die Bekleidung des ganzen Körpers eingefühi-t hat, wodurch der natürliche Geruch des Weibes und Mannes, der früher von so grosser sexueller Wichtigkeit war, der Wahrnehmung so gut wie ganz entzogen werde. Jetzt konnten sich erst die vom Gesichts- und vom Tastsinn ausgehenden anziehenden und sexuell erregenden Eindrücke entwickeln, wodurch die „Lippen und Brüste des Weibes in erotische Organe verwandelt wurden."®) Ferner tragen die beim zivilisierten Menschen


^) „Es wird mir ferner von einem Herrn, der auf dem Gebiete des Blindenwesens viele Erfahrungen hat, mitgeteilt, dass der Geruchssinn bei den Blinden eine grosse Rolle spielt. UnwiU- kttrlich stecken Blinde, wenn sie mit einander sprechen ihre Köpfe sehr nahe zusammen, ohne sich aber dabei zu berühren. Möglicher- weise kommt eine Differenzierung der Geschlechter durch den Geruch bei Blinden noch hinzu, und es wäre nicht unmöglich, dass auch beim Geschlechtstrieb der Geruchssinn für die Blinden eine grössere Rolle spielt." Moll „Libido sexualis" I, S. 138.

2) ibidem S. 133.

") C. Lombroso „La Femme criminelle." Paris 1896, S. 112.


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zur Gewohnheit gewordenen Waschungen und Bäder viel dazu bei, die natürlichen Körpergerüche zu ver- mindern. In gewissem Sinne dienen auch, wie wir sahen, die künstlichen Duftstoffe zur Verdeckung und Beseitigung der geschlechtlichen Ausdünstungen/)

Aus allen diesen Thatsachen zieht Moll den Schluss, dass nicht nur beim Menschen in Zukunft allmählich die Fähigkeit schwinden wird, die natürlich erotischen Riechstoffe wahrzunehmen, sondern dass diese selbst auch abnehmen bezw. verändert werden können, da sie zur sexuellen Auslese nicht mehr gebraucht werden. Organe und Fähigkeiten, die nicht gebraucht werden, gehen zu Grunde.*)

Nach alledem muss, wie ich schon am Anfange dieses Werkes bemerkte, eine übermässige Kultur des Geruchssinnes beim Menschen als eine Art von Atavismus angesehen werden. Schon das Altertum ahnte dies dunkel. Martial und Juvenal verspotten die ihrem Geruchssinne eine zärtliche Aufmerksamkeit widmenden Männer, welche sie mit den Epitheta der „molles" und effeminati" belegten. Der hl. Hieronymus bemerkt in der Rede gegen Jovinianus: „Odores etdiversathimiamata et amomum, et muscus et peregrini muris pellicula, quod disso- lutis, et amatoribus conveniant, nemo, nisidissolutus negat.'* Aehnlich urteilen wir Neueren. Selbst Mantegazza, der den Wohlgerüchen sonst das Wort redet, sagt : „Es


  • ) Ueber die künftige Bedeutung der Parfüme macht Moll

die interessante Bemerkung, dass die Parfüme deswegen niemals eine grosse sexuelle Bedeutung gewinnen werden, weil sie im Laufe der Zeiten wechseln, und daher niemals eine Festigung der Reaktion auf künstliche Gerüche eintreten kann, j

2) Moll „Libido sexualis" I S. 379—380.


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ist schwierig, langpe in der sdiwülen Atmosphäre der Wollust zn verweilen, ohne einen grossen Teil der edlen Kräfte zn opfern, welche zn höheren Aufgaben bestimmt sind; deshalb kann in Wahrheit die leidenschaftliche Hinneigung zn Wohlgerfichen keinen guten moralischen Einfluss auf uns ausüben. Wer sich der wannen, kitzelnden Welle der Wohlgernche hingiebt, stählt seine Kräfte nicht mehr zu einer keuschen, starken Männlich- keit, sondern presst die Frucht des Lebens bis auf den letzten Tropfen aus und ersinnt selbst in der Er- schlafhng neue Grenüsse."*) Auch Giessler betont nachdrflcklich , dass beim geistig normalen, kulti- virten Menschen die erotischen Oernche wohl eher abstossend als anziehend wirken.*) Aehnlich, wie wir sahen, Brttck.

Die „Parfümsymphonien", welche Fleury so phantastisch ausmalt'), wären, falls sie wirklich, wie in Huysman's „A rebours," verwirklicht würden, der ungeheuerlichste Rückschritt! Eine übermässige Cultur des Geruchssinnes verweichlicht den Menschen nicht nur, sondern bringt ihn auf die Erkenntnis- und Wahr- nehmungsstufe der niedrigen Säugetiere zurück.

Der normale Mensch wandelt durch die Welt, ohne durch Geruchseindrücke sexuell erregt zu werden. Ja, er wird sich kaum noch derselben bewusst. In absehbarer Zeit wird die sexuelle Osphresiologie wohl nur noch in der menschlichen Pathologie eine Rolle spielen und der beste Geruch den der normale Mensch kennt,


') P. Mantegazza ,^hysiol. der Liebe'*. S. 184.

  • ) Giessler a. a. 0. S. 44.

•) R. Fleury a. a. 0. S. 45—46.


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Wird warziger Tannenduft sein oder jene Loft, die „über grosse Wasserflächen oder öde Felsen , welche beide nichts mit den Anshauchnngen von beweglichen oder anbeweglichen lebendigen Wesen, von Tieren oder Pflanzen zu schaffen haben, hingeht, und der belebendste aller Parfüms ist." (No6)


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32. „Untrodden Fields of Anthropology" By a French

Anny-Surgeon. Paris 1898, Bd. I, 8^ XL, 343 S., Bd. II, 502 S.

33. Jo. Benedicti Sinibaldi Archiatri et Professoris Eomani „Geneanthropeiae sive de hominis generatlone Deca- teuchon etc." Frankfurt^ J. P. Zubrodt, 1669. — 4®, 851 S. u. Index.

34. R6n6 Fleury „L'art des paifums** in: La Vogue. Revue mensuelle Nouvelle S^rie. Tome IV. Paris 1900. — 8^ S. 38—46.

35 Leopold Bernard „Les odeurs dans les. romans de Zola" Montpellier, Camille Coulet, 1889. — 8^ 29 S.

36. Montaigne „Essais** Nouv. 6dit. par J. V. Leclerc. 3e 6dit. Paris, Garnier Fröres, 1878. 8^. Bd. I (Livre I Chap. 55) S. 290—292.

37. Eugen Dühren „Studien zur Geschichte des menschlichen Geschlechtslebens.** Bd. I: Der Marquis de Sade und seine Zeit. Ein Beitrag zur Cultur- und Sitten- geschichte des 18. Jahrhunderts. Mit besonderer Beziehung auf die Lehre von der Psychopathia sexualis. — 2. Aufl. Charlottenburg, H. Barsdorf, 1900. — 8^ VI, 502 S.

38. Vicomtesse Nacla ,,Le Boudoir, Conseils d'El^gance** Paris, E. Flammarion'* s. a. 8«, VI, 313 S.


~ 284 —

39. Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen . IT. Jahrg. herausg. von M. Hirschfeld Leipz. Spohr, 1900, 8^ 11, 483 S.

40. Le Sire de Chambley (Edmond Haraucourt) „La legende des sexes. Poemes Hyst^riques et profanes." Brüssel 1893, 8^ 96 S.

41. „Odor di Femina" Amours Naturalistes. Par E. D. Auteur de Mes amours avec Victoire. London, Imprimerie de la Soci6t6 Cosmopolite, 1890, 8^ 172 S.

42. Charles Baudelaire „Les Fleurs du MaP* Nouv. Edit. Paris, Calmann L6vy, 1898, 8^ 411 S.

43. Charles Baudelaire „Petits Poemes en Prose.** Nouv. edit. Paris, C. L6vy, 1892, 8^ 471 S.

44. R6tif de la Bretonne ,,L'Anti- Justine ou les D^lices de l'amour" Nouv. 6dit sans supressions conforme ä Celle originale de 1798. Brüssel 1890 8^ XH, 144 S.

45. „Les Amours secrets de M. Mayeux, !^crites p3r lui-m§me. Brüssel, chez les marchands de Nouveaut6s, 1832, kl. 80, 64 S.

46. „Aus den Memoiren einer Sängerin." Bucarest, Verlag von Jacob Casanova Bd. I, 205 S., Bd, II, 207 S.

47. Antonii Panormitae „Hermaphroditus". Primus in Germania edidit et apophoreta adjecit Frieder. Carol. Forbergius. Coburg, Mensel, 1824. 8», XVI, 406 S.

48. Bibliotheca Scatologica ou catalogue raisonn6 -des livres traitant des vBrtus falts £t ^Ktes de. ixta noble et tr^s ing^nieux Messire Luc (A Rebours) seigneur de la Chaise et autres lieux etc. Dispos6 dans Tordre de lettres K, P, Q, traduit du Prussien et enrichi des notes trös congruantes au siget Par trois Savants En üs. Scatopolis (Paris) 5850 (1850) 8^ XXXI, 143 S. Verfasser: P. Jannet, J. P. Payen, Aug. Veinant.


— 285 —

49. Rabelais* „Gargantua und Pantagruel** A. d. Franz. von F. A. Gelbcke. Leipz., Bibliogr. Institut, o. J. 80 Bd. I, 495 Ö.; Bd. U. 428 S.

50. „Aphrodite Flagellatrix. Venus School. Mistress or Birchen Sports." Reprinted from the Edition of 1788, with a Preface by Mary Wilson, containing some account of tlie late Mrs. Berkley. Paris, Soci6t6 des Bibliophiles, for the Delectation of the Amorous and the Instruction of the Amateur in the Year of the Excitement of the Sexes. 1898. 8<> XV, 127 S.

51. ,Jjes Serails de Londres ou les Amüsements nocturnes etc. Traduit de l'Anglais. Sur Timprime de Paris, chez Barba (1801), Chez Henry Kistemaeckers, Brüssel s. a. 8^, XV, 249 S.

52. „Les Amours de Napoleon III.** Par TAuteur de la femme de C6sar. Genöve-Bruxelles-Milan-Turin-Londres. Libraire et Imprimerie Universelle. 8^ 4^Bände.

53. Retif de la Bretonne „Le Palais Royal." Neudr. Brüssel, A. Christiaons, o. J., 3 Bde. Bd. II „Les Sunamites** S. 1--139.

54. J. H. Cohausen „Der wiederlebende Hermippus u. s. w." abgedr. in: Der Schatzgräber in den literarischen und bildlichen Seltenheiten, Sonderbarkeiten etc. Haupt- sächlich des deutschen Mittelalters. Herausg. von J. Scheible. Bd. IL Stuttg. 1847. S. 139—279.

55.Abishag,a Luscious Tale of a Successful Phy siological Search after Rejuvenescence, Fully disclosing the Secret of the only natural and true Elixir capable of effectin g such a desirable necessity. By David 11. Jeimsalem 1851. (Londo.i 1884.) 8«, 24 S.

56. „Exercices de D6votion de M. Henri Roch avec Madame la Duchesse de Condor." Par M. TAbbe de Voisenon,


V


— 286 —

de joyense mtooire et de son vivant Membre de TAcad^mie frantaise. Nouv. £dit. A Vaucluse 1786 8^ VI, 69 S.

57. Jakob Casanova von Seingalt's „Memoiren". Deutsch von L. von Alvensleben. Aufs neue dorchgfesehen von C. F. Schmidt, Leipzig, H. Neubürger, o. J. 8^ 17 Bände.

58. Pierre Dufour ,^Histoire de la Prostitution chez tous les peuples du monde etc. Brüssel, Eozez, 1861. 8 Bände. 8®.

59. Paul llantegazssa „Physiologie der Liebe". Deutsch von Ed. Engel, Jena, Costenoble, 1888 — 8<>, XII, 392 S.

60. Oskar Peschel „Völkerkunde". 6. Aufl. von A. Kirchhoff Leipzig, Dnncker u. Humblot, 1885 — 8®, VIII, 602 S.

61. James Cowles Prichard „Naturgeschichte des Menschengeschlechtes.' ' Nach der 3. Aufl. des engl. Originals herausg. von Rudolf Wagner, Leipzig, L. Voss, 1840 — 1848, 4 Bände.

62. Friedrich von Hellwald „Culturgeschichte in ihrer natürlichen Entwickelung bis zur Gegenwart." Augs- burg, Lampart u. Co. 1875 — 8^ XV, 839 S.

63. H. Haeser „Lehrbuch der Geschichte der Medicin und der epidem. Krankheiten.' ' 3. Aufl. Jena, Gust Fischer, 1875—1882. 3 Bände 8^.


Namen-Rogistor.


A.


Afilsar TOB Snnem, 191 ff. AfranliiR» Lno, 251 Alexander, d. Grosse, 71 Alplnl, Pr., 241 Amman, P., 76 Andree, R., 178, 185 ff. Appnn, 179

BMI8, S. H., 241

BaeOB, 203, 205, 206, 217

B«r6. Hortense, 171

Barres, M., 267

Barteig, M., 51

Baudelaire, Gh., 86, 87, 135, 186,

138, 139 ff, 181, 225 Bauer, G., 178 BeanhamaiB. Josephine, 238


Aristophancs, Aristoteles, 31 Aronsohn, 12 Asher, D., 163 Atkinson, 240 AngBStinns, 224 Ausonius, 262


128


137,


Binet, A., 84, 85, 86, 88, 92, 93^ VT

Boas, J. E. V., 40, 42

Bodenstedt, Fr., 265

Boerhare, 206

Borden, 70

Bonrien, Pater, 173

Brandes, G., 265

BrantOme, 234

BrAek, A. Th^46, 69, 268 ff.

Bnrchard v. Worms, 111

Bnrdaeh, K. F., 3, 84, 37

Bnrkhardt, Jae,, 234


c.


Cadet-Dcvanx, 4<^, 61, 74, 268 ff

Calignla, 116.

Capiraecio, 206

Carrl^re, Mor., 163

Casanova, 93, 99

Chateanbriand, 263

Chimajr, Prinzessin, 175, 176

Cicero, 231

Claye, 240

Clere, Maria v., 92 .

Cloqnet, H., 2, 5, 52, 92, 217, 240, 254.


CofllgBon, A., 115

Cohansen, J. H., 198 ff., 195, 197 ff., 200».

207, 208 ff. 217, 218 Commerson, Ph., 171 Consalri, Cardinal, 184 Cortese, Isabella, 284 Coner, M. de. 247 Crawford, 187 Crnsins, M., 203 Cnjas, 72 Cnllen, Dr, 49


D.


Darwin, Gh., 5, 27, 85, 36, 87, 38, 43,

55, 166—168, 188 Darenport, J., 243 Darid, König, 191 ff. David 11^ 216 Demokrit, 66 Deseartes, R., 88 Destonrtllz, 254


Desmarest, 87 Diez, 91 Dinanx, A., 238 Dio Chryaoftomns, 76. Diogenes LaSrtins, 66. Dioseoridei, 231, 243 Donba, Maler, 217 Da BarrjTi 238, 242


— 288 —


Daboli, R., 40 Du Itoif-Bermond, E., 160 Dafonr, P., 231, 232, 285, 286, 242, 214, 250, 251, 261


DBhren, Eng., 51, 108,

210, 211, 212 Da Frei, K., 78


118, 125, 135, 18J.


£.


E. D. (Odor di femina), 62, 67 Eben, G., 230, 243, 257 Eilet, Caspar, 94 ff. Einstein, L, 163 Elisabeth v. Engld., 247 Ellls, H., 127, 133, 227


Emal. 31.

Endriss, G., 19, 20, 79

Erman, Ad., 172

Ettmmier, Mich., 254

Eulen barg, A., 91, 113, 115, 110


F.


Falke, Jao., 97

Farina, Job. Maria, 239

Farart, Scbaaspielerin, 210

F«r«, R., 3, 39, 109

Ferld-ed-din Attar, 258

Flelnas, Mars., 203, 204

Flearj, R., 4, 138, 224, 229, 230, 233,

2ä7, 250, 278 Flless, W., 17, 18, 19, 20


Forberg, Fr. C, 113 Forestns, 206 Forster, G., 188 Franz !., 242 Frauenstftdt, J., 163 Friedrieh Barbarossa, 203 FrIJs, 187 Frltseh, G., 176


G.


Galen. OL, 117

Oalopln, A., 46 ff., 61, 5^, 56, .')9, 60, 61,

62, 64, 65, 75, 76, 77, 87, 180, 181, 215,

252. 253 Garnier, 132 Gaatler, Th., 136 Gegenbaar, C, 274, 275 Gessner, Konr., 251 Glossier, C. M., f , 21 ff, 82, 253, 278 Girod, 20 Glejr, 96


GOrres, 73

Goethe, 46, 69, 268 ff.

Goinmams, 196

Goneonrt, £. u. J., 210, 266 .

Gottsehalk, S , 80

Gr^try, 46

GrlUparzer, Fr., 264

Grimmelshaasen, 262

Gross, H., 174

Gnnther, R., 57, lll, 112, 176

Gjrnrkoreehky, y., 254.


H.


Haekiftnder, 265

Haeser, H., 235, 242

Ualler, A. y., 4, 7, 10, 14, 48, 51, 72

Hammond, 73

Haraneoart, £dm., 57, 58, 257

Uartmann, Mor., 161

Hartmann, R, 178

Hassreiter, 249

Hanff, AV., 264

Heine. H., 190, 265

Heinrieh 111. v. Frankr., 92. 234

llelnrleh IV. v. Frankr., 76

Hellogabalns, 15

Hellenbaeh, L. B., 164

Hclhrald, Fr. v., 183


Herminpas, 196 ff., 208, 218 Hertwig, R., 35 Hesehl, 80

Heusinger, K. F., 220 HIppokrates, 66, 253 Hoehegger, R., 253 Holmgren, 62 Homer, 261 Horaz, 231, 262 Hoazeaa, 167 Hamboldt, A. v., 167 Hasseln Ali Mirza, 2G0 Hatchlnson, Tli., 177 Huysmans, 150, 267, 278 HyrtI, J., 52, 76, 83, 254, 27e


I. J.


Jüger, G., 3, 28, 32, 33, 44, 45, 53 ft., ^8, .^9, 60, 62, 63, 64, 65, G«;, GS, G9, 70, 72, 73, 77, 78, 82, 83, i)4', 97, 101, 111, 125 ff., 135, 153— 1Ü5, WÜ, 171, 173, 17o,


184, 185, 186, 190, 195, 203, 217, 226,'

227, 246, 249, 251, 252 Jauuet, F., 115 Janns, Madamo, 212 ff.


— 289 —


Joal, Dr., 19

Johanna, KOnigin y. Neapel, 15

Jokai, M., 164


Kalbeek, M., 5

Kant, J., 1, 272

Katharina y. Medioi 234, 247.

Kajser, Job., 196

Klelnpanl, R., 106

Kohl, J. 0., 169


Isabean, Mlle., 179 Jnyenal, 68, 277


K.


Korstakow, 19

Krafft-Ebing, y., 82, 86, 91, 93, 98, 99 ff.,

102, 105 fl:, 115 ff., 117, 122, 130, 132,

133, 134 Kriton, 254. Klllmer, A., 63


La Motte le Vayer, 66. Labonlbfene, 41 Lanson, G., 138 Leyi. Henn., 163 Lewin, 187 Liebieh, R, 174


Mae«, G., 89, 99

Mackenzle, J , 19, 79

Maddalena, Signora, ?46

Malherbe, 72

Mantegazza, P., 75, 170, 250, 277, 278

Marinaliq, G., 234

Marlitt, £., 5

Martial, 117, 244, 261, 277

Mattel, 70

Mandsley, H , 5

Manpassant, G. de, 53, 101

Mejer, G., 63

Meyer, V., 164

Mirabeaii, 231. 254

Mohamed, 260


Naela, Vtesse., 57, 247 Kapoleon I., 238 Napoleon III., 180 Kereiat, A. de, 180 Neri, 118


Oefele, y., 241 OrtTinnm, M., 116


Linn«, 187 Lombroso, 276 Lot!, P., 128 Ludwig XIY., 76 Ludwig XY., 237, 242


L.

Moll, A., 42, 43, 53, 73, 74, 75, 91, 93, 94, 101, 102, 103, 106, 107, 108, 113, 114, 119, 130, 181, 132, 133, 135, 227, 251, 276, 277

Monin, E , 30, 48, 49, 58, .'»G, 60, G2, 63, 65, 68, 70, 72, 73, 168

Monselet, Gh., 108

Montaigne, 4, 71

M9rike, E., 265

Morns, Th., 272.

Mo8t, 92

Motannabi, 260

Mahlenpfordt, E., 167, 171

Malier, Fritz, 32, 54


^.


Kinon de TEnclos, 71

NoS, H., 3, 26, ie9, 279

Nordan, M., 136, 138, 160, 161, 249, 273

Nordkireh, y., 69


o.


Owen, 36


Pallas, 35, 38

Par6, A.. 52

Parny, 263, 269

Parr. Th., 206

Pasehkis, H., 220 ff., 231, 240, 243, 244

Panllini, Ghr. Fr., 16

Peck, H. Th., 228

Penzoldt, 12

Perez, AdI, 246

Pesehel, C. 176

Peyer, A., 20, 81


F.


Pfeiffer, iii Philipp d. Gate, 247 Philostratos, 71 Piesse, 234 Plus IX., 184 Plato, 272 Ploss, H., 49, 50, 51 Plntareh, 71 Poitier, Diana y., 71 Pompadour, 237 Porta, G. B., 234


^ 290 —


Po8selt, W., 178 Ponssiii, Maler, 246 Pratli, J. a., l(>, 17


' Pr^Tttl, O. de, 212 Priehard, J. C, 178


Qnatrefftges, 177 Querlon, 210


Rabelais, 116

B^Sla, P. de, 260

Reclin, Elise, 246

Beles, G. a^ 66

B«ngger. 37

R^tif de la Bretonne, 108 ff., 114, 211 ff., 243

Rhodisinns, L. C, 15

Riehelieu, 237

RIgo, Zigeuner, 175


Qniuanie, Schauspielerin; 210


Rohleder, H., 20 Rosenbanni, J., 76, 113 Ronband, F., 72, 110, 255 Rousseau, J. J., 59 Rudolph y. Habsbnrg, 208 Rneda, S., i65 RuUier, Dr., 49 Rnnge, W., 170


S.


Sarher-Masoeh, L. y., 122

Sade, de, 115, 117, 118. 124, 180, 210, 243

Sadi, 258, 259

Salmuthns, U., 16

SehelTel, V., 195

Schiller, Fr. y., 154, 249, 2t3

Schopenhauer, A., 163, 182, 272, 273

Schurig, 262

S^nancourt, 267

Serrlns, P., 228

Shakespeare, 31, 262

Slnibatdns, J. B., 15, 68, 68


Sokrates, 250

Solnis, Mad. de, 180

Spiegelberg, 257

Sprengel, Ch., K., 27

St.-Germain, Bertr. de, 60

Stark, 135

Sterne, C, 66, 71, 198, 205, 270 ff.

Strack, H., 184

Stratz, C. H., 74

Strants-DOrkheim, 42

SylTins, J., 235

Symonds, J. A., 127, 128, 129


T.


Tallien, Mad.„238, 245

Tardlen, 114, 115

Tardif, E., 30, 34, 39, 59, 69, 77, 109,

114, 143, 171, 179, 226, 234, 237, 238,

239, 243, 247, 251, 253, 255 Tarnon^skj, B., 158


Taxll, L., 116, 118 Telman, K., 266 Tolstoi, L., 267 Trotnla, 242 Turgenjew, J., 152 Turner, W., 7


Vzanne, 0., 247


236


Yalentln, 51 Yenette, 72 Yere. Ed. de, 238 YerTllIe, B6r. de,

Wagner, R., 161, 163, Waitz, 170, 177, 178, ] Wftklln, A., 14 Weil, Louise, 215


V.


Ylrey, 171 Vogt, Carl, 168 Voisenon, C. H. de, 210 ff. Voltaire, 74


265 188


\v.


Welsniann, A., 163 Wiesner, J., 29 Wilhelm II., 248


X.

Xcnophon, 250


Zimmermann, J. G., 228 Zimmermann, 269 Zippe, 92 Zollt, £., 135, 142 ff., 159.


z.


/waardemaker, H , 2, 3, 6, 7, 10, 11, 12,

13, 14, 15, 18, 30, 51, 52, 80, 82, 110, 163, 167, 227, 275


Berger & Behrend. Lucka (S-A.^



Die

Sexuelle


0$PRK€$T0E06Te


Bie BtzkUnm des

6er»cS)$$inne$ n. der 6eritcbe

« ur tneiticDlicbeit « 

6e$cDIecbt$tl)dtig -

Keit. • Uon

JilDmfiiigeti

D. m.



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Dr. Eugen Dühren liefert mit diesem Werke die Fort- setzung seines sowohl in Hinsicht auf die Conception als auch auf die Ausfahrung grossartigen Unternehmens, die gesamte menschliche Kultur unter dem Gesichtspunkte des Sexual- lebens der einzelnen Völker zu beträchten. Mit Eecht hat der den „Marquis de Sade und seine Zeit" behandelnde erste Band dieser „Studien zur Geschichte des menschlichen Geschlechtslebens" in weiten Kreisen Aufsehen erregt als der


'ff . »■ 'i

— 2 —

erstQ Versuch, auf breiter historischer Basis die Sexual- psychologie eines bestimmten Volkes darzustellen. Wenn man Taine's berühmte „Geschichte der englischen Litteratur" auch als eine „Psychologie der englischen Kultur, illustriert durch Gemälde aus der englischen Litteratur" bezeichnet hat, sa hat D Uhren in ähnlicher Weise seine Aufgabe au^efasst, indem er zum ersten Mal — denn es existiert keinerlei Vor- arbeit — unternommen hat, eine Psychologie der eng- lischen Kultur, illustrirt durch Gemälde ans dem Sexualleben d-es englischen Volkes, zu liefern, üeberall wird in diesem Werke das dem Sexualleben des englischen Volkes Eigentümliche hervorgehoben, und es werden aus dem englischen Wiesen und Charakter gewisse typische Er- scheinungen auf sexuellem Gebiete zu erklären versucht: Auf diese Weise weist der Verfasser nicht nur den innigen Zusammenhang zwischen dem Geschlechtsleben und der Kultur des englischen Volkes nach, sondern giebt auch durchaus neue und originelle Aufschlüsse über das Wesen und die Entstehung gewisser abnormer Er- scheinungen auf sexuellem Gebiete.

Ein Blick auf die folgende Inhaltsübersicht lässt die Be- rechtigung dieser Ausführungen aufs deutlichste erkennen:

Vorwort und Vorbemerkungen.

(Antikritisches, Methodologisches, Quellen.)


Einleitung.


Allgemeiner Charakter des englischen Volkes; Historische Stabilität desselben ; Ursache der Eigenart der englischen Basse ; Milton, Kant, Taine u. A. über dieselbe; Englischer Nationalstolz; Realistischer Sinn; Ein Volk der That; Brutalität und Roheit; Jeffreys ein Typus der englischen Brutalität; Der Begriff „Mob"; Beispiele dieser Roheit aus "dem Leben; Die englische Roheit bei Shakespeare, im „Hudibras", in den Romanen des 18. Jahrhunderts, in Hogarth's Bildern; In der Figur des „Punch"; Unglaubliche Roheit in der i?pecifisch erotischen Litteratur; England das Volk der Excen- tricitäten; Der „Spleen"; Psychologische Erklärung desselben;


f

]•


- 3 —

Beispiele des englischen Spleens (Gefrässigkeits-Clnb , Länse- rennen u. a.); Die englische Heuchelei und Prüderie; Zur Psychologie dieser speciflschen Prüderie; Ihr Zusammenhang mit der Immoralität; Ausprägung der Roheit, der Excentricitäten und der Heuchelei im englischen Geschlechtsleben: Ableitung der im hauptsächlichen dem englischem Volke eigentümlichen Erschein- ungen aufs ex uellemGe biete aus diesem allgemeinen Charakter: 1) Die Kaufehe, 2) Die Deflorations- manie und Kinderschändung, 3) Die Flagellomanie, 4) Die Häufigkeit und skandalöse Verhandlung der Ehebruchsprozesse.


Erstes Buch

Die beiden Erscbeinungsfontten des ^ -«i -* -«i Sexiinllebeits« -^ ** -^ -*

Erstes Kapitel.

DU ehe.

1. Die eHglische Fran.

Die englische Schönheit überhaupt; Allgemeine Be- merkungen über die Aesthetik des weiblichen Körpers; Die Schönheit des englischen Weibes; Warum das englische Weib das schönste der Welt ist; Urteile berühmter Beobachter (Archenholtz , Taine, Chesterfield , v. d. Decken, Easch, Addison, Lavater u. A.); Grosse Füsse der Eng- länderinnen; Die englische Frauenschönheit in der Kunst (Lely Kneller, Sir Joshua Reynolds, Gainsborough, Burne Jones).

Ausgang der sogenannten „Frauenemancipation" von England; Wodurch die englische Frau für diese Bestrebungen besonders prädisponirt ist; Frühe Reife, grosse Freiheit, geringes Zartgefühl derselben — England das „Paradies der Frauen" ; Das angelsächsische Weib; Ungünstiger Einfluss des Feudal- systems auf die Stellung der Frau; Frühes Auftreten des Selbst- bewusstseins und des Solidaritätsgefühles der englischen


  • ^im


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Frauen; grauen als Mitglieder der kaufinännischen Gilden; Die Bierbrauerei ein Monopol der Frauen im Mittelalter; Die Frauen in den Boostern; Die gelehrten Frauen des 16, Jahr- hunderts; Das „ßegnum vulvarum"; Eückgang der weiblichen Bildung im 12. Jahrhundert; Mary Asteil; Erste Schauspiele- rinnen; Stellung der Frau um 1700; Beginn der Emancipations- bestrebungen im 18. Jahrhundert; Grosses Selbstbewusstsein der englischen Frau im 18. Jahrhundert; Der Begriff „Blau- strumpf"; Ursprung des Namens; Die blue stocking-Clubs ; Der Salon der Mrs. Vesey; Lord Byron über Blaustrümpfe; Die gelehrten Frauen des 18. Jahrhunderts (Catharina Macaulay, Elizabeth Carter, Lady Mary Wortley Montagu); Die weiblichen Disputationsclubs; Mary Wol- stonecraft, Verfasserin des ersten Werkes über Frauen- emancipation; Analyse dieser Schrift; Inwiefern dieselbe sich vorteilhaft von den modernen Schriften ähnlicher Art unter- scheidet; Die verschiedenen neuen Berufe der Frau; Litteratur (Aphra Behn, Miss Burney u. A.); Weibliche Bankiers; Malerinnen; Opernsängerinnen; Die politische Thätigkeit der englischen Frauen im 18. Jahrhundert-^ Die Erstürmung des Oberhauses durch Frauen; Wohlthätigkeit im 18. und 19. Jahrhundert; Frauen als Aerzte; Krankenpflege (Miss Florence Nightingale); Philanthropie; Die Abolitionistinnen (Josefine Butler); John Stuart M i 1 1 über Frauenemancipation ; ßu s k in; Ansicht des Verfassers.

2. Die Ehe.

Charakter der englischen Ehe; Die englische Liebe; Burke über die Ehe; Schilderung des ehelichen Glückes im „Vicar of Wakefield"; Bolle des Geldes; Die Kaufehe; -Der Frauen- kauf und -Verkauf ein altes Erbe aus angelsächsischer Zeit; Preis des Mädchens und der Witwe; Häufigkeit des Weiber- verkaufs im 18. Jahrhundert; Geringer Preis der Frau; Dauer dieser merkwürdigen Sitte bis zum 19. Jahrhundert; Beispiele von Weiberverkäufen; Die „Fleet marriages"; Gretna Green, das Eldorado der Ehelustigen; Charakteristik der so- genannten „Prediger" von Gretna Green.

Die Ehebruchs- oder Crim. Co n. -Prozesse; Häufig- keit des Ehebruchs und leichte Löslichkeit der Ehe schon bei den Angelsachsen; Ehebruchsgesetze der Könige Ethelred und Edgar; Milton über Ehescheidung; Vorbedingung eines


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.,.,--. -N-


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Crim. Con. -Prozesses; Was alles in öifentlicher Verhandlung aus- gesagt wird; H. France über die englischen Eichter als Pornographen; Merkwürdige ünempfindlichkeit der Engländer gegen den Skandal; Geld ersetzt das Duell; Ehebruchslitteratur des 18. und 19. Jahrhunderts; Die Crim. Con.-Broschüren und -Lieder; Ständige Crim. Con.-Eubrik der Zeitungen; Die Crim. Con.-Gazette; Ehebruchsprozesse auf der Bühne (Darstellung im ^Coal-hole"); Berühmte Crim. Con. -Prozesse; derProzess des Mervin Lord Audley (1631); Prozesse Earle, Elisa Draper; Dorothea Kinsmen, Dorothea Arnold u. A.; Voltaire in einen englischen Ehebruchsprozess verwickelt; Der Prozess der Königin Karoline von England; Der Skandal Cavendish — La Eochefoucault; Der Prozess Colin- Campbell.

Zweites Kapitel,

Die Pro$rittition.

1. AUgemeines.

Allgemeiner Charakter der englischen Prostitution ; Charakter der Londoner Prostituirten ; Zahl derselben zu verschiedenen Zeiten ; Kategorien der Prostituirten ; Eekrutirung der Londoner Prostitution; Lea Davis und ihre 13 Töchter; Maitressen- wirtschaft im 18. Jahrhundert; Ausländische Prostituirte ; Obdachlose Mädchen in den Strassen Londons; Die Kellnerin ein englisches Produkt; Aeusserliches Verhalten der Prosti- tuirten; Maskirte Prostituirte; Dirnen in den Fenstern; Jagd nach Männern ; Ein Spaziergang durch Drury Lane und Charing Cross im 18. Jahrhundert; Mitternachtsleben im vornehmen Viertel Londons; Coventgarden Centrum der Prostitution im 18. Jahrhundert; Haymarket Centrum der modernen Prostituirten; Promenade in Haymarket und Eegentstreet.

2. Die Orte der Prostitation.

Die Prostitution im Mittelalter; Die Bagnios; Hauptorte der Prostitution; Die „Hothouses"; Die Parlamentsakte von 1161; Corrumpirender Einfluss der normannischen Eroberung; Einfluss der französischen Sitten im Mittelalter; Der „Abbot of Misrule"; Heinrich VIIL und die Londoner Prostitution; Die Bagnios im 18. Jahrhundert; Die- Bordelle; Einführung der französischen Bordelle durch Mrs. Goadby; Aussehen der


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Bordelle; Bordeile in Holbornstreet, Westminster, Johnson's Court; Bordell der Mitchell in Pall-Mall; Inschrift desselben; Das „Kloster^ der Charlotte Hayes in King's Place; Preisliste desselben; Skandalscenen in demselben; King's Place Hanpt- bordellgegend im 18. Jahrhundert; Bordell der Mrs. Pen de r- gast daselbst; Die Negerin Harriot; Lucy Cooper, Mrs. Dubery, Nelly Elliot, Mrs. Nelson; die Tempel des Mysteriums, der Aurora und der Flora in St. James's Street; Absteigequartiere vornehmer Damen; Das Bordell der Mrs. Banks für Frauen und Männer in Curzon Street; Harems; Das „Serail" des Lord Baltimore; Bordelle im 14. Jahrhundert; Das fashionable Bordell der Marie Aubrey; Die BordeDe in der Nähe von Kirchen; Im Matrosenviertel; Die Tavernen; Taverne der Wcjatberby; Shakespeare-Taverne; Casanova in der „Star-Taverne; Die „Tavernplyers"; Die „Long Rooms der Tavernen; Die „Gin Palaces", „Night-houses"; Die Austern- häuser und „Dining-Rooms" ; Die Restaurants am Leicester Square; Die„Lodging Houses" ; Die Kaffeehäuser; „TheCloisters" ; Cafe „Orange"; „Turkish Divan"; Die Theegärten; Die Cigarren- laden u. A. ; Zweifelhafte Rolle der modernen Massage-Institute in London; Das Masseusenunwesen in London und anderen grossen Städten; Die Massageanstalt eines Negers in London; Die Gärten und Vergnügungslokale; St. George's Fields; „Dog and Duck" und Apollogarten; Dibdin's „Sans — Souci": Belsize House; Marybone Gardens; Das Pantheon; Vauxhall und Ranelagh im 18. und 19. Jahrhundert; Die Lust- mädchen-Phaetons und der „Tempel der Flora"; Bill über die öffentlichen Vergnügungslokale; Die „Argyll Booms"; Das Hippodrom in Nottinghill; Die „National Assembly Rooms"; Cremome Gardens; Ein Ball in Cremorne Gardens.

3. Kuppelei^ Zahältertam und Mädchenhandel

(Deflorationsmanie).

Zahl der Kuppler in London; Der Typus der „Jilt"; Berühmte Kupplerinnen ; Die Creswell; Die Needhamu. A.; Die Zuhälter oder „Bullies"; Gefährliche Menschenklasse; Der Zuhälterstadtteil „Fleet ditch"; Die „Touters"; Der Mädchen- handel; Londbn der Centralmarkt für den' internationalen Mädchenhandel; Die Mädchenregister („Lists of Ladies"); Harris' jährliche „List of Coventgarden Ladies". Warum


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der Londoner Mädchenhandel so blühend und umfang-' reich ist; D ie Deflo rationsmanie der Engländer — sowohl in höheren als auch in niederen Ständen; Ursache dieses Verlangens nach Jungfrauen ; Ein englischer Autor des 18. Jahrhunderts über die „Voluptas deflorationis" ; Die Kinder- bordelle; In Crispin-Street ; Die Kinderbordelle des' John Jacobs, des David Eomaine und William Sheen; Die künstliche Eestauration der Virginität; Die Enthüllungen der Pall Mall Gazette; Dei Prozess Stead; Das Meeting im Hyde- Park; Der Fall Elisa Armstrong; Die Kupplerin Louisa Hart.

4. Prostitution und Verbrechen.

Polizei und Prostitution; Grosse Freiheit der englischen Prostituirten ; Aufsichtslosigkeit der Prostitution ; Steuer auf Prostitution ; Unsicherheit in den Bordellen ; Gefährlichkeit des abendlichen Wanderns; Baretti's Erlebnis; Diebe, Bettler und Hehler in ihren Beziehungen zum Dirnentum ; Der Bettler- club von St. Giles; Diebsschulen und Diebsclubs; Das Diebs- quartier Golden Lane; Die Taschendiebe und Taschendiebinnen Die Diebstähle auf den Maskenbällen ; Räuber und „High waymen" Die Spielhüllen; Einführung derselben durch die Franzosen Inniger Zusammenhang mit der Prostitution ; Ein „Rout" ; Die Spielhölle Mordington's.

5. Die Magdalenenhäuser, die Gesellschaiften zur Unter- drückang der Prostitntion und der Abolitionismns.

Rettungsversuche bei Prostituirten ; Das Magdalenenhaus im 18. Jahrhundert; Aehnliche Anstalten im 19. Jahrhundert; Prediger in Bagnios ; Findlingshospital ; Die sogenannten Sitt- lichkeits-Vereine ; Die „Society for the Suppression of Vice; Ihre Thätigkeit; Aehnliche Gesellschaften; Der Abolitionis- mns; Charakteristik der Josefine Buller; Herbert Spencer über den Abolitionismns ; Ein Produkt der englischen Heuchelei; Tarnowsky's Schrift über den Abolitionismns.


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1.-


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Zweites Buch.

Der €itinti$$ lti$$erer ?afctorcn

auf das

6c$cblecl)t$lcben in England« 

Drittes Capitel.

DU vorneDMe 6e$eHscDaft (Das ,,l)ig» t\U'%

1. Die 'Restanration.

Anteil Englands an der Bildung der modernen vornehmen Gesellschaft. — Der Begriff des „High Life". — Entstehung desselben im 17. Jahrhundert. — Der Hof Karl's II. — Einfluss der Philosophie auf die Sittlichkeit der Bestaurations- zeit. — Hobbes. — Charakteristik der Restaurationsperiode. — Grammonf^s Memoiren. — Die Damen vom Hofe Karl's II.

— Ihre schamlose Prostitution. — Neil Gwynn. — Miss Stewart u. A. — Lei} 's Gemälde. — Die Cavaliere. — Rochester und Buckingham als Typen.

2. Die Gesellschaft des 18. nnd 19. Jahrhunderts.

Zustand dieser Gesellschaft um 1700. — Die Francophilie.

— Die Franzosen in England und die Engländer in Frankreich.

— Die Sentimentalität. — Sterne und Richardson. — Die Sentimentalität in der Gartenkunst. — Die grossen Parks.

— Englisches Landleben. — Die Bäder. — Bath und Tun- bridge Wells als Plätze der Galanterie. — Der Begriff der „Demi-Reps". — Charakter der Lebewelt im 18. Jahrhundert.

— Hofbordelle. — Die Maskenbälle. — Ben Jonson's „Maskenspiele". — Madame Cornely's berühmte Maskeraden.

— Die Bälle in „Almacks". — Verhalten des Pöbels bei den aristokratischen Bällen. — Das Pharao-Spiel in der vornehmen Demimonde. — Berühmte Courtisanen. — Miss Bellamy.

— Ihre Memoiren. — Ihr Verhältnis mit Fox. — Kitty Fisher und Fanny Murray u. A. — Die Theaterwelt. — Sexuelle Freiheit der Theaterdamen im 18. Jahrhundert. — Beispiele. — Mrs. Billington u. A. — Mrs. Gurtis' Vor- lesungen in Dr. Graham's Tempel. — Mrs. Ha rlowe's Liebe zu Greisen. — Harriet Wilson und ihre Memoiren. —


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Eine Abendgesellschaft. — Der britische Don Juani smus.

— Der Typus des „Lovelace". — Leben der Junggesellen. — Häufigkeit der Selbstmorde unter den vornehmen Wüstlingen,

— Berühmfö Don Juans. — George Selwyn. — Charakter xind Verkehr. — Seine „Mie-Mie". — Selwyn und Samuel Foote im Bordell der Hayes. — Tracey, Derrick, 6. A. Stevens, Lord Pembroke, S. Foote. — „Old Q." — Tha- ckeray über ihn. — Spielt eine grosse Eolle in den erotischen Novellen. — Der „britische Don Juan" (Edward Wortley Montagu). — Lord Byron. — Geschichte seiner Ehe. — Hariiet Beecher Stowe als Verleumderin Byron's. — Seine angeblichen sexuellen Ausschweifungen. — Ein ihm zu- geschriebenes obscönes Gedicht. — Thackeray's Schrift über den „Snobismus". — Gegenwärtiger Zustand der englischen Gesellschalt.

3. Lady Emma Hamilton. Der verkörperte Typus der englischeti Schönheit. — Ihre Jugend. — Ihre Erscheinung. — Emma in Dr. Graham's „Tempel der Gesundheit." — Ihre Beziehungen zum Maler Eom- ney. — Zu Sir Charles Greville. — Zu Sir William Hamilton. — Emma am Hofe in Neapel. — Ihr Verhältnis zur Königin Karoline von NeLapel. - - Zu Nelson. — Letzte Jahre. — Erfinderin der „plastischen Attitüden."

Viertes Capitel.

Die tnode.

Allgemeines über die Beziehungen der Mode zum Sexual- leben. — Besonderheiten der englischen Mode in älterer Zeit.

— Seidene Kleider im 13. Jahrhundert. — Die „Kleider- schwänze". — Effeminatio der Männer unter Eichard IL

— Die „Schamkapsel" der Männer.- — Luxus der elisabetha- nischen Periode. — Costüme der Tudor- und Stuartepoche. — Freiheit der weiblichen Kleidung unter Carl IL — Künst- lichkeit und häufiger Wechsel der Moden im 18. Jahrhundert.

— Die Modebazare. — New Bondstreet mit seinen Modeläden.

— Das „Shopping". — Läden von Oakley und Prichard.

— Ladenmädchen und Ladendiener. — Mrs. Abington er- teilt Rat in Modesachen. — Mannigfaltigkeit der Costüme bei den grossen Concerten. — Luxus. — Haarputz. — Bei den angelsächsischen Frauen. — Im 18. Jahrhundert. — Die „Head-




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Dresses". — Englischer Damenhut des 18. Jahrhunderts. * -^

— „Eanelagh Mob". — Der Chignonhändler in Bishopgatestreet.

— Die Perrücke. — Die künstlichen Busen. — Die Schnür- brüste. — Die „falschen Bäuche". — Die Krinöiine,. — Die „hooped petticoats". — Die „fashion of nakedness". — Die Wolstonecraft über die Tournüre. — Frauenschuhe mit Maschinen. — Tragsessel. — Der Fächer. — Lascive Bilder auf demselben. — Das Reiten der englischen Damen. — Da s Dandytum. — Eine englische Erfindung. — Beau Brum- meil. — Barbey d' Aurevilly's Schrift über Brummeil und den Dandyismus. — Der Club der „Beaux". — Männer- kleidung im 18. Jahrhundert. — Effeminatio. — Die „pretty fellows" und ihr Costüm. ^ — Die „guineapigs". — Künstliche Waden der Männer. — Brillantbrillen der Stutzer. — Galanterie der englischen Theologen und Aerzte. — Der „Chib der schmutzigen Hemden". — Selbständigkeit Englands in der Mode am Beginn des 19. Jahrhunderts.

Fünftes Capitel:

Jlphroaisiaca, Hosmetica, Jlbortio- und fieDdmiiiimK

Der englische Alkoholismus. — Das Branntweinhaus in St. Giles. — Gastronomische Excesse. — J. J. Becher über das Fleischessen der Engländer. — Johnson 's Gefrässigkeit.

— Gefrässigkeit und Trunksucht zur Zeit J a c o b 's I. — Liebes- tränke im englischen Mittelalter. — Canthariden in Bordellen.

— Ingwer als Aphrodisiacum. — Georg 's IV. Vorliebe für Trüffeln. — Moderne Aphrodisiaca. — Dr. Conton und seine Erfindung, — Die „Dildoes". — Das Dildoe-Geschäft der Mrs. Philipps. — Der Truthahn als Godmich6. — Ge>schichtliches über den Godmich6. — Bäder in Wein und Blut. — Kosmetik bei den Angelsachsen. — Eeinlichkeit der Engländer. — Ent- stehung der Bäder. — Ablälliges Urteil von Th. Morus über Kosmetica. — Schminke und Puder. — Bedford's Puderscene.

— Die Pudersteuer. — Kosmetik des Gesichts im 18. Jahr- hundert. — Parfüme. — Parfümirte Handschuhe. — Handpflege.

— Ein Missgeschick der Miss Bellamy. — Specialisten im Nägelschneiden. — Abortiv- und Praeventivmittel. — Häufigkeit der künstlichen Aborte in London. — Pessare und Abort. — Heimliche Entbindungen. . — Die Schrift „Lucina sine concubitu". — Erste wissenschaftliche Schrift über das „Versehen". — Missbrauch der Narcotica. — Die vene-



— II —

i sehen Krankheiten. — Eretes Auftreten der Syphilis in .'England. — Johu Hunt er 's berühmte Versuche. — Die k'enerischen Krankheiten um 1750. ^ Vorsichtsmassregeln der Bordellbesitzer. — Hospitäler für venerische Kranke. — Vene- rische Krankheiten bei Kindern. — Bei den die Bordelle be- suchenden Knaben. — Gesundheitsbüreaus. — England ver- breitet am meisten die venerischen Krankheiten in der Welt. — Berühmte Kurpfuscher. — Dr. Graham'? „Tempel der Gesundheit" und sein „himmlisches Bett" — Seine Vor- lesungen über Makrobiotik — Sein „Erdbad". — Mesmerismus zu sexuellen Zwecken. — Loutherburg, Mainaduc's „Wunderschule", die Rosenkreuzer. — Deutsche Kurpfuscher in London. — Ein Vorläufer von Leopold Schenk. — Ein Vor- läufer von Schäfer Ast. — Der Kurpfuscher van Butchell, — Dr. Mattheus und Dr. Douglas. — Wahrsager und Wahrsagerinnen. — Schöne Wahrsager. — Mrs. Williams, — Die Zauberin von St, Giles.

Sechstes Capitel.

Ok ?ljig«llomanie.

Ein den Engländern eigentümliches Laster. — Uraltes angelsächsisches Laster. — Verbreitung in aUen Ständen und Lebensaltern. — Allgemeines über die Flagellation. — Äeltere Werke über dieselbe. — Flagellation bei Thieren. -^ Flagellation im Altertum. — Im Mittelalter und der Neuzeit besonders der germanischen Rasse eigentümlich. — Die sexuelle Flagellation. — Motive derselben. — Coloristische Reize. — Anatomisch-plastische Reize. — Form und Grösse des flagellirten Teiles. — Exhibitionismus der Nates. — Die „posture girls." — EinemerkwürdigeKlassificationderPodiees. — Bewegungen des flagellirten Teiles als Reizmittel. — Das sadistisch-masochistische Element bei der Flagellation. — Anblick des Blutes. — Hans Bal- dung's Bild. — Wortzauber als Ursache der Flagellation. — Rein religiöse Ursachen. — Magnetismus. — ' Die Flagellation als Praeparativmittel. — Therapeutisch-medicinisehe Verwendung. — Roubaud's Flagellationsmaschine gegen Impotenz. — Die Flagellation bei seniler Impotenz. -^ Bei Sterilität. — Rolle der Gewohnhei';. — Einteilung der Prügel nach einem deut- schen Gelehrten. — Flagellationsinstrumente. — Arten der Ruthen. — Ruthen in den Bordellen


-^ 12 — ' :

cation. — Die neunschwänzige Katze. — Die elektrische Flagellation. — Besondere Delikatesse und Raffinement bei der Flagellation. — Praedilektionsstellen der Flagellation. — Flagel- lation des ganzen Körpers. — Des Gesässes. — Der „Cut up**.

— Flagellation der Genitalien. — Merkwürdige Excentricitäten bei der Flagellation. — Wert der Kleidung. — Das Bouquet bei der Flagellation. — Die „Voyeurs". — Die Flagellation meist zwischen Mann und Weib. — Flagellation zwischen Tribaden. — Flagellation zwischen Urningen. — Drei Klassen^ männlicher Liebhaber der Ruthe. — Die „flogging cuUies". — Die grosse Neigung der Frauen zur Flagellation. — Was der Marquis de Sade darüber sagt. — Ansicht J. Michelet's. -^ Eine komische Warnung. — Der Flagellantinnenclub der Jermyn Street. — Berühmte englische FlageUantinnen des 18. und 19. Jahrhunderts. — Typus der kalten englischen Frau nach Dickens. — Der Fall Brownrigg. — Mrs. Jenkins.

— Die Flagellationsbordelle der Mrs. Collet, James, Emma Lee, Shepherd, Chalmers, Noyau, Pryce. — Mrs. Sarah Potter. — Theresa Berkley, die „Königin" ihres Berufes.

— Ihr Bordell und dessen Einrichtung. — Das „Berkley Horse".

— Merkwürdiger Brief eines Flagellomanen an die Berkley.

— Die „Auspeitscherinnen". — Eine „Card, addressed to Gentlemen Flagellants". — Die Ruthe in den weiblichen „Boarding Schools". — Die männlichen Flagellanten. — ^Whipping Tom". — Marlowe's Epigramm. — Die Ruthe in den „Colleges". — Von den meisten Schriftstellern erwähnt.

— Dr. Busby und Dr. Vincent in Westminster SchooL — Dr. Keate in Eton. — Der Fall Eyre Cook. — „Schul- meisters kleines Diner". — Das „Pferd" in der Schule. — Briefe über die heutige Flagellation in den Londoner Schulen.

— Die Ruthe im Hause. — Herrin und Page. — Stiefmutter und Stiefkinder. — Flagellation in der Ehe. — Flagellation erwachsener Töchter. — Die Ruthe in den Londoner Massage- Instituten. — Das Auspeitschen der Prostituirten. — Die Ruthe in englischen Klöstern. — In der Armee. — Im Zuchthause.

— In Fabriken und Kaufläden. — Zeitungsannoncen. — Die Flagellation ein beliebtes Thema englischer Zeitschriften. — Fehlt in keinem Eroticum. — Die „Ruthiiade" von George Coleman. — Samuel Johnson's Lob der Ruthe. — Anthologie der Ruthe.


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Vj.


— 13 — Siebentes Capitel.

Die f^omosexttjilitjlt und andere sexuelle Perversitäten.

Paederastie in England nicht so sehr verbreitet wie in anderen Ländern. — Abscheu des englischen Volkes gerade vor diesem Laster. — ' Geschichtliches über die Männerliebe in England. — Der Process gegen Major Weir. — Grosse Ver- breitung der Paederastie im 18. Jahrhundert. — Ursachen. — Effeminatio. — Das Küssen der Männer unter einander. — Prozesse gegen Paederasten. — Der „Vere Street Club*^. — Die Paederasten aus der Vere Street am Pranger. — Der Paederastenclub in der „Traube" bei Cläre Market. — Die männlichen Wöchnerinnen von Qlement's Lane. — Die männ- lichen Maitressen oder „petticoat pensioners". — Die Paederastie im 19. Jahrhundert. — Process Fischer contra Colonel Grant. — Die „Tommies", „Margeries" und „Poofs". — Prediger Greenfield. — Die Paederasten „Eli za Edwards*^, „Fair Eliza^' und „Betsy H. — Häufigkeit der sokratischen Liebe in Lancashire. — Schilderung der modernen Paederastie in London. — Bolton und Park.. — Der Process Oskar V7ilde. — J. A. Symonds. — Ein Paederastenclub in Exeter. — Der Androgyne Lord Cornbury. — Die Tribadie um 1750. — Xribadische Secten im 18. Jahrhundert. — Die Eitterin d'Eon. — Der Sadismus. — Die Freude an Hin- richtungen sehr verbreitet. — Ein englischer Sadist reist zur Hinrichtung des Damiens nach Paris. — George Selwyn's Freude an Hinrichtungen. — Ein „Amateur Hang- man'*. — Die Goncourts über einen englischen Sadisten. — Das „ungeheuer" (der Mädchenstecher Williams). — Was Archenholtz und Forster über ihn berichten. — „Jack the Kipper". — Der sadistische Priester Carroll. — Ein englischer Girard. — Die Strangtflation aus Wollust. — Der Fall Kotzwar a. — Der Marquis de Sade beherrscht die ge- samte englische erotische Litteratur des 19. Jahrhunderts. — Einige Specimina solcher sadistischer Komane („Pleasures of cruelty" u. A.) — Merkwürdige Häufigkeit des Incestes in England. — Ursachen. — Incestromane. — Rolle der Neger in London. — Die „Voyeurs^' in den Bordellen. — Fetischisten. — Die pornologischen Clubs. — Die „Mohocks". — Die „Bold Bucks". — Die Gesellschaft der „Baller". — Der


— 14 —

Hellfire-Club. — Der Kit-Kat-Club. — Der Club von Wilkes.

— Der Hahü- und Hennen-Club. — Die „Franciskaner" von Medmenham Abbey.

■ Achtes Capitel.

Cbeaten WimiK tanz.

Allgemeines über das Theater und seine Beziehungen zum Geschlechtsleben. -^ Geschichtliches über das englische Theater.

— Die englischen Komödianten. — ün Sittlichkeit der englischen Bühne im 17. Jahrhundert. — Maskirung der Zuschauerinnen.

— ßochester's „Sodom". — Die Komödien der Restaurations- zeit (Wycherley, Congreve, Farquhar u. A.). — Klage der Jury von Middlesex über die Unsittlichkeit der Theater. — Drury Lane und Covent Garden, die beiden grossen TÄeater im 18. Jahrhundert. — Samuel Foote. — Die Figur des „Punch".

— Die „Penny-Theatres" des 19. Jahrhunderts. — Obscöni.täten des Theaters um 1830. — Theaterprostitntion. — Die „Salons" der Theater. — Musik und Erotik. — Eigenartige Musikleiden- schaft der Engländer. — Drastisches Beispiel. — Die deutschen Componisten in London. — Die „Music Halls" eine euglische Specialität. — Obscöne Lieder fast in allen Musikhallen. — Das ,5Pantheon". — Die Alhambra. — Thackeray über die Musikhallen. — Die „Balladen weiber". — Das „Tingel-Tanger^ eine englische Schöpfung. — Die Varietes und Caf6s Chantants der Gegenwart. — Die schwarzen Sänger in den Varietes, -r- Volkslieder. — Der Tanz. — Tänzerinnen von Drury-Lane. — Das Ballet im Eoyal-Circus. — Erotische Tänze im Mittelalter. — - Erotische Tänze im „Palace of Varieties'^ — Emptänglich- keit der Weiber für Pantomimen und Täreze. — Tanz und Prostitution. — Die Amazonenkämpfe inFigg's Amphitheater.

— Das Schwingen von Weibern. — Andere merkwürdige Ge- bräuche.

NeuntesCapitel.

Die Hiitist.

Kunst und Erotik. — Zur Geschichte der obscönen Dar- stellungen in der Kunst. — Altertum. — Kenaissance. — Aretino's „Figuren'^ in Frankreich und England. — Verkauf derselben in England im 17. Jahrhundert. — Bilder zu Cleland's berühmtem erotischen Komane. — Die grossen Künstler des Obscönen: Hogarth, J. Cruikshank,


— 15 —

Thomas Eowlaadson. — H. F. Gravelot's Flagellatious- bilder. — Obscöne Carfic^turen. — Obscöne Bilder in den Bordelleti. — Hornsley bekämpft das Nackte in der Kunst. — England producirt die meisten ,,smutty pkotos.

Zehntes Capitel.

Dk Cimratiir.

Allgemeiner Charakter der englischen erotischen Litteratur. — Eoheit des Ausdrucks. — Vergleich mit den französischen Erotica. — Langer Titel der englischen Erotica. — Aus dem Mittelalter: Langland, Ohaucer. — Ben Jonson's „Volpone^'. — DieLiebe bei Shakespeare. — Grobe Erotik der Kestaurationslitteratur (Aphra Behn, Miss Manley). — Eochester. — Butler's „Hudibras". — Daniel Defoe, Swift. — Die obscöne Satire. — William King 's „The Toast". — John Cleland und seine „Memoirs of a woman of pleasure.'^ — Das beste englische Eroticum. — Analyse dieser Novelle. — John Wilkes. — Seine Persönlichkeit. — Sein „Essay on Woman". — G. A. Stevens' „Lecture on Heads". — Gay 's „Beggar's Opera". — G. H. Stock, ein Flagellationsschriftsteller. — Thomas Buckle und seine an- gebliche Sammlung von Flagellationsschriften. — , Edward Seilen 's erotische Schriften. — Der Sadismus in der eng- lischen Litteratur des 19. Jahrhunderts. — Der Praerapha- elitismus u. s. w.

Elftes Capitel.

BttcbbandeK Bibliopbilk und Bibliograpbk.

Der Handel mit obscönen Büchern im 18. und 19. Jahr- hundert. — In den europäischen Ländern. — In England. — Vertrieb der obscönen Schriften und Bilder auf dem Lande. — Einführung in die Schulen. — Verkauf obscöner Bilder bei Rennen. — Anfertigung und Verkauf obscöner Bilder durch Kriegsgefangene. — Zahl solcher Buchhändler. — Berühmte Verleger erotischer Schriften. — J. Lackington's „Musentempel". — Hookham's „Leihbibliothek". — J. C. Hotten. — W. Dugdale. — Trübner. — Bohn. — Andere Verleger von Eroticis. — Berühmte Erotobiblio- manen. — Ueber das Sammeln erotischer Bücher. — Fre- derick Hankey, der Typus eines modernen Bibliophilen. —




— 16 —


James Campbell. — Der grosse Bibliograph und Bibliophile Pisanus Fraxi. — Seine drei Musterwerke. — Betrachtung der Arbeitsmethode von Pisanus Fraxi. — Sein Stil und seine umfassende Bildung. — Seine vorbildliche Beurteilung des Erotischen.

Zwölftes Capitel.

$ociologi$cbe Cbeoriett.

Wichtigkeit der Sociologie far Studien über das Geschlechts- leben. — Thomas Morus' „Utopia" über das Sexuelle.

— JohnLyser's Apologie der Polygamie. — Daniel Defoe.

— Mandeville's Theorie des Lasters. — Seine Vertheidigung der Huren. — Malthus und der Malthusianismus. — Der Malthusianismus in England. — Mrs. Beasant. — Eine malthusianische Scene. — Geschichte des Malthusianismus. — Sexualmystik. — Heilsarmee. — Die englische Kirche und das Sexualleben. — Dixon's Enthüllungen.

$cMtt$$. — Bibliograpbie.


Bestell-Zettel.

(Der erste Teil y. ^England*^ erscheint Ende September 1900.)


Von


erbitte ich

Ütthreiiy Dr. Ku?:., Studien zur Geschichte des mensch- lichen Geschlechtslebens. Band II : Das Geschlechts- leben in England mit besonderer Beziehung auf London. Erster Teil. Ca. 500 Seiten. Gr. 8<^ Format. In Pergament broch. 10 Mark. -

In Original-Lein wandband 11 Mark.

Dasselbe. Liebhaber-Ausgabe auf Bütten-Hadem-Ersatz.

Klein Folio-Format. (Nur in 100 numerierten Exempl.

gedruckt. In Pergament broch. M. 20. — . Dühren, Studien, Band I: Der Marquis de Sade und

seine Zeit. 2. Aull. ö02 Seiten. In Pergt. br. M. 8. — . Dasselbe. In Original-Leinwandband M. 9. — .

(Verlag von H. Barsdorf in Charlottenburg 4.) Ort und Datum: Name:


Druck vou i^'orüii. and ti^yi in iü^cin.


Im Verlag von H.Barsdopf in CharioUenbupg 4

erschien Anfang 1900:

Dühren, Dr. Eugen,

Studien zur beschichte Des menschlichen Geschlechtslebens.

Der ntarquis de $ade und seine Zeit.

Ein Beitrag zur Cultur- und Sittengeschichte des 18. Jahrhunderts

mit besonderer Beziehung

auf die Lehre von der Psychopathia sexuaüs.

Gr. 8". 502 Seiten. 2. Auflage. ■Vornehm in Pergament brochiert Mark 8. — . lu Original- Leinwandband Mark 9. — .


Ueber die Bedeutung dieses vornehm geschriebenen, wissenschaftlichen Werkes mögen nachstehende Besprechungen in fachwissenschaftliehen Blättern Zeugnis abgeben.

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. A. Eulenburg schreibt In der Litteraturbeilage Nr. 1 der Dtscb. Medlz. Wochenschrift vom 11. Januar 190(i.

„E& ist eine gewagte und misslicbe, zugleich abschreckende und doch unheimiich anziehende Aufgabe, die sich der pscudonjme ärzüicbe •ftr asaer gestellt und mit unverkennbarer Befähigung glö-klich be- wältigt hat.

Xitr wer (gleich dem Referenten) selbst in der Lag^geWesei an diesen so eigenartigen und bedenklichen Stoff litterarisiA 'bi zutreten, wird die Schwierigkeit der zu leistenden Vorarbeiten Beschaffung und kritischen Sichtung des Materials, sowie der ein massen konformen Darstellung voll zu würdigen wissen.

Mit einem nicht geringen Aufwände von geschichtlichem ärztlichem Wissen und selbständiger, durchdringender Denkarbeit UttbreD in dem vorliegenden Buche ein Werk geschaffen, wie ilieaer Art und VolMandigkeit bisher mangcüe, «ad das somit in der


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eine Lücke auf dem Gebide sexualer Psychologie und Psychopathologie in hemerhenswerter Weise ausfUUt; ein Werh^ das für den Kultur- une Sitten forscher, den Ant, namentlich den Nerven" und Seelenarst, sowid auch ftir den Gerichtsartt das vielseitigste Interesse beansprucht, üebei Eülzelheiten mit dem Verfasser zu rechten und die Motive etwa ab- weichender Beurteilung näher darzulegen, dürfte hier kaum der ge- eignete Platz sein, üebrigens ist das vorliegende Werk bestimmt, den Anfang einer Serie von Publikationen als ^^Stadien zur Oesekiehte des mensehllelieB Oesehleehtslebens^^ zu bilden, dessen weiterer Port- führung wir mit gesjmnnter £hrwartung entgegensehen dürfen.

Dr. J. Preuss schreibt in der Deutschen Medleinal- Zeltung vom 5. Februir 1900:

Wir leben im Zeitalter der Prüderie; darum verbirgt sich der Autor eines so ernsthaften, wissenschaftlich gehaltenen Buches hinter einem Pseudonym, und dabei spricht ein Arzt über ärztliche Dinge, wenn diese auch auf sexuellem Gebiet liegen! Freilich versteht ea sich bei uns von selbst, dem Kranken die Nahrung nach Kalorien zu berechnen, die Zahl der Kilo^ammeter, die er heben darf, vorzu- ficiireiben und vieles andere mehr; über sein sexuelles Leben als Ehe- gatte aber mit ihm zu reden, wäre einfach unanständig. Das bedeckt man mit dem Schleier der Neurasüienie oder Hysterie oder allenfalls der chron'schen Metritis.

Abgesehen von dem bekannten MolFschen Buche sind es bis jetzt nur die „Schattenseiten** des menschlichen Geschlechtslebens, die in nichtpomographischen Schnften behandelt worden sind. Auch das Buch des Verfassers behandelt eine der abstossendsten Arten der Psychopathia sexualis, den Sadismus. Er fasst seine Aufgabe vom grossen Gesicht punkten auf, indem er den Marquis aus seinem Milieu heraus zu erklären sucht. Dadurch gewinnt das Buch ein grosses Interesse nicht bloss für den Arzt, sondern auch für den Kultur- historiker und das um so mehr, als der Verfasser seine historischen Belege den meist schwer zugänglichen Originalquellen entnimmt und nicht aus zweiter oder dritter Hand schöpft. Ausserdem giebt er^ eine Biographie Sades, eine Analyse seiner Werke, eine Theorie und" Geschichte des Sadismus und zuletzt eine umfangreiche Bibliographie.

Das Buch kündigt sich als ersten Band einer Baihe von Studien zur Geschichte des menschlichen Geschlechtslebens an. Wenn alle folgenden Bände diesem ersten gleichen, werden wir über diese Be- reicherung unserer Litteratur froh sein dürfen.

J. Preuss.

Br. Toby Cohn schreibt im Keurologlsehen Central-

Matt vom 5. März 1900:

„Das höchst lesenswerte Buch zeugt von bewunderungswürdigem Pleisse und umfassendem Wissen. Es ist der erste Teil eine* grösseren Werkes des Verfassers über „Studien zur Geschichte des menscb- lichen Geschlechtslebens". Eines der merkwürdigsten sexual- pathologischen Probleme, das der Verknüpfung von Wollust und Grausamkeit, sucht es zu lösen, aber nicht vom naturwissenschaftlichen oder metaphysischen sondern vom historischen Standpunkte aus. Der


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Pseudonyme ärztliche Verfasser vertritt die gut begründete Ansicht, dass^ für die Erscheinungsformen der Liebe (ße Vererbung eine vid " geringere Rolle "spielt äs die Erwerbung bestimmter Eigenschaften r und die stete Wirkung äusserer Einflüsse. Historisch-evolutionistisch gefasst ist die Liebe „das zu immer grösserer Freiheit fortschreitende Verhältnis zwischen der physischen Liebe und den Formen der Ge- sellschaft, des Rechts und der Moral, der Religion, der Sprache und Dichtung". — Der Sadismus wird durch eine umfassende monographische Studie über das Leben und die Werke der eigenartigen Persönfichkeit des Marquis de Sade in der Weise zu erklären gesucht, dass der Marquis als Produkt seines Milieus, als Franzose des 18. Jahr- hunderts auf gefasst wird: Verfasser sucht die Fäden auf, die „den subjektiven Geist des Marquis mit dem objektiven Geist seines Zeit- alters verknüpfen". Er sucht festzustellen, was Sade von seiner Zeit empfangen hat, um dann zu zeigen, was er ihr gegeben hat. —

Und so giebt er erst in breiter, aber gutfunfierter, fliessender und lebendiger Darstellung ein anschauliches Bild vom Frankreich jenes Zeitalters in politischer, künstlerischer, litterarischer und socialer und namentlich in ethischer Beziehung, um dann eine auf eingehenden Quellenstudien beruhende Biographie Sades und eine Analyse seiner Werke zu geben. —

In einer Theorie des Sadismus und der als Facit aus jenen ein- gehenden Studien gezogenen Beurteilung der Persönlichkeit des Marquis' gipfeln die Ausführungen des Verfassers, um mit einer Ge- schichte des Sadismus im 18. und 19. Jahihundert und einer Biblio- graphie zu schliessen.

Verfasser hält Sade nicht für geisteskrank, sondern für eine neuropathische, vom Milieu verdorbene und sexuell pervers gemachte Person; durch seine lange Gefangenschaft wurde bei dem ursprünglich hochbegabten Manne eine gewisse geistige Schwäche hervorgerufen. —

Die etwas^ umständliche, aber zutreffende Definition, die Verfasser vom Sadismus giebt, lautet; „Der Sadismus ist die absichtlich ge- suchte oder zufällig dargebotene Verbindung der geschlechtlichen Erregung und des Geschlechtsgenusses mit dem wirklichen oder auch nur symbolischen (ideellen, lUusionären) Eintreten furchtbarer und erschreckender Ereignisse, destruktiver Vorgänge und Handlungen, welche Leben , Gesundheit und Eigentum des Menschen und der übrigen lebenden Wesen bedrohen oder vernichten und die Continuität toter Gegenstände bedrohen und aufheben, wobei der aus diesen Vor- gängen einen geschlechtlichen Genuss schöpfende Mensch selbst ihr j direkter Urheber sein kann, oder sie durch Andere herbeiführen lässt,

I oder blosser Zuschauer bei denselben ist, oder endlich, freiwillig oder

[ unfreiwillig ein Angriffsobjekt dieser Vorgänge ist".

Es muss dem Referenten fernliegen, gegenüber dem so ausser- ordentlich unterrichteten Verfasser eine abweichende Meinung ver- treten zu wollen. Aber die eine Frage kann er doch nicht unter- drücken, ob nicht doch vielleicht auch bei einer Schilderung der I Sittenverhältnisse anderer Zeiten (z. B. der unserigen) sich ganz

\ ähnliche Zustände und Einzelvorgänge finden würden, die zusammen-

gestellt auch ein ganz ähnliches Gesamtbild der Cultur ergeben könnten. . Wenn das der Fall wäre, dann wäre freilich das Milieu für die

I Persönlichkeit des Marquis de Sade nicht als das Entscheidende an-

zuerkennen. Toby Cohn (Berlin).


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Die Brfluiischwelger Nettesten Naehrlehteu vom

11. Februar 1900 schrdben:

„Auf vielfache Weise sind bisher die Se^ualprobleme von der modernen Wissenschaft behandelt worden. Während unter den be- deutendsten neueren Autoren Ploss und Bartels in ihrem berühmten Werke über das „Weib in der Natur- und Völkerkunde" das Thema wesentlich vom Standpunkte der Anthropologen und Ethnologen auf- fassen, ebenso wie Cesare Lombroso's kriminal-anthropologisches Buch über „Das Weib als Verbrecherin", hat Krafft-Ebing das grosse Ver- dienst, die Hülfsmittel der Psychiatrie zur Beurteilung dieser Fragen zuerst Systematisch herangezogen zu, haben, worin ihm viele be- deutende Forscher, wie Moll und Andere, gefolgt sind. Endlich hat man in letzter Zeit angefangen, spezielle Fragen vom Standpunkte der modernen Wissenschaft monographisch zu behandeln. Aber, wenn auch in den betreffenden Werken zahlreiche und wertvolle Aus- blicke enthalten sind, so sind sie doch sämtlich Erzeugnisse der medizinißch-naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise. Diese Probleme als geschichtliche Erscheinung haben bisher eine nur unvoll- kommene und einseitige Würdigung gefunden. Diese Lücke soll das obige Buch und eine Reihe anderer, die sich mit diesen Fragen be- schäftigen werden, abhelfen. Das Buch stellt sich, - dem Tagesstreit entrückt, als eine grossartige, ungemein vielseitige Behandlung des interessanten Themas in wissenschaftlicher Objektivität dar, aber ohne die gefürchtete Trockenheit derselben. Es ist kein Buch, auf den Tisch des Boudoirs gelegt zu werden, es ist keine Lektüre für höhere Töchter; man könnte geradezu Bedenken haben, ob sie für Frauen einladend sein kann, aber für Männer und zwar nur für denkende, wissenschaftlich gebildete Männer wird es ein guter Behelf für ernstes Studium sein und namentlich dem Sozialpolitiker und Moralphilosophen viel Anregung bieten."

Die Deutsche Medizinische Presse schreibt in No. 10 vom 27. Mai 1900:

„Wer sich mit den Verirrungen des Geschlechtssinnes nicht beschäftigt hat, dürfte es kaum für möglich halten, dass der- artige Scheusslichkeiten, wie sie in dem vorliegenden Buche beschrieben sind, von Menschen aus Wollust verübt werden können. Seitdem K raff t-E hing die wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiete der sexuellen Perversitäten eröffnet hat, hat er zahlreiche Nachfolger gefunden. Aber bisher hat noch kein Forscher diese geschlechtlichen Verirrungen im Spiegel der Ge- schichte dargestellt.

Der anonyme Verfasser ist der Erste, der es unternommen, diese dunkle Seite der Menschennatur zu erforschen. Er hat sich dabei auf das 18. Jahrhundert und auf den Marquis deSade beschränkt, obwohl nicht zu bezweifeln ist, dass auch andere Zeiten in Venerc excediert haben. Ja, man kann nicht einmal sagen, dass Sade als pornographischer Schriftsteller unerreicht dasteht. Aber er ist nun einmal durch Krafft-Ebing wieder ans Licht gezogen worden, und seine Werke werden nunmehr von berufenen Forschern wissenschaftlich analysiert. Man braucht sich dabei gar nicht zu wundern, dass alle


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sexuellen Perversitäten, die von Krafft-Ebing als solche jetzt er- kannt werden, dem Marqnis de Sade ganz bekannt wären. Die Praxis eilt eben fast stets der Theorie voraus.

Zu bewundem ist die ausserordentliche Belesenheit des Verfassers — dem nicht einmal eine kleine Notiz in unserer Zeit- schrift, einen sadistischen Arzt betreffend, entgangen ist. Er hat den gewaltigen Stoff geschickt eingeteilt. Mit Interesse, aber auch mit Schaudern verfolgt man seine Auseinandersetzungen, und mit Kecht erklärt er eine derartige Lektüre als gefährlich für schwache Gemüter.

Unzweifelhaft wird das Werk eine weite Verbreitung fmden, nicht sowohl unter den Aerzten, die es eigentlich angeht und denen es zum Studium durchaus zu empfehlen ist,, als unter der Lebe weit und unter den pervers Sexuellen. Die jetzige Zeit scheint sadistischen Trieben nicht abhold zu sein.

.... Li Kürze haben wir von dem Autor neue Studien zur Geschichte des menschlichen Geschlechtslebens zu er- warten, die das Geschlechtsleben in England und speziell in London betreffen."

Die Pester Medizinisch-Ghimrglsohe Presse, No. 21

vom 27. Mai 1900, schreibt:

„Zur Charakteristik des Fin de si^cle gehören auch die l^chlag- wörter. Die Menge acceptirt sie auf Treu und Glauben als ßxe End- scidüsse anscheinend begründeter und auf historischer und philosophischer Basis ruhender Syllogismen und scheert sich nicht um die Richtigkeit der Prämissen. Zu derartigen ganz unbegründeten Schlagwörtern des Fin de si^de gehören: Die vielerwahnte „Nervosität unseres Zeit- alters" und die „Lnmoralitöt unseres dahinschwindenden Jahrhunderts". Die Nervosität erreichte ihren Hifliepunkt im Mittelalter; sie wütete als Epidemie zur Zeit der Kreuzzüge und offenbarte sich scharen- weise und in den mannigfaltigsten, schwersten Formen (Tanzwut etc.) wie sie heute selbst vereinzelt kaum mehr zu sehen sind.

Ist nun die sexuelle Perversität nicht auch der Ausdruck einer Verkommenheit des Nervensystems? Hat die Lnmoralität nicht in jenem 18. Jahrhundert ihren Gipfelpunkt erreicht, wo ein Marquis de Sade lebte und „wirkte" und dieselbe zum Kultus erhoben hat? Man möge nur in diesem Buche blättern, um sich von der Unrichtig- keit jener Schlagwörter zu überzeugen. Man erfährt, dass jenes Jahr- hundert in Fraiäreich Alles überragt, was unserem verleumdeten Fin de siecle als Vorwurf angerechnet wird. Jenem Zeitalter gebührt jedoch nicht nur die Betrachtung des Pathologen, sondern auch die des Historikers, denn das 18. Jahrhundert mit seiner immensen Immo- lalität, auf dessen Boden der Marquis de Sade stand, bildet auch die Grundlage jener sexuellen Perversität, die der Patholog Gefahr läuft, lediglich von seinem Standpunkt ohne Zuhilfenahme der Geschichte einseitig zu beurteilen. Nur mit vereinten Kräften wird es beiden Wissenschaftszweigen gelingen, klares Licht über das Zeitalter de Sade's zu verbreiten.

Das besprochene Buch Dührens bildet einen integrierenden Bestar* teil eines umfangreichen Cyklus von Werken, welche das Leben, Werke, die Theorie und Geschichte des Sadismus behandeln, und


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vollständige Bibliographie der einschlägigen Werke bieten werden. Hiermit ist die Grundlage geschaffen, die uns das eindringendste Ver- ständnis jenes Zeitalters mit seinen hervorragenden Gestalten, mit seinen Aberrationen möglich macht, jene Grundlage, deren Hinter- grund nicht nur die Naturwissensdiaft, enger begrenzt: "die Psycho- pathologie, sondern auch die allgemeine Kulturgeschichte bildet.

Die Ausstattung, welche die B/sche Verlagsanstalt dem Werke Dührens zu teil werden liess, ist eine treffliche. Gy — y.

Die Zeitechrift fttr BUcherfreunde bringt im Mai- Juniheft 1900 einen 4V9 Spalte langen ausführlicjien Be- richt, dem ich folgendes entnehme:

„Es ist verständlich, dass die ersten ausführlichen Beiträge zur Sade-Forschung von Aerzten herrühren, denn den Arzt muss der Lebensgang und das litterarische Hauptwerk des merkwürdigen Menschen fast noch mehr interessieren als den Kulturhistoriker und Bibliophilen.

Im vorigen Jahre ist eine Beihe bedeutungsvoUer Arbeiten

über Sade veröffentlicht worden .... und endlich ein ausgezeichÄeter Aufsatz des Professors A. Eulenbujrg in der ,;Zükuiift", in dem der berühmte Neurologe den Lebensgang und die Werke des unseligen Mannes im Zusammenhang mit dem geistig-sittlidien Niveau seiner Zeit zu schildern versucht und als Arzt zu demselben Schlüsse gelangt wie Marciat und Dühren und wie schon wenige Jahre vor Sades T ode der Arzt von Charenton, Dr. Boyer-CoUard : dass Sade nicht geistes- krank gewesen sei Dass er ein Wüstling gewesen, ist nicht

zu bezweifeln; die meisten „Kavaliere^^ jenet Zeit genossen diesen traurigen Buhm. Doch ist das, was B4tif und auch was Lacroix von seinem Lebenswandel erzählen, mit Vorsicht aufzunehmen und richtiger vieUeicht Janins Urteil, dass er ein Bösevncht in der Theorie ge- wesen sei, in der Wirklichkeit aber „sanftmütig, vonichtig und voll von Tttgendphrasen*' . . . Merkwürdig finden sich auch in jenen Werken Sades, in denen er als ^^llieoretiker des Lasters" auftritt, vielerlei Inkonsequenzen, während er in früheren und späteren Werken durchaus moralische Ansichten entwickelt. Ich glaube daher, dass Dühren Becht haben mag, wenn er, auf eine sdiir treffende Aeusserung Schrenck-Notzings verweisend, Sade gewissermassen als einen plato- nischen Verbrecher darsteUt, dessen furchtbare, in der Einsamkeit eines 27 jährigen Gefängnislebens üppig genährte Phantasie unge- heuerliche Blüten trieb — einen Verbrecher m^r der Einbildung als der That, sozusagen einen „symbolischen Lagnänomanen*S ^m mit Eulenburg zu sprechen.

Aber ich bin kein Arzt und muss mich daher begnügen, auf die historischen und bibliographischen Abschnitte des Dühren'schen Buches hinzuweisen, das für alle Bibliophilen von höchstem Interesse ist. Dühren hat in seinem Buche mit erstaunlichem Fleisse zusammen- getragen, was an Material über Sade überhaupt erreichbar war, sich aber nicht mit dürrer Begistratur begnügt, sondern sich bei Beur- teilung des Mannes und seiner Werke auf die hohe Warte geschicht- licher Erfahrung gestellt. Dadurch gewinnt seine umfangreiche- Studie an kultureller Bedeutung und wird zu einer Aufklärungsschrift, die freilich nicht in die Hände Unmündiger gehört, deren tief sitt- lichen Wert aber kein freier Geist verkennen wird. . . ^


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Im erstgenannten ?^apitel versucht Dühren sehr geistreich vom sozial-psychologischen Standpunkte aus die Persönlichkeit Sades zu schildern und zu erklären. Er untersucht, was Sade von seiner Zeit empfangen, um zu erfahren, was er ihr gegehen hat, und erklärt die Werke des Marquis aus den Verhältnissen des sozialen Frankreichs im 18. Jahrhundert. Das ^anze Jahrhundert passiert Revue: seine sensualistischen und materialistischen Philosophen, seine degenerierten Könige, Adlige und Geistliche, Frauen und Dirnen, Schriftsteller und Künstler, Modeaffen und Gauner: Üeherall stützt sich Dühren, dessen Belesenheit fabelhaft ist, auf historische, wo es angeht zeitgenössische Quellen, die freilich nicht immer unanfechtbar sind, wie Mairobert, E6tif und Casanova. Ein besonderer Abschnitt gehört den ethnolo- gischen und historischen Vorbildern in Sades Werken; die meisten sind genannt, nur wenige fehlen, so Katerina und Oxenstjerna. Uebrigens stattet Sade auch die historischen Personen in seinen Romanen mit schwelgender Phantasie aus, wie die Einführung des Prinzen Louis Ferdinand ^o^i Preussen in der Erzählung des Mönc& J6r6me (,»Ju8tine'0 beweist. Sade war 1760 in fierlin; die meisten Orte, die er auf seinen Reisen besuchte, hat er in seine Romane hineingezogen und mit besonderer Freude hochgestellte Personen in ihnen als Ungeheuer geschildert. Es gehörte das mit zu seinen „Theorien". Das zweite grosse Kapitel behandelt das Leben Sades: seine Abstammung von Petrarcas Laura, die Geschichte seiner Heirat etc. Seltsam ist es, dass sich kein authentisches Porträt Sad^ erhalton hat ... .

Es folgt eine eingehende Ana^^se der „Justine" und „Juliette'S eine kürzere der ,)Philosophie im Boudoir**, von ,^Aline et Valcour**, ,,Crimes de Tamour** und des Pamphletes auf Napoleon „ZoIoS et ses deux acolytes**, das Sade seine letzte Gefangeafchaft einbrachte. Eine Ergänzung dieses Teiles bringt die angey^ogte ausführlidie Biblio- graphie

Dass dieschrecklichen Schriften des^e^Ubremarquis^ auch in kulturhistorischer Beziehung ein:e eminente Be- deutung besitzen und die Beachtung des wissenschaftlichen Forschers verdienen, ist gar nicht zu leugnen. Und deshalb ist Dr. Dührens Werk als ein wertvolles Dokument zur Sitten* 5:eschichte des 18. Jahrhunderts, in völkerpsychologischer Hinsicht, zur Kenntnis der Tiefe in der Menschennatur und der sozialen Gemeinschaft von allen reif, ernst iind ehrlich Denken- den mit Wärme zu begrüssen. ... — blr—

G. Aschaffenburg schreibt in der Zeitschrift für SozlalwisseHii^Saft, HI. Jahrg., Heft 6 vom 15. Mai 1900:

Das Buch nennt sich Beitrag zur Kultur- und Sittengeschichte •des 18. Jahrhunderts mit besonderer Beziehung auf die Lehre von der Psychopathia sexualis und kennzeichnet durch diesen Nebentitel 4as Bestreben, Leben und Schriften des Marquis de Sade als Teil- erscheinung der allgemeinen Sittenkorruption des 18. Jahrhunderts darzustellen. De Sade, geboren 1740, wurde 74 Jahre alt und ver- brachte im ganzen 27 Jahre seines Lebens in Gefängnissen bezw. Irrenanstalten. Von seinen Strafthaten ist die Misshandlung einer Frau und die nicht töüiohe Vergiftung einer Anzahl von Dirnen mit Oantharidenbonbons zum Zweck der Erregung sexueller Begierden


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eingehender geschildert. Diese beiden Handlungen sind nur als harm- los zu bezeichnen im Vergleich mit den phantastischen Orgien, die den Inhalt der Bomane Sades, Justine und Juliette, sowie anderer seiner Werke bilden. Charakteristisch für alle seine Schilderungen ist die enge Verbindung von sexuellen Empfindungen mit Grausamkeiten, die in der Psychopathologie (unzweckmässig und den sonstigen wissen- schaftlichen Gepflogenheiten widersprechend) mit dem Namen Sadis- mus belegt worden ist. Der Autor definiert den Sadismus etwas umständlich als ,,die absichtlich gesuchte oder zufällig dargebotene Verbindung der geschlechtlichen Erregung und des Geschlechts- genusses mit dem wirklichen oder auch nur symbolischen (ideellen, ülusionären) Eintreten furchtbarer und erschreckender Ereignisse, destruktiver Vorgänge und Handlungen; welche Leben, Gesundheit und Eügentum des Menschen und der Übrigen lebenden Wesen be- drohen oder yemichten und die Kontinuität toter Gegenstände bedrohen und aufheben, wobei der aus diesen Vorgängen einen geschlechtlichen Genuss schöpfende Mensch selbst ihr direkter Urheber sein kann oder sie durch andere herbeiführen lässt oder blosser Zuschauer bei d^i- selben ist oder endlich freiwillig oder unfreiwillig ein Ang^riffsobjekt dieser Vorgänge ist."

Für den Verf. ist Sade nicht geisteskrank, seine sexuelle Abart nur die Folge yon Eindrücken, die er in seiner Umgebung und seiner Zeit gewonnen. Dementsprechend sucht er mit ausserordentlicher Bdes^iheit den Nachweis zu führen, dass trotz aller ungeheuerlichen Uebertreibungen die Schilderungen ihre Vorbilder in Personen, Hand- lungen und l^eignissen der Zeit finden. Dieser historischen Ver- tie^g verdankt das Werk seine Bedeutung; leider lehrt auch hier die läalming, dass die vorliegende Auflage bereits die zweite i«t, mit welcher Leichtigkeit auch ernstgemeinte, wissenschaftliche Studien aus dem sexuellen Leben buchhän&rischen Absatz finden. Für den Historiker, den Sodologen und Irrenarzt wird das Studium des Buches von Wichtigkeit, in den Händen von Laien entschieden schädlich sein.

Der Autor selbst isagt In seiner Vorrede zu obigem

Buche: • '

...... Seit frtther Jugend i^chs ich in der buntesten, farben- reichsten aller Welten auf, in der Welt der Bücher! Und es ging mir wie jedem Bibliophilen. Nicht blos das harmonisch Schöne, das Klassische im beglückenden Sinne des Wortes zog mich an, sondern auch jene, um mit Macaülay zu reden, '„seltsamen Fragmente aus der litterarischen Geschichte'^, jene bizarren Phänome menschlicher Einbildungskraft erregten früh mein Interesse. Der Bücherfreund weiss, dass es kein Produkt des menschlichen Geistes giebt, welches nicht von einigem Wert für die Erkenntnis wäre. Der Bücherfreund, sucht in den Büchern mit liebevollem Herzen die Menschen. Nidits „Menschliches" dsxt ihm fem bleiben, nicht nur um sein Wissen, seine Erkenntnis zu mehren, sondern auch, weil er ein Menschenfreund ist und sein will.

Daher ist dieses Buch nach Anlage, Ausführung und Inhalt das erste wissenschaftliche Original-Werk über den Marquis de Sade in einer lebenden europäischen Sprache, kein geistreiches Feuilleton^ auch keine dürre Begistrierarbeit, sondern der ernsthafte Versuch,.


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«in wirklich brauchbares „Document humain" zu liefern, das dem Erforscher der Menschennatur von einigem Nutzen sein könne. Bß ist geschrieben für den Arzt — ich selbst bin ein solcher — für den Juristen, den Nationalökonomen, den Historiker, den Philo- sophen — für alle die, welche im sozialen Sinne thätig sind und das Wohl der menschlichen Gesellschaft fördern wollen. Es hat eine „moralische Tendenz. Denn ich glaube, dass es einstweilen noch moralisch ist, die Ehe als das Fundament der Gesellschaft zu preisen und in der physischen Liebe mit Plato und Hegel nur ein Uebergangs- stadium ^u einer höheren geistigen Bethätigung zu sehen.

Ich habe in diesem Buche alles erreichbare Material über den Marquis de Sade zusammengetragen. Nichts dürfte fehlen. Aber ich habe im Sinne dieser „Studien" sein Leben und seine Werke als Ob- jekte der geschichtlichen Erfahrung aufgefasst und damit — wie ich glaube — einen neuen Weg zur Erkenntnis der sexualpatho- logischen Phaenomene betreten. Ob er gangbar ist, das mögen die Leser und die Kritiker beurteilen.

Wenn der berühmte Nationalökonom W. Röscher dem Herans- geber des „Hermaphroditus" von Antonius Panormita, dem gelehrten und ehrlichen F. C. Forberg^ eine „schimpfliche Sach- kenntnis" zum Vorwurf macht, wenn Parent-Duchatelet sein grosses Werk über die Prostiture. 60. —

PAr^tin fran^ais par un merabre de l'acad. d. Dames. Br. 1830. 6. —

l'Art de plnmer sa poule sans crier. S. 1, n. d. 12^. Ledbd. M. httbsch.

Frontisp. (e. Seite d. Erklärg. desselben fehlt). Selten. 8.~

Barbey d'AureYilly, du Dandysme et de G. Brumrael. Paris, Poulet Malassia.

1862. Rare. 4.60

Berdrow. 0. Rahel Varnhagen m. 12 Jll. Stg. 1900; 6.—

Bltttter I. Münzkunde bersg. v. Grote. Bd. l. 2. m. 750 Abb. . Ppb. 20.— — dass. 1837. Etü 1. 2. m. 6 Taf. nebst Beilagebeft: Stammtaf. d. europ.

Regentenh. m. 1 color. Taf. Hlw. 6. —

BoeeaeeiOy decamerone. 6 vols 16^ Italia 1815. Ledbd. Selten. 15.-^ Chasse, la ä courre ou la lucarne perfide, par Stop. Histoire cbatouilleuse

avec 32 Illustr. (Eine kitzliche Flohjagdgeschichte.) ^ 1.50

Dahlmann, J. Briefe e. j. Deutschen u. e. Jüdin. B. 1898 Orglw. Confisciert.

Sehr stark geschrieben. 6.—

Grimm, A. v. Alexandra Feodorowna v. Russld. 2 Bde. 2. A. 1866.

Lwbde. (16.—) 4.—

Heinemann, Goethes Mutter. 4. A. m. v. Illustr. Origbd. 6.—

Kaempfer, histoire du Japon trad. p. Scheuchzer. 3 vols. m. v. Kart. u. Taf.

(Tit. z. Bd. 1. u. Taf. 4 fehlen) Amst. et Par. 1758. Ledbde. 10.—

Karpeies, G. Heinrich Heine, aus s. Leben u. s. Zeit. M. v. Hl. 4^. L. 1899. 6.— Kriegschronik, III. (Weber, Lpzg.) 1864 u. 1866. 2 Hlwbde. a 15.—

La Fontaine, contes et nouvelles en vers. vol. 1. m. viel, interess. Kupfern.

Atnsterd. 1701. Ledbd. 3. —

Lewald, F. Gefühltes u. Gedachtes, hersg. v. Geiger. 1900. 5. —

Lyrics of love From Shakesp. to Tennyson. Lond. 1874. Lw. m. G. 3.— May, K. Im Reich d. silb. Löwen. 2 'Bde. Am Jenseits. Oid Surehand Bd. 2.

Orig.-Lwbde. ä 3. —

Mttncliens historischer Festzug im Jahre 1858. 18 color. Taf. in Grossquer

Folio in Mappe. Sehr interessantes Kostümewerk, Vergriffen u. selten 20. — Parny, le paradis perdu, galanteries de la bible etc. Br. 1850. 1.50

Petronius, die Begebenheiten des Enkolp. Uebers. v. Heinse. Originalgetreuer

Neudruck dies, pikant, altklass. Buches. 2 Bde. L. 1898. 6. —

Pleasures, the of cruelty, being a sequel tp the reading of Justine and Juliette.

3 pts. Lond, Privatdr. Rare. (126.—) 75. — %

Pliuias d, J. Eine andere Welt. M. viel. z. T, color. Illustr. v. Grandville.

lex 8<>. L. 1847. flfz. 9.—

Plowert, J. petit glossaire p. serv. ä Tintelligence des auteurs döcadeuts et

symbolistes. Par, 1888, (Tit stockfl.) Neu. 3,—

(Poellnitz) La Saxe galante. Amst. 1734 (titit rouge 416 pag.) alt. Ledbd.

Rare. Schönes Expl. 15.—

Bedwitz, 0. v. Hymen. Roman. 2. A. B. 1887. Origlwbd. (7.—) 4.— Rembrandt. Als hervorragendes Geschenk für Künstler, besonders für Sammler

von Radierungen empfehle ich eine selten schöne Sammlung von 108 Blatt

Rembrandt-Radiernngen. Jede Radierung ist auf «inem gross Folio-Carton

angeklebt. Diese Sammlung umfasst die schönsten und interessantesten

Blätter Rembrand » . Die Radierungen entstammen dem vorigen Jahrhundert

und sind in England (London?) gefertigt. 150.—

George Sand's Frauenbiider, 24 Stahlst, mit Text v. H. Laube, lex. 8^.

Brüss. 1845. ünbeschnitten. Interessant 6. —

Sasto Domingo, Tablettes anglaises. M. l. Kupf. Br. 1825. Hfz. 2.50

Yente des femmes — Sweat heart, ou amant et amante eto.

Sterne, Voyage sentimentale. Lex 8^. Prachtausg. m. d. Illustr. v. T. Johannot u. Jacque. 310 pag. Paris, Bourdin. £leg. Hfz. (leicht fleck.) 4.50


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Sttmtx, C. H. Die SchSnlieit des weibL KCrpera. H. 100 111. 8. A. Stg. 1699.

Orirtd. neu. '■«>

8ae, E. Ie8 myRtöres de Puü, soiTie de Gerolstein. 10 toIs. m. 18 Stahlst.

1866. Neu. (».— ) *.—

Tudlf, £. les odenn et les parfunB leor infloeuce s. 1. sena genSeiqoe. Piur.

1B99. 8.—

1 iib4 Eine TH^OH. Dekersetzt v. Q. Weil. 4 Bde. 1600 SeiUn

m. 718 pi&cht ItluiU. Einzig uDverkttrite Ausgabe. Nicht

indei. Orientah Prachtbde. Neu (iO.—) 1S.G0

C»trod<l«n Flelds of Anthropologe, observationg on the esoteric mannen

and cnstons of lemi-dTiliaed peoplea. 8 vols. w. S4 lllnstr. lex 8°. Par.

1899. Eleg. Lwbde. 60.—

Ein hoolintROMut«!, >elt«n« Wsik Ton u. »00 Ssit«.

Tolt^re, la pucelle d'(Al6Biis. 21 cbauts. Baele, ThonrneisseD 1791. Hlw.

Seltene Ausgabe. 9. —

— Le mäme. 16 LivieB. Louvain 1766. Seltene erste Ausgabe. 6.—

Whlpped «nd nped in tbe railway. tbe law of rape — Enston Statioo

— the paintera vife — 60 milea an hour — beant; and the beast — a

cmions case of Blackmail. Lond. 1898. Starker Band. Selten. 40.—

Vlld- und Waldmannsbilder. Jagdscenen uad Schildetungen aas Wald.

Qefild n. Höhen. M. niustr. t. Werner, Eolb, Hildebraud u. A. lex B°.

L. 1«»0. Nen. (4.—) 2.—

F' M. KichliiltiBem wsidmSziB. LsiJcon,

Wandt, W. VorleBangen Über d. Uenachen- und Tierseele. S. A. Hb. 1892.

Neu. (12.—) 6.—

Zwsardemaker, H. D. PbTsiologie d. Qemcbes. U. 28 Abb. L. 1S96. 7.—

P(«n> Poroormm per P. Poiciam, Poetam. m. 2 HoUichn. Bransr. ISül.

Selten, 4 —


Apnlejos, der ^Idne Esel. Satirisch- mystisdier Boman. Uebeisetzt von Rode. Liebhaberausgabe getreu nach dem Original von 1783 reprodoziert. 3 Teile mit 1 Eupier. In Pergament broch. (Ladenpi. 15 H.) 9 H. Geljunden 10 Uk.

Dnsselbe. 3. Aufl. 1894. Eingeleitet von M. Q. Conrad. Elegant gebunden Mk. 2.60.

Der bertllimte antue SitWnromao des Apolejos hob Hadnura liegt hier in eiuer neuen eleganten Ausgabe vor. welche die voriligpche UeberaetEung von August Bode mlf einem geistToB-sat^Bchen, moderne Verhültnuse vom Standt punkte des Apulema beleuchtenden Vorwort au» der Fede- von M, E). Conrad darbietet. £ein O-ebildeter wird ohne beben geistigen QenusB dieaee dem ,»Satyrioon'* des Petroniue ebenbl^tige Bittengeschiciltliche Konstwerk lesen, das nicht nur wegen der allbekaiuLten reifenden Episode von Amor und Pejobe den Leser fesselt. Die Irivole Welt des ansgeheoden

anageeeiahDeten Romane wieder lebendig. Der bunte Weöbsel der oft sehr veriänglichen Episoden, die merkwUrdisen Situa- tionen und kiütotbiateriscb wertvollen Scbilderungen antiken Lebens, die mit dem glänzenden Schauspiel der aegyptiscben Hysterien sohlieasen, macben die LectUre zu einer buchst spannenden. Die alte, schon von Lucian verwendete Fabel von der Verwandlung eines Mensoben in einen Bael, welche A^nl^oB au dem Märcben vom .galdnen Esel" verarbeitet hat. giebt dem Autor die VeraEÜasstaug, in der üppigen Lascdvitat einzelner Seinen und mit eigenartiger erotisob-satf^scb^r Pbantsstik ein getreues Bild der sittlToben Corraption in der römischen KaiBereeit votBuftlhren.




iittlap- lt. Jlarite-


1 9nUt, @ttta» SJlttjieroWttm für ^älelarBeiten. 18 ^oppüta^tla ntil 137 5)effu!§ unb ©rlöuterunöen. gotto, $taäfimappt. 6 —

't Sltiitleitt^^ bet golbtte @f el» Sattrifd^^m^ftifd^er Spontan. UeBerfett t)on mobe. Si^l^aberaulgaBe originalgetreu nad^ bem Original Dom 1783 re|)robu5iert. 2 2:eile mit 1 Äiipfer. 3» ^crgomcnt bt. (SabenpreiiJ 15 mi) für 9 90^!. «ntil geb. 10 —

^iefe^ Berühmte flafftf^e ^ud^ fd^ilbert in berb^brafafdber SBeife bie Sitten unb ^ittenlofigfeit feiner 3^^^ ^^^ nod^ »entge (^L t^orl^anben.

^ ~ ^affelbe. 3. $lufl. 1894. ({angeleitet Don Wt. ®. (S4)nrttb. (^eg. geb. 2 60

„^rmer ®fel" fagt ©ad^er-SD'lafoc^, „weld^e Slufnabme toirft hn in bau. l^eutigen S)eutfd^Ianb finben, in biefer 3«it ^« ^rfiberie^ ^eud^elell unbSügel. Äapujiner unb §of^rebiger »erben gegen Mf*» dfem unb man toirb Ud) unmoralifc^ nennen, ^er iHd^trt f^SÜ ber äBelt einen Spiegel t)or, ift er baran fd^ulb, n^enn fie bocin ein ©epd^t erblidt, baiS il^r nic^t gefallt? 3ft er be^l^alb unmrralif^ »ai fle e§ ift?

^ 9iMat%, ^voh "^tM., ^taUif^ts ^t^tH^ htt ^mi&otoait(S Seile). Heberfe^t o. S)r. R, Sömenl^aupi. SZebft einleitenb. Sornort ti. ^of. S)r. $. gritfc^-58onn. (£a. 50 »ogen. Sej. S». SWtt 66* Xejtdbb. tt. 12 garbentafeln. 1898. ©leg. brod^. SW. 21.— ;;$«  fefj. geb. Söl. 25.—

%a9 in t)ortreff(id^er Ueberfe^ng oorliegenbe VMt htS be«  türmten ^arifer ^^nälologen üermeibet alle 2)iS!uffionen nnb toiSL nur für ben praltifd^en ^r^t, ber naturgemftl nid^t feiten b«a S93ttnf4 ^ fiegt, fid^ fdgneU unb bod^ auiSfü^rlic^ über 5!>iagnofe nnb Xf^ttaik in betr. Sh:an{^eiten au informieren, ein pra!tif&ei^ SebrbK^ f^ (&^ oertritt ben ©tanbpuntt ber neueren franaöfifdgen Sd^ute, tt)eld^e %. 3t* bie o|)eratit>e ®i^nftfologie mit Dielen neuen £)t)erattonen ht^ reicbert l^at. ^er äBert beiS 8u(^eiS oirb burd^ bie augerorbentli^ gro|e Slnao^l trefflidber ^bübnngen — eiS finb 665 — etä^öi^ 2:ro^ allem ift oer $reiS ein ongerorbentlid^ «irriger.

<^i fBtnhtt,^., ®ejd^i(^te ber gried^if(^£üierainr bis attben^tolemftem. 1887. (Keg. äeinmanbbanb. (14.—) 6 60

'6 f&otmann, Sbtu. a^ei Seibaig lom' \ä mir. 9lqaelneie lOoeßen. 9Ht

^ angebnnben: IBiff, SBaff, iBuff. geit^tfrei^lidge 9i$lltfitgril|e. 9MA

iflt#ticct (Sieg. geb. (2.60) 1 »


,»«•. ^•'.t.


7 Vdcanht^, ® . ^ie^aupiftrömmtgen ber Süterotur bed 19.3a^r]^berti^ 6 J9be. ^mmwatMlxa^abt. 5. Mfaqt 1897. ^leg. hx. 25 m 3ti 6 ßtoBbn. oeb. 30.— Sn 6 i3eb|.-©f5bbn. 34— a[ebcr «o»b

^ ip einzeln fäufUdJ.

Sn^att ber einzelnen 5Banbe:

7a S^otib 1. Smigrantenlitterotur. 4 56

. 7 b S3attb 2. SHonumtifc^e Sd^ule in ^utftj^lanb 4 5a

7o »anb 3. aUeaftton in granfeeid^. 4 50

7d ®anb 4. 9laturaliSnml in (Sngtanb. 6 —

7e i6anb 5. StontanÜfAe @^ule in gfranfreid^. 6 —

7f ©anb 6. 2)o« iunge^cutfci^Ianb. . 6 —

7 g IBtanbe^f (B. Die ifanvitxmnn^tn Ut fitteratnc to 19. 3aMnn^atii

illofCfd(eJtii00a0e. BftänDc in 2 efci.fcinmaNWn^ngcbunben. 20 —

2>iefc wol^lfctlc SCtt^gabe ift nur gebunbcn unb öoIU ftänbig föufUd^, für ben »ejug brod)lctt« unb einjelner S3önbr Bleibt bie öorftel^cnb oufgefül^rte große Slu^gabe bcftel^en,

7h iBtanbt^f ©. PiflTafpiitg ^ieivs. (llHiatiiUt;ei(l)nuti0cn oon Ca») uni ttntOi, ans llatuc unb Unnfl. Ueberfe^t t)on ^Jl. d. b. Sinben. ®r. 8<>. SSame^m au^geftattet. Elegant brod^iert 3Jl. 4.— @leg. Drig.'Swbb. " 5 —

(Bebunben k Vd. 1.— me^r.

SSome^me, pcrgfeic^enbe Sitteraturaefd^ic^te. Sranbei^ tritt mtf iebem ©ebiete für SRec^t unb SBai^r^eit, für grei^eit be« gfnbioiburanlj. für gretlieit in 5tunft unb SBiffenjcftaft ein. ©o ^a^lreid^ feine ©egnet — fo ^aifUo^ feine SBewunberer unb Slnl^änger. ^iefe 5. ${ufloge, toeld^e aU 3ubiläum§*1ttusigabe erfc^ien, ift nad^ 5en nenei^en 0rlfl(infl(- Ausqabtn, üolTfiänbtg \un umgearbeitet, un5 0e5euten5 vermeQrf. $)ie jSattptfioniungen finb \n bUfzt i^tflaii ein Poilif( ncuo ^n^ nnö etwa um bie i^äffte ffäißer gevoröen.

8 — JJeffei» unb fS^xb '^prou. Smci litterarifd^e ©l^rafterbilbcr. mt

bef onberer ©erücffic^tigung ber grauengeftalten in il^rent Seben. 1894. eieg. br. 2.— ^rac^tbb. 3 -^

SSomel^me^ geftgefc^en! avLä;^ für bie IDomentoelt.

9 — ,§feröiiwn5c^a(raffe. ©in litterarifd^e« S:bara!terbilb. 3. Slufl. 1894.

m. ^ortr. ©leg. brot^iert 2.50 Wtt. ©ebunben .:3 50-

2)iefe berühmte ©iograp^ie fi.'« giebt einunporteiifd^el, treffenbe«  nnb geifttJoHe^ IBilb be$ bebeutenben 3Ranned.

10 — paf Jutoriiätspringip mb He ^epofttfion oan 1789. 2. 1898.

eieg. br. — 76-

11 &. SBmttbe^f ^n^ itttt^e ^eutMIattb. (^er ^Ui)t0romnii0eii

(t^tx nnb fester ^n5). ^ctofeit nnö mtt einem 'Flamen- ir. Süi^xt%^tx $erau$gegell€» von '^. p. 5. jStnöen. &r. 8^. 2T v^gen. j^rnfreies, f^flwres ^«rpter. '^erneiim ausgefiaftel. ?rei^ 6 ?HI., efeg. geß. 7.50

$omie af$ $epatata0bni(fi an$ biefem 'gßanbe:

12— J[ttbmig 'Seme mb ^etnrt($ j»etne S^ei litterarifd^e^boralter^ Biiber m. 2 $ortr. 2. 5(ufl. ©feg. broc^. SKf. 2.50. (Jlea. geb. 9^!. 3.50-

18 — 'S^afief, 'Bettina unö gjarßtte ^tiegfit 3)rei litterar^iporifdjt Q^^ornfterbilber qu$ ber geit be$ iungen S)eutf(^Ianb. S^a. 3 SBogm. (Mt. 80. (Sita, brocb. -;. 0O


1


-J J^^.r,mt •


14 Sontelif ^nttüttptn unb bie SBeltaudfieHuTia 1886. $ta(^tto>erl mit über 100 ^errlii^en gauftrotionen. 322 eeiten. <»r. gfoHo brodj. (40 »».) • " 5 -

15 S)affelBc. (Slcöont Qcfeunben. (48 SKt) 8 —

16 ^a^, 9el. ^au^ietne. @)efammette Heine ©d^riften, 8 »be. ele^. Bt.

neu. (49.50) 12 —

^itvin finb !&al^'9 Suffft^e, @tub{en sc }ur a(t« unb neu gtonanifc^en 4)ef(9i(^ unb Sitteratur^ tp^tlofo^^ie k ent^.

17 Santed göttfici^e ftontSbie überf. t>. ^tannegieger^äBitte. 6. Slug.

3 »be. bro^. (9 3KI.) (Vorrat n3 @jpl.) 4 -•

18 a)eittf(i^e :3aitf^t. Seituttg. 3al^raang 1887. STOit üielen öonügL

gttuftr. gr.-goUo. 1242 ©citen. 9?eu. ^eg. geb. (24.—) 8 —

Cnt^OIt u. 0. an Stonutnen: ^ebfC/ ^., 2>te StifiSbame. — ^^berg, 2)er3amii< iopj. ■— 9{at. b. Sfc^ftrut^, Sßoln. 9Iut sc 2)iefer ^a^röang ent^ttlt oufter«  bem eine gro^e 9(udn>a^ anberer dlomone, (Sriä^lungen, 9lobelIen, Sc^tlberungen. etttbien K , tpie meifter^aft au^efü^e ^olifc^nitte. (5d ift ein ^tgetc^enC fttr iebe ^fomilie.

19 3)iet^d, @. (inixoidivLmß%t\ä)x^U htS Q^etfteiS ber Wttn\^^dt in ge*

meinöerftänblid^er 2)arfteIIung. 2 S5be, SB. 1882. br. nen (10.—) 3.— ®leg. gd&. neu. , 4 50

20 3)o^iite, 91. tunfi unb iHinftler beiS 9JlitteIaIteri$ unb bei 9^euAeit:

3)ii gtöKcner, ©nglönber, Spankt unb granjofen. Unter tßit^ toirfung öon 93obe, Igorbon, Sftofcnberg, (Springer, ©cmper u. ^nb.

4 Ouart'-^änbe mit ca. 400 gSufhot. (Sieg. bro(|. (Sabenpreil 109.—) 50 —

S5anb 2 ber jjkiliener ent^ölt bie berül^mte iRaffacl^ unb Tli^ü Stugelo-^iograpl^ie t>on .©^jringer.

"21 — SHe 6panicr, ©nglönber unb ijranjofen. Ouartbb. xtu ca. 100 SHuftt; ©leg. bro(^. (iJabenp., 22.50 m.) 7.6Ö. 3n ^od^tbb. (27.—) 10 —

SBeltere ^reii^erl^öl^ung öorbel^altcn.

22 ^utt^^ttui^t^anh. 25£)riginalrabierungent)oniBem]^.9)'{annfeIb. m. erläutemb. Xejt oon genbler. 2. S(uf[. golio. 1886. (jÖeo. £tt)b.^aÄo<)pe. (30.—) 15 —

2S ^lütaeh ^efci^td^te bed (3xoii»U^ami\d^tn aller Seiten unb mUtc 5. $&fl. ntü 41 intereffanten, aunteift farbigen 3:afel4lbbilb. 1889. ©leg. broc^. (Sabenpr. 18. — ) 9, —

"änä) Ut Romifdiett ^efelTft^afien fuib in biefem Berül^mtei SBer!e i^ertreten, [o oiebt eS in auiSfü^rlid^er äBeife ein^ ^epi^ii ber bekannten „Allschlaraffia" bis ouf tiit 2e|tjeit.

54 — hieraus apart: 27 intereffante ^afete aumeift in garbbrud 3i eleg. ^attonmappt. 2 5« 

^iefe für ^Itur« u. @ittengef6id^te augerorbentlid^ intereffonii Sammlung fei ©ammlem, foroie Siebl^abent lomifd^er mtb bei^ lontifd^er §lbbtlbungen empfohlen.

j$ 2)ie et^ett ^tattaofett in Öetpaig im Solare 1806. ^a6 b. Sebengea. ö. $. ©etiler, in Äupfer geft. ö. ©d^ule. 15ViX19Vt cm. )ka\ Äu<)ferbmdpa<)ier. (1.20) — 75

6f^r intevcffanidy ^umon»oOcl unb ))rft<^ ouiflcffi^rUi IKait


3n Wefem ^kotttwerfe ^ aHt mli%,üä)tn «rttiUn, ©pitle, ffir--

jd^onsen, mt^l k, f. Snabni unb äKälx^ ent^atten. ScßnciQtit!.

87 Qkntt, Sft. b. aiofleeü^ 4 »bt 2. 1874. 6r. neu. {33.—} 6 —

ffilcg. get- 8 —

28 Qiott^e, gauß, 2 XCc. 8°. 1885. SRotec OriQJnaI-Sl0b6anb. ®tnfitt

SJcntf. C1.50l — 90

29 ®pet^e fm Uiteile ftinet 3«itgenDffen. (1772—1822.) gerau^gcseben

Bon 3- SB. lötQun. ä ©be. 1883—1886. (Sabeiipr. 22.5U) 6 50 (Heaant gelninben (27.—) 8 —

<Sia atttntbt^iAiä)tS ©uppfemtttt ju attat ®o«t^-3(uägabfn.

80 Oact^S IBritfmeiitel unb münblii^ SBerte^t mit iRat QSrünet. 1853-

atoi^. (3.—) 1 50

81 — ^detman», 0cfpTfi^ mit ^od^t in bcn le^en Sagten [«ineä-

SeBuiä. 3 tSäntit BT.-8. 36 SBoncii. ^tilnaf" HtH S^B^tm 'Slnid auf ^Ijftdtnt fAnertu ^ict. a>lU Stultiinnn, ^nnterluiifteit, llianutt- nah €a4tesfß(t bi^fl- von 9. »■ b. Sinbcn. 3. ^ujl. 1895. @Iea. 6mö6. (6.—) 3 20

K Slaffdbe. driegnnt in 1 Driflinat-flmbb. (7.50) 4 —

33 S)af(er6t. ffileflont m 3 Diigfnat-Üwbfibn. (8.—) 6 —

34 9ttS0t0hi»a, 9- <Sulp1)0i\on. SKuftc. $iad^tau$g, 2. 9u|I. 1884.

Drigbl). (7.—) 3 —

S6 Ou^I unb fRofmber«, ftnnftlei^tiere. 2 Sbc 2. Stuflage. 1880.

SpTflc^ttb. (21.-) 6 -

86 »ntlitt, ^. 5)ieffitaffKet ber aScufunft beS SWitlelaiterä. I. nti-

72 Sit^lbtuden. 1884. Drig.-§fj. (12.—) 3 —

87 ^nrnS, 9«., Sit SbilofonMe in ibm ®efi£i(!E|te. 2 Sbc 1880.

(3.50) 4 —

88 — (St}ä)iä)U tm ^f^^ogie. 2. Hufl. (7.60) 2 —

89 — Sogir (6.—) 2 —

40 l^attffc, S. Xte Se&ithttfitbiitt heS Wtn^ättn. ^lianblungen.

über We 7 letten ^rogtaptten B. fiEÜingl Sräiebunfl bei jEeuji^en- gefrfilei^tS. 2. «ufl. 1897. ffileg. br. 3 —

8tn inMnffaiUrt unb mpftthnltHitcl ühuf I

41 0oiiff, SS. »er äRann im aßonb, Sttuftrierte ^tatfttauSaaht. Sej.-«.

S|Jra(%tbb. (6.—) 2 70'

42 {kintic^ $eine9 Siebet im Silbe. 9)Iit ^ineingejei^neteic ^»[tia-

tionen Don ^etnii^ Idtavn. Solio. 12 SSIatt in eleg. ÜDIappe. (80.—) 6 50-

' €ie^c aa($ Skifen, 9Ieue geincgunbe. 48 0offm»tM tWK SoDetSIeben. gannooerfil^eS Stameubüdbrein. @in- mo^nefSanun bec Stobt ^lannoBei: nai^ ifatei tSebeiituun gt-urbnet inb tcUKtttt 1852. (1.60) 1 —



See also




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