Herzog Theodor von Gothland  

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"For nothing but desperation can save us"

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Herzog Theodor von Gothland (1827) is a play by Christian Dietrich Grabbe

German lemma

Herzog Theodor von Gothland ist ein Schicksalsdrama von Christian Dietrich Grabbe und gilt als eines der originellsten, aber auch düstersten Debüts eines deutschen Dramatikers.

Das bereits in der Gymnasialzeit begonnene und 1822 vollendete Drama erzählt die Geschichte eines fiktiven Herzogs der schwedischen Insel Gotland, der, arglistig getäuscht, vom Pfad der Tugend abweicht und zu einem blutrünstigen Rächer und Mörder wird. Auslöser der Handlung wird der militärische Konflikt zwischen den christlichen Schweden und den heidnischen Finnen, die von dem Afrikaner Berdoa angeführt werden. Dieser will Rache für die europäischen Verbrechen und seine persönliche Versklavung üben und benutzt dabei Herzog Theodor von Gothland als Waffe: Als dessen Bruder stirbt, redet Berdoa ihm ein, dass der dritte Bruder, Kanzler am schwedischen Hof, für den Tod verantwortlich ist. Gothland glaubt dieser Lüge und schwingt sich nun eigenmächtig zum Rächer auf. Er tötet seinen Bruder und verrät den schwedischen König, indem er zu den Finnen überläuft. Im weiteren Verlauf der Handlung verstößt er seine Frau und seinen alten Vater und liefert den eigenen Sohn den Ränken Berdoas aus. Auch als er erkennt, dass er getäuscht wurde, weicht er nicht von seinem blutigen Pfad ab und sieht am Ende gleichgültig der Hölle entgegen, da er erkannt hat: Allmächtige Bosheit ist es, die den Weltkreis lenkt und ihn beherrscht.

Grabbes Erstling schockierte die Zeitgenossen durch seinen Zynismus und das pessimistische Weltbild, welches die Dialoge vermitteln. Auch die mitunter blutrünstigen Szenen überforderten die Leser und Kritiker, auch wenn die Wortgewalt und das Talent des jungen Grabbe von Ludwig Tieck und Heinrich Heine durchaus erkannt wurde. Einflüsse von William Shakespeare sind vor allem bei der Figur des Berdoa spürbar, der an den hasserfüllten Afrikaner Aaron aus Titus Andronicus erinnert. Auch eine Beeinflussung durch Lord Byron ist zu erkennen. Herzog Theodor von Gothland erlebte seine Uraufführung erst lang nach dem Tod Grabbes: im Jahr 1892 in Wien.


Full text

Der alte Gothland (tritt auf, laut rufend). Meinen ältsten Sohn Ruf ich zum Zweikampfe!

Gothland (mit verstellter Stimme). Gereuts dich, daß Du ihn gezeugt?

Der alte Gothland. Wohl reut' es mich, – er sei verflucht!

Gothland. Den Fluch auf dich! Wer hatte dir das Recht Verliehn, das Leben ihm zu geben?! Fluch der Geilheit, Die dich antrieb!

Der alte Gothland. Gut mach ich meinen Fehler, Indem ich ihn vertilge!

Gothland. Darfst du das?

Der alte Gothland. Hab ich ihn nicht erzeugt, ernährt, erzogen?

Gothland. Ho, dafür braucht dein Sohn dir nicht einmal zu danken! Verdammte Schuldigkeit ists, daß Ihr die Geschöpfe, welche ihr zu eurer Lust In diese Welt der Qual setzt, auch ernährt!

Der alte Gothland. Wes ist die Zunge, die hier leugnet, daß Der Vater richten darf den Sohn?

Gothland. Und wenn Du ihn vertilgen darfst, kannst du es auch?

Der alte Gothland. Verspottest du mein graues Haar? Wer du Auch bist, wahr dich vor meiner Faust! Noch fühlt Sie ihre alte Kraft!

Gothland. So raffe denn Die alte Kraft zusammen, und versuch es doch, Vertilge seine Seele, du Gewaltiger! – Ohnmächtiger, vermagst du's nicht? – Wer einmal Geboren ist, muß ewig leben, er Mag wollen oder nicht, denn von Dem ersten Augenblicke seines Seins Gehöret er der Hölle zu! Drum Fluch der Welt, wo jeder Bauerlümmel Mit Hülfe einer Viehmagd Etwas Unsterbliches verfertgen kann! Drum Fluch den Vätern! Jammer und Unfruchtbarkeit den Müttern! Wehe den Gebornen!

Der alte Gothland. Lästrer! Hochverräter! Verschworen scheints, bist du Mit meinem Sohne, um Zu rebellieren wider mich! Ist denn Die Erde seit der vorgen Nacht Aus ihrem tausendjährgen Gleis geworfen? Und nehmen unsre Kinder jetzt Die Rute in die Hand? Nein, ehe ich das dulde, Fall ich im Kampfe für das älteste Der Rechte, für das Vaterrecht!

(Er geht auf Gothland los.)

Gothland (weicht rasch zurück). Ich will Mit dir nicht kämpfen, retten will ich dich!

(Kriegerische Musik; Berdoa, Rossan, Usbek und andere ziehen im Hintergrunde mit Heerhaufen vorbei. Die Schlacht beginnt von neuem und scheint sich zu entfernen.)

Gothland. Siehst du's? Der Finne ist verstärkt zurückgekehrt; Willst du nicht abgeschnitten sein, so eile fort Von hier; – dort durch den Hohlweg schleich; er wird Dich vor des Feindes Blick bedecken Und führt auf einem Umwege zum Heer Des Königs.

Der alte Gothland. Ich begreif dich nicht, – indes Du machst dein Reden gut durch deine Tat.

(Geht ab.)

Gothland (zieht die Kappe vom Gesicht). Mit meinem Vater bin ich wett; er gab Ein Leben mir, ich rettete ihm eins; Begegne ich ihm noch einmal, so weich Ich vor ihm nicht! – Keinen Vater mehr? (Schmerzlich, die Hand auf der Brust.) O hier Sind traurige Ruinen!

(Die Schlacht kommt wieder näher; abermalige Flucht der Finnen; waffenlose Soldaten stürzen herein; dann kommt Usbek; Gothland tritt auf die Seite und beobachtet das Vorfallende.)

Usbek (verzweiflungsvoll) Alles ist Verloren! Unsre Erschlagnen decken das Gefild! Geh unter Sonne! und beschein Es nicht!

(Irnak kommt, den Arm in einer Binde.)

Usbek. Verwundet?

Irnak. Kaum gestreift. (Ihm ins Ohr.) 's ist aus Mit uns! – Wo ist Berdoa?

Usbek. Im Schlachtreihn, – Fruchtlos sah ich ihn Sturm auf Sturm versuchen, – Der Widerstand verdoppelt seine Kraft!

(Berdoa, Rossan und Finnen.)

Berdoa. Trompeter, blast den Kampf zu neuen Flammen, Den Mut der Finnen blaset wieder an!

Rossan. Das hilft Euch nichts. Das Volk ist zu verzagt. Zweimal wards nun an diesem Tag geschlagen.

Berdoa. So will ich denn zum letzten Mittel greifen: Ich lasse sie verzweifeln! Finnen! Wir Sind hoffnungslos verloren! (Wehgeheul.) Nimmer seht Ihr eurer Heimat Küsten, nimmer seht Ihr eure Weiber, eure Kinder wieder; Auf dieser fremden Erd, wo heute schon So viele Kameraden fielen, werdet Ihr unbeweint verwesen!

Die Finnen. Rette uns! Errette uns!

Berdoa. Die Schweden treiben uns Wie 'n Rudel Wild zusammen, – rings sind wir Umzingelt; auf dem Meere (länger darf Ichs nicht verschweigen) kreuzt die Feindesflotte Und droht mit einer Landung unsren Rücken; auf Dem Lande dringen, wie vier fürchterliche Schnitter, Der König Olaf, der Graf Holm, der Graf Arboga, dem der Pferdeschweif den Helm Umflattert, und der alte Herzog Gothland, Mit ihren Schwertern Finnlands Jugend un- Barmherzig niedermähend, auf uns ein! Schon harren über uns die Krähn Auf unsren Tod, (nahende Trommeln und Geschrei) schon nahn mit Siegsgejauchz Die Schweden –

Die Finnen. Rette! rette uns!

Berdoa. – und nichts Als nur Verzweiflung kann uns retten!

Ein finnischer Hauptmann (tritt ein). Ein schwedscher Herold ruft: sein König sichre Den Finnen einen freien Abzug zu, wenn Sie das verfemte Haupt des Herzogs Gothland Freiwillig überliefern würden.

Berdoa (boshaft). Was Verhindert uns, es auszuliefern? (Zu Usbek.) Schlags Ihm ab!

Erik. O Gott! mein armer Herr!

Gothland (leise und dringend zu Rossan). Hast du Getan, was du versprachest?

Rossan. Meine Scharen Sind Euch gewonnen.

Gothland. Kann ich mich darauf Verlassen?

Rossan. Als wärs auf Euch selbst!

Gothland. So sei Gewärtig!

Usbek (zu Gothland, das Schwert erhebend). Bück dich!

Berdoa (zu Usbek). Haue doch nur zu!

Gothland. Mohr, mäßge dich! Gefallen ist der Trug, Der mir das Haupt umfing; ich weiß es, wie Du mich betört!

Berdoa (mit unmäßigem Hohn). Weißt du's, Dummkopf? Das freut mich! Was ich befohlen, hast du wohl erfüllt: Den Bruder, welcher dir noch lebte, hast Du totgeschlagen, – schade, daß ich dich nun nicht Mehr brauchen kann – du hast ja keine Brüder mehr! Merkt Finnen! so bestraf ich die, die mich Verhöhnen; dieser Schwede wollte einst In seinem Übermut mich peitschen lassen – Heut lasse ich den armen Sünder köpfen! – Beinah erbarmt mich sein; der Tropf erwürgte Den Bruder, weil ich – Seht, wie er vor Furcht Erbleicht!

Gothland (mit dem schrecklichsten Ausbruche seiner Wut). Du irrst dich! er erbleicht vor Zorn! – Zurück du Hund, und knurre nicht!

(Er stößt ihn von sich weg; große Bewegung unter den Finnen.)

Usbek (mit Finnen auf Gothland eindringend). Erschlagt ihn!

Rossan (mit andren Finnen dem Usbek entgegentretend). Wir schützen ihn!

Usbek. Das ist Empörung!

Gothland (zu Berdoa). Plaudre Kein Wort von dem, was zwischen mir und dir Geschehn ist! Schweig, schweig! Du bist bös, Doch dreifach bös bin ich, denn vorher war Ich gut; drum hüt dich!

Berdoa (wütend auf ihn eindringend). Hüte du dich selber; Sehr blutbegierig sind die Tiger!

Usbek. Ich bin In Tod und Leben dir zur Seite!

(Rossan hält mit seinen Leuten den Anhang der Beiden auf.)

Gothland. Haltet; hört Mich erst, eh fruchtlos Blut vergossen wird! Womit hat dieser Schwarze eure Liebe Verdient?

Berdoa. Schlagt doch die Trommeln!

Gothland. – Vielleicht, weil er Die Ersten eures Volks hinrichten ließ, Um ihre häupterlosen Rümpfe zu Den Stufen seiner Macht zu machen?

Berdoa. Trommeln!

Einzelne Stimmen. Nein, hört ihn, hört!

Berdoa. Verdammtes Finnenpack!

Gothland. Vernehmet ihr sein Schmähn? So lohnt ers jetzt, Daß ihr ihn, als er barfuß, bettelnd in Eur Land kam, wie 'nen König aufnahmt und Mit Purpur seine Blöße decktet!

Ein Finne. Ja, er Kam barfuß in das Land; ich weiß es noch.

Gothland (zu Berdoa). All diese vielen tausend Finnen, die Hier stehn, die sich auf deinen Mut und Witz Verlassend, dich zum Feldherrn wählten und Dir folgten, hast du hergeführt auf dieses Schlachtfeld, wie auf 'ne Schlachtbank, hast sie prahlrisch Mit Siegsverheißungen getäuscht und nun Durch deine Einfalt sie im Garn des Tods Verstrickt! – Wo bleibt jetzt deine Kriegskunst? Hast du Schon ihren ganzen Vorrat aufgebraucht? (Auf die Finnen deutend.) Errett sie doch! Zweimal hast du's bereits Versucht und zweimal haben dich die Schweden Wie 'nen begoßnen Pudel wieder Zurückgejagt; nicht wert bist du ein Feldherr Zu sein; ich setz dich ab, und fortan dienst Du als Gemeiner unter Rossans Bataillonen!

Berdoa. Gift und Hölle!

(Er geht auf Gothland los.)

Rossan und Finnen (ihn abhaltend). Nieder mit Dem Neger !

Usbek und Finnen. Nieder mit dem Gothland!

Gothland. Usbek! hör noch ein einzig Wort! Du kennst Die Sitte deines Volks, die Blutrache?

Usbek. Wie ich mich selbst!

Gothland. Ward nicht dein Vater meuchlings Erschlagen?

Berdoa (schnell und heftig einfallend). Rührt die Trommeln!

Gothland. Dieser Mohr Erwürgte ihn!

Usbek. Das lügst du!

Rossan (gibt dem Usbek ein Papier). Hier ist der Beweis.

Usbek (in das Papier blickend). O Mörder! Teufel! Teufel! Gothland, Ich bin der Dein'ge! Nieder mit dem Neger!

Alle Finnen (indem nun auch die Letzten dem Beispiele Usbeks folgen). Nieder, nieder mit dem Neger!

(Irnak, der bisher schweigend auf Berdoas Seite gestanden hat, verläßt ihn jetzt ebenfalls. – Berdoa, da er sich von allen verlassen sieht, will racheglühend auf Gothland zuspringen, aber plötzlich stürzt er besinnungslos, niedergeworfen von seiner inneren Erschütterung, an den Boden.)

Usbek (zu Gothland). Wenn du ihn willst getötet haben, so Trag mir es auf – laß mich den Vater rächen!

Rossan (leise zu Gothland). Treibt es fürs erste nicht zu weit; schon wird Der Pöbel nach der alten Weise wieder Mitleidig, – immer hält er es mit dem, Der unterliegt!

Gothland. Wie wahr das ist, mein lieber Rossan! (Für sich.) – Erst Grausamkeit zur Folie und dann Ein bißchen Großmut drauf geflickt – das wirkt, Das muß zu Tränen rühren – jetzt Die Großmut! (Laut.) Usbek, wie mich dünkt, ist er Für jetzt genug bestraft; bewahr mich Gott, Daß ich an dem Ohnmächtigen mich räche! – Wenn Er wieder sich erholt hat, dann soll Dich niemand hindern, es mit ihm In offnem Kampfe auszufechten. – Irnak, Berdoa ward von dir am wenigsten Beleidigt; beim Erwachen, denk ich, sieht er Dich lieber als uns andre; bringe ihn In Sicherheit, und wenn dir meine Gnade auch Nur etwas gilt, so pfleg ihn wie 'nen Freund.

(Irnak und Soldaten bringen den Neger von der Bühne.)

Rossan. Ist das nicht edel?

Die Finnen. Ja, großmütig ists Gehandelt!

Gothland (schnell ein flüchtiges Lächeln unterdrückend). Lobt mich nicht; ich tat ja nur, Was jeder Mensch tun würde. – Wie es mit Euch steht, das wißt ihr selbst; Berdoa hats Euch schon gesagt; – die schwedsche Landarmee Umzieht uns enger stets und enger, – Die schwedsche Flotte macht sehr drohende Bewegungen – Neunhundert Reiter könnten euch Bequem zusammenhaun! – Was gebt Ihr mir, wenn ich eur Leben rette? – Daß ich es kann, das glaubt ihr schon; ihr kennt Den Herzog Theodor von Gothland aus Den Schlachten, die er siegreich gegen euch Gefochten hat!

Rossan. Sehr billig ist es, für Das Höchste auch das Höchste dir zu bieten: Rett uns und Finnlands Krone sei dein Lohn!

Die Finnen. Errett uns und sei König!

Gothland. Ist Das euer Ernst?

Die Finnen. Ja, du bist unser König!

Gothland. Ists so?

Rossan, Usbek und Finnen. Wir alle sind dir untertänig!

Gothland. So schwört, mir treu zu sein in Glück und Not!

Rossan, Usbek und Finnen. Wir schwören, dir zu folgen in den Tod!

Gothland. Den straf ich Hochverrats, der dieses log!

Rossan, Usbek und Finnen. Der König Finnlands, Gothland lebe hoch!

(Tusch.)

Gothland (laut gebietend). Wohlan, so reißet aus die finnischen Paniere Und pflanzet auf die Banner meines Hauses! (Es geschieht.) – Fortan ist Rossan euer Obergeneral, Usbek bleibt Kommandeur der Reiterei! – – Der schwedsche König hat 'nen Preis Von tausend Stücken Goldes auf mein Haupt Gesetzt, – ich setze funfzigtausend auf Das seinige! – Herold, sitz auf und rufs Den Feinden zu – (indem er in seine Brieftasche schreibt) mach dich zugleich An ihren Oberfeldherrn, an Den Grafen von Arboga, grüße ihn Von Gothland, laß ihn dieses lesen, und Meld mir, was er darauf beginnt! (Der Herold geht ab.) Wo ist Mein Sohn?

Ein Finne. Ich sah ihn bei der Vorhut.



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