Parodieen und Karikaturen auf Werken der Klassischen Kunst  

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Parodieen und Karikaturen auf Werken der klassischen Kunst is a text by Theodor Panofka. Berlin 1852 in: Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1851

Full text[1]

Parodieen und Rarlkaturen auf Werken der klassischen Kunst.


B


W'" Von

H™' PANOFKA.


[Gelesen In der Akademie der Wissenschaften am 13. Februar 18.51.]

ei dem glänzenden Reichthum an Witz und Humor den die Komödien der Griechen in so hohem Grade entfalten, miiste es mit Recht befremden dafs die Rückwirkung auf die bildende Kunst so schwach imd imbedeutend erschien, zumal die leztere auf diesem Felde mit den ihr zu Gebote stehen- den Mitteln (*) weit leichter Ruhm und Lorbeern ernten konnte als die Poe- sie. Daher dürfte eine Zusammenstellung des Vorzüglichsten was von Pa- rodieen und Karikaturen auf dem Gebiete der klassischen Kunst (*) zu unsrer Kenntnifs gelangt ist, nicht blos zu einer richtigeren Auffassung einer bisher nicht genug berücksichtigten Richtung und Entwickelung des helleni- schen Geistes wesentlich beitragen, sondern auch gleichzeitig neue Thatsa- chen unter einem neuen Gesichtspimkt zu Tage fördernd, manch unerwar- tetes Licht über Litteratur und Kunst zugleich verbreiten.

So lange für diese Untersuchung kein andrer Stoff zu Gebote stand als der allzuspärliche des schriftlichen Alterthums, liefs sich eine erfolgrei- che Lösung dieser Aufgabe nicht im entferntesten erwarten.

(') Horat. Epist. ad P!s. v. 9. 10:

PicCoribus alque poetls Qundlibel audendi setnper fuit aequa pnteslas. (*) Die durch die Kostbarkeit der Bllderlafein gebotene fieschränkung mahnte uns, zwei wichtige Gattungen von Parodieen von dieser Publication auszusehliefsen. Die eine umfafst dramatische Parodieen, Hilarotragodi een; zwei leuchtende Beispiele derselben, einer Antigene und einer Zerstörung Illums haben wir bereits Annal. de l'Instilut Ar- cheol. Vol. XIX. Tav. d'agg. K. 1847. pag. 216. und in Gerhard's Archäol. Zeitung D. u. F. 1849. Taf. V, 2. S. 43, 44. bekannt gemacht. Für die andre, Thierparodleen, wo- von wir nur zwei Beispiele Taf. I, 8. und 9. aufgestellt, bieten Gemmen und Pasten ein so bedeutendes geistreiches Material dafs eine sinnige Zusammenstellung und Deutung des- selben einen glänzenden Erfolg sich versprechen könnte.

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2 Panofka: Parodiccn und Karikaturen

Denn aus dem Kreise der Göttervvelt kennen wir nur durch Apulejus (-) als Parodie in Aktion eine zahme Bärin in mal renalem Anzug auf einem Sessel gefahren, offenbar eine Parodie der grofsen Erd-und Na- turgöttin, die mit der Artemis Brauronia deren Priestennncn Bärinnen äoKTOi hiefsen, wie mit der Artemis Kallisle Arkadiens sich assimilirt.

An diese Göttin schliefst sich vermuthlich als zweite Parodie der Affe mit gewebtem Pileus und saffranfarbiger phrygischer Tracht an, der einen goldenen Becher, wohl eine Kjmbe oder Kypellon, für die der Kybele geistesverwandte Erdmutter hielt, wie der Hirt Ganymed als Mundschenk neben Zeus. Ich betrachte diesen Affen als Parodie des Attes, Begleiters der Cybele, oder des Arkas, Sohnes der Bärin Kallisto.

Zum Verständnifs dieser beiden Parodieen veröffentliche ich die sinn- verwandte, bisher ungeahndete Parodie derselben Gottheiten auf einer gel- ben Paste im kgl. Museum (^); eine Bärin durch krumme und grade Flöte welche sie bläst, als phrygische Erdmutier charakterisirt, spielt zum Tanz einem Eichhörnchen auf, das den Attes personificirt (Taf. I, 8.).

Die dritte Parodie eines mit aufstrebenden Flügeln neben einem schwachen Greis einherschreitenden Esels erklärt Apulejus selbst für eine Parodie des Pegasos imd Bellerophon.

Plinius ("*) erwähnt von Ktesilochos, einem Schüler des Apelles — Ol. CXII. — das Gemälde einer Dionysosgeburt aus dem Schenkel des Zeus (^) der als Kopfbedeckung eine Mitra trägt (^) und wie eine Frau vor Geburtsschmerzen stöhnt: um ihn herum standen ver- muthlich die Ilithyien mit erhobenen und geöffneten Händen seine Entbin-

C) Apulej. Metam. XI, vni. /^icli et ursam mansuem cullu matronali; sella vehebatur; et simiam pileo textili crocnlisque Phrygiis, Catamiti pastnris specie aureum gestantem po- culum; et asinum pinnis adglutinalis adambulantem cuidam seni debili; ut illum quidem Heller opho nt em, hunc autem diceres P egasurn^ tarnen rideres utruniqiie.

(^) Tölken Verzeichnifs d. Gemm. d. kgl. Mus. VIII Kl. 15.5., wie schon Winkelmann VII Kl. 119. Eine tanzende Maus vor einer Katze welche die DoppelHöte spielt.

(') H. N. XXXV, XI, S. 40. Apellis discipulus , petulanli pictura innntuil: Joue Liberum parturiente depiclo milrato, et muUebriler ingeniiscente. Vgl. Zeus Lecheates in Alipherae (Paus. VIII, XXVI, 4.) und Jupiter Genitrix.

(*) Vgl. die etruskischen Spiegel dieses Gegenstandes bei Visconti Mus. Pio Clem. IV, B. 1. Mlllin. Gal. myth. LXXI, '2'.>2.

(^) Zum besseren Verständnifs last sich die Hauptfigur des Hekateopferrelief bei Ger- hard Ant. Bildw. Taf. CCCVI, 1. benutzen.


auf IVerhcn der Idassischen Kinist. 3

düng zu erleichtern und den ans Licht kommenden Knaben aufzunehmen. Aus der heroischen Mythologie erwähnt Sueton () im Leben des Tiber ein höchst unzüchtiges Bild d es Parrhasius auf welchem dem Meleager Ata- lante ore moi-igeralur. Der Kaiser Tiber hatte dies Bild durch Vermachtnifs erhalten unter der Bedingung dafs wenn er an dem Gegenstand Anstofs nähme, er hundert Tausend Sesterzien statt dessen empfangen sollte, allein Tiber zog das Bild nicht blos vor, sondern weihte es in seinem Schlafzimmer. Man hat dies Bild bisher nur unter dem Gesichtspunkt ausschweifender Wollust betrachtet ohne zu erwägen -wie sehr man dadurch dem Genie des Parrha- sius zu nahe tritt. Denn, galt es nur eine solche obscöne Handlung darzu- stellen, warum wählte Parrhasius nicht lieber Venus und Adonis, Perseus und Andromeda, Alpheus und Arethusa, anderer zu geschweigen? es mufs daher noch ein besonderer witziger Gedanke der die gemeine Scene gewis- sermafsen entschuldigt, dieses Bild hervorgerufen haben so dafs es nicht als ein blos unzüchtiges, sondern auch als ein pikantes parodisches (^) Gemälde uns entgegentritt. Diese Überzeugung gewinnen wir sobald wir den Cha- rakter der Jungfräulichkeit beachten welche die griechische Mythologie der Atalante vorzugsweise vor allen übrigen Heroinen beilegt, wie im Kreise der Göttinnen Artemis denselben beansprucht, daher in Bildwerken nicht selten die Gestalten beider mit einander verwechselt werden: und zugleich erwägen dafs der Namen Atalante die Un gewiegte, Unsedrückte wie a^ir^-


(') Suelon. Tiber. 44. Tiberius Caesar Panhasii labulam, in qua Meleagro Atahinta ore morigeralur, legatain sibi sab condicinne, iil si argutnento offenderelur, decies pro ea Il.-S. acclperet, non modo praelulil, sed et in cubiculn dedicauit. Cf. Plin. H. N. XXXV, IX, s. 36. Pinxit et niinoribus tabellis libidines, eo genere pelulanlibus jncis se reßciens. Vgl. die vol- center Kylix mit gelben Figuren {Catal. d. Vas. Elrusq. de Luc. Bonaparte n. 102.) von Hrn. de Witte bescbrieben: Un jeune hnrnrne ä derni agennuille et tenant un vase i/ui a une espece de gnuInt forme pur un phallus que l'ephebe parte ä sa bauche pour boire. Derriere l'ephebe l'extrcmile d'un lit, au dessus HO. HAIS KAAOS;. Diam. 19. Cent, au Ca- hinet da Cte. de Pourtales. Auch Photius Lex. p. 192., 12. Kvto?.«;<uji': o KKswlct o rüi nva-ui Xctxwvi^iuu. Tö hs tck TrcttBixola 'y^^fJT^'nt Xnxwin^siv ?.iyo-jTit'. MsAmi-ii (Meineke Fragm. poet. com. II, I, p. 200. emendat 'EXsi'») et 'A3iTro(/)«i'v;?) yao QritTsv; ootw? i')(^pr,s-nro. MC 'AsiTTo-sÄ»;?. Vergi. Alcibiades unter Hetären auf einem vorzüglichen griechischen Re- lief im neapler Museum, von Gerhard (Neap. Antiken Marui. Z. d. Musen 283.) mit Un- recht für Bacchus und Grazien erklärt.

(®) petulantibus jocis wie die Dionysosgeburt des Ktesilochos von Plinius H. N. XXXV, XI, s. 40. als petulans pictura in gleichem Sinne der Parodie und Satire bezeichnet ward.

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4 Panofka: Parodieen und Karihaturen

TOS die Ungebändigte, im Gegensatz von ^djxa^ die Gebändigte, die Gemahlin, auf denselben Charakter der Jungfräulichkeit seinerseits hinweist. Hieraus folgt unmittelbar die der Atalante inwohnende Scheu vor Schwängerung aus welcher die Handlung in der Panhasius sie malte, sich erklären läfst. Dem- nach erkenne ich eine Parodie der Jungfräulichkeit in diesem Bilde des Parrhasius auf welchem Äleleager vor der sitzenden Brustentblösten Atalante (^) seines Namens würdig auf ihre beiden Apfel Jagd machte.

Für diese Auffassung spricht auch auf einer Vase echt etruskischer Fabrik (Taf. I, 1. und 2.) das Bild der völlig nackten Atalante, nur durch den Eberkopf am Fufs eines Bassins charakterisirt worauf sie sich stützt: ihr gegenüber steht Meleager mit Lanze und Schild: zwischen beiden, dieser zugekehrt, und durch altes und häfsliches Gesicht markirt, wohl einer der verschmähten Liebhaber, ein Oheim des Meleager. Die Rückseite (Taf. I, 2.) giebt ein parodisches Gegenstück zur mythischen Scene, nemlich Faun als Meleagros Jagdfreund, in heifser Umarmung seiner Geliebten die von Atalante sich nicht unterscheidet.

Hieran reiht sich als politische Karikatur ein bei Plinius ('") erwähntes Bild des Maler Kiesides — nach Alexander dem Grofsen — der für seine fortwährende Zurücksetzung von Seiten der Königin Stratonice sich da- durch rächte dafs er dieselbe sich herumwälzend mit einem Fischer malte, von dem das Gerücht ging die Königin liebe ihn: sein Holzbild stellte er im Hafen von Ephesos aus: er selbst aber machte sich rasch zur See auf und davon. Die Königin dagegen bewies ihre Freisinnigkeit imd Kunstliebe indem sie vei'bot das Gemälde wegzunehmen, obgleich die Ähnlichkeit bei- der Personen wunderbar ausgedrückt war.

Von einer ungleich witzigeren littei-arischen Karikatur zum Ruhme Ho- mers berichtet Aelian ("), nemlich einem Gemälde des Palaton (*^) aus

(') Vgl. die Silbermiinzen von Aetolien bei Combe Numi Mus. Brit. tab. 5, n. 23. Müller Denkm. a. K. Th. II, Taf. XV. n. 16.5.

('°) Plin. H. N. XXXV, XI, s. 40. Clesides reginae Stratonices injuria nnnluil. Nullo enirn honore exceptus ab ea, pinxit volulantem cum piscatore, quem reginam amare sermo erat, eamque tabulam in porlu Ephesi proposuit; ipse ve/is raptus est. Regina tolli veluit^ utriusque similitudine rnire expressa.

(") Aelian. V. H. XIII, 22. et intpp.

("^) Die Gründe weshalb ich den Namen Palaton dem korrumpirten Galaton, oder (beim Seh. Luciani Contempl. p. 499. T. I. ed. Weist.) Gelaton vorziehe, beruhen in dem Zu-


auf TVerhcji der IdassiscJien Kunst. 5

den Zeiten der Ptolemäer (^). Es stellte den Homer dar, wohl auf einer Kline halbliegend, wie er in ein am Boden stehendes Becken bricht, während eine vor ihm stehende, lang bekleidete Frau, die WoiYiTK oder die Mcuxa ihm mit beiden Händen den Kopf hält: die übrigen Dichter die als Gäste dem Symposion beiwohnen, schöpfen emsig das ausgebrochene mit ihren Trinkbechern sich ein, nach Art der beim Gastmal aewöhn- lieh am Krater beschäftigten Epheben. Das Innenbild einer volcenter Kvlix im Gregorianischen Museum (*) zu Rom (Taf. I, 3.) last sich bei der Restau- i'ation des Palatonischen Gemäldes mit Erfolg benutzen.

Der Umstand dafs die angeführten Beispiele sämtlich in die Zeit der raa- cedonischen Herrschaft fallen, kann zu der Meinung verleiten als habe diese Gattung der Kunst sich erst so spät bei den Hellenen entwickelt: eine Ansicht welche die bisher am meisten bekannten Karikaturen zu unterstützen schei- nen, indem wir sieauf pompejanischen Wänden gemalt finden. Die eine dersel- ben (Taf I, 7 ) zeigt des Aeneas Flucht mit seinem Vater Anchises auf derSchulterunddemkleinenAscaniusander andren Hand; statt der drei Trojanersehen wir die Handlung durch dreiHunde versinnbildet ( '^).

Die andre Karikatur zeugt von ungleich mehr Geist (Taf I, 6.) der Er- findung und Talent der Ausführung: sie veranschaulicht das Atelier eines Malersund seiner Schüler ('^), nebst einem Fremden der sich po r- traitiren last, und vielleicht zweien seiner Freunde die andrerseits eintreten um zu beurtheilen ob das Portrait getroffen sei. Sämtliche Perso- nen erscheinen als Pygmäen.

Während die bisher angeführten Beispiele der Wand - oder Holzma- lerei anheimfallen , bietet eine Reihe bisher verkannter oder noch uner-


sammenhang welchen ich zwischen diesem sonderbaren Stoff des Bildes und dem Namen des Künstlers wahrnehme, man möge nun diesen von TrceXKaTs-tu verunreinigen, be- flecken, oder von palatum Gaumen herleiten. Wcty.ärmv Se o ^Mypcicpo'; sygn-^s rou imv OuYi^ou ctVTOv EßoCvTct, Tovg Ss a},>.oyg 7ro:i;T«? T« IfJiyiiASTiJ.si'a cca\jOfj.ivovg.

(") Nach Meier gr. Kunstgeschichte II, S. 193.

(**) Innenbild einer volcenter Kjlix mit rothen Figuren im Mus. Gregor. Vol. II, Tav. LXXXI.

O Pitt. d'Ercol. IV, 368. Miliin G. myth. CLXXIII, 607.

('^) Mazois Pompeji II, pag. 68. Vign. aufgestochen in der Rei-ue ytrcheologu/ue. „Fünf Künstler von denen zwei an dei Staffelei zwei Fremde portratiren und ein Kranich," und bei Leemans Mededeeling omlrenl de Schilderkunst der Ouden.


6 Panofka: Parodicen und Karikaturen

klarier Vasenmalereien ein fruchtbareres Feld für die vorliegende Untersu- chung. Die noch heul zu Tage sich wiederholende Erscheinung dafs die Kari- katurenzeichner mehr durch den Geist der Erfindung als durch die Sorgfalt der Ausführung Lob verdienen, tritt schon in hohem Grade in den sinnver- vrandten Werken der griechischen Künstler uns entgegen, so dafs diese Kunsl- galtung vorzugsweise in Figuren schwarzen Styls oft der vernachlässigtesten Zeichnung sich offenbart, und manche parodische Yasenbilder dieser Art für ernste Mythenbilder alterthümlichen Stjls ausgelegt werden. Obgleich in gewissen Fällen die Rohheit des Stjls verleiten kann diese Vasenbilder auf die Kindheil der Kunst zurückzuführen, so erscheint es doch andrerseits ge- rathener, dieselben vielmehr aus einer absichtlichen Sorglosigkeit der Zeich- nung hervorgegangen zu glauben und je nach ihrer Beschaffenheit sie mehr oder weniger der Verfallzeit der Vasenmalerei nahe zu rücken.

In diese Klasse gehört meines Erachtens eine Amphora mit schwarzen Figin-en auf blassgelbem Grund, deren Zeichnung (Taf III, 1. 2.) oder rich- tiger deren Gekakcl ich hier verkleinert voi'lege, xmd die mit um so grö- fserem Recht an die Spitze dieser Abhandlung tritt als sie den äufseren An- lafs zur gegenwärtigen Untersuchung darbot ().

Am Bauch des Gefäfses nimmt ein Jüngling, wohl an einem Felsrü- cken oder Hügel sitzend zu denken, inisre Aufmerksamkeil vorzugsweise in Anspruch indem er ein jugendliches Menschenbein in der Rechten und einen gleichen Menschenarm in der Linken hält. Links kommen zwei Jünglinge auf ihn zu, einen überaus langen Hebebaum mit beiden Händen mühsam tra- gend: hinter der sitzenden Hauptfigur befindet sich rechts ein andrer Jüng- ling knieend in einem käfigähnlichen Gellecht von Baumzweigen eingesperrt das wohl mit Unrecht für ein Scheiterhaufen gehalten ward. Es ist offen- bar dei'selbe Jüngling dem der Menschenfresser bereits Fufs und Arm aus-


('^) Dieselbe entdeckte ich Im Sommer 1847 in der Bibliothek eines berühmten Münz- kenners zu Neapel, wo sie voll Staub auf hohen Bücherschrank verbannt, unbeachtet vom Besitzer wie von so vielen befreumleteii Archäologen die dessen Antikensammlungen wäh- rend ihres dortigen Aufenthalles in Augenschein nahmen, in der langen Reihe von Jahren vergeblich auf ihre Namentaufe wartete. Trotz dieser Vernachlässigung und Nichtigkeit der Vase vom künstlerischen Standpunkt aus, gelang es mir nur mit Mühe und verhält- nifsmäfsig bedeutendem Geldopfer in den Besitz dieses Gefäfses zu gelangen, welches jetzt in die kgl. Sammlung des Berliner Museums aufgenommen ist. H. 10. Z. zu 6-2- Z.


auf JVerhen der hlassiscJieii Kunst. 7

gerissen: denn grade diese beiden Theile, lechter Arm und rechtes Bein, vermissen wir an seinem Körper. Noch weiter rechts läuft ein andrer nack- ter Jüngling, den Kopf noch nach dem unglücklichen Schlachtopfer zurück- gewandt, nach der entgegengesetzten Seite zu, schreiend und Hülfe fle- hend mit ausgestreckten Armen. Den Hals des Gefäfses schmückt jederseits ein grofses Auge (Taf. HI, 2.).

Es unterliegt wohl keinem Zweifel dafs hier das Abenteuer des Ulyss und seiner Gefährten bei Polyphem uns veranschaulicht wird imd zwar durch den Arm- und Bein -beraubten Jüngling im Käfig und seinen ein gleiches Leos mit Recht fürchtenden Gefährten auf eine vollständigere Weise, als es die bisher entdeckten Bildwerke ("*) uns gezeigt hatten. Von den zwei Hebelträgern dürfte wohl einer den Ulyss uns vergegenwärtigen, von dem ja der listige Plan den Polyphem mit glühendem Hebel von Olbaumholz zu blenden ersonnen und ausgeführt ward. Zur näheren Bezeichnung des Cy- klopen dient überdies noch das Auge am Hals des Gefäfses, nicht ohne An- spielung auf seine Blendung.

Allein der Mangel gigantischer Gestalt, wilden Gesichtsausdriickes und struppigen Bartes, die zur Charakteristik des Polyphem unentbehrlich, auf keinem der bisher entdeckten Bildwerke dieses Gegenstandes (vgl. Taf. II, 5.) fehlen, gestattet uns nicht, hier ein treues Bild jenes humoristischen Mythos zu erkennen welcher der Dichtung des Homer ('*) und des Euripi- des (-") zum Grunde liegt. Es fehlt nicht blos die Andeutung einer Hole, sondern auch das Trinkgefäfs in der Hand des Odysseus womit dieser den Cyklopen einzuschläfern beabsichtigt ehe er die Blendung vornimmt. Bei Homer (^') tragen die Gefährten und Ulyss als der fünfte die Stange; hier begegnen wir nur zweien. Demnach stehen wir hier nicht auf dem gewöhn- lichen Boden wo ein Künstler die Verse eines berühmten Dichters gewissen- haft in seinem Bilde wiedergiebt, sondern auf einem Felde das von den Grie- chen mit Fleifs und Glück bebaut, .von den neueren Alterthumsforschern bisher noch keiner umfassenderen Beachtung gewürdigt ward.

('*) Monum. ined. de l'Tnstit. archeol. I, PI. VII, 1, 2, 3. Duc de Liiynes Ann. de l'Tnstit. arch. Vol. I, p. 278-284. ('») Hom. Odyss. IX. (^°) Eiirip. Cyclops, Satyrdrama. (^') Hom. Od. IX, V. 335.


8 Panofka: Parodieen und Karihaturen

So unz-vveifelhaft sowohl die Handlung auf dem Bauch des Gefäfses, als das Auge am Halse desselben, auf eine Darstellung des Odysseusabenteuers beim Cyklopen hinweist, so sicher ist es, sobald man die nur von Epheben gespielte Scene näher betrachtet und hiebei den Humor berücksichtigt der besonders in dem Polyphem, dem eingesperrten Odjsseusgefährten und dem Dritten nach Hülfe schreienden sich offenbart , dafs diese Vase eine Parodie der Cjklopenblendung uns zu vergegenwärtigen bestimmt ist.

Wenn man sich erinnert dafs nach der Aufserung des Platonios ('") die 'Oi^utro^ete des Kratinos eine Parodie der homerischen Odyssee (hi.a7\jQ\xe>'j Tvig 'oSiiiKTelag 'OiJ.yjoov) in Komödienform enthielten, wie denn Kratinos auch sonst zu den Parodieendichtern gezählt wird (-^): so liegt die Versuchung nahe unser Vasenbild damit in Verbindung zu setzen.

Allein die von jenem Drama uns übrig gebliebenen Verse lehren deut- lich dafs Kratinos so wenig wie Homer und Euripides die Betäubung des Polyphem mit Hülfe eines starken W'eines sich versagte, wovon in unsrem Bilde keine Spur ist: was aber besonders an den Zusammenhang mit einem parodischen Stück des Kratinos zu denken verbietet, ist die Darstellung der Scene durch Epheben imd nicht durch Schauspieler mit komischen Masken und Kleidei'u, wie sie bei Aufführung Kratinischer Komödien gewifs uner- läfslich war.

Deshalb ziehen wir vor, das Gekakel unsrer Vase der Erfindung des Vasenfabrikanten oder seines Gehülfen zuzuschreiben, zumal im Neapler Museum eine ähnliche Vase sich befindet die auf dem Hals ebenfalls ein Auge, auf dem Bauch eine Reihe Thiere zeigt ("'), und wahrscheinlich als Seitenstück zu der imsrigen die He erde des Polyphem zu vergegenwärti- gen bestimmt vrar. Wollte man aber durchaus dies Vasenbild auf ein poe- tisches Produkt als Quelle zurückführen, so könnte dies nur ein parodi- sches Gedicht sein, ähnlich dem von Horaz (-^) erwähnten „der Cyklop". das zur Tanzbegleitung einer mimischen Mythosaufführung abgesungen ward.

(--) Platonius IIe^i Sicicfyo^cis y-MixiahiHv p. XI. apiid Küster. Grysar de com. Dor. p. 230. sqq.

(") Athen. XV, p. 698. Welker Allgemein. Schulzeit. 1839. Abth. II, n. 57. Recens. von Grysar de com. dor.

O Gerhard und Panofka Neapels Antiken S. 328. Zimm. VI, Sehr. I. Obres Fach Nasiterno.

(^^) Horat. Sat. I, V, 63. Pastorem sallarel uti Cjclopa, rogabat.


auf TVerlcen der Idassischen Kunst. 9

In dieselbe Gattung rler Parodieen gehört auch das Bild einer mit rothen Figuren uuvernachlässigter Zeichnung geschmückten nolanischen Hy- dria, welches Millingen als dramatischen Tanz vor einem Choregen bekannt machte (-^), während de Laglandiere (-) bestimmt durch den tmter einem Baimi hineekauerten fast nackten bärtigen Mann, den sitzenden König und fünf zum Theil mit eingesammelten Früchten diesem sich nähernde Frauen, d er Nausica a und ihr e r Ge fä hrtinnenF Ursprache bei Alkin oos zu Gunsten des obdachlosen Schutzbedürf tigen Ulyss erkannte.

Eine später in Vulci entdeckte Amphora in der Pinakothek in Mün- chen (^*), welche den Mythos getreu der homerischen Schilderung darstellt, indem Nausikaa und ihre vier Gefähi-tinnen bei der Wäsche beschäftigt sind, beweist durch die Zeichnimg des Ulyss bei dem Baum, dafs wirklich dieser Mythos dem Millingenscben Vasenbild zu Grunde liegt: nur ist die Beschäf- tigung der Frauen eine verschiedene, die Scene selbst als mimischer Tanz aufzufassen, und die Quelle nicht Homer, sondern vermuthlich ein parodi- scher Dichter.

In die Klasse der Parodieen setze ich ferner nächst einer archaistischen Amphora des brittischen Museums (-^) den Kampf des Herakles mit Hera Aigiochos in Gegenwart von Athene und Poseidon darstellend, Taf. III, 4 und 5.), eine merkwürdige, artistisch höchst imtergeordnete Am- phora unsres Museums (Taf. 11, 1 imd 2.), deren Hauptvorstellung zwei der ausgezeichnetsten Archäologen (^°) auf des Zeus Mi nerven geburt in Ge-


Nil Uli larva, aiit iragicis opus esse colhurnis, Horat. Ep. II, II, l'2ö. Nunc Saljrum, nunc agrestem Cyclopa mnoetur. Cf. Athen I, 20. der Polyphem war ein bekannter Pantoniimus den Polypliem in seiner Liebe zu Galathea darstellend. (Pollio in Gallien. 8. Vopisc. in Carln. I!).).

(-•') Monum. ined. de l'Inslilul archeol. I, VI. Annal. de VInstit. I, p. 274.

(^") Annal. de l'Insiii. I, p. 276, 277. Vgl. Hes. V. rf^Y,Tr,aia wo der getrockneten Fei- gen, als erster Nahrung der Autochthonen Erwähnung geschieht, die deshalb an den Plvnterien vorangetragen wurden.

('-") Gerhard Auserlesene Vasenb. III, T.if. CCXVIII.

(2) Gerhard Auserl. Vasenb. II, CXXVII. S. lilrch in d. Archäologia Vol. XXX. p. 342.-348. Panofka im Bull, dell' Inslit. arch. 1848. p. 125, 126.

Q°) Gerhard Berlins Ant. Bildw. n. 586. S. 190. Auserlesene Vasenb. I, S. 6. Lenormant et de Witte HiUe ceranwgrafihique Vol. I, PI. LXIV. — Leicht möglich, dafs der Kampf des Achill und Memnon im Beisein ihrer Mütter um den Leichnam des kleinen Antilochus Philos. - histor. Ä/. 1 85 1 . B


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10 Panofka: Parodieen und KariJ<:aturen

aenwart der Ilithyien und des Hermes bezogen, und der französische überdies in der Coraposition selbst mit Anerkennung des rohen etruskischen Stvls die Kopie eines berühmten Gemäldes dieses Inhaltes zu entdecken glaubte. Wenn der Vergleich einiger Vasenbilder die Athene nicht aus dem Haupt des gebärenden Zeus emporsteigend, sondern vielmehr bereits auf seinem Knie stehend (^^) zeigen, zu dieser Erklärung verleitete: so mufste die Erwägung dafs auf unserer Vase Athene nicht als kleines Mädchen, sondern von gleicher Gröfse wie die übrigen Gottheiten des Vasenbildes auftritt, von der Unhaltbarkeit dieser Deutung, selbst wenn man über UnStatthaftigkeit ei- nes unbäi'tigen Zeus hinwegsieht, alsbald überzeugen. Der Vasenmaler scheint vielmehr eine Parodie des Parisurtheils beabsichtigt und mit Erfolg aus- geführt zu haben. Datur spricht der auf einem Klappstuhl sitzende unbärtige Paris dessen erhobene Hände Beruhigung der mit Helm und Lanze auf ihn einstürmenden Athene verrathen: hiermit verträgt sich der Göttin Schild- emblem, ein angreifender ithyphallischer Silen, um so besser, als er theils vermöge seiner Richtung auf Paris selbst als lVaa^evoT:i7i-/\? (^-) anzuspielen vermag, theils zum Beweis dient dafs die jungfräuliche Keuschheit der Pal- las in diesem Moment zum Schweigen gebracht ist. Hinter Athene eilt Aphro- dite in aufgeregter Stimmung zu Paris nach, während links der jugendliche Hermes mit erhobener Linken und dem Caduceus in der Rechten, der bis an den Hals vom Peplos über den Chiton verhüllten Hera vorangeht. Wie auf der Vorderseite Paris von Athene und Aphrodite zugleich bestürmt wird, so treffen wir auf der Rückseite (Taf H, 2.) einen Gans-ähnlichen Vogel mit jugendlichem Kopf, etwa eine Keledon (■^•^) , bedrängt aufzufliegen versu- chend zwischen zwei ihn umstehenden Panthern. Kein Thema aber eignete sich mehr zur Parodie als der Schönheitsstreit der drei Göttinnen, bei deren Kunstdarstellungen die Erklärer zwar oftmals an einzelnen Figuren den bur- lesken Charakter nicht übersahen, aber deshalb die Bilder selbst von dem


auf einer areliaistischen Amphora (Gerhard Auserlesene Vasen III, CLV.) auch dem Kreise der Parodieen angehört.

(") Laborde Vas. Lamberg I, LXXXIII; Lenormant et de Witte Elite Ceramogr. I, PI. LV. PI. LIX.

f ^) Hom. II. XI, V. 384.

(") Gerhard Auserlesene Vasenb. I, XXVIII.


auf JVerlien der Idassisclien Kunst. 11

Gebiete ernster archaischer Darstelhing in das satjrischer Parodiecn hin- überzuweisen weder Bedürfnifs noch Muth fühlten.

Das schlagendste Beispiel einer Parodie des Paristirtheils bietet eine volcenter Amphora in der Pinakothek zu München dar (Taf. II, 6 und 7.), in Gerhard's Auserlesenen Vasenbildern III, clxx in den Farben des Ori- ginals wiedergegeben.

Ein weifshaariger und weifsbärtiger Mann in schwarzem rothverbräm- ten Peplos über weifsem Chiton, eröffnet den Zug der drei Göttinnen: die Rechte erhebend hält er in der Linken einen Heroldstab wie der hinter ihm folgende unbärlige Hermes, der mit Petasus und rothem Peplos mit weifsen Streifen bekleidet, die Rechte ausstreckt und den Kopf zurück zu Hera wen- det die ein rother Schleier den sie mit der Rechten hält, charakterisirt. Da- rauf folgt Athene behelmt, über dem schwarzen Chiton einen weifsen Pep- los mit rothen Sternen tragend, an der Brust ragt der Kopf einer Ziege her- vor ziu' Andeutung der Aegis: in der Linken hält sie die Lanze. Den Zug schliefst Aphrodite mit schwarzem Tutulus auf dem Kopf, mit rothem Peplos über dem schwarzen Chiton bekleidet, die Rechte erhoben, in der Linken ein schwer zu errathendes Attribut haltend.

Die Rückseite zeigt rechts Paris mit gleichem weifsen Peplos mit ro- then Sternen wie Minerva; in der Linken hält er einen Speer, mit der aus- gebreiteten Rechten begleitet er seine Rede gegen den Alten der Hauptseite. Ihm kehren drei Stiere den Rücken, der mittlere weifs, die äufseren schwarz: auf dem Rücken des dem Paris nächsten steht ein Vogel in der Pxichtung des Paris. \or den Stieren kauert ein Hund den Kopf umwendend imd die Zunge ausblöckend.

Den weifshaarigen Zugführer benannte Dr. Braun (•'*) Nereus der allerdings den Beinamen der Greis Vk^wv führt und anstatt eines Skeptrons wohl ein Kerjkeion wie der Herrscher Agamemnon (^), halten könnte. Ob aber der Umstand dafs bei der Hochzeit von Peleus und Thetis der Schönheitsstreit der Göttinnen ausbrach, hinreicht seine Gegenwart hier zu motiviren, dürfte gewichtigen Zweifeln unterliegen. Noch unbegründeter


f *) Ann. d. Instit. arch. XI, p. 221. f.

(") üodwell Classlcal Tour T. II. p. 197. Müller Denkm. a. K. I, Taf. III, 18. auf einer bei Korinth gefundenen Vase die Eberjagd des Thersandros darstellend.

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12 Panofkä: Parodicen und Karilcaturcn

freilich scheint uns die vom Herausgeber der Vase (^) dieser Figur beige- legte Benennung Zeus, dessen greises Haar hier durch den komischen Cha- rakter des Ganzen „als des Oljmps Allvater sich rechtfertigen soll." Denn einmal fehlt es uns an Muth dem Zeus graue Haare zu machen und zweitens dürfen wir wohl nicht an Zeus denken wenn von des Olymps Allvater wirk- lich die Rede sein soll, sondern können diesen Titel nur für Kronos gel- tend machen. Kronos ist es auch den der Vasenmaler uns hier vorführt, nicht blos weil er auf den Berg Ida am besten hinpasst, da ja seine Gemah- lin Rhea-Cybele den Beinamen Idäische Mutter führt, weil auf dem Ida seine Hochzeit gefeiert wird (^^) und weil seine Kinder die idäischen Dakty- len heifsen: sondern weil Ki'onos auch den Beinamen Te^wv der Greis (^*) vorzugsweise vor allen übrigen Göttern führt, die Verschleierung sich bei ihm als deus latens der Latiuni seinen Namen giebt, (^^) besonders rechtfer- tigt und der Heroldstab als Symbol der Streitschlichtung und Entscheidung in seinen Händen um so weniger befremden darf, als die Alten in der Ab- leitung des Namen KooVoe von kdivw scheiden (^^) eben so unzweideutig als in dem Beiwort ay>ct'?v(3|UviT*)e (^') seinen Charakter als klugen Kritiker an- erkannten. Demnach tritt hier Kronos an der Spitze der streitenden Göt- tinnen auf dieser Vase in ganz gleichem Sinne auf, wie auf andern \'asenbil- dern desselben Mythos aufser Merkur auch die der Eirene nahe verwandte Iris (*-) den Göttinnen vorangeht.

Während der Vogel bisher (*^) für ein Specht oder Rabe als apollini- scher Vogel gelten musle: ward der so lehrreiche in Farbenwahl und Stel-


() Gerhard Auserl. Vas. III, CLXX. S. 56. und ff. BaU. delU Instit. arch. 1829. p. 84, 16. Rapp. volc. not. 57.

(") Mus. Borb. Vol. II, Tav. LIX.

(") Lucian Saturnai. Ath. XIV, 45. OvJd. Fast. V, 627 und 34. Plut. Qu. Rom. X.

0') Mus. Borb. Vol. IX, Tav. XXVI, Visconti Mus. P. Clem. VI, 2. Clarac Mus. du Louvre PI. 395. Varro de L. L. V, 57. Ovid. Fast. I, 238. Creuzer ein alt athen. Gefäfs S. 54.: in einer gr'acisirten Stelle des Sanchuniathon beim Eusebfus. P. E. I, 10. p. 33. Colon, kommt I?,o? als Namen des Kronos vor.

(*°) Etym. M. V. K^oi/o? — ty^v shx^itw tovtmv Kjjoi'OI' wi'o;.4«3-S'«(. — a?J^.oi os (pesTiv cevrov Koofov sioriT<7cti oTt noMTog 3'swv ctg xpiriv iTrißctXs.

('■) Hesiod. Theog. v. 19. Gall. di Firenze III, 118.

C) Gerhard Etr. und Kamp. Vas. d. Kgl. Mus. Taf. XIV.

(*') Gerhard Auserl. Vas. a. a. 0.


auf Wer1<cn der klassischen Kunst. 13

hing der einzelnen Thiere so deutlich ausgesprochne Parallelismus der Thier- symbolik mit der mythischen Composition leider völlig übersehen. So ge- wifs aber Zeichnung und Färbung des Bildes der Vorderseite den Zug der drei Göttinnen darstellend, ganz das Ansehen einer Parodie und Karikatur an sich trägt: ebenso entschieden wiederholt sich dieselbe Parodie in dem Bilde des kauernden zungeblöckenden Hundes für die Person des Hermes mit dem er die Bewegung des rückwärts gewandten Kopfes gemein hat, und der drei Hera, Athene und Aphrodite vertretenden Stiere, von denen der mittlere durch weifse Farbe an die in gleichfarbiger Kleidung erschei- nende Athene sich anschliefst, während die schwarze Farbe der beiden an- dern dem schwarzen Kostüm der Hera und Aphrodite entspricht. Aphrodite wird übrigens noch näher durch den auf dem Rücken ihres Stieres stehen- den Vogel charakterisirt, der, er stelle nun einen Raben, y.o^a^ vor, oder den auf ithjphallischen Esels -Rücken sichtbaren priapischen Vogel C**), in beiden Fällen in der Thiergesellschaft die Stelle des Paris einnimmt, mit dem er auch Stellung und Richtung des Kopfes gemein hat (^^).

Unter dem Titel „Unterhandlung mit Paris" wird in Gerhard's Auserlese- nen Vasenbildern HI, Taf. CLXXH. eine volcenter Amphora mit schwarzen Figuren (Taf. H, 3u. 4.) veröffentlicht, Mercur darstellend welcher von einem aufschauenden Hunde begleitet, zwei Göttinnen dem seiner Rede aufmerksam zuhörenden Paris entgegenführt. Paris mit einem Peplos über dem langen Chi- ton bekleidet, würde wegen seines Bartes und seines Scepters und mit Rück- sicht auf die Gegenwart des Hundes eher den Namen Pluton für sich in An- spruch nehmen können, dem Hermes seine Gemahlin Kora von Athene geleitet aus der Oberwelt zurückbringt: wenn nicht andere vollständigere Vasenbilder mit denselben Figuren die Gerhard'sche Erklärung zu rechtfertigen vermöch- ten, wonach Paris in allen archaischen Darstellungen bärtig sich zeigt. Hera ohne Scepter führt hier das Wort nach ihrer im Gespräch erhobenen Linken zu


(**) Silbermunzen von Mende MIonn. Rec. d. PI. XLVIII, 4. Suppl. III, PI. VII, 14.

C"*) Vergleiche Gerhard Auserl. Vasenb. II, CV, CVI. die archaische Amphora des gegen Geryones schiefsenden Herakles, hinter dem Athene und die drei schwarzrothen Stiere (auf den Dreimann Geryones bezüglich) nach links gekehrt; nach rechts blickend ein vierter (auf Herakles anspielend) und eine weifse Kuh auf Athene. Am Boden todt liegen der Hund der Heerde und der Hirt Eurytion. Darauf beziehen sich die zwei ieichengefräfsi- gen Raubvögel in der Luft zu den Seiten der Quadriga des Jolaos.


14 Panofka: Paj-odicen und Karihaturen

schliefsen. Athene ist mit Helm, Aegis und Lanze gerüstet. Auf der entge- sencesetzten Seite dieser Amphora bemerkt der Erklärer, ist dem chthonischen Sinn des Parismythos entsprechend, Dionysos mit Oelzweig und Kantharos inmitten zweier muntrer, bacchischer Gruppen dargestellt, zweier Bacchantin- nen nemlich welche in jeder Hand mit Krotalen versehen, von gefalligen Sile- nen geschultert werden. Durch diese tiefere religiöse.Deutung der Rückseite in Verbindung mit dem Bild der Vorderseite zeigt der Verfasser dafs ihm auf dieser Vase der schöne Gegensatz zwischen Ernst und Scherz völlig verbor- gen blieb. Die Entführung der beiden mit Krotalen versehener Frauen (Taf. II, 4.) entspricht offenbar den zum Schönheitskampf erschienenen Göttinnen Athene und Hera, von denen die erstere dem Herakles für die Stymphali- denarbeit Krotalen schenkte ("**), die letztere in Kroton als Juno Lucinia besondere Verehrung genofs.

Dafs dieser Sinn wirklich der volcenter Amphora zum Grunde liegt, erhellt aus dem Vergleich einer Amphora mit schwarzen Figuren im K. K. An- tikencabinet zu Wien ('"), wo wir statt des von zwei Göttinnen heimgesuchten Paris eine Bacchantin von einem höchst beschlagenen Silen verfolgt antreffen indefs ein zweiter ihr entgegenkommt. Die Rückseite entspricht fast voll- kommen der Bacchantinnenentführung der Parisvase: nemlich vor demepheu- bekränzten unbärtigen Dionysos mit Kantharus in der Linken und Trau- benzweig in der Rechten kniet ein Silen um auf die Schultern eine Bacchan- tin zu nehmen welche in beiden erhobenen Händen eine Flöte hält: hinter Dionysos in entgegengesetzter Richtung kniet ein gleicher Silen um eine Kro- talistria auf seinen Schultern zu empfangen.

Herr Lenormant C*^) hat das Verdienst auf einer volcenter Amphora mit schwarzen Figuren gegenwärtig im britischen Museum, eine Parodie des Parisurtheils entdeckt zu haben. Der bärtige Paris sitzt daselbst auf einem Stuhl und hält in der erhobenen Hand einen Apfel dessen obre Hälfte schwarz, die untre weifs ist: ihm nahen sich drei Epheben mit drei Jüngeren auf dem Rücken. Auf Anlafs einer Vase welche das Spiel Enko-


("^) Apollod. II, 5, 6.

('•) Unvollständig nnd abweichend beschrieben bei Arneth das K. K. Münz- und Anti- ken-Kablnet S. 14. (Kasten IV, 3. B.) 94.

(^*) Lenormant et de Witte Elite ceramograph. I, PI. LXVI.


auf TVerlicn der klassischen Kunst. 15

tyle genannt veranschaulicht (*'), hahe ich (^) nachgewiesen das der Be- siegte den Sieger wie ein Pferd den Reiter tragen mufs und dafs zu gleichem Dienst der Erast dem Eromenos verpflichtet ist. Daher dürfte es keinem Zweifel unterliegen dafs auch hier ein gleiches Verhältnifs zum Grunde liegt. Die Rückseite zeigt einen Epheben mit Pegasus und Pferd, etwa Kastor, vor und hinter ihm eine Mantelfisur.

Der Gedanke den auf dem Schlacht felde gefallenen Krieger dem im Kampf des Trink gelages sinkenden Zeche r(^') gegen über- zustellen gab zu einer Reihe interresanter Parodieen Gelegenheit deren kurze Erwähnung hier an ihrem Platze sein dürfte.

Als Parodie destodtenPatroklosum dessen imbärtigen Leichnam auf einer volcenterKvlix mit rothen Figuren (in Besitz des Herrn Basseggio zu Rom) einerseits der Kampf der Griechen und Trojaner sich erhebt (^-), ganz gleich dem Vasenbilde dieses Gegenstandes im königlichen Museum (^^) , bezeichneich auf der Rückseite dieser Trinkschale den Trunkenen der in- mitten eines mit Flötenspiel vom Zechgelage heimkehrenden Zuges, wie eine Leiche an Kopf und Füfsen fortgetragen wird. Ln Innern erscheint ein Silen mit einer Thyrsustragenden Bacchantin.

Auf ähnliche Weise zeigt eine Amphora des Hrn. Joly de Bammeville(^) als Parodie des getödteten Achill den Ajas auf der Schulter aus


("') Mon. de l'Inslil. I, PI. XLVII, B.

(*") Ann. de VInslil. arch. Vol. IV, p. 336-344.

(*') Im latros des Aristoplion bei Athen. VI, p. 238. sagt der Parasit:

rjii' Trripaii'OVi'TUjii; TrrcActij-TYii) voiMirou Ai'Tcacv iJ,öjäi>.

('-) Gerhard Archäol. Zelt. N. F. Beil. 2. 23*. Juni 1847.

(*') Panofka Tod des Skiron und Patrocius Taf. II. Dieselbe Vorstellung des Kampfes um den Leichnam des Patrocius überraschte uns auch auf einer volcenter Kyllx mit ro- then Figuren Im Museo Borbonico Gall. d. VasI St. IX, Armad. a. m. s. entrando. Ganz wie auf dem Giebel des Aeglnetentempels liegt Patrocius unbärtig, mit dem Schwert in der Hand, mitten an der Erde. Um Ihn kämpfen zwei Panopllten mit der Lanze, hinter denen jederselts ein zielender Bogenschütze. Zwei Sphinxe schllefsen die Scene ein, wie auf der Rückseile wo Herakles den nemeischen Löwen bekämpft, Athene links, Jolaos mit Pileus und Keule dem Kampfe zuschaut. Im Innern greift ein älterer Jüngling mit einem Mantel bekleidet einem Knaben ans Glied: beide sind bekränzt. Offenbar mit Be- ziehung auf das Liebesverhältnifs zwischen Achill und Patrocius, das auch in Bezug auf Herakles und lolaos bezeugt wird.

(*") Braun Bu/i. dell 'Inslit. archeol. 1843. p. 183.


16 Panofka: Parodieen und Karilcaturen

der Schlacht fortträgt, einen Silen den zwei Satyrn ohne Zweifel in Folge zu grofser Trunkenheit forttragen.

Eine andre volcenter Olla in Provinzialstyl gemalt (^^) zeigt einerseits den gefallenen Achill auf den Schultern des Ajas, andrerseits den trunknen Silen auf zwei Satyrn gestützt die ihn von dem Feld seiner Grofsthaten fort- bringen.

Mit treffenden Bemerkungen über den komisch-satirischen Gegensatz begleitet Dr. Braun (^) die Beschreibung einer Amphora des Herrn Bucci in Civitavecchia, auf deren einen Seite Ajas mit dem todten Achill auf dem Rücken, auf der andern ein Satyr auf der Schulter eines zweiten sitzend erscheint.

Mit Recht legt derselbe Gelehrte i^) einen gleichen Sinn einer vol- center Kylix mit rothen Figuren unter, auf deren Vorderseite eine Amazone verwundet am Boden liegt die eine andre den Bogen spannend zu rächen sucht, während auf der Rückseite ein Mann müfsig am Boden liegt, wohl im Singen begriffen zur Begleitung eines daneben stehenden Flötenspielers.

In diese Klasse von Vasen gehört wohl auch ein Lekythos von Cerve- tri mit dem Abschied des Amphiaraos geschmückt (^^). Der berühmte Seher durch die Inschrift A'I^IEPEOE unzweifelhaft, hält den Helm noch in der Hand. Eriphyle erhebt das unseelige Halsband wofür sie ihren Ge- mahl verkauft hatte, und trägt einen der Söhne, wahrscheinlich Amphilo- chos (^^), im Arm. Zwei Mantelfiguren schliefsen die Scene ab, ich vermu- the hinter Amphiaraos Ad rast der mit ihm übereingekommen war alle Strei- tigkeiten durch Eriphyle entscheiden zu lassen; hinter Eriphyle Polyneikes der durch das Halsband der Harmonia Eriphyle bestochen hatte ihren Ge- mahl wider seinen Willen zum Feldzug zu bereden.

Auf dem Hals des Gefäfses stehen zwei Ephebenim Begriff Hähne zum Kampf auf einander loszulassen. Dr. Braun bemerkt, das Spiel passe gut zu der Idee des Krieges an welche das Hauptbild der Vase zu denken uns auffordert. Allein hätte der Maler nur diesen Gedanken auszudrücken

(") Braun Bull. delV Instilutn. 1842. p. 165.

(") Braun Bull. 1843. p. 183.

(") Braun Bull. 1842. p. 165.

(Sä) Braun Bull. 1844. p. 35.

(*') a. a. 0.


auf TYerlcen der Massischen Kunst. 17

beabsichtigt, so reichte es vollkommen hin zwei Hähne im Beginn des Kam- pfes einander gegenüber auftreten zu lassen, wie dies z.B. der Künstler ei- ner Trinkschale des Kgl. Museums unter dem Innenbild des Abschieds des Neoptolemos von Lycomedes gethan hat(^). Mir scheint ein tiefer eingrei- fender Gegensatz in der Wahl der beiden Bilder ausgesprochen. Wie die beiden Epheben die beiden Hähne zu Kampf und Verderben anregen , so handeln Adrast und Polyneikes in Bezug auf Amphiaraos und Eriphyle. Die Vorstellung einer Kylix mit kleinen schwarzen Figuren im IMusco Bor- bonico wo eine Sphinx mit weifsera Körper und schwarzen Flügeln rechts von drei nackten, links von vier gleichen Tänzern uratanzt wird, weifs ich nur als Parodie der Sieben gegen Theben C^') zu erklären, da die in würdiger Ruhe sitzende Sphinx an Theben um so mehr erinnert, je weniger ihr passives Verhalten mit dem Charakter einer Hetäre die allerdings im Alterthum bisweilen Sphinx benannt ward, sich verträgt und je ungewöhnli- cher ein ohne Theilnahme der Frauen von Männern ausschliefsend aufge- führter Tanz erscheint.

Eine volcenter Amphora mit schwarzen Figuren in der Pinakothek in München stellt einerseits die Kuh Jo dar welche der am Boden lieoende Wächter Argos mit Hundsgesicht am Strick hält: links naht sich ihm Hermes in der Absicht ihn mit der Harpe zu tödten und Jo zu befreien (^-). Auf der Rückseite des Gefäfses streiten zwei Centauren um eine Hirschkuh (^•^), offenbar eine Parodie des Streites zwischen Herakles und Apoll um dasselbe Thier (*^) , wie ihn ein schöner Bronzehelm im Cabinet des Duc de Luy- nes (^^) zuerst kennen lehrte. Allein erst wenn man sich den Namen der Hirschkuh ins Gedächtnifs ruft in welche Helios die Jägerin Arge verwan- delte weil sie sich vermessen hatte den Sonnengott zum Wettlauf herauszu- fordern (^^), gewinnt man die tiefere Einsicht in die Verbindung der beiden Vorstellungen. Dann überzeugt man sich dafs wie auf der Hauptseite Jo


('") n. 1029. Gerhard Ant. Bildw. Taf. XXXV. Hoai. Od. XI, 508. (") Vgl Athen. I, p. 22.

C^) Panofka Argos Panoptes Taf. V. Abh. d. Berlin. Akad. d. Wiss. 1837. (") Archäol. Zeit. N. F. Beilage 2. S. 17*. C) D. de Liiynes. Noiwelles Annal. I, p. 51-75. ('*) Monum. des Nouv. Ann. PI. III, A. et B. C"^) Hygin F. 205. Philos. - histoi: Kl. 1851. C


18 Panofkä: Parodicen und Karikaturen

zwischen Hermes und Argos mitten inne und zwar bedrängt steht, so auf der Rückseite die Hirschkuh Arge um welche die zwei Cen- tauren sich streiten.

Den Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung bietet ein apuHsches Oxybaphon mit gelben Figuren (") dar: Hermes packt den doppelköpfigen Argos der mit Keule die fliehende Jo mit Kuhhörnern verfolgt: die Rück- seite zeigt eine Frau zwischen zwei männlichen Mantelfiguren.

Für die Thierparodieen heroischer Mythologie zeugt eine gelbe antike Paste im k. Museum (Taf I, 9.) die offenbar eine Parodie der Ermor- dung des Agamemnon durch Klytemnestra die einen Ziegenkopf mit Anspielung auf Aegislh als Kopfschmuck trägt, darstellt. Herr Tölken dem Sinn und Bedeutung dieses Denkmals verborgen blieb, beschreibt sie folgen- dermafsen C"*): eine Eule in seltsamer Gestalt mit zwei menschlichen Armen, erhebt eine Doppelaxt, um einem Hahn den sie mit der einen Klaue beim Kamm ergriffen hat, den Kopf abzuschlagen.

Von den mythischen Parodieen gehe ich auf die bacchischen oder richtiger satyrischen Parodieen (^) über, von denen ich voraussehe dafs man sie sämtlich aus dem Satvrdrama wird herleiten wollen. Indem ich von der Wahrheit dieser Behauptung mich bis jetzt noch nicht völlig überzeugt habe, begnüge ich mich für diese Untersuchung einiges nicht un- erhebliche Material zusammenzustellen.

Ein in Nola ausgegrabener Amphoriskos mit schwarzen Figuren C^), der an Kunstwerth die Polyphemamphora nur wenig überbietet, zeigt zwei Satyrn im Beginn des Ringens, von so hagrer Gestalt wie sie bei Sa- tyrn anderwärts sich schwerlich nachweisen liefse. Erwägt man dafs die Pa- lästen wohlgenährt und feist sein musten um mit Ehren in den Spielen aufzu-

(") Avellmo, Bull. Archenl. Tom. III, Tav. IV. Archäol. Zelt. N. F. n. 12. S. 189.

O Tölken Gemmenverz. d. Kgl. Mus. VIII KI. n. 179. v. St.

(") Hierher gehört die Amphora noiana mit schwarzen Figuren, schlechtesten Styls, bei Cav. Belti (Archäol. Zeit. N. F. 1848. n. 16. S. 248): Tanzende Sphinx die Pfote ge- bend; Satyr vor ihr tanzend und trompetend mit einer tyrrheiiischen Tuba. Die Rück- seite zeigt den unbärtigen Oedipus (?) eine Blume mit Frucht in der erhobenen Hand vor der Pfote-erhebenden Sphinx. Die Vorderseite vielleicht Parodie des Tiresias der das Orakel der Sphinx nach seiner Pfeife tanzen läfst. Hes. v. ayv^Toüg- a-vvciB^otJ-Tov?, fj-avTut; wg ' A-nniuni.

C°) Bei Cav. Belti in Neapel, Archäol. Zeit. N. F. 1848. S. 248.


auf JYcrlicn der klassischen Kunst. 19

treten (^*), so leuchtet ein dafs der Maler hier nur die Parodie eines Rin- gerpaares darzustellen beabsichtigte.

Einen gleichen parodischen Charakter lege ich einem Lekythos im Museo Borbonico zu Neapel bei (^'), dessen Figuren sehr fein und korrekt in schwarzen Umrissen auf weifsgelbem Grund gezeichnet sind: ein bärti- ger in Mantel gehüllter Satyr schreitet nach rechts vor, neben ihm ein Bock. Insofern die Mantelkleidung bei Satyrn die am gewöhnlichsten nackt oder mit einem Ziegen- P\eh- oder Pardelfell bekleidet erscheinen, in hohem Grade befremden mufs und der Bock ohne Bindenumkränzung der Hörner und ohne die Nähe eines Altares nicht als Ojjferthier aufzufassen ist: halte ich mich berechtigt in diesem Vasenbild die Parodie eines Tragö- diendichters zu erkennen, dem wenn er in den Dionysien gesiegt, be- kanntlich ein Bock T^üyog als Preis zufiel (^').

Diese Deutung findet ihre Rechtfertigung in dem sinnverwandten Bilde einer noianischen Diota mit rothen Figuren guter Zeichnung im Museum St. Angelo zu Neapel ("). Auf der Vorderseite treten zwei bärtige kahlköp- fige Silene mit Stab und Mantel auf, den der zweite wie ein Reisender über der Schulter schwer aufgeladen hat. Auf der Rückseite erscheint ein dritter Silen in gleichem Costüm. Da Stock und Mantel (^) den Philosophen charakterisii-en und die Kahlkopfigkeit als drittes Attribut noch hinzukommt, so erkenne ich auf dieser Vase eine Parodie von drei Philosophen.

Hieran schliefst sich die unzweifelhafte Parodie eines Philosophen oder eines Dichters äsopischer Fabeln in Gestalt eines Pygmäen mit Spitzbart, Mantel und Krückenstab: ihm gegenüber sitzt auf einem Fels ähnlich wie die thebanische Sphinx, ein Fuchs C'^): dieses


C) Hesych. 'A^rj^tayoi. 'Apysloi bs avSaceg Tovg rroXXce ItC^ioit«?. ««( o< yjixvctTTiieot TTUöK AayuoiQ ovTwg iXiyovTO, '

C") Mus. Borb. Gall. d. Vas. St. VI, Armad III, 322.

(") Panofka f^asi di Premio Tav. III; Gerhard Auserlesne Vas. I, XXXII. XXXVII. Schol. Nem. II, 1. Horat. Epist. ad Pison. v. 220:

Carniine qui tragico vilem certavit ob hircurn Mnx eliarn agresles Salyros nudavit.

^74^ Wie fast alles in dieser aiiserwähltcn Sammlung unedirt.

C*) Ilorat. Sat. I, in, 133. Cyniker und Stoische Aretologi durch Bart und Stock kenntlich.

(^) Mus. Gregor. Vol. II, Tav. LXXX. 2a. Vgl. Apul. Metam. XI, vui: nee qui pallin baculoque et baxeis et hircino barbitio philosophum fingeret.

C2


20 Panofka: Parodieeu und Karikaturen

Thier könnte indefs auch als Zuhörer und Schmeichler hier seine Stelle finden, vor dem schon Horaz (Epist. ad Pison. v. 436.) warnt:

Si carmina condes, Nunquam tc fallant animi sab vulpe latentes.

Es bleibt mir noch übrig zu zeigen dafs auch die politische Paro- die und Karikatur der griechischen Vasenmalerei nicht fremd blieb.

Das glänzendste Beispiel liefert die berühmte volcenter Kylix archai- stischen Styls mit schwarzen Figuren auf gelbem Grund (Taf. III, 3.) im Ca- binet des Duc de Luynes, auf welcher der König von Cyrene, Arkesilaos (^^), oder nach Ottfr. Müller (*) eine Magistratsperson dieses Namens aus Cyrene den Wollenverkauf, nach Welcker die Sylphiumaufspeicherung beaufsichtigt.

Obwohl das karikirte in den Physiognomieen und Geberden einzelner Figuren von den früheren Erklärern bereits hervorgehoben worden, so blieb ihnen doch der eigentliche Sinn dieses Vasenbildes verschlossen, das nur als ein wichtiges Zeugniis von Vasenmalerei historischen Inhalts geschätzt ward, bis Welcker ("^) in einer geistreichen Erklärung nachwies dafs das- selbe auf den Titel einer politischen Karikatur Anspruch hat. Allein auch er übersah die tiefere Bedeutung der vielen in dem Bilde mitwirkenden Thiere, obschon seinem Scharfblick nicht entging dafs deren Anwesenheit durch ihre Bestimmung die Lokalität von Cyrene zu veranschaulichen nicht vollständig gerechtfertigt wird (^°). Sobald man aber dieser Besonderheit we- gen dies Vasenbild mit der oben S. 13. erläuterten Parodie des Parisurtheils vergleicht: so ergiebt sich ein ähnlicher Parallelismus zwischen Thiersymbo- lik und Haupthandlung, indem nicht nur die Zahl der Thiere mit den in die- sem Bilde auftretenden menschlichen Figui'en übereinkommt, sondern auch die mehr oder minder hervortretende Bedeutsamkeit der verschiedenen Thiere aenau dem höhei'en oder niedern Charakter der menschlichen Theilnehmer an der Handlung entspricht.

An den sitzenden Arkesilaos schliefst sich der unter seinem Sessel sitzende kleine Panther mit Halsband an, welcher auf griechisch den glei-

("^) D. de Luynes Ann. de l' Institut. Archeol. Vol. V, p. 56-62. Monum. de l'Instit. I, XLVII. Panofka Bild. ant. Lebens Taf. XVI, 3. Micali Mon. ined. Tv. 97. O Handb. d. Arch. §. 427, 6. S. 691. (79) Rhein. Mus. V, S. 140-147. (™) a. a. 0. S. 144. 145.


auf TVerken der klassischen Kunst. 21

eben Namen a^KYjXog führt (*'); die im Rücken getrennt von allen übrigen Thie- ren kriechende Eidechse verräth durch diese Stellung und ihre Scharfsich- tigkeit (^-) einVerhältnifs zu dem kleinen Wächter (|)YAAKOZ im unteren ge- wölbten Raum, dem Vorrathskeller (irstoog, KuKnog). Der über der Wage sicht- bare grofse Vogel kann wegen langen graden Scbnabels und nicht genug langer Beine schwerlich einen Storch oder Kranich vorstellen, sondern einen Stofs- vogel feindseelig den Tauben, welche sich deshalb vor ihm, wie schon aus Aelians Bericht erhellt, in die Höhe geflüchtet haben (^^). Er vertritt offenbar in der Thiergesellschaft die Stelle der äufsersten Figur rechts, des 'XXitpojj.a^og, nach Welker des Generalpächters der das Silphion abliefert, einer Persönlichkeit die den Rang eines höheren, seinen Untergebenen wohl wegen seiner Strenge verhassten Beamten inne hat, und dessen Name bisher G-Xitpo- pLaypcgiaemes Erachtens (7Xt(po[j.a^og für crvtcpaiJ-aPcg heifst, mit (rvifo? für (Tt(pvog, (TicpüDv zusammenhängend das einen Beutel TDj'oa und Trichter bedeutet (**), und ixära-jü angreifen, halten, suchen. Einen solchen crtfvog oder cri(pu)v hält dieser Mann offenbar mit der rechten Hand. Indem wir in der Thiergesell- schaft als seinen Stellvertreter den Stofsvogel ansehen, vor dem die Tauben ängstlich in die Höhe fliegen, dürfte es vielleicht gerathener sein in Rücksicht auf seinen Schnabel zu bemerken dafs Hesjchius einen Spiefs mit dem die Auf- seher die Füllung der Säcke prüfen, mit dem Namen (xicpt/jv bezeichnet (^^).

(") Aelian. de nat. aniin. VII, 47: na^SctXiojv he cry.xjj^vot n y.ai äpHviXoi. stTi he o'i tpctTt 'yEi'O? ere^ov tiZv Trct^hctXeuji' tou? li^ariXovg sluat.

('^) Aelian de nat. anim. V, 47.

O Aelian. III, 45.

(**) Hesych. ^t(p'jju, ^VTcaoo« ct^&zMTrog ncii }J</jiog, r, elSog &ri^i'ov /xv^ßvinoeihsg y.ctt oayavov ^tioXoTTt oiJ.otoUj elf w rovg fxap—t777ro'jg sTTio'xoTrov^t sictt tiÄjv OTce'vvtjji'y yctt roO nvpov ol acchi3-/iot {nav'kiTy.oi Qr.), y.ctt oig 0( y.anrikoi (s«?) rov oir/oi/ y^^ijivTai, neu oayavov ~: eh tzoÖstiv vhäriuv ev Toig etJ.7r^r,Tij.o"ig. Als Beweis dafs cr?.t(p<jij.ay^og Sliplioniaxos , zu lesen, vergl. die In- schrift Xanthos auf einer arcliaisclien volcentcr Vase bei Gerhard Auserl. Vasenb. III, CXC. CXCI.

(^*) In Rücksicht auf den Taubenjäger erinnern wir dafs die Erzmünzen von Siphnos mit dem Typus fliegender Tauben geschmückt sind (Conibe Mus. Hunt. F. T. 49, XXVI und XXVIII), wagen aber nicht das auf seinen Füfsen sichtbare für das Insekt a-i'A(/)v;, die Schabe, oder a-y.oXonii'han (Hes. s. v.) auszugeben; dagegen dürfte in dem ausgestreck- ten Zeigefinger des Sniphomaxos eine Anspielung auf den zum Sprüchwort gewordnen lasterhaften Finger-Gebrauch der Siphnier wohl von dem Maler dieser politischen Karika-


22 Panofka: P ar od icen und Karikaturen

Dem Range nach ihm gleich, wo nicht höher setze ich den bärtigen, vor der linken Wagschale fast knieenden Mann mit dem ich den hingekau- erten Affen der Thiergesellschaft in Verbindung bringe. Sein Name ist wahrscheinlich (EfllZITjAOMOE gewesen ('**'), die erste Sylbe der Inschrift vermuthlich mit dem antiken Stück abhanden gekommen so dafs moderne Restaiiration hier sichtbar sein wird. 'ETriWa'Sjuoe heifst nicht nur was zum Gewicht zugelegt werden mufs, sondern auch ein Vorgesetzter, Vorstand z. B. (TujuroTi'ou des Trinkgelages, y^uo^ag des Landes, daher wir wohl berech- tigt sind 'ETTiTTa^iUo? hier als Wageinspektor zu übersetzen. Hiermit stimmt die Richtung seines Kopfes und Haltung von Hand und Körper wohl überein. Eine ahnliche Vermuthung hege ich hinsichtlich des Knaben der mit Arkesilaos spricht und die Inschrift (*") lO^l^OPTOZ über sich hat: mich dünkt es fehlen zu Anfang zwei Buchstaben EP so dafs sie den Wollwäger bedeutet, im Zusammenhang mit ^o^ti^w wägen und zu vergleichen mit spiocpipog der Wolleträger. Stellt die gewogene Masse nicht Wolle, sondern Silphium dar, so müste hier a-iÄfiofo^Tog gelesen werden. Diesem Knaben entspricht im oberen Feld am Zelt links die äufserste der drei Tauben; die zwei andern Tauben beziehen sich auf die zwei bärtigen Sackträger deren einer den bereits richtig erklärten Namen IPMO0OPOZ Geflechtträger führt, während der andre die Inschrift OPYXO über seinem Kopfe hat die man wegen der gröfseren Buchstaben nicht als Eigennamen gelten liefs, son- dern als Zeitwort oov/^M soll ich ausgraben, ausschütten (^*)? verstand.

katur beabsichtigt sein. Hes. trupvtog' appaßujii, mot tiZv %tcpviiuv ctTonct otioiooTO uig tuJ oay.TvXw !7y.iiJ,a\i^cvTiuii. 6v;?.oT ovv rou Sid 8cin-vXtov aiSoviJiEt'Ou Itti toC y.anoTyjiXov . Leicht möglich dafs der Knabe sflioc()oa-o? durch gleiche Stellung an der Wagschale und ähnliche Finger- baltung das Verhältnifs zwischen beiden andeutet. Hes. a-itpi'tci^stv y.c:crct§ay.ri,?.i^sii>, S<«- ßiß\y,vTcei ycto ol Si^'i'io' W"^ TTCtiSi^ioli; ypuiasvoi. Ticpi'ictTcti ovf to THtixcO^irat. — a-iipXog heifst auch der Tadel, Spott; und als Adjectiv hungrig, gefräfsig.

('^) Bisher ward nur arTu^rfxoQ als Name der Wagschale ergänzt.

(^^) Bisher für tacpopros der Pfeile träger, von Welcker (a. a. O. S. 142.) für j-wipogrog der "Wage wart erklärt.

C) Welcker am angeführten Orte, wie schon Micali (Stör, degli ant. pop. Ital. T. III, p. 170.), last den Mann oyjj^o-j ausrufen; „seine Geberde stimmt mit der des crwipo^-oQ und zugleich des Arkesilaos überein, was gewifs nicht unabsichtlich ist. Es ist nenilich eben ein solches Maas, wie in ein jedes dieser GeHechte gefafst wurde, abgewogen worden, in gutem Gewichte, denn das Sllphion hier drückt die andre Schale mit den Gewichtsteinen etwas in die Höhe, und der Lieferant hier wie der Wagaufseher dort giebt zugleich das


auf JVerken der Idassischen Kunst. 23

Allein bei genauerer Betrachtung dürften diese Worte nicht aus dem Munde des Sliphoniaxos lliefsen wie man bisher meinte, sondern des ihm ge- genüberstehenden Sackhälters. Demnach veranschaulicht diese Kylix inso fern sie den König von Cyrene Arkesilaos als reichen und geizigen Wollinhaber in diesem seinen Beruf gegenüber seinen Beamten und Sklaven darstellt, eine politische Kar ikatur (^^), und gewinnt wesentlich an Bedeutung, so hoch auch seine bisherige Schätzimg als histo- risches Bild immerhin sein mochte.

Ich schliefse diese Untersuchung mit der Deutung einer volcenter Am- phora in schwarzen Figuren, aus Caere, (Taf I, 4 und 5.). Ihre Beschreibung im Bulletino deW Instituto Archeologico 1846. p. 84. lautet folgendermafsen: drei behelmte Männer reiten auf den Schultern dreier andern die in Thiere verkleidet, jedoch ohne Schwanz, wiewohl mit Pferdebüsten versehen, die

Zeichen, dafs diesmal die Sache gethan sei. Der Silphomapsos fangt schon an, von der Wage in den Korb einzupacken und ruft dem Gehiilfen zu ly^ao-j „stopfe fest."

(*') Welcker S. 144, und ff. erkennt mit Recht in dem lächerlichen Hut und dem lang herabfallenden Haar des Königs Übertreibung wirklichen königlichen Kostüms, Schweins- riissel an Arkesilaos, Sliphoniaxos und seinem Gehiilfen, während die Lastträger damit ver- schont sind. Die vom Silphion lebenden werden als Bodenaufwühler, Wurzelgraber, schweinische Wühler dargestellt. — Ich vermnthe das W^ort y.-jmvmoi gab gleichbedeutend mit Jfvii/rtToi zu der Parodie der Schweinsrüssel Anlafs, unbeschadet der Glosse des Hesy- chius '%\io^\)'^'-/jti' ßXaTrrinor. die Sackträger sind hellenische Sklaven und daher ohne diese Physiognomie. Welker S. 145.: Sobald man diesen Ton und Geist in der ganzen Vorstel- lung bemerkt hat, so leuchtet ein dafs der reiche Fürst, und selbst das Bild Africas, in hellenischem Sinn mit Spott und Übermuth behandelt ist. Dafs das einträgliche Silphion zur Regal gemacht worden, last sich erwarten, und dahin deutet vielleicht auch das Sprüch- wort Ba-7ov Tt'Xifnot'. Der letzte Arkesilaos niuste im Streit mit seinen Unterthanen über Grundstücke und Einkünfte sein Land verlassen (Herod. IV, 161 sq..). Die Italioten standen in Handelsverkehr mit Kyrene schon seit der 50. Ol. (Thrige p. 267.): also konnte man um so eher in späterer Zeit die Zustände des Landes in Etrurien wohl kennen. Neben der Ansicht die Plndar von Arkesilaos aufstellt, und die selbst nicht ohne bedenkliche Andeutungen ist, mufs eine andre mehr im Geist eines Xenophanes, Sinionides, Timo- kreon, oder vielleicht mehr scherzhaft im Sinn eines Epicharmos oder der Phlyakographen von ihm verbreitet gewesen sein : Witz der Dichter oder Erzähler ist ohne Zweifel der scherzhaften Malerei vorausgegangen, in der vermuthlich manche Anspielungen darauf liegen, wie z. B. in dem starken Tropus von dem o-v'o? tv^otmttov. Daraus ist vermuthlich auch das Wort (j-t>.ipöiJi.a\poQ, als ein Scheltname entlehnt. — Die Art wie der Fürst, gleichsam als Pachtherr, sich das Silphion von besondern Beamten die ihrem Namen nach freie Hand zu haben scheinen es von den Unterthanen zu erpressen, aufbringen und in Magazine schaffen liefs, aus denen es dann in den Handel überging, scheint durch das Monument klar genug angedeutet."


24 Panofka: Parodicen und Karikaturen

Hände an die Seite gestützt erscheinen. Vor ihnen steht ein blasender Flö- tenspieler. Der Helm des ersten ist mit einem Kreis, der des zweiten mit Höi-nern, der des dritten mit Federn ausgezeichnet. Auf der Rückseite be- gegnet man drei nackten ithyphallischen Silenen: jedem der zwei hintersten tanzt eine Fx'au in eng anliegendem kurzen Chiton voran, während dem voi'- dersten ein andrer Silen mit Pferdefüfsen gegenüber steht, in der Linken die beiden Flöten haltend: am starken Gliede hat er sein Flötenfutteral aus Rehfell angehängt.

Das in Rom auf Satyrdrama bezogene Bild dieser Amphora welche nunmehr in der Sammlung des kgl. Museums aufgestellt ist, lege ich in ver- kleinerter Zeichnung hier vor und erlaube mir darauf aufmerksam zu ma- chen dafs auf der Hauptvorstellung die Abwesenheit von Satyrn uns hindert an ein Drama satyricutn zu denken, so wie der Mangel komischer Masken luid Kostüme von Seiten der Krieger das Abbild einer Komödienscene kaum zuläst. Dagegen dürfte die Ansicht dafs ein Tanz burlesken Charakters zur Flötenbegleitung auf dieser Vase gemalt ist, wohl allgemeiner Zustimmung sich erfreuen. Der eigentliche Sinn dieses Vasenbildes wäre aber für immer verschlossen geblieben , wenn nicht ein merkwürdiger Bericht des Athe- näus (^°) uns unerwartet zu Hülfe gekommen wäre das Dunkel dieses archäo- logischen Räthsels vollständig aufzuhellen. Die Sybariten hatten die Üppig- keit so weit getrieben dafs sie auch bei den Schmausen die Pferde gewöhn- ten nach der Flöte zu tanzen. Da die Krotoniaten dies wüsten, so gaben sie als sie die Sybariten bekriegten, wie Aristoteles in der Politie derselben erzählt, den Pferden das Tanzlied zum Besten. Sie hatten nämlich Flöten- spieler im Heere. Sobald nur die Pferde die Flötentöne hörten, fingen sie nicht nur zu tanzen an, sondern rissen auch mit ihren Reitern zu den Kroto- niaten aus (^').

C") Athen. XII, p. 520.

(") Athen, a. a. O. Gleiches erzählt von den Kardianern Charon von Lanipsakos im zwei- ten Luch der'iijoi folgendes schreibend: die IJisalten zogen nach Kardia zu Felde und sieg- ten: ihr Feldherr war Onaris. Dieser als Kind in Kardia verkauft und als Sklave dienend bei einem Kardianer, ward ein Barbier. Den Kardianern kam der Orakelspriich dafs die Bisalten gegen sie anrücken würden und häufig sprachen sie davon in der Barbierstube sitzend. Onaris entfloh aus Kardia nach seinem Vaterlande und kommandirte die Bisalten von ihnen zum Feldherrn erwählt, gegen die Kardianer. Die Kardianer hatten sämtlich ihre Pferde bei den Symposien nach der Flöte tanzen gelehrt und auf den Hinterfüfsen


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Demnach vergegenwärtigt diese Vase den durch eigenthümliche Kriegs- list errungenen Sieg der Rrotoniaten über die Sjbariten. Nicht unwahr- scheinlich ist es dafs die Krotoniaten das Andenken an die Befreiung ihres Vaterlandes am Jahrestage durch eine mit Gesangbegleitung verbundne mi- mische Parodie wie sie diese Vase uns vorführt, bewahrten. Hiermit ver- trüge sich zur Charakterisirung der vß^i? der besiegten Sybariten ein wollü- stiger Tanz von ithjphallischen Silenen und Njmphoi auf der Rückseite der Vase um so besser, als der Maler gewifs nicht ohne Absicht den Silen der zur Doppelflöte den übrigen aufbläst, mit Pferdefüfsen versehen hat.

Sehr abweichend äufsert sich Gerhard über diese tyrrhenische Ani- phora(*). „Eine obscöne Mumnierei dreier Kentauren darstellend, welche durch drei geharnischte und schmuckreich behelmte Jünglinge mit eben so viel gebückten und ihnen als Reitpferd dienenden Männern gebildet ist; über letztere ist ein Wams gezogen, welches zugleich einen Pferde- schweif und einen zwischen den Beinen der Reiter hervortretenden Pferde- kopf enthält. Die Reiter haben ihre linke Hand auf die Wamse dieser Thiere gelegt, den rechten Arm aber gebietend erhoben; ihr verschiedener Helm- schmuck besteht aus einem Rad , einem Halsband und etwa einem Paar Eselsohren, wie zum Zweck der Verhöhnung, dem Sinn dieser ganzen ko- mischen Procession nicht übel entsprechend, die von einem Flötenspieler in Festgewand empfangen wird. Die unverständlichen Schriftzüge Hoy^oo%E mögen irgend einen begleitenden Jubel- oder Schmähungsruf andeuten. — Ganz wohl stimmt mit dem verwegenen Sinn dieses Hauptbildes auch dessen Gegenstück auf der Kehrseite des Gefäfses. Zwei kurz bekleidete Jünglinge sind, fast als wären es Gefangene, zwischen drei itbyphallische Silene ver- stehend tanzten sie mit den vorderen die Flötenmelodieen wohl verstehend. Das wüste Onaris und verschaffte sich aus Kardia eine Flötenspielerin die zu den Risalten kommend viele Flötenspieler einlernte: mit diesen zieht er zu Feld gegen Kardia. Und als die Schlacht losging, liefs er die Flötenmelodieen blasen so viel die Pferde der Kardianer konnten. Wie die Pferde die Flöte hörten, stellten sie sich auf die Hinterbeine und fin- gen an zu tanzen. Die Stärke der Kardianer war aber die Reiterei, und so wurden sie besiegt. Vgl. Mionn. Suppl. I, p. 341, n. 993. Freies Pferd gallopirend n. 1. Rv. Adler im Flug eine Schlange zerreifsend. 7\E. Mionn. Descr. I, p. 426, n. 11. Frauenkopf 1. Rv. Weidendes Pferd KAPAI.

(*) Neuerworbene Denkniiiler d. Kgl. Vasens.imnilung zu Herlin. n. 19'28. H. 1 F. -i Z. zu 8^- Z. Durchm. in Rom bei Hrn. Dasseggio im Jahre 1846. angekauft.

Philos. - hislor. Kl. \%ö\. D


26 Panofka: Parodiccn und Karikaturen

iheilt, und dieser ganze Zug geht einem ganz ähnlichen, nur durch Bocks- beine als Pan unterschiedenen, bacchischen Dämon entgegen der in seinen beiden Händen Flöten gefafst hält, aufserdem aber an seiner starrenden Männlichkeit durch ein Band befestigt, noch irgend einen Gegenstand ver- steckten Muthwillens, anscheinend ein Häschen oder ein ähnliches Thier zur Stelle bringt.'"

Ein flüchtiger Blick auf die Komödienvase vfo der Centaur XIPßN durch zwei Komiker auf höchst sinnige Weise dargestellt wird (^-), reicht hin um das gänzlich verfehlte dieser Ei'klärung darzulegen. Die vermutheten Eselsohren auf dem Helm des ersten Kriegers scheinen mir nur wie häu- fig auch auf andern Vasenbildern zwei Federn. Hinsicht der Inschrift dürfte es zweckmäfsig sein sich zu vergegenwärtigen dafs ox,^u) tragen als Pferd bedeutet, und oyjvrrig vom Hengst als Beschäler mid auch von Män- nern in lascivem Sinn gebraucht wird.


C^) Lenormant, Quaestion. cur Pinto Aristophanem in conuivium induxeril. Paris 1838. Panofka Bild. ant. Leb. Taf. VII, 5.


Inhalt der Erläuterungstafeln.


Taf. I.

1. Atalante, Oheim des Meleager, und Meleager, auf einer Vase echt etruskischer Fabrik.

2. Parodie: Faun als Meleagros in heifser Umarmung seiner Geliebten. Rückseite der- selben Vase.

3. Folgen eines zxi leidenschaftlichen Symposion; Trümmer einer voicenter Trinkschale im Museo Gregoriano in Rom.

4. Parodie des Sieges der Krotoniaten über die Sybariten durch die List der Flötenme- lodieen womit sie der Feinde Pferde verlockten: die Sybariten stellen die Pferde vor: die Krotoniaten wie andre Sieger lassen sich tragen: archaistische Amphora im Kgl. Museum in Berlin.

5. Marsyas mit Flöten ithyphallisch wie zwei andre zwischen zwei bekleideten Epheben, die als ißata-rcu zwischen zwei Sybariten auftreten: Rückseite derselben Vase.


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6. Maleratelier durch Pygmäen re[)räsentirt; pompejanisches Wandgemälde.

7. Aeneas mit seinem Vater Anclilses auf der linken Schulter, dem kleinen Ascanius am rechten Arm: sämtlich in Gestalt von Hunden. Pompejanisches Wandgemälde.

8. Erdmutter als Bärin, eine krumme und eine grade Flöte blasend vor tanzendem Eich- hörnchen. Gelbe Paste des Kgl. Museums in Berlin.

9. Klytemnestra als Eule mit Ziegenkopf (auf Aegisth bezüglich) auf dem Kopf, erhebt das Beil gegen Agamemnon als Hahn auf dessen nach dem Boden gesenkten Kopf schon ihre Klaue steht. Gelbe Paste im Kgl. Museum in Berlin.

10. Karikatur eines Philosophen oder Fabelndichters gegenüber einem Fuchs. Innenbild einer voicenter Trinkschale im Museo Gregoriano in Rom.

Taf. II.

1. Paris und die drei Göttinnen: archaistische Amphora im Kgl. Museum in Berlin.

2. Keledon zwischen zwei Panthern. Rückseite derselben Vase.

3. Paris und zwei Göttinnen: archaische Amphora.

4. Zwei Bacchantinnen von Silenen geschultert: Rückseite derselben Vase.

.5. Blendung des Menschenfresser Polyphem durch Ulyss und seine Gefährten : Innen- bild einer archaistischen Kylix des Duc de Luynes.

6. Rinderheerde des Paris.

7. Die drei Göttinnen, Paris und Hermes: Vorderseite derselben etruskischen Ampliora.

Taf. III. 1. und 2. Parodie der Polyphemblendung: schwarzfigurige Amphora im Kgl. Museum in Berlin.

3. Arcesilaos, König von Cyrene, in seinen Schätzen an Silphium oder Wolle: politische Karikatur.

4. Kampf des Herakles gegen Hera Aigiochos und Poseidon, ö. Rückseite auf der Form der Vase im brittischen Museum.




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