Gallows Songs  

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Galgenlieder nebst dem 'Gingganz' (1905, English: Gallows Songs) is a cycle of poetry by Christian Morgenstern published by Bruno Cassirer.

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Full text[1]

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                        CHRISTIAN MORGENSTERN
                            GALGENLIEDER
                        NEBST DEM `GINGGANZ´
                      ZWEIUNDZWANZIGSTE AUFLAGE
                      VERLAG VON BRUNO CASSIRER
                             BERLIN 1917


                           DECKELZEICHNUNG
                           VON KARL WALSER


             Dem Kinde im Manne.
                 `Im ächten Manne ist ein Kind versteckt:
                 das will spielen.´ Nietzsche.


                       Alle Rechte vorbehalten.



Versuch einer Einleitung.


Wir leben in einer bewegten Zeit. Ein Tag folgt dem andern, und neues Leben sproßt aus den Ruinen. Auf moralischem, medizinischem, poetischem, patriotischem Gebiete, in Handel, Wandel, Kunst und Wissenschaft, allüberall dieselbe Erscheinung, dieselbe Tendenz. Symptom reiht sich an Symptom. Und solch ein Symptom war auch die Idee, welche eines schönen Tages des hinverflossenen Jahrhundertendes acht junge Männer, festentschlossen, dem feindlichen Moment, wo immer, im Sinne der Zeit und auch wieder nicht im Sinne der Zeit -- diese Zeit, wie jede, als eine Zeit nicht nur der Bewegung schlechthin, sondern einer sowohl ab- wie aufsteigenden Bewegung, mit zeitweilig dem Ideale unentwegten Fortschritts nur zu abgekehrter Vorwiegung des ersteren Moments in ihr gesehen -- die Singspielhalle, sozusagen, ihres Humors entgegenzustellen, zusammenschmiedete.

Ein sonderbarer Kult vereinte sie. Zuvörderst wird das Licht verdreht, ein schwarzes Tuch dann aus dem Korb und übern Tisch gezogen, mit Schauderzeichen reich phosphoresziert, und bleich ein einzig Wachs inmitten der Idee des Galgenbergs entnommner freudig-schrecklicher Symbole. Dazu heißt der Erste Schuhu: der hängt zuhöchst und gibt den Klang zum Hauch des Rabenaas, der das Mysterium verwest; der Dritte heißt Verreckerle: der reicht das Henkersmahl; der Vierte Veitstanz, zubenannt der Glöckner: der zieht den Armesünderstrang; der Fünfte Gurgeljochem: der schert den Lebensfaden durch; der Sechste Spinna, das Gespenst: der schlägt zwölf; der Siebente Stummer Hannes, zubenannt der Büchner; der singt Fisches Nachtgesang, und der Achte Faherügghh, mit dem Beinamen der Unselm: der kann das Simmaleins und spricht das große Lalul[=a]. Und es wird das Knochenklavier geschaffen und der Gelächtertrab und die Elementarsymphonie und der Huckepackdalbert und der Eulenviertanz und der Galgenschlenkerer und Sophie die Henkersmaid als Symbild von der Weisheit unverweslichem Begriff.

Ein modulationsfähiger Keim.

Und in der Tat, wenn irgendwo, wenn irgendwann, mußte gerade damals und gerade bei denjenigen Kräften der Volksseele, in denen das Herz der vom Geist der neuen Zeit am wunderlichsten beeindruckten Unvoreingenommenheit des Natürlichen am zukunftswetterschwangervollsten pochte, ein besonders abwelthafter Rückschlag wider das Gesetz in der Vernunft von Seiten mehr excös gerichteter Seelen erfolgen und damit ein Beweisschatten mehr geworfen werden, daß keine Zeit, so dunkel sie auch sich und in sich selber sei, indem sie »ihr Herze offenbart«, mit all den Widersprüchen, Knäueln, Gräueln, Grund- und Kraftsuppen ihres Wesens, als Schwan zuletzt mit Rosenfingern über den Horizont ihres eigenen Chaos -- und sei es auch nur als ein Wesenstel ihrer selbst und sei es auch nur mit der lächelndsten Thräne im Wappen -- emporzusteigen sich zu entbrechen den Mut, was sage ich, die Verruchtheit hat.

Es darf daher getrost, was auch von allen, deren Sinne, weil sie unter Sternen, die, wie der Dichter sagt: »versengen, statt leuchten«, geboren sind, vertrocknet sind, behauptet wird, enthauptet werden, daß hier einem sozumaßen und im Sinne der Zeit, dieselbe im Negativen als Hydra gesehen, hydratherapeutischen Moment ersten Ranges -- immer angesichts dessen, daß, wie oben, keine mit Rosenfingern den springenden Punkt ihrer schlechthin unvoreingenommenen Hoffnung auf eine, sagen wir, schwansinnige oder wesentielle Erweiterung des natürlichen Stoffgebietes zusamt mit der Freiheit des Individuums vor dem Gesetz ihrer Volksseele zu verraten sich zu entbrechen den Mut, was sage ich, die Verruchtheit haben wird, einem Moment, wie ihm in Handel, Wandel, Kunst und Wissenschaft allüberall dieselbe Erscheinung, dieselbe Frequenz den Arm bieten, und welches bei allem, ja vielleicht gerade trotz allem, als ein mehr oder minder modulationsfähiger Ausdruck einer ganz bestimmten und im weitesten Verfolge excösen Weltauffasseraumwortkindundkunstanschauung kaum mehr zu unterschlagen versucht werden zu wollen vermag -- gegenübergestanden und beigewohnt werden zu dürfen gelten lassen zu müssen sein möchte.

                                              Hochachtungsvoll!
                                                     Jeremias Müller.



Inhaltsverzeichnis.


                       Seite
 Bundeslied                3
 Sophie                    4
 Nein!                     5
 Gebet                     6
 Lalul[=a]                 7
 Zwölf-Elf                 8
 Mondschaf                10
 Lunovis                  11
 Ralf                     12
 Fisches Nachtgesang      13
 Frühlingslied            14
 Hemmed                   15
 Problem                  16
 Trichter                 18
 Tanz                     19
 Knie                     20
 Seufzer                  21
 Bim, Bam, Bum            22
 Wiesel                   24
 Schaukelstuhl            25
 Wurm                     26
 Kunkel                   27
 Mitternachtsmaus         28
 Himmel und Erde          29
 Mondendinge              30
 Gingganz                 32
 Lattenzaun               33
 Flaschen                 34
 Blonder Korke            35
 Würfel                   36
 Kronprätendenten         37
 Weste                    38
 Philanthropisch          40
 Mond                     41
 Westküsten               42
 Unter Zeiten             45
 Schwarzkünstler          46
 Palmström                48
 Traum der Magd           49
 Nasob[=e]m               51
 Anto-logie               52
 Hystrix                  54
 Probe                    56
 Ameisen                  58
 Gaul                     60
 Pudel                    62
 Huhn                     63
 Möwen                    64
 Igel und Agel            65
 Werwolf                  66
 Fingur                   68
 Km 21                    69
 Waldgeiß                 70
 Purzelbaum               71
 Wurzeln                  72



 Laß die Moleküle rasen,
 was sie auch zusammenknobeln!
 Laß das Tüfteln, laß das Hobeln,
 heilig halte die Ekstasen.



Bundeslied der Galgenbrüder.


 O schauerliche Lebenswirrn,
 wir hängen hier am roten Zwirn!
 Die Unke unkt, die Spinne spinnt,
 und schiefe Scheitel kämmt der Wind.
 O Greule, Greule, wüste Greule!
 Du bist verflucht! so sagt die Eule.
 Der Sterne Licht am Mond zerbricht.
 Doch dich zerbrach's noch immer nicht.
 O Greule, Greule, wüste Greule!
 Hört ihr den Ruf der Silbergäule?
 Es schreit der Kauz: pardauz! pardauz!
 da taut's, da graut's, da braut's, da blaut's!



Galgenbruders Lied an Sophie, die Henkersmaid.


 Sophie, mein Henkersmädel,
 komm, küsse mir den Schädel!
 Zwar ist mein Mund
 ein schwarzer Schlund --
 doch du bist gut und edel!
 Sophie, mein Henkersmädel,
 komm, streichle mir den Schädel!
 Zwar ist mein Haupt
 des Haars beraubt --
 doch du bist gut und edel!
 Sophie, mein Henkersmädel,
 komm, schau mir in den Schädel!
 Die Augen zwar,
 sie fraß der Aar --
 doch du bist gut und edel!



Nein!


 Pfeift der Sturm?
 Keift ein Wurm?
 Heulen
 Eulen
 hoch vom Turm?
 Nein!
 Es ist des Galgenstrickes
 dickes
 Ende, welches ächzte,
 gleich als ob
 im Galopp
 eine müdgehetzte Mähre
 nach dem nächsten Brunnen lechzte
 (der vielleicht noch ferne wäre).



Das Gebet.


 Die Rehlein beten zur Nacht,
          hab acht!
          Halb neun!
          Halb zehn!
          Halb elf!
         Halb zwölf!
            Zwölf!
 Die Rehlein beten zur Nacht,
          hab acht!
 Sie falten die kleinen Zehlein,
         die Rehlein.



Das große Lalul[=a].


 Kroklokwafzi? Se[=m]eme[=m]i!
 Seiokrontro -- prafriplo:
 Bifzi, bafzi; hulale[=m]i:
 quasti basti bo ...
 Lalu lalu lalu lalu la!
 Hontraruru miromente
 zasku zes rü rü?
 Entepente, leiolente
 klekwapufzi lü?
 Lalu lalu lalu lalu la!
 Simarar kos malzipempu
 silzuzankunkrei (;)!
 Marjomar dos: Quempu Lempu
 Siri Suri Sei []!
 Lalu lalu lalu lalu la!



Der Zwölf-Elf.


 Der Zwölf-Elf hebt die linke Hand:
 Da schlägt es Mitternacht im Land.
 Es lauscht der Teich mit offnem Mund.
 Ganz leise heult der Schluchtenhund.
 Die Dommel reckt sich auf im Rohr.
 Der Moosfrosch lugt aus seinem Moor.
 Der Schneck horcht auf in seinem Haus.
 Desgleichen die Kartoffelmaus.
 Das Irrlicht selbst macht Halt und Rast
 auf einem windgebrochnen Ast.
 Sophie, die Maid, hat ein Gesicht:
 Das Mondschaf geht zum Hochgericht.
 Die Galgenbrüder wehn im Wind.
 Im fernen Dorfe schreit ein Kind.
 Zwei Maulwürf küssen sich zur Stund
 als Neuvermählte auf den Mund.
 Hingegen tief im finstern Wald
 ein Nachtmahr seine Fäuste ballt:
 Dieweil ein später Wanderstrumpf
 sich nicht verlief in Teich und Sumpf.
 Der Rabe Ralf ruft schaurig: `Kra!
 Das End ist da! Das End ist da!´
 Der Zwölf-Elf senkt die linke Hand:
 Und wieder schläft das ganze Land.



Das Mondschaf.


 Das Mondschaf steht auf weiter Flur.
 Es harrt und harrt der großen Schur.
           Das Mondschaf.
 Das Mondschaf rupft sich einen Halm
 und geht dann heim auf seine Alm.
           Das Mondschaf.
 Das Mondschaf spricht zu sich im Traum:
 `Ich bin des Weltalls dunkler Raum.´
           Das Mondschaf.
 Das Mondschaf liegt am Morgen tot.
 Sein Leib ist weiß, die Sonn' ist rot.
           Das Mondschaf.



Lunovis.


 Lunovis in planitie stat
 Cultrumque magn' expectitat.
         Lunovis.
 Lunovis herba rapta it
 In montes, unde cucurrit.
         Lunovis.
 Lunovis habet somnium:
 Se culmen rer' ess' omnium.
         Lunovis.
 Lunovis mane mortuumst.
 Sol ruber atque ips' albumst.
         Lunovis.



Der Rabe Ralf.


 Der Rabe Ralf
    will will hu hu
 dem niemand half
    still still du du
 half sich allein
 am Rabenstein
    will will still still
        hu hu
 Die Nebelfrau
    will will hu hu
 nimmt's nicht genau
    still still du du
 sie sagt nimm nimm
 's ist nicht so schlimm
    will will still still
        hu hu
 Doch als ein Jahr
    will will hu hu
 vergangen war
    still still du du
 da lag im Rot
 der Rabe tot
    will will still still
        du du



Fisches Nachtgesang.


    -
   U U
  - - -
 U U U U
  - - -
 U U U U
  - - -
 U U U U
  - - -
 U U U U
  - - -
   U U
    -



Galgenbruders Frühlingslied.


 Es lenzet auch auf unserm Spahn,
 o selige Epoche!
 Ein Hälmlein will zum Lichte nahn
 aus einem Astwurmloche.
 Es schaukelt bald im Winde hin
 Und schaukelt bald drin her.
 Mir ist beinah, ich wäre wer,
 der ich doch nicht mehr bin ..



Das Hemmed.


 Kennst du das einsame Hemmed?
    Flattertata, flattertata.
 Der's trug, ist baß verdämmet!
    Flattertata, flattertata.
 Es knattert und rattert im Winde.
    Windurudei, windurudei.
 Es weint wie ein kleines Kinde.
    Windurudei, windurudei.
       Das ist das einsame
            Hemmed.



Das Problem.


 Der Zwölf-Elf kam auf sein Problem
 und sprach: Ich heiße unbequem.
 Als hieß' ich etwa Drei-Vier
 statt Sieben -- Gott verzeih mir!
 Und siehe da, der Zwölf-Elf nannt' sich
 von jenem Tag ab Dreiundzwanzig.



II.



Die Trichter.


 Zwei Trichter wandeln durch die Nacht.
  Durch ihres Rumpfs verengten Schacht
        fließt weißes Mondlicht
            still und heiter
               auf ihren
                Waldweg
                 u. s.
                   w.



Der Tanz.


 Ein Vierviertelschwein und eine Auftakteule
 trafen sich im Schatten einer Säule,
 die im Geiste ihres Schöpfers stand.
 Und zum Spiel der Fiedelbogenpflanze
 reichten sich die zwei zum Tanze
 Fuß und Hand.
 Und auf seinen dreien rosa Beinen
 hüpfte das Vierviertelschwein graziös,
 und die Auftakteul' auf ihrem einen
 wiegte rhythmisch ihr Gekrös.
 Und der Schatten fiel,
 und der Pflanze Spiel
 klang verwirrend melodiös.
 Doch des Schöpfers Hirn war nicht von Eisen,
 und die Säule schwand, wie sie gekommen war;
 und so mußte denn auch unser Paar
 wieder in sein Nichts zurücke reisen.
 Einen letzten Strich
 tat der Geigerich --
 und dann war nichts weiter zu beweisen.



Das Knie.


 Ein Knie geht einsam durch die Welt.
 Es ist ein Knie, sonst nichts!
 Es ist kein Baum! Es ist kein Zelt!
 Es ist ein Knie, sonst nichts.
 Im Kriege ward einmal ein Mann
 erschossen um und um.
 Das Knie allein blieb unverletzt --
 als wär's ein Heiligtum.
 Seitdem geht's einsam durch die Welt.
 Es ist ein Knie, sonst nichts.
 Es ist kein Baum, es ist kein Zelt.
 Es ist ein Knie, sonst nichts.



Der Seufzer.


 Ein Seufzer lief Schlittschuh auf nächtlichem Eis
     und träumte von Liebe und Freude.
 Es war an dem Stadtwall, und schneeweiß
     glänzten die Stadtwallgebäude.
 Der Seufzer dacht' an ein Maidelein
     und blieb erglühend stehen.
 Da schmolz die Eisbahn unter ihm --
     und er sank -- und ward nimmer gesehen.



Bim, Bam, Bum.


 Ein Glockenton fliegt durch die Nacht,
 als hätt' er Vogelflügel,
 er fliegt in römischer Kirchentracht
 wohl über Tal und Hügel.
 Er sucht die Glockentönin BIM,
 die ihm vorausgeflogen;
 d. h. die Sache ist sehr schlimm,
 sie hat ihn nämlich betrogen.
 `O komm´ so ruft er, `komm, dein BAM
 erwartet dich voll Schmerzen.
 Komm wieder, BIM, geliebtes Lamm,
 dein BAM liebt dich von Herzen!´
 Doch BIM, daß ihr's nur alle wißt,
 hat sich dem BUM ergeben;
 der ist zwar auch ein guter Christ,
 allein das ist es eben.
 Der BAM fliegt weiter durch die Nacht
 wohl über Wald und Lichtung.
 Doch, ach, er fliegt umsonst! Das macht,
 er fliegt in falscher Richtung.



Das æsthetische Wiesel.


         Ein Wiesel
    saß auf einem Kiesel
   inmitten Bachgeriesel.
          Wißt ihr
          weshalb?
        Das Mondkalb
       verriet es mir
         im Stillen:
       Das raffinier-
           te Tier
 tat's um des Reimes willen.



Der Schaukelstuhl auf der verlassenen Terrasse.


 `Ich bin ein einsamer Schaukelstuhl
 und wackel im Winde, im Winde.
 Auf der Terrasse, da ist es kuhl,
 und ich wackel im Winde, im Winde.
 Und ich wackel und nackel den ganzen Tag.
 Und es nackelt und rackelt die Linde.
 Wer weiß, was sonst wohl noch wackeln mag
 im Winde, im Winde, im Winde.´



Die Beichte des Wurms.


 Es lebt in einer Muschel
 ein Wurm gar seltner Art;
 der hat mir mit Getuschel
 sein Herze offenbart.
 Sein armes kleines Herze,
 hei, wie das flog und schlug!
 Ihr denket wohl, ich scherze?
 Ach, denket nicht so klug.
 Es lebt in einer Muschel
 ein Wurm gar seltner Art;
 der hat mir mit Getuschel
 sein Herze offenbart.



Das Weiblein mit der Kunkel.


 Um stille Stübel schleicht des Monds
 barbarisches Gefunkel --
 im Gäßchen hoch im Norden wohnt's,
 das Weiblein mit der Kunkel.
 Es spinnt und spinnt. Was spinnt es wohl?
 Es spinnt und spintisieret ...
 Es trägt ein weißes Kamisol,
 das seinen Körper zieret.
 Um stille Stübel schleicht des Monds
 barbarisches Gefunkel --
 im Gäßchen hoch im Norden wohnt's,
 Das Weiblein mit der Kunkel.



Die Mitternachtsmaus.


 Wenn's mitternächtigt und nicht Mond
 noch Stern das Himmelshaus bewohnt,
 läuft zwölfmal durch das Himmelshaus
         die Mitternachtsmaus.
 Sie pfeift auf ihrem kleinen Maul, --
 im Traume brüllt der Höllengaul ...
 Doch ruhig läuft ihr Pensum aus
         die Mitternachtsmaus.
 Ihr Herr, der große weiße Geist,
 ist nämlich solche Nacht verreist.
 Wohl ihm! Es hütet ihm sein Haus
         die Mitternachtsmaus.



Himmel und Erde.


 Der Nachtwindhund weint wie ein Kind,
 dieweil sein Fell von Regen rinnt.
 Jetzt jagt er wild das Neumondweib,
 das hinflieht mit gebognem Leib.
 Tief unten geht, ein dunkler Punkt,
 querüberfeld ein Forstadjunkt.



Mondendinge.


 Dinge gehen vor im Mond,
 die das Kalb selbst nicht gewohnt.
 Tulemond und Mondamin
 liegen heulend auf den Knien.
 Heulend fletschen sie die Zähne
 auf der schwefligen Hyäne.
 Aus den Kratern aber steigt
 Schweigen, das sie überschweigt.
 Dinge gehen vor im Mond,
 die das Kalb selbst nicht gewohnt.
 Tulemond und Mondamin
 liegen heulend auf den Knien ...



III.

Der Gingganz und Verwandtes.



Der Gingganz.


 Ein Stiefel wandern und sein Knecht
 von Knickebühl gen Entenbrecht.
 Urplötzlich auf dem Felde drauß
 begehrt der Stiefel: Zieh mich aus!
 Der Knecht drauf: Es ist nicht an dem;
 doch sagt mir, lieber Herre, --: wem?
 Dem Stiefel gibt es einen Ruck:
 Fürwahr, beim heiligen Nepomuk,
 ich GING GANZ in Gedanken hin ...
 Du weißt, daß ich ein andrer bin,
 seitdem ich meinen Herrn verlor ...
 Der Knecht wirft beide Arm' empor,
 als wollt' er sagen: Laß doch, laß!
 Und weiter zieht das Paar fürbaß.



Der Lattenzaun.


 Es war einmal ein Lattenzaun,
 mit Zwischenraum, hindurchzuschaun.
 Ein Architekt, der dieses sah,
 stand eines Abends plötzlich da --
 und nahm den Zwischenraum heraus
 und baute draus ein großes Haus.
 Der Zaun indessen stand ganz dumm,
 mit Latten ohne was herum,
 Ein Anblick gräßlich und gemein.
 Drum zog ihn der Senat auch ein.
 Der Architekt jedoch entfloh
 nach Afri -- od -- Ameriko.



Die beiden Flaschen.


 Zwei Flaschen stehn auf einer Bank,
 die eine dick, die andre schlank.
 Sie möchten gerne heiraten.
 Doch wer soll ihnen beiraten?
 Mit ihrem Doppel-Auge leiden
 sie auf zum blauen Firmament ..
 Doch niemand kommt herabgerennt
 und kopuliert die beiden.



Das Lied vom blonden Korken.


 Ein blonder Korke spiegelt sich
 in einem Lacktablett --
 allein er säh' sich dennoch nich',
 selbst wenn er Augen hätt'!
 Das macht, dieweil er senkrecht steigt
 zu seinem Spiegelbild!
 Wenn man ihn freilich seitwärts neigt,
 zerfällt, was oben gilt.
 O Mensch, gesetzt, du spiegelst dich
 im, sagen wir, -- im All!
 Und senkrecht! -- wärest du dann nicht
 ganz in demselben Fall?



Der Würfel.


 Ein Würfel sprach zu sich: Ich bin
 mir selbst nicht völlig zum Gewinn!
 Denn meines Wesens sechste Seite,
 und sei es auch Ein Auge bloß
 sieht immerdar, statt in die Weite,
 der Erde ewig dunklen Schoß.
 Als dies die Erde, drauf er ruhte,
 vernommen, ward ihr schlimm zu Mute.
 Du Esel, sprach sie, ich bin dunkel,
 weil dein Gesäß mich just bedeckt!
 Ich bin so licht wie ein Karfunkel,
 sobald du dich hinweggefleckt.
 Der Würfel, innerlichst beleidigt,
 hat sich nicht weiter drauf verteidigt.



Kronprätendenten.


 -- `Ich bin der Graf von Réaumur
 und hass' euch wie die Schande!
 Dient nur dem Celsio für und für,
 Ihr Apostatenbande!´
 Im Winkel König Fahrenheit
 hat still sein Mus gegessen.
 -- `Ach Gott, sie war doch schön, die Zeit,
 die man nach mir gemessen!´



Die Weste.


 Es lebt in Süditalien eine Weste
 an einer Kirche dämmrigem Altar.
 Versteht mich recht: Noch dient sie Gott aufs beste.
 Doch wie in Adam schon Herr Hæckel war,
 (zum Beispiel bloß), so steckt in diesem Reste
 Brokat voll Silberblümlein wunderbar
 schon heut der krause Übergang verborgen
 vom Geist von gestern auf den Wanst von morgen.



IV.



Philanthropisch.


 Ein nervöser Mensch auf einer Wiese
 wäre besser ohne sie daran;
 darum seh' er, wie er ohne diese
 (meistens mindstens) leben kann.
 Kaum daß er gelegt sich auf die Gräser,
 naht der Ameis, Heuschreck, Mück und Wurm,
 naht der Tausendfuß und Ohrenbläser,
 und die Hummel ruft zum Sturm.
 Ein nervöser Mensch auf einer Wiese
 tut drum besser, wieder aufzustehn
 und dafür in andre Paradiese
 (beispielshalber: weg) zu gehn.



Der Mond.


 Als Gott den lieben Mond erschuf,
 gab er ihm folgenden Beruf:
 Beim Zu- sowohl wie beim Abnehmen
 sich deutschen Lesern zu bequemen,
 ein =A= formierend und ein =Z= --
 daß keiner groß zu denken hätt'.
 Befolgend dies ward der Trabant
 ein völlig deutscher Gegenstand.



Die Westküsten.


 Die Westküsten traten eines Tages zusammen
 und erklärten, sie seien keine Westküsten,
 weder Ostküsten noch Westküsten --
 `daß sie nicht wüßten!´
 Sie wollten wieder ihre Freiheit haben
 und für immer das Joch des Namens abschütteln,
 womit eine Horde von Menschenbütteln
 sich angemaßt habe, sie zu begaben.
 Doch wie sich befreien, wie sich erretten
 aus diesen widerwärtigen Ketten?
 Ihr Westküsten, fing eine an zu spotten,
 gedenkt ihr den Menschen etwan auszurotten?
 Und wenn schon! rief eine andre schrill.
 Wenn ich seine Magd nicht mehr heißen will? --
 Dann blieben aber immer noch die Atlanten --
 meinte eine von den asiatischen Tanten.
 Schließlich, wie immer in solchen Fällen,
 tat man eine Resolution aufstellen.
 Fünfhundert Tintenfische wurden aufgetrieben,
 und mit ihnen wurde folgendes geschrieben:
 Wir Westküsten erklären hiermit einstimmig,
 daß es uns nicht gibt, und zeichnen hochachtungsvoll:
 Die vereinigten Westküsten der Erde. --
 Und nun wollte man, daß dies verbreitet werde.
 Sie riefen den Walfisch, doch er tat's nicht achten;
 sie riefen die Möwen, doch die Möwen lachten;
 sie riefen die Wolke, doch die Wolke vernahm nicht;
 sie riefen ich weiß nicht was, doch ich weiß nicht was kam nicht.
 Ja, wieso denn, wieso? schrie die Küste von Ecuador:
 Wärst du etwa kein Walfisch, du grober Tor?
 Sehr richtig, sagte der Walfisch mit vollkommener Ruh:
 Dein Denken, liebe Küste, dein Denken macht mich erst dazu.
 Da war's den Küsten, als säh'n sie sich im Spiegel;
 ganz seltsam erschien ihnen plötzlich ihr Gewiegel.
 Still schwammen sie heim, eine jede nach ihrem Land.
 Und die Resolution, die blieb unversandt.



Unter Zeiten.


 Das Perfekt und das Imperfekt
     tranken Sekt.
 Sie stießen aufs Futurum an
 (was man wohl gelten lassen kann).
 Plusquamper und Exaktfutur
     blinzten nur.



Unter Schwarzkünstlern.


 Eines Mittags las man:
   `Pfiffe zu mieten gesucht!
   Hundertweis, zu jedem Preis!
   Victor Emanuel Wasmann!´
 Um sechs Uhr kam der erste Pfiff
 von einem alten Kohlenschiff.
 Um acht Uhr waren's tausend schon.
 Um neun Uhr eine halbe Million.
 Victor Emanuel Wasmann schlug
 die Türe zu: Nun ist's genug!
 Hört zu, ihr Pfiffe!
 Ich habe einen Feind (hört! hört!),
 der mir des nachts die Ruhe stört, --
 auf den sollt ihr marschieren!
 Er hat Gelächter angestellt,
 die schickt er nachts mir an mein Bett,
 da hocken sie auf der Decke,
 mit Flügeln weiß und Flügeln rot,
 und krähn und flattern mich zu Tod. --
 Doch alles hat sein Ende.
 Die Pfiffe pfiffen wie Ein Mann;
 empfingen ihren Sold sodann.
 (Ein Schusterjungenpfiff sogar
 bot Wasmann sich als Bravo dar.)
 Drauf ließ er sie durchs Ofenloch ..
 Doch lange stand er brütend noch,
 schrieb Zeichen, hob die Hand und schwur,
 ein schwarzer Meister der Natur ...
                 *
 Bald nach diesem ging
 ein Herr Axel Ring
 kurzerhand
 außer Land. --
 Wasmann hatte gesiegt.



Palmström.


 Palmström steht an einem Teiche
 und entfaltet groß ein rotes Taschentuch:
 Auf dem Tuch ist eine Eiche
 dargestellt, sowie ein Mensch mit einem Buch.
 Palmström wagt nicht sich hineinzuschneuzen, --
 er gehört zu jenen Käuzen,
 die oft unvermittelt-nackt
 Ehrfurcht vor dem Schönen packt.
 Zärtlich faltet er zusammen,
 was er eben erst entbreitet.
 Und kein Fühlender wird ihn verdammen,
 weil er ungeschneuzt entschreitet.



Der Traum der Magd.


 Am Morgen spricht die Magd ganz wild:
 Ich hab heut nacht ein Kind gestillt --
 ein Kind mit einem Käs als Kopf --
 und einem Horn am Hinterschopf!
 Das Horn, o denkt euch, war aus Salz
 und ging zu essen, und dann --
                                `Halt's --
 halt's Maul!´ so spricht die Frau, `und geh
 an deinen Dienst, Zä-zi-li-[=e]!´



V.



Das Nasob[=e]m.


 Auf seinen Nasen schreitet
 einher das Nasob[=e]m,
 von seinem Kind begleitet.
 Es steht noch nicht im Brehm.
 Es steht noch nicht im Meyer.
 Und auch im Brockhaus nicht.
 Es trat aus meiner Leyer
 zum ersten Mal ans Licht.
 Auf seinen Nasen schreitet
 (wie schon gesagt) seitdem,
 von seinem Kind begleitet,
 einher das Nasob[=e]m.



_Anto_-logie.


 Im Anfang lebte, wie bekannt,
 als größter Säuger der _Gig_-ant.
 Wobei _gig_ eine Zahl ist, die
 es nicht mehr gibt, -- so groß war sie!
 Doch jene Größe schwand wie Rauch.
 Zeit gab's genug -- und Zahlen auch.
 Bis eines Tags, ein winzig Ding,
 der _Zwölef_-ant das Reich empfing.
 Wo blieb sein Reich? Wo blieb er selb? --
 Sein Bein wird im Museum gelb.
 Zwar gab die gütige Natur
 den _Elef_-anten uns dafur.
 Doch ach, der Pulverpavian,
 der Mensch, voll Gier nach seinem Zahn,
 erschießt ihn, statt ihm Zeit zu lassen,
 zum _Zehen_-anten zu verblassen.
 O `Klub zum Schutz der wilden Tiere´,
 hilf, daß der Mensch nicht ruiniere
 die Sprossen dieser Riesenleiter,
 die stets noch weiter führt und weiter!
 Wie dankbar wird der Ant dir sein,
 läßt du ihn wachsen und gedeihn, --
 bis er dereinst im Nebel hinten
 als _Nulel_-ant wird stumm verschwinden.



Die Hystrix.


 Das hinterindische Stachelschwein
 (hystrix grotei Gray),
 das hinterindische Stachelschwein
 aus Siam, das tut weh.
 Entdeckst du wo im Walde drauß
 bei Siam seine Spur,
 dann tritt es manchmal, sagt man, aus
 den Schranken der Natur.
 Dann gibt sein Zorn ihm so Gewalt,
 daß, eh' du dich versiehst,
 es seine Stacheln jung und alt
 auf deinen Leib verschießt.
 Von oben bis hinab sodann
 stehst du gespickt am Baum,
 ein heiliger Sebastian,
 und traust den Augen kaum.
 Die Hystrix aber geht hinweg,
 an Leib und Seele wüst.
 Sie sitzt im Dschungel im Versteck
 und büßt.



Die Probe.


 Zu einem seltsamen Versuch
 erstand ich mir ein Nadelbuch.
 Und zu dem Buch ein altes zwar,
 doch äußerst kühnes Dromedar.
 Ein Reicher auch daneben stand,
 zween Säcke Gold in jeder Hand.
 Der Reiche ging alsdann herfür
 und klopfte an die Himmelstür.
 Drauf Petrus sprach: `Geschrieben steht,
 daß ein Kamel weit eher geht
 durchs Nadelöhr, als Du, du Heid,
 durch diese Türe groß und breit!´
 Ich, glaubend fest an Gottes Wort,
 ermunterte das Tier sofort,
 ihm zeigend hinterm Nadelöhr
 ein Zuckerhörnchen als Douceur.
 Und in der Tat! Das Vieh ging durch,
 obzwar sich quetschend wie ein Lurch!
 Der Reiche aber sah ganz stier
 und sagte nichts als: Wehe mir!



Im Jahre 19000.


 Die Ameisen oder Emsen
 sind so weit jetzt, daß sie Gemsen
 sich als Sklaven halten (aus
 Gründen ihres Körperbaus).
 Da sie selber sehr viel kleiner,
 so bedienen sie sich einer
 Gemse oder zweier Gemsen
 zu Gebirgspartien, die Emsen.
 Ist sodann ein Adlernest
 abgesucht bis auf den Rest,
 gehn sie endlich, zog der Weih
 schon den Ameisbären bei,
 wieder ihm aus Horst und Rock --
 und besteigen ihren Bock,
 der sie, wie ein Stein, der springt,
 heim zu ihrem Hügel bringt.
 Angepflöckt, so stehn die Gemsen
 in der Nähe dort der Emsen,
 bei den Läusen u. s. w.
 und verwünschen ihre Reiter.



Der Gaul.


 Es läutet beim Professor Stein.
 Die Köchin rupft die Hühner.
 Die Minna geht: Wer kann das sein? --
     Ein Gaul steht vor der Türe.
 Die Minna wirft die Türe zu.
 Die Köchin kommt: Was gibt's denn?
 Das Fräulein kommt im Morgenschuh.
     Es kommt die ganze Familie.
 `Ich bin, verzeihn Sie´, spricht der Gaul,
 `der Gaul vom Tischler Bartels.
 Ich brachte Ihnen dazumaul
     die Tür- und Fensterrahmen!´
 Die vierzehn Leute samt dem Mops,
 sie stehn, als ob sie träumten.
 Das kleinste Kind tut einen Hops,
     die andern stehn wie Bäume.
 Der Gaul, da keiner ihn versteht,
 schnalzt blos mal mit der Zunge,
 dann kehrt er still sich ab und geht
     die Treppe wieder hinunter.
 Die dreizehn schaun auf ihren Herrn,
 ob er nicht sprechen möchte.
 Das war, spricht der Professor Stein,
     ein unerhörtes Erlebnis!..



Der heroische Pudel.


 Ein schwarzer Pudel, dessen Haar
 des abends noch wie Kohle war,
 betrübte sich so höllenheiß,
 weil seine Dame Flügel spielte,
 trotzdem er heulte; daß (o Preis
 dem Schmerz, der solchen Sieg erzielte!)
 er beim Gekräh der Morgenhähne
 aufstand als wie ein hoher Greis --
 mit einer silberweißen Mähne.



Das Huhn.


 In der Bahnhofhalle, nicht für es gebaut,
 geht ein Huhn
 hin und her ...
 Wo, wo ist der Herr Stationsvorsteh'r?
 Wird dem Huhn
 man nichts tun?
 Hoffen wir es! Sagen wir es laut:
 daß ihm unsre Sympathie gehört,
 selbst an dieser Stätte, wo es -- `stört´!



Möwenlied.


 Die Möwen sehen alle aus,
 als ob sie Emma hießen.
 Sie tragen einen weißen Flaus
 und sind mit Schrot zu schießen.
 Ich schieße keine Möwe tot,
 ich laß sie lieber leben --
 und füttre sie mit Roggenbrot
 und rötlichen Zibeben.
 O Mensch, du wirst nie nebenbei
 der Möwe Flug erreichen.
 Wofern du Emma heißest, sei
 zufrieden, ihr zu gleichen.



Igel und Agel.


 Ein Igel saß auf einem Stein
 und blies auf einem Stachel sein.
     Schalmeiala, schalmeialü!
   Da kam sein Feinslieb Agel
   und tat ihm schnigel schnagel
 zu seinen Melodein.
        Schnigula schnagula
          schnaguleia lü!
 Das Tier verblies sein Flötenhemd ...
 `Wie siehst Du aus so furchtbar fremd!?´
     Schalmeiala, schalmeialü --.
   Feins Agel ging zum Nachbar, ach!
   Den Igel aber hat der Bach
 zum Weiher fortgeschwemmt.
          Wigula wagula
           waguleia wü
             tü tü ..



Der Werwolf.


 Ein Werwolf eines Nachts entwich
 von Weib und Kind und sich begab
 an eines Dorfschullehrers Grab
 und bat ihn: Bitte, beuge mich!
 Der Dorfschulmeister stieg hinauf
 auf seines Blechschilds Messingknauf
 und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
 geduldig kreuzte vor dem Toten:
 `Der Werwolf´ -- sprach der gute Mann,
 `des Weswolfs, Genitiv sodann,
 `dem Wemwolf, Dativ, wie man's nennt,
 `den Wenwolf, -- damit hat's ein End'.´
 Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
 er rollte seine Augenbälle.
 Indessen, bat er, füge doch
 zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!
 Der Dorfschulmeister aber mußte
 gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
 Zwar Wölfe gäb's in großer Schar,
 doch `_Wer_´ gäb's nur im Singular.
 Der Wolf erhob sich tränenblind --
 er hatte ja doch Weib und Kind!!
 Doch da er kein Gelehrter eben,
 so schied er dankend und ergeben.



Die Fingur.


 Es lacht die Nachtalp-Henne,
 es weint die Windhorn-Gans,
 es bläst der schwarze Senne
 zum Tanz.
 Ein Uhu-Tauber turtelt
 nach seiner Uhuin.
 Ein kleiner Sechs-Elf hurtelt
 von Busch zu Busch dahin ..
 Und Wiedergänger gehen,
 und Raben rufen kolk,
 und aus den Teichen sehen
 die Fingur und ihr Volk ...



Km 21.


 Ein Rabe saß auf einem Meilenstein
 und rief Ka-em-zwei-ein, Ka-em-zwei-ein ..
 Der Werhund lief vorbei, im Maul ein Bein,
 Der Rabe rief Ka-em-zwei-ein, zwei-ein.
 Vorüber zottelte das Zapfenschwein,
 der Rabe rief und rief Ka-em-zwei-ein.
 `Er ist besessen!´ -- kam man überein.
 `Man führe ihn hinweg von diesem Stein!´
 Zwei Hasen brachten ihn zum Kräuterdachs.
 Sein Hirn war ganz verstört und weich wie Wachs.
 Noch sterbend rief er (denn er starb dort) sein
 Ka-em-zwei-ein, Ka-em-Ka-em-zwei-ein ..



Geiß und Schleiche.


 Die Schleiche singt ihr Nachtgebet,
 die Waldgeiß staunend vor ihr steht.
 Die Waldgeiß schüttelt ihren Bart,
 wie ein Magister hochgelahrt.
 Sie weiß nicht, was die Schleiche singt,
 sie hört nur, daß es lieblich klingt.
 Die Schleiche fällt in Schlaf alsbald.
 Die Geiß geht sinnend durch den Wald.



Der Purzelbaum.


 Ein Purzelbaum trat vor mich hin
 und sagte: `Du nur siehst mich
 und weißt, was für ein Baum ich bin:
 Ich schieße nicht, man schießt mich.
 Und trag' ich Frucht? Ich glaube kaum;
 auch bin ich nicht verwurzelt.
 Ich bin nur noch ein Purzeltraum,
 sobald ich hingepurzelt.´
 Jenun, so sprach ich, bester Schatz,
 du bist doch klug und siehst uns; --
 nun, auch für uns besteht der Satz:
 wir schießen nicht, es schießt uns.
 Auch Wurzeln treibt man nicht so bald,
 und Früchte nun erst recht nicht.
 Geh heim in deinen Purzelwald,
 und lästre dein Geschlecht nicht.



Die zwei Wurzeln.


 Zwei Tannenwurzeln groß und alt
 unterhalten sich im Wald.
 Was droben in den Wipfeln rauscht,
 das wird hier unten ausgetauscht.
 Ein altes Eichhorn sitzt dabei
 und strickt wohl Strümpfe für die zwei.
 Die eine sagt: knig. Die andre sagt: knag.
 Das ist genug für einen Tag.



Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.



 [ Im folgenden werden alle geänderten Textzeilen angeführt, wobei
   jeweils zuerst die Zeile wie im Original, danach die geänderte Zeile
   steht.
   der _Zwölef-ant_ das Reich empfing.
   der _Zwölef_-ant das Reich empfing.
 Das Huhn
 Das Huhn.
 Km 21
 Km 21.
 ]





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