Theaterskandal  

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Als Theaterskandal bezeichnet man Konflikte um Theateraufführungen, die an gesellschaftliche, moralische, religiöse oder künstlerische Tabus rühren, und dadurch die Reaktion der öffentlichen Meinung herausfordern. Es kommt dabei zu Missfallenskundgebungen, Protesten oder sogar Tätlichkeiten im Zuschauerraum, in der Folge auch zu Zeitungskampagnen oder politischen Konsequenzen wie Zensur oder Verbot.

Contents

Allgemein

Seitdem die Theaterregie als eigenständige künstlerische Leistung gilt, steht oft nicht nur das Werk selbst, sondern auch dessen Inszenierung im Mittelpunkt von Theaterskandalen. Solche Konflikte entzünden sich besonders heftig an der Oper, deren Publikum besonders traditionsorientiert ist und auch auf Tabu-Brüche bei der Deutung von Werken der Operette besonders heftig reagiert.<ref>Dieter Kranz: Die Lange Nacht der Opernskandale</ref>

Theaterskandale sind zuweilen auch vorhersehbar oder ereignen sich geplant und gleichen dann Inszenierungen mit klaren Rollenvorgaben: Auf der einen Seite das Publikum, das sein Recht auf ungestörten Kunstgenuss einfordert, auf der anderen Seite der Künstler, der überzeugt ist, der Gesellschaft den Spiegel vorhalten zu müssen. Seitdem um die Mitte des 19. Jahrhunderts Künstler ihre Aufgabe nicht mehr darin sahen, den ästhetischen Normenkatalog zu erfüllen, sondern sie diese Normen zunehmend zu sprengen versuchten, ist der Skandal als „spezifische Erscheinung des institutionellen Kunsttheaters“<ref>Robert Patrick Sollich: Theater als Konflikt – Zur Ästhetik und Geschichte des Opernskandals seit 1945</ref> auch Ausweis einer selbstgewählten Außenseiterrolle.<ref>Wolfgang Lempfried: Skandal und Provokation in der Musik</ref>

18. Jahrhundert

[[Datei:Kopie (1) von die räuber erstausgabe 1781.jpg|miniatur|Friedrich Schillers Die Räuber 1781, Erstdruck ohne Angabe des Autors]]

1727 Astianatte von Bononcini. Während einer Vorstellung am Haymarket Theatre in London kam es am 6. Juni auf offener Bühne zu einem Handgemenge zwischen den italienischen Sängerinnen Faustina Bordoni und Francesca Cuzzoni, das in einen regelrechten Skandal ausartete. „Der Disput wurde zunächst lediglich durch Zischen auf der einen Seite, Beifall auf der anderen ausgetragen; dann gab es Katzenrufe und weitere Ungehörigkeiten.“<ref>British Journal, in: Hogwood, Christopher: Georg Friedrich Händel. Eine Biographie. Insel Verlag, Frankfurt a. M. u. Leipzig 2000, S. 155f., ISBN 978-3-458-34355-4</ref> Die Vorstellung wurde wegen des ungebührlichen Benehmens des Publikums in Anwesenheit der Prinzessin von Wales abgebrochen.<ref>Ograjenšek, Suzana: The Rival Queens in: Landgraf, Annette und Vickers, David: The Cambridge Handel Encyclopedia, Cambridge University Press 2009, ISBN 978-0-521-88192-0, S. 544f.</ref> In Admeto von Georg Friedrich Händel hatte sich der Konflikt im Mai zuvor schon angekündigt, wobei nicht klar ist, inwieweit die Rivalität der Sopranistinnen tatsächlich bestand, oder mehr vom Publikum ausgetragen und von der Presse hochstilisiert wurde. Dieser Skandal bedeutete das vorläufige Ende der italienischen Oper in London. „Diese Partheyen waren so wider einander aufgebracht, daß die eine pfiff, wenn die andere in die Hände klatschete, und umgekehrt.“<ref>Quantz, Johann Joachim: Herrn Johann Joachim Quantzens Lebenslauf, von ihm selbst entworfen. in: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Historisch-Kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik, Bd. 1, St. 3, Verlag Schützens, Berlin 1754</ref> In der Spottschrift The Rival Queen’s (Die rivalisierenden Königinnen) spielt sich die Szene im Tempel der Zwietracht ab. Händel steht schicksalsergeben daneben, während die beiden Damen übereinander herfallen. Der Streit diente auch als Vorlage für den Zank zwischen Lucy und Polly in The Beggar's Opera (1728) von John Gay und Johann Christoph Pepusch und, auf dieser Ballad Opera fußend, dem Eifersuchtsduett der rivalisierenden Bräute in der Dreigroschenoper (1928) von Bertolt Brecht und Kurt Weill.

1735 Alcina von Georg Friedrich Händel. Die Primaballerina Marie Sallé, die den damaligen Bühnentanz revolutionierte, löste mit ihrem Auftritt in Händels Zauberoper am 16. April einen Theaterskandal aus, da sie darin die männliche Rolle des Cupido nur leicht bekleidet tanzte und dafür auf offener Bühne ausgepfiffen wurde.

1752 La serva padrona von Pergolesi löste in Paris den Buffonistenstreit (1752–1754) aus, der sich um die Priorität der französischen oder der italienischen Oper drehte. Die Hauptakteure der Kontroversen waren einerseits der konservative, die französische Oper bevorzugende Coin du Roi (Loge des Königs), und andererseits der progressive, die italienische Oper verfechtende Coin de la Reine (Loge der Königin). Zu Letzteren gehörten u. a. die Enzyklopädisten um Denis Diderot, Jean Baptiste le Rond d’Alembert, Jean-Jacques Rousseau und Friedrich Melchior Grimm. Der Streit bahnte sich jedoch schon einige Zeit vorher an, die Konkurrenz zwischen französischen und italienischen Truppen hatte jahrzehntelange Tradition. Im Laufe der Auseinandersetzungen wurden mehr als 60 Schriften meist führender Philosophen publiziert. Der Streit führte zu tiefgreifenden Änderungen in der Opernästhetik, die später vor allem im Piccinnistenstreit zum Ausdruck kamen.

1782 Die Räuber von Friedrich Schiller endete bei der Uraufführung am Nationaltheater Mannheim am 13. Januar in einem Skandal, nachdem das Stück durch seine anonyme Veröffentlichung im Jahr zuvor bereits berüchtigt war. Das revolutionäre Stück spielte fast in der Gegenwart und konnte als Aufruf zum Umsturz verstanden werden. Ohnmachtsanfälle und hysterische Reaktionen bestimmten die Atmosphäre der Aufführung. Ein Augenzeuge berichtete: „Das Theater glich einem Irrenhause, rollende Augen, geballte Fäuste, stampfende Füße, heisere Aufschreie im Zuschauerraum! Fremde Menschen fielen einander schluchzend in die Arme, Frauen wankten, einer Ohnmacht nahe, zur Türe. Es war eine allgemeine Auflösung wie im Chaos, aus dessen Nebeln eine neue Schöpfung hervorbricht!“<ref>Augenzeugenbericht zur Uraufführung im Mannheimer Nationaltheater am 13. Januar 1782</ref>

19. Jahrhundert

Oper

[[Datei:Walery - Victor Hugo.jpg|miniatur|hochkant|Victor Hugo, etwa 1875]] [[Datei:Richard Wagner by Caesar Willich ca 1862.jpg|miniatur|hochkant|Richard Wagner, um 1862]]

1810 Die Schweizer Familie, ein Singspiel von Joseph Weigl und Ignaz Franz Castelli geriet bei einer Aufführung in Berlin im November zu einem Skandal, da sich Heinrich von Kleist nach Spannungen mit dem Theaterdirektor August Wilhelm Iffland journalistisch in die Besetzung der Hauptrolle eingemischt hatte.<ref>Reinhold Steig: Heinrich von Kleist’s Berliner Kämpfe. Berlin, Stuttgart: Spemann 1901</ref> Iffland bezeichnete den Vorfall „als eine barbarische Behandlung der Schauspieler und des Publicums“, schaltete die staatlichen Autoritäten ein und gab zu, sie „auf Maßregeln der Ruhe des Publicums aufmerksam gemacht zu haben“.<ref>Ludwig Geiger: Ein Berliner Theaterskandal 1810, in: Archiv für Theatergeschichte 1 (1904)</ref> Das Geschehen hat Achim von Arnim (der bei der Aufführung anwesend war) in seiner Novelle Melück Maria Blainville umgesetzt.

1824 Der Freischütz von Carl Maria von Weber erregte am 7. Dezember im Theatre Odeon in Paris in der französischen Übersetzung und Bearbeitung von Castil-Blaze unter dem Titel Robin des Bois ou Les trois balles (Robin vom Walde oder Die drei Kugeln) einen Skandal. Als die Aufführung drohte, ein Misserfolg zu werden, verbreiteten die Autoren erfolgreich, dass es sich um die erste Fassung der Oper handle. Sie lösten damit einen Skandal aus, der noch Jahrzehnte nachwirkte.<ref>Johann Wolfgang von Goethe: Die Jahre 1820–1826. Hanser 1992</ref> Die Aufführung war so schlampig, dass sie vom Publikum von der Bühne gepfiffen wurde.

1830 Hernani von Victor Hugo führte bei der Uraufführung am 23. Februar zur Schlacht um Hernani. Die Aufführung artete in lautstarke und handfeste Auseinandersetzungen des Publikums aus. Auf der Bühne der renommierten Comédie-Française wurde eine Art Melodram aufgeführt, das an die proletarischen Theater am Boulevard du Temple erinnerte. Anhänger des klassischen Theaters lieferten sich mit den Unterstützern einer moderneren Form, die später Romantiker genannt wurden, eine regelrechte Theaterschlacht. In Paris gab es eine jahrhundertelange Tradition, politische Konflikte im Weg über das Theater auszutragen, wie im Buffonistenstreit seit 1752. Zudem waren dort die Spielpläne infolge des Napoleonischen Theaterdekrets (1807) sehr einheitlich: In jedes Theater ging eine bestimmte Gesellschaftsschicht mit ganz bestimmten Vorstellungen. So konnten selbst geringe Störungen dieser Erwartungen Missfallen beim Publikum auslösen, was manche Kulturschaffende als Reiz zur Provokation betrachteten.

1830 La Muette de Portici (Die Stumme von Portici) von Daniel-François-Esprit Auber führte bei der Aufführung im Theater La Monnaie in Brüssel am 25. August, anlässlich des 59. Geburtstages von König Wilhelm I. der Niederlande, zu weitreichenden Folgen. Auslöser war das Duett Amour sacré de la patrie („Die heilige Liebe zum Vaterland“): „Geheiligte Liebe zum Vaterland, Gib uns Wagemut und Stolz zurück; Meinem Land verdanke ich das Leben. Es wird mir seine Freiheit verdanken.“ Die Zuschauer gerieten hierdurch in Erregung und als Massaniello mit einer Axt in der Hand sang: „Laufet zur Rache! Die Waffen, das Feuer! Auf daß unsere Wachsamkeit unserem Leid ein Ende bereite!“ erhob sich das Publikum und rief „Aux armes!“ (Zu den Waffen!). Es handelte sich hier nur bedingt um einen „Skandal“, sondern es kam zu einer revolutionären Mobilisierung des Publikums. Die nach der Opernaufführung ausgelösten Unruhen gegen die ungeliebte niederländische Herrschaft führten zur belgischen Revolution und schließlich zur Unabhängigkeit Belgiens.

1858 Der Barbier von Bagdad von Peter Cornelius. Die Uraufführung in Weimar am 15. Dezember unter dem Dirigenten Franz Liszt wurde zum größten Eklat der Weimarer Theatergeschichte, der vom Direktor Franz von Dingelstedt gegen Liszt angezettelt wurde. Bereits als Liszt vor das Ensemble trat, begannen Teile des Publikums zu raunen, und in den Begrüßungsapplaus mischte sich deutliches Zischen. Offensichtlich sollten die Mitwirkenden nervös gemacht werden. Während des Schlussapplauses eskalierte die Situation: „Eine bis dahin in den Annalen Weimars noch nicht erhörte Opposition stellte sich mit hartnäckigem Zischen gleich von Anfang dem Applaus gegenüber, sie war eine bestellte, wohlorganisierte, zweckmäßig verteilte. […] Am Schluß erhob sich ein Kampf von zehn Minuten. Der Großherzog hatte anhaltend applaudiert, die Zischer fuhren nichts destoweniger fort.“<ref>Oliver Hilmes: Liszt: Biographie eines Superstars. Siedler Verlag 2011</ref>

1861 Tannhäuser von Richard Wagner erlebte bei der Pariser Premiere am 13. März in der Salle Le Peletier der Pariser Oper einen der berühmtesten Opernskandale der Musikgeschichte, begleitet von Feindseligkeiten fast der gesamten Pariser Presse, nachdem die Aufführung fast ein ganzes Jahr mit 164 Ensemble-Proben vorbereitet wurde.<ref>Wolfgang Lempfried: Der Pariser Tannhäuser-Skandal</ref> Der Tradition des Hauses folgend war Wagner gezwungen, ein Ballett in seine Oper einzufügen, wozu er sich bereit erklärte, um sich durch einen Erfolg in der Pariser Musikwelt zu etablieren. Wagner weigerte sich jedoch, das Ballett im zweiten Akt einzuführen, was den Gewohnheiten des einflussreichen aristokratischen Jockey Club entgegengekommen wäre, deren Mitglieder während des ersten Aktes zu dinieren pflegten, und erst zum Ballett im zweiten Akt erschienen, um sich danach „hinter die Kulissen zu näherem Verkehr mit den springenden Nymphen“ zu begeben, und legte sein Ballett als Bacchanal der Venus stattdessen in den ersten Akt der Oper. Daraufhin veranstalteten die Mitglieder des Jockey Clubs, die auch Feindseligkeiten gegen Fürstin Pauline von Metternich, die Frau des österreichischen Botschafters, hegten, auf deren Initiative Kaiser Napoleon III. die Aufführung angeordnet hatte,<ref>Vgl. Carl Friedrich Glasenapp: Das Leben Richard Wagners. Leipzig 41905, Bd. 3, S. 250.</ref> bei der zweiten Aufführung am 18. März eine inszenierte Störaktion: „Die Ouvertüre und der erste Aufzug verliefen ohne Störung. Aber bei der Wandlung […] brach plötzlich der lang vorbereitete Angriff aus, und ein gewaltiges Pfeifen und Lärmen unterbrach die Musik. Die Herren des Jockey-Clubs betrieben ihre boshaften Störungen wegen des fehlenden Balletts nicht einmal im Verborgenen, sondern saßen, recht geflissentlich sichtbar, in ihren mit Glacéhandschuhen bedeckten Händen die kleine Trillerpfeife haltend. So ging es die ganze Aufführung weiter. Die Sänger benahmen sich dabei wirklich heldenmütig. Oft mußten sie 15 Minuten und noch länger anhalten, um den Sturm, der im Publikum tobte, vorüberzulassen.“<ref>Malvida von Meysenbug: Memoiren einer Idealistin, o.J., Bd. 1</ref> Drei Aufführungen lang währte die „Schlacht um Tannhäuser“, die Oper war Tagesgespräch in Paris, und jeder, der auf sich hielt, bemühte sich, eine der raren Eintrittskarten zu ergattern. Der Jockey Club ließ silberne Trillerpfeifchen verteilen mit der Inschrift: „Pour Tannhäuser“. Bei der dritten Aufführung am 24. März kam es zu mehreren Unterbrechungen, was Wagner veranlasste, die Oper zurückzuziehen.

Schauspiel

1808 Der zerbrochne Krug von Heinrich von Kleist provozierte am Weimarer Hoftheater am 2. März bei der dilettantisch ausgeführten Uraufführung unter Johann Wolfgang Goethe einen Skandal, da das Stück mit Zusätzen versehen und mit einem überflüssigen musikalischen Vorspiel versehen wurde. „Bei der Aufführung ereignete sich ein Vorfall, der in dem kleinen Weimarschen Hoftheater noch nie da gewesen und als etwas Unerhörtes bezeichnet werden konnte. Ein herzoglicher Beamter hatte die Frechheit, das Stück auszupfeifen. Das Stampfen des Publikums wurde zu einem Getöse, und auch Goethe selbst hätte sich dem Protest angeschlossen, wenn es seine Stellung erlaubt hätte.“<ref>Eduard Genast: Aus Weimars klassischer und nachklassischer Zeit. Kapitel 7: Goethes alleinige Direktion (1805–1817)</ref> Kleist selbst sah sich als Opfer einer Intrige. Er glaubte, Goethe habe sein Stück verhunzt und trage die Schuld am Debakel. Kleist wollte Goethe zum Duell mit Pistolen fordern, aber Freunde brachten ihn von diesem Entschluss ab. Da er den gehassten Dichterfürsten nicht totschießen konnte, verfasste Kleist Spottverse, die er in einer Zeitschrift anonym veröffentlichte.

[[Datei:Nestroy.jpg|mini|hochkant|Johann Nepomuk Nestroy]]

1814 Ponce de Leon von Clemens Brentano (Lustspiel) sorgte am Wiener Burgtheater unter dem Titel Valeria oder Vaterlist für einen spektakulären Theaterskandal, der mit erbittertem Nachgefecht in den führenden Wiener Literaturzeitungen in die Theatergeschichte eingegangen ist.

1819 Ferdinand Raimund erregte durch sein Privatleben einen Theaterskandal und wurde auf der Bühne ausgezischt, da er die Hochzeit mit der leichtlebigen Soubrette Louise Gleich hatte platzen lassen, die ein Kind von ihm erwartete. Am Hochzeitsmorgen kam es zum Krach, im Zuge dessen Louise dem Verlobten in den Finger biss. Raimund lief davon, der Hintergrund der „verhinderten Hochzeit“ wurde publik und das katholische Wien hatte einen Skandal. Louises Vater, der bekannte Theaterdichter Josef Alois Gleich setzte alle Hebel in Bewegung, den Bräutigam zu einem neuen Termin zu bewegen. Am 8. April 1820 wurde Raimund zur Heirat gezwungen, das Publikum feierte den ersten gemeinsamen Auftritt des Paares nach der Hochzeit am Leopoldstädter Theater begeistert als Sieg der „Moral“. Heinrich Eduard Jacob hat diese Ereignisse in der Novelle «Der gefesselte Raimund» verarbeitet. Schon 1818 endete Raimunds Beziehung zur Schauspielerin Therese Grünthal in einem Theaterskandal, da er sie, nachdem sie sich von ihm abgewandt hatte, im Theater verprügelte. Raimund bekam drei Tage Arrest.

1837 Eine Wohnung ist zu vermieten in der Stadt, eine Wohnung ist zu verlassen in der Vorstadt, eine Wohnung mit Garten ist zu haben in Hietzing von Johann Nepomuk Nestroy war bei der Uraufführung am 17. Januar im Theater an der Wien der größte Theaterskandal, den Nestroy erlebt hat, als er in der Spießersatire durch die Thematisierung sozialer Missstände des vormärzlichen Österreich seinen Widersachern den Zerrspiegel vorhielt und nicht nur die Hausherren, sondern auch die Hausbesorger gegen sich aufbrachte. Nestroys schonungslos offene, beißende Kritik an Scheinmoral und Heuchelei wurde als „witz- und gehaltloses Machwerk“ bezeichnet und nur dreimal gespielt.

1848 Die Anverwandten von Johann Nepomuk Nestroy, eine politische Komödie, die sich mit der bürgerlichen Revolution auseinandersetze (basierend auf dem Stück „Martin Chuzzlewit“ von Charles Dickens), erregte bei der Uraufführung am 25. Mai im Carl-Theater in Wien (als Karl Marx in Wien durch Vorträge die Revolution anheizen wollte) einen Skandal wegen der auf die Frankfurter Nationalversammlung anspielenden Verse: „Gar mancher is als Wähler für Frankfurt 'nein g'rennt, der außer d' Frankfurterwürsteln von Frankfurt nichts kennt.“ In Sprechchören forderte das Publikum Nestroy auf, öffentlich für das verfehlte Stück Abbitte zu leisten. Nestroy gab nach und schickte einen Kollegen an die Rampe, der der empörten Menge seine Entschuldigung mitteilen musste.<ref>Helmut Bachmaier, Johann Nestroy, Gotthard Stängle: Johann Nepomuk Nestroy. Andreas, 1984</ref>

[[Datei:Nicola Perscheid - Gerhart Hauptmann.jpg|mini|hochkant|Gerhart Hauptmann (1914)]]

1849 Macbeth von Shakespeare führte während einer Aufführung in New York City zur Astor Place Riot, da amerikanische Zuschauer gegen den britischen Schauspieler Macready protestierte. Parteigänger des Konkurrenten buhten und pfiffen Macready aus, warfen Abfälle auf die Bühne und demolierten die Bestuhlung. Um des Aufruhrs Herr zu werden, berief die Stadtregierung die Nationalgarde ein. Nachdem Steine auf das Theater geworfen wurden, einige Demonstranten versuchten, das Gebäude in Brand zu setzen und das Publikum aus dem Theater flüchtete, schoss die Nationalgarde auf die Menge. Gezählt wurden mindestens 25 Tote und über 120 Verletzte.

1850 Zwölf Mädchen in Uniform von Johann Nepomuk Nestroy führte bei der Neujahrsvorstellung zu einem handfesten Skandal, der noch den ganzen Januar in den Zeitungen widerhallte. In der Folge suchte der Journalist und Hauptgegner Nestroys, Johann Gottlieb Saphir, sogar um Polizeischutz gegen Nestroys Angriffe an, da dieser sich während der Vorstellung, in der gezischt worden war, ans Publikum wandte und extemporierte: „Sicher ist Herr Saphir da!“<ref>Johann Nestroy: Sämtliche Werke: Nachträge: Band 32, Deuticke 2007</ref>

1889 Vor Sonnenaufgang von Gerhart Hauptmann war bei der Uraufführung am 20. Oktober am Lessingtheater in Berlin ein Skandal, da das naturalistische Stück Selbstmord und soziales Elend ungeschönt auf die Bühne brachte.<ref>Gerhart Hauptmann: Der Schuss im Park Online</ref> Der Augenzeuge Adelbert von Hahnstein schrieb: „Von Akt zu Akt wuchs der Lärm […] schließlich lachte und jubelte, höhnte und trampelte man mitten in die Aufführung hinein und als der Höhepunkt des Stücks nahte, erstieg auch das Toben seinen Gipfel“.<ref>Adelbert von Hahnstein: Das jüngste Deutschland. Zwei Jahrzehnte miterlebte Literaturgeschichte. Leipzig 1900</ref> Der Berliner Arzt Isidor Kastan schwang während des fünften Aktes (wo dem Text folgend „deutlich das Wimmern der Wöchnerin“ zu hören sein sollte) eine Geburtszange über dem Kopf und bot laut seine Dienste als Arzt an. Dabei bekümmerte es ihn auch nicht, dass man gerade um Tumulte zu verhindern, diese Stelle für die Aufführung gestrichen hatte. Infolge der Störung Kastans schwoll der Lärm im Saal derart an, dass die Schauspieler das Stück nur mühsam zu Ende bringen konnten.<ref>Hartmut Baseler: Gerhart Hauptmanns soziales Drama „Vor Sonnenaufgang“ im Spiegel der zeitgenössischen Kritik. Eine rezeptionsgeschichtliche Modellanalyse: Karl Frenzel, Theodor Fontane, Karl Bleibtreu, Wilhelm Bölsche. Dissertation, Kiel 1993</ref> Nach dieser „dramatischen Theaterschlacht“ folgte ein nicht weniger hitziger Streit unter den Rezensenten des Dramas. Der Skandal verhalf nicht nur Hauptmann zum Durchbruch, auch der Naturalismus als Bewegung erzielte zum ersten Mal eine breite Öffentlichkeitswirkung. Die deutsche Bühne war mit einem Schlag revolutioniert. Der Naturalismus am Ende des 19. Jahrhunderts produzierte zahlreiche Theaterskandale.

1898 Der Eroberer von Max Halbe wurde am 29. Oktober am Lessingtheater in Berlin uraufgeführt und verursachte einen Theaterskandal. Beim Schlussapplaus wurden der Autor und seine Frau beschimpft, da eine Affäre Halbes mit einer jungen Schauspielerin die Vorlage für das Stück gegeben hatte und das Publikum diese „Selbststilisierung des Ehebruchs“ in Kostümen der Renaissance missbilligte.<ref>Gerd Uekerman: Renaissancismus und Fin de siècle: Die italienische Renaissance in der deutschen Dramatik der letzten Jahrhundertwende. De Gruyter. Berlin/New York 1985</ref> „Weil das Berliner Theaterpublikum kaum die schlechtesten Manieren hat, die ein Publikum überhaupt haben kann, hat es den «Eroberer» ausgelacht, verhöhnt und verspottet.“<ref>Rudolf Steiner: «Der Eroberer», Magazin für Literatur 1898, 67. Jg., Nr. 44 (PDF)</ref> Dem Verhalten des Publikums am Abend ging eine publizistische Kundgebung voraus. Das Kleine Journal veröffentlichte am Morgen des Aufführungstages einen Artikel, in dem gegen die Leitung des Theaters Stimmung gemacht wurde.<ref>Rudolf Steiner: Theaterskandal. Dramaturgische Blätter 1898, 1. Jg., Nr. 46 (PDF)</ref>

1898 Erdgeist von Frank Wedekind, die Geschichte vom Aufstieg und Fall einer Kindfrau und Sexgöttin, die Wedekind „eine Monstretragödie“ nannte, rief bei der Uraufführung im Leipziger Krystallpalast am 12. Februar einen Theaterskandal hervor und zog einen langwierigen Gerichtsprozess nach sich. Gründe dafür waren vor allem die Anprangerung von Bürgertum und Scheinmoral sowie der sexuell anstößige Inhalt. Auch Wedekinds Drama Die Büchse der Pandora (die Fortsetzung der Tragödie Erdgeist) war bei der Uraufführung 1904 ein Theaterskandal. Beide Stücke wurden von Wedekind später als Bühnenfassung in einem Stück mit dem Titel Lulu zusammengefasst.

20. Jahrhundert

Schauspiel

1900 bis 1945

[[Datei:Frank Wedekind.jpg|mini|hochkant|Frank Wedekind (1918)]] [[Datei:Arthur Schnitzler 1912.jpg|mini|hochkant|Arthur Schnitzler (Foto von Ferdinand Schmutzer, um 1912)]]

1904 Die Büchse der Pandora von Frank Wedekind (die Fortsetzung seiner Tragödie Erdgeist, s.o.) war bei der Uraufführung im Intimen Theater in Nürnberg trotz der damals in Nürnberg vergleichsweise liberalen Zensur ein Theaterskandal. Ein Einschreiten der Polizei verhinderte eine für den Folgetag geplante zweite Vorstellung. Die Münchner Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen Wedekind und seinen Verleger Bruno Cassirer wegen Verbreitung unzüchtiger Schriften, die Buchausgabe wurde beschlagnahmt. Noch Wedekinds Begräbnis 1918 war ein Skandal, da bei der Beerdigung am Münchner Waldfriedhof Prostituierte dem Dichter ihre Reverenz erwiesen.

1907 Der Held der westlichen Welt (The Playboy of the Western World) von John Millington Synge führte bei der Uraufführung am 26. Januar am Abbey Theatre in Dublin zu tumultartigen Ausschreitungen. Zeugen berichten von stampfenden, buhrufenden Zuschauern, von betrunkenen Trinity-Studenten, die „God save the Queen“, und Nationalisten auf der anderen Seite, die „God save Ireland“ und „A Nation once again“ grölten.<ref>Regina Standun: John Millington Synges The Playboy of the Western World, in: Stefan Neuhaus, Johann Holzner (Hrsg.): Literatur als Skandal. Fälle – Funktionen – Folgen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007</ref> Die Kämpfe spielten sich zunächst im Theatersaal, später auf den umliegenden Straßen ab und mussten von der Polizei beendet werden. Irische Nationalisten meinten, dass das Stück nicht politisch genug sei und durch seine unmoralische Sprache die Würde Irlands, insbesondere der irischen Frauen verletze. Die vermeintlich klischeehafte Darstellung des ländlichen katholisch-irirschen Unterschichtmilieus wurde von irischen Nationalisten wie dem Sinn Féin-Führer Arthur Griffith als Verhöhnung empfunden. Der Schirmherr des Theaters, William Butler Yeats, sah sich in der Folge veranlasst, eine Verteidigungsrede zur Freiheit des Theaters zu halten. Obwohl die Pressemeinung bald gegen die Kritiker war und die Proteste (bekannt geworden als die Playboy Riots) verebbten, war das Abbey Theatre erschüttert und Synges nächstes (und letztes vollendetes) Stück The Tinker’s Wedding (1908) wurde aus Furcht vor neuen Störungen nicht aufgeführt.

1909 Mörder, Hoffnung der Frauen von Oskar Kokoschka löste bei der Uraufführung auf der Freilichtbühne der internationalen Kunstschau am 4. Juni in Wien einen Skandal aus. Das Publikum reagierte auf das Stück mit Johlen, Trampeln, Raufen und Umherhauen mit den Stühlen. Als die Situation auszuarten drohte, musste die Polizei eingreifen. Kokoschka erhielt eine Verwarnung wegen öffentlicher Ruhestörung und wurde als „Jugendverderber“ beschimpft. Der Unterrichtsminister ordnete an, den 23-jährigen Künstler von der Kunstgewerbeschule zu entlassen. Der Einakter Kokoschkas wird als erstes expressionistisches Theaterstück bezeichnet, Thema ist der Gegensatz der Geschlechter.

1911 Der Held der westlichen Welt (The Playboy of the Western World) von John Millington Synge (s.o.) führte auch bei der Aufführung in New York zu Unruhen. Zuschauer buhten, zischten und warfen Gemüse und Stinkbomben, während es in den Sitzreihen zu Prügeleien kam. Die Theatertruppe wurde später in Philadelphia festgenommen und wegen Aufführung eines unmoralischen Stückes angeklagt, das Strafverfahren wurde jedoch später eingestellt.

1918 Seeschlacht von Reinhard Goering. Die Uraufführung am 10. Februar 1918 wurde auf Anraten des militärischen Generalkommandos als geschlossene Vorstellung durchgeführt, erregte aber dennoch einen Skandal, denn »das Abfeuern des Riesengeschützes, die Einschläge, der Pulverdampf wirkten derart realistisch, der ausbrechende Wahnsinn, das grausige Sterben der Mannschaft wurden so erschütternd dargestellt, daß bei der Aufführung eine Frau in Schreikrämpfe verfiel, andere ohnmächtig wurden«.<ref>Paul Adolph: Vom Hoftheater zum Staatstheater. Zwei Jahrzehnte persönlicher Erinnerungen an Sachsens Hoftheater. C. Heinrich, Dresden 1932</ref> Das Schicksalsdrama war das erste Stück, das sich noch in Kriegszeiten mit dem Krieg befasste, und wurde mit dem Kleistpreis ausgezeichnet.

1918 Leonce und Lena von Georg Büchner führte bei der Aufführung am Hof- und Nationaltheater Mannheim am 2. Juni in der Inszenierung von Richard Weichert mit Fritz Odemar als Leonce zu einem politisch motivierten Skandal, der von gekränktem nationalem Ehrgefühl wegen der politisch-satirischen Tendenzen des Stücks ausgelöst wurde. Es hagelte Proteste gegen die Satire auf Absolutismus und Kleinstaaterei und es gab klerikalen Protest von der Kanzel herab.<ref>Ingeborg Strudthoff: Die Rezeption Georg Büchners durch das deutsche Theater. Colloquium Verlag, Berlin-Dahlem 1957</ref>

1921 Reigen von Arthur Schnitzler führte zum größten Theaterskandal des frühen 20. Jahrhunderts. Das Stück schildert in zehn erotischen Dialogen die „unerbittliche Mechanik des Beischlafs“ und zeichnet ein Bild der Moral in der Gesellschaft des Fin de siècle. Wenige Stunden vor der Berliner Uraufführung am 23. Dezember 1920 wurde die Vorstellung vom preußischen Kultusministerium verboten und den Direktoren sechs Wochen Haft angedroht, die Premiere fand dennoch statt. Am 22. Februar 1921 kam es zu Ausschreitungen, nachdem ein hoher Beamter der Berliner Polizei eine systematische Hetze gegen die Aufführungen initiiert hatte. Am 22. Februar gab es organisierte Tumulte in der Aufführung und eine johlende Saalschlacht. Abkommandierte völkische Beobachter, die meisten von ihnen im jugendlichen Alter, warfen Stinkbomben. Theaterleiter und Darsteller wurden in der Folge wegen „unzüchtiger Handlungen“ im sogenannten Reigen-Prozess vor Gericht gestellt, nach dem Schnitzler ein Aufführungsverbot für das Stück verhängte, das bis zum 1. Januar 1982 in Kraft war. Bei der Vorstellung in Wien stürmten am 7. Februar 1921 Demonstranten die Vorstellung und riefen „Nieder mit dem Reigen!“ und „Man schändet unsere Weiber!“, die Vorstellung musste abgebrochen werden. Am 16. Februar warfen Zuschauer Stinkbomben und 600 Demonstranten stürmten das Haus, zertrümmerten die Glasscheiben, drangen ins Parkett und in die Logen ein, von wo aus sie Stühle und Teer-Eier auf die Zuschauer warfen. Die Bühnenarbeiter beendeten den Tumult durch Einsatz der Feuerwehrschläuche.

1922 Vatermord von Arnolt Bronnen galt nach der Uraufführung am Schauspielhaus Frankfurt als der größte Theaterskandal seit Gerhart Hauptmanns Vor Sonnenaufgang (1889). Das Stück war voller Gewalt, Demütigung und Inzest, das Publikum reagierte empört, bei einer weiteren Aufführung in Berlin an der „Jungen Bühne“ des Deutschen Theaters (Regie: Berthold Viertel) musste die Polizei einschreiten. „Zuerst ruft nur jemand ein »Pfui« in die Stille. Dann setzt wütendes Klatschen ein, die jungen Leute im Saal beginnen wild auf die Lehnen zu schlagen. Ein Pfiff gellt aus einem Schlüssel, ihm antwortet eine Kindertrompete, begleitet vom kunstvollen Heulen auf hohlen Fäusten. Unter taktmäßigem Schlagen wird ein Name herausgebrüllt, wohl der des Schriftstellers, dagegen erschallen Rufe »Gemeinheit«, »Frechheit«, »Anmaßung«.“<ref>Paul Gurk: »Berlin« (Roman), Berlin 1934</ref> Nachdem die Menge nach einer halben Stunde den Saal noch immer nicht verließ, wurde die Polizei gerufen, die das Theater räumte.<ref>Holger Zebu Kluth: Alte junge Bühne. Theaterzeitschrift. Heft 4, September 2010</ref> Zugleich wurde das Stück schnell zu einem der großen Theatererfolge der Weimarer Republik. Bronnen hatte mit seinem Werk das Lebensgefühl einer ganzen Generation zum Ausdruck gebracht, die in der wilhelminischen Ära unter den autoritären Gesellschafts- und Familienstrukturen litt.

1925 Exzesse von Arnolt Bronnen wurde, wie schon dessen Vatermord 1922, bei der Uraufführung der „Jungen Bühne“ im Berliner Lessing-Theater mit Curt Bois, Leonhard Steckel und dem jungen Veit Harlan ein Skandal. Das Stück war sexuell aufgeladen, exzessiv, der Skandal war somit vorprogrammiert, wobei sich das Publikum über ein ausgezogenes Unterhöschen und den Wunsch der Protagonistin Gerda Müller nach Sodomie mit einem Ziegenbock entrüstete. Während Bronnens Anhänger Herbert Ihering einen „Riesenerfolg“ und „Riesenkrach“ konstatierte sah Alfred Kerr nur die „üblichen Schweinereien“. Der Skandal kulminierte in der öffentlichen Ohrfeige des Intendanten Moriz Seeler für einen kommunistischen Dramaturgen, der die Aufführung von Beginn an mit einer Pfeife störte und hatte ein wochenlanges publizistisches Nachspiel, das sich in 103 Zeitungsbeiträgen niederschlug.

1925 Katalaunische Schlacht von Arnolt Bronnen wurde am Fürstlich Reussischen Theater in Gera zu einem Skandal, da das sexualisierte Kriegsdrama angeblich »der Ehre des deutschen Offiziers und Frontsoldaten«<ref>»Die Theaterintendanz in Gera für den Autor« [Prager Tagblatt], 7. Februar 1925 (in: Paulus Manker: Walter Bruno Iltz. Die Enttarnung eines Helden. Wien 2011)</ref> nahetrat. Der Intendant Walter Bruno Iltz und seine Frau Helena Forti wurden in einem anonymen Brief sogar mit dem Erschießen bedroht.<ref>»Kunst und Revolver« [Leipziger Tagblatt], 8. Januar 1925</ref>

1925 Barabau von Vittorio Rieti, ein Ballett mit Chor, führte bei der Silvesterpremiere am Fürstlich Reussischen Theater in Gera in der Choreografie von Yvonne Georgi zu einem Skandal, da in einer Begräbnisszene Tänzerinnen und Tänzer die Trauer persiflierten und das Publikum empört »Aufhören!« schrie. Nur die allabendliche Anwesenheit des Reussischen Fürsten konnte bei den folgenden Vorstellungen offenen Protest verhindern.<ref> Paulus Manker: Walter Bruno Iltz. Die Enttarnung eines Helden. Wien 2011</ref>

1928 Die Verbrecher von Ferdinand Bruckner, ein Drama, in dem es um die Diskriminierung der Homosexuellen und um deren Erpressbarkeit infolge des § 175 geht, löste am Hamburger Schauspielhaus einen Skandal aus.

1929 U-Boot S4 von Günther Weisenborn löste bei seiner Uraufführung als Antikriegsstück einen Theaterskandal aus. Auch Weisenborns zweites Schauspiel SOS oder Die Arbeiter von New Jersey über die Verstrahlung von Arbeitern löste 1931 am Landestheater Coburg einen Theaterskandal aus. Die gemeinsam mit Richard Huelsenbeck verfasste Komödie Warum lacht Frau Balsam wurde 1933 nach massivem SA-Skandal abgesetzt.

[[Datei:Paul Hindemith 1923.jpg|mini|hochkant|Paul Hindemith (1923)]]

1929 Das Badener Lehrstück vom Einverständnis von Bertolt Brecht und Paul Hindemith sorgte bei der Uraufführung in Baden-Baden aufgrund der Darstellung von Tod und Gewalt für einen Skandal. Die Zuschauer zeigten sich zunächst schockiert von der als Film gezeigten, drastischen Darbietung „Totentanz“ von Valeska Gert. Der eigentliche Skandal aber wurde durch eine brutale Clownsszene mit Theo Lingen in der Hauptrolle ausgelöst. Zwei Clowns zerlegten einen dritten Clown unter dem Vorwand zu helfen. Schmerzende Glieder wurden unter Einsatz großer Mengen Theaterblut einfach abgetrennt. Am Ende war das Opfer vollständig zerlegt und lag blutüberströmt am Boden. „Mit einem Blasebalg, der Blut enthielt, mußte ich auch noch das Blut dazu spritzen: das war dem Publikum nun wirklich zu viel. Und als man mir dann noch den Kopf absägte, da ich über Kopfschmerzen klagte, brach ein Skandal aus, wie ich ihn nie wieder am Theater erlebt habe. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, flog auf die Bühne. Fluchtartig verließen meine Mitspieler den Schauplatz.“<ref>Theo Lingen, zitiert nach Werner Mittenzwei: Das Leben des Bertolt Brecht, Band 1</ref> Nicht nur die Zuschauer zeigten sich schockiert, die Baden-Badener Verantwortlichen beendeten nach der Aufführung ihre Unterstützung für das Musikfestival.

1929 Pioniere in Ingolstadt von Marieluise Fleißer verursachte am Theater am Schiffbauerdamm in Berlin in der Regie von Jacob Geis und Bertolt Brecht einen der legendären Theaterskandale der Weimarer Republik. Thema war, was Fleißer als ihr Thema schlechthin bezeichnete: «etwas zwischen Männern und Frauen». Brecht hatte das Stück szenisch verschärft, unter anderem fand die Entjungferung des Dienstmädchens in einem rhythmisch wackelnden Pulverhäuschen auf offener Bühne statt. Fleißer wurde von Militaristen und der rechten Presse angefeindet und als »eine schlimmere Josephine Baker der weissen Rasse – im dicksten sexuellen Ur- und Affenwald« bezeichnet und in ihrer Heimatstadt Ingolstadt als Nestbeschmutzerin verfemt. Fleißer überwarf sich mit Brecht, da dieser sie mit den Folgen des Skandals »wie mit einem Besenkammer-Balg« (Carl-Ludwig Reichert) allein gelassen hatte.

1945 bis 1999

1945 Haben von Julius Hay wurde bei der Premiere am Wiener Volkstheater am 24. August zum ersten großen Theaterskandal der hysterisierten Nachkriegszeit, es kam sogar zu einer Saalschlacht im Parkett, als die Hebamme Képes (gespielt von Dorothea Neff) während einer Szene unter einer Madonnenstatue Gift versteckt und Schüler des katholischen Piaristengymnasiums und Angehörige der ehemaligen Hitlerjugend Tumulte vom Zaun brachen. Mitgliedern des Theaters und Kulturstadtrat Viktor Matejka gelang es, die Situation zu beruhigen.<ref name="Manker">Paulus Manker: „Der Theatermann Gustav Manker. Spurensuche.“ Amalthea, Wien 2010 ISBN 978-3-85002-738-0</ref>

1947 Es steht geschrieben von Friedrich Dürrenmatt, das erste Stück Dürrenmatts, eine groteske Komödie über die münsterische Schreckensherrschaft 1534–1536, die Dürrenmatt in einem ironisch skeptischen Bilderbogen darstellte, rief bei der Uraufführung am Zürcher Schauspielhaus einen Theaterskandal hervor, die Uraufführung musste wegen Unmutsbekundungen des Publikums unterbrochen werden,<ref>Ulrich Weber; Friedrich Dürrenmatt, oder Von der Lust, die Welt nochmals zu erdenken. Haupt, 2006</ref> in der Presse entstand eine hitzige Debatte über das Stück, es wurde als „unzüchtig und nihilistisch“ empfunden. Die Premiere führte zu einem solchen Skandal, dass man sich in Zürich für etliche Jahre an kein neues Werk des Szenen-Berserkers wagte, die nächsten Uraufführungen fanden in Basel statt.<ref>Template:Der Spiegel</ref> Das Stück erfuhr später eine Umarbeitung in Die Wiedertäufer (1966).

[[Datei:Ödön von Horváth.jpg|mini|hochkant|Ödön von Horváth (1919)]]

1948 Geschichten aus dem Wiener Wald von Ödön von Horváth geriet bei der österreichischen Erstaufführung am 1. Dezember am Wiener Volkstheater zu einem der größten Theaterskandale der Nachkriegszeit. Publikum und Presse standen Horváths Vivisektion der Wiener Seele – von Erich Kästner „ein Wiener Volksstück gegen das Wiener Volksstück“ genannt – empört gegenüber. Bei der zweiten Vorstellung kam es im letzten Bild, „in der Wachau“, sogar zu Tumulten, als Dorothea Neff als Großmutter den von ihr verschuldeten Tod des kleinen Leopold verkündet. Karl Skraup musste die Störer mit extemporierten Sätzen beruhigen.<ref name="Manker"/> Schon bei der Uraufführung 1931 nannte die rechtsradikale Presse das Stück eine „beispiellose Unverschämtheit“, „Sauerei“, „Unflat ersten Ranges“ (Völkischer Beobachter) und „eine dramatische Verunglimpfung des alten Österreich-Ungarn“. Im nationalsozialistischen Montagsblatt „Der Angriff“ von Joseph Goebbels hieß es, dass das „goldene Wiener Herz rettungs- und hilflos in der Horváthschen Jauche ersoff.“

1949 Jugend vor den Schranken von Helmuth Qualtinger, das sich der Verelendung der österreichischen Nachkriegsjugend widmet, erregte bei seiner Uraufführung in Graz einen Skandal. Ein großer Teil der Zuschauer protestierte mit lauten Rufen besonders bei den Szenen, die die Verfallssymptome dieser Kategorie von straffällig gewordenen Jugendlichen zum Ausdruck brachten. Im ersten Drittel der Aufführung nahmen die Kundgebungen solche Formen an, daß zum Schutz der Darsteller ein größeres Polizeiaufgebot angefordert werden mußte. Der Gipfel der Demonstrationen wurde erreicht, als in einer Szene der Darsteller der Rolle des Staatsanwaltes als Sühne die Todesstrafe forderte und daraufhin das Publikum schrie: „Ja für den Verfasser!“<ref>Wiener »Weltpresse«, 28. März 1949; in: Günter Krenn: Helmut Qualtinger: die Arbeiten für Film und Fernsehen. Filmarchiv Austria, 2003</ref> Das Stück wurde schon am nächsten Morgen vom Spielplan genommen.

1957 Der Balkon («Le balcon») von Jean Genet sorgte bei der Uraufführung im Art's Club Theatre in London am 22. April in der Regie von Peter Zadek wegen der freizügigen Behandlung abweichender Sexualpraktiken für einen Skandal und war in Frankreich zeitweilig verboten.<ref>Template:Der Spiegel</ref> Das Stück spielt in einem Luxusbordell, in dem sich die Kunden den Wunsch nach einer anderen Identität erfüllen können. Während die Bordellbesucher nach der Illusion von Macht und Ansehen streben, tobt draußen die Revolution. Sie scheitert unter dem Jubel des Volkes, dessen Ehrfurcht vor der Macht zu groß ist. Am Ende bleibt offen, ob die Revolution nicht auch ein Spiel der Illusion war.

1957 Opfer der Pflicht von Eugène Ionesco wurde bei der deutschsprachigen Erstaufführung des Darmstädter Landestheaters im Orangeriehaus ein Skandal. Das Publikum protestierte gegen Ende der Aufführung mit Zwischenrufen, Trillerpfeifen und Hausschlüsseln gegen die Fortsetzung des Spiels.<ref>Johannes Jacobi: Theaterskandal um das Absurde. Die Zeit, 19/1957</ref> Gegen Ende dieses Einakters bohrt ein Dichter einem Polizisten das Messer in die Brust, und eine dabeistehende Frau ruft „Aufhören“. Diese Aufforderung wurde von einem Teil des Publikums aufgenommen, es gab Pfiffe und böse Rufe gegen den Darmstädter Intendanten Gustav Rudolf Sellner. Der Intendant trat auf die Bühne und forderte die Unzufriedenen auf, das Haus zu verlassen. Etwa ein Drittel des Publikums verließ den Saal, die Aufführung ging unangefochten zu Ende, während ein Teil der Unzufriedenen durch die Saaltüren still wieder ins Parkett zurückkehrte.<ref>Template:Der Spiegel</ref>

1961 Die Geisel von Brendan Behan provozierte am Ulmer Theater in der Inszenierung der deutschen Erstaufführung von Peter Zadek Skandal und Furore durch eine freche Mischung aus Bordell und Bürgerkrieg, Schunkeln und Sterben, nackten Frauen und betrunkenen Guerilleros. Pulverdampf, der ins Publikum zog, irritierte die Zuschauer. Der Ulmer Gemeinderat debattierte über die Absetzung des Stückes, die Presse empfand die Kontroverse wegen der scheinbar inkongruenten Stilelemente und der politischen Aussage als eine Belebung der deutschen Bühnenlandschaft und wählte die Inszenierung zur „Aufführung des Jahres“.

1962 Bis zum letzten Wutstropfen von Lutz Backes entfachte wegen des Nacktauftritts einer Schauspielerin einen Theaterskandal, hatte aber riesige Aufführungsziffern,

1963 Der Stellvertreter von Rolf Hochhuth wirbelte bei der Berliner Uraufführung enormen Staub auf und entfachte Polemiken über das Verhalten des Papstes Pius XII. gegenüber Hitler-Deutschland und der Anklage, angesichts des Holocaust geschwiegen zu haben. Das empörte vor allem katholische Kreise. Nach der Uraufführung in Berlin war Basel das erste Theater, an dem Hochhuths Stück aufgeführt wurde und löste auch dort eine gewaltige Protestwelle aus. Vor dem Basler Theater marschierten Demonstranten auf, es gab Drohbriefe und heftige Debatten über das Stück folgten. Während der Aufführungen am Wiener Volkstheater kam es 1964 zu tumultartigen Szenen, sogar zu Handgreiflichkeiten im Parkett. Direktor und Regisseur Leon Epp erschien bei offenem Vorhang auf der Bühne und verteidigte die Wahl des Stückes mit den Worten: „Jeder, der dieser Aufführung beiwohnt, möge sich doch fragen, ob er nicht an den hier geschilderten Dingen irgendwie mitschuldig gewesen ist!“

[[Datei:Edward Bond at the Théâtre National de la Colline, Paris, January 2001.jpg|mini|hochkant|Edward Bond (2001)]]

1968 Gerettet von Edward Bond inszenierte Peter Zadek in Berlin. Darin werfen Rowdys Steine in einen Kinderwagen und töten das darin liegende Baby. Zadek schreibt in seiner Biografie, dass die Szene „die Fantasie des Zuschauers zwar anstößt, ihn aber nichts kostet“. Er spitzte das Geschehen zu, ließ die Jungen eine Puppe brutal zerstören. Während dieser Szene stürmten Zuschauer die Bühne. „Wegen der Direktheit mit der sichtbaren Puppe hatte niemand mehr die Möglichkeit für einen gemütlichen Voyeurismus“, schreibt Zadek. Die protestierenden Studenten hätten vor allem kritisiert, „dass bei der Aufführung nicht genügend auf die sozialen Ursachen der Gewalt hingewiesen wurde“.

1968 Vietnam-Diskurs von Peter Weiss sorgte in der Inszenierung von Peter Stein im Werkraum der Münchner Kammerspiele am 28. Juni für einen Skandal, da Wolfgang Neuss am Ende der Vorstellung zu einer Sammlung für den Vietcong aufrief und mit Hut durchs Publikum ging. Die Reaktionen waren gespalten, die einen spendeten, andere schrieen „Skandal“. Die Verwaltungsdirektion der Kammerspiele weigerte sich, die Sammlung zuzulassen und berief sich auf das Hausrecht. Am 9. Juli durfte Neuss nicht für den Vietcong sammeln. Schließlich forderten zweihundert Demonstranten am 19. Juli bei einem Go-in die sofortige Wiederaufnahme des abgesetzten Stückes.<ref>Internationales</ref> Steins Vorsatz, im Einverständnis mit dem Ensemble Geld sammeln zu lassen, führte zum Streit mit dem Intendanten August Everding und zu Steins vorzeitiger Entlassung.<ref>Template:Der Spiegel</ref>

1969 Clavigo von Goethe wurde in Fritz Kortners Inszenierung am Hamburger Schauspielhaus zum Theaterskandal. Thomas Holtzmann in der Rolle des Clavigo gähnte, während er sprach, da Kortner die große Auseinandersetzung zwischen Clavigo und Beaumarchais in die Nacht gelegt hatte, und der völlig übermüdete Mann vor Müdigkeit kaum noch sprechen konnte.<ref>Jürgen Flimm: „Da kommt eben Zugluft auf“. Flimm irrt allerdings im Jahr und bei der Besetzung, Holtzmann spielte nicht Beaumarchais, sondern Clavigo.</ref> Kortner unterbrach die Szene durch eine Nacht, in der man Clavigo am Tisch schlafen sah.<ref>Luc Bondy: „Dort leben viele Gestrandete“</ref> Kortners „jugendlich wißbegieriger Umgang mit Goethe“ provozierte Zwischenrufe, höhnisches Gelächter und Buh-Geschrei, da Kortner am Ende des Stückes zeigte, daß Sterben nichts klassisch Schönes, sondern etwas widersinnig Komisches sein kann, daß der Tod den Gemordeten nicht einmal mehr das läßt, was das Theaterherkommen als „Würde“ verklärt.<ref name="spiegel.de">Template:Der Spiegel</ref> Kurz darauf wurde die Aufführung beim Berliner Theatertreffen zum triumphalen Publikumserfolg.

1969 Trauer zu früh (Early Morning) von Edward Bond inszenierte Peter Stein am Zürcher Schauspielhaus als deutschsprachige Erstaufführung. Das Publikum protestierte gegen die Mischung aus Bestialität und gutbürgerlichem Verhalten, Slapstick und Trauer und ließ die Premiere in empörten Zwischenrufen und einem wütenden Buh-Konzert ertrinken. Die Aufführung ging in einem schier unglaublichen Theaterskandal unter. Aufgeregte Damen riefen nach Verantwortlichen, Türen wurden geknallt, ja selbst Schauspieler, die in Zürcher Ehren ergraut waren, distanzierten sich durch Gesten während des Schlußbeifalls und Buh-Konzerts von Stein.<ref>Template:Der Spiegel</ref> Mit diesem Theater-Eklat vertrieben die Zürcher einen Regisseur und seine Theatertruppe (Edith Clever, Jutta Lampe, Bruno Ganz, Heinrich Giskes, Günter Lampe und Dieter Laser), die später als Schaubühne am Halleschen Ufer in Berlin Weltgeltung erlangte.

1971 Hartnäckig und Heimarbeit von Franz Xaver Kroetz leiteten im Werkraumtheater der Münchner Kammerspiele die Laufbahn des bayerischen Autors in einer trotz aller Tumulte triumphalen Uraufführung mit einem Skandal ein. Damals auf einer Bühne fast noch Unvorstellbares war zu sehen: ein Abtreibungsversuch mit einer Stricknadel. Die langsame Ermordung eines Kindes. Der einsame Liebesakt eines Mannes am eigenen Leibe. Das eigentlich Skandalöse aber war wohl die unbegreifliche, furchtlose Liebe, mit der Kroetz mitten hineinschaute ins grausigste Leben.<ref>Dichter, Kot und Teufel</ref> Rechtsradikale Schreier vor dem Theater, Stinkbomben im Theater; am Ende der Vorstellung mußte das Publikum auf Schleichwegen in Sicherheit gebracht werden.

1971 Sprintorgasmik von Wilhelm Pevny löste bei der Uraufführung, die gemeinsam mit Peter Turrinis Rozznjogd am Wiener Volkstheater stattfand, einen Skandal aus. Avantgardistisches Körpertheater und die ungewohnte Rhythmik auf einer Bühne aus Klettergestängen und Metalltonnen, begleitet von „zermürbenden Licht- und Klangeffekten“ überforderte das Publikum, das – angeführt vom ORF-Fernsehspielchef Walter Davy – scharenweise das Theater verliess oder über die Sitzreihen stieg, um sich gegenseitig zu ohrfeigen.<ref>Elisabeth Winkelhofer, Wilhelm Pevny. Sprintorgasmik: Wien – New York, Wien, 2008</ref>

1976 Othello von Shakespeare sorgte in Peter Zadeks Inszenierung am Hamburger Schauspielhaus (Intendant: Ivan Nagel) für einen der größten Theaterskandale der Nachkriegszeit. Der Zuschauerraum war von lautstarker Ungeduld, wutentbrannten Zwischenrufen und aggressiven Skandalreaktionen beherrscht, als Eva Mattes als Desdemona vor dem rasenden Othello Ulrich Wildgruber in der Titelrolle mit Schuhcreme am ganzen Körper schreiend flüchtete, zappelnd gefangen wurde, ihr Körper sich beim Würgen konvulsivisch wehrte, Othello, als er gestellt wurde, mit der Leiche im Arm panisch über die Bühne irrte, sie dann wie im Wahnsinn zu verstecken trachtete, indem er sie über eine Stellwand hängte. Das Publikum gab ihm zu verstehen, daß man „so“ in einem klassischen Stück nicht lebt und liebt und stirbt; „so“ spricht man nicht im Othello, dem erhabensten Muster von Liebe, Eifersucht und Tod.<ref name="spiegel.de"/>

1977 Claus Peymann, Intendant des Stuttgarter Theaters, stiftete Geld für die Zahnreparatur der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin, nachdem Ensslins Mutter ihn in einem Brief über die Situation der Stammheimer Häftlinge informiert hatte, und heftete den Ensslin-Brief im Theater ans Schwarze Brett, es kamen 611 Mark zusammen. „Der Hilferuf“, so erläuterten später Kollegen Peymanns in einem offenen Brief, „schien die Kehrseite zu einer um sich greifenden Mentalität, die Erbarmen nicht kennt“; Hilfe zu leisten war den Spendern „nicht mehr als ein humanitärer Akt“.<ref>Template:Der Spiegel</ref> Nach einem Artikel in der Bildzeitung wurde Peymann in hunderten Protestbriefen „Sympathisant“, „Mörderkomplize“, „Kommunistenschwein“ genannt. Anonyme Schreiber drohten, demnächst würden im Theater „die Fenster klirren“, und dies sei „nur der Anfang“. Einige stellten Bomben in Aussicht und sahen das Theater „in Schutt und Asche“. Der Chef der baden-württembergischen Polizeigewerkschaft, Jan Dietrich Siemann, forderte deren Mitglieder auf, „nicht mehr in Stuttgart ins Theater zu gehen, solange der Schauspieldirektor Peymann heißt“. Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Stuttgarter Landtag, Lothar Späth, verlangte die fristlose Entlassung des so geächteten Künstlers. Claus Peymann hat mit seinem Engagement für radikal linke Positionen über Jahrzehnte Kontroversen ausgelöst und Skandale provoziert, etwa auch als er 2007 dem Ex-RAF-Terroristen und verurteiltem Mörder Christian Klar ein Praktikum am Berliner Ensemble anbot.<ref>Interview mit Claus Peymann, „Geplante Skandale gehen immer schief“, in: Die Welt online vom 7. Juni 2007</ref>

[[Datei:Elfriede jelinek 2004 small.jpg|mini|hochkant|Elfriede Jelinek (2004)]]

1981 Burgtheater von Elfriede Jelinek. Das Stück thematisiert die Karrieren der Schauspielerfamilie und österreichischen Theaterikonen Paula Wessely, Attila und Paul Hörbiger in Dritten Reich und Wesselys Mitwirkung im NS-PropagandafilmHeimkehr“ sowie deren Tötungsabsicht an ihren Töchtern Elisabeth Orth, Christiane und Maresa Hörbiger. Jelinek wollte das Stück „im Auge des Taifuns“,<ref name="diepresse.com">Verena Mayer und Roland Koberg: Jelinek: „Da ist die Hex'!“</ref> am Wiener Burgtheater, aufgeführt sehen, der Plan wurde jedoch publik und die „Kronen Zeitung“ skandalisierte das Projekt: „Das wird der größte Theaterskandal: Burgtheater will Elfriede Jelineks ,Burgtheater' mit Erika Pluhar spielen!“. Das Stück wurde schließlich 1985 am Schauspiel Bonn unter der Regie von Horst Zankl uraufgeführt, wo es allerdings keinen Skandal hervorrief. In Wien aber schrieb Michael Jeannée in der „Kronen Zeitung“: „Das Resultat und die Folge dieser ihrer Minderbegabung: ein widerliches Machwerk, in dessen Mittelpunkt eine perverse, sabbernde, brutale und exzessive Schauspielerfamilie steht, die Hörbigers.“ Jelinek war ab da eine „Nestbeschmutzerin“ in Österreich. In ihrer Selbstsicht markierte der „Burgtheater“-Skandal den „Abstieg“ in der öffentlichen Meinung. „Ich hätte schwebend mit einem Strahlenkranz in der Wiener Innenstadt als Engel erscheinen können, und die Leute hätten geschrien: Da ist die Hex'!“<ref name="diepresse.com"/> In Wien wurde das Stück bislang noch nicht aufgeführt. „Wenn man das in Wien aufführt wird's sicher der größte Theaterskandal der zweiten Republik!“<ref>Evelyn Anuß: Elfriede Jelineks Burgtheater als historiographisches Lehrstück</ref>

1982 Clara S. von Elfriede Jelinek sorgte bei der Uraufführung am Schauspiel Bonn in der Regie von Hans Hollmann für Massenfluchten und den Einsatz von Trillerpfeifen im Publikum. Im Stück trifft die Pianistin Clara Schumann im Italien der Zwanzigerjahre auf Gabriele d'Annunzio und tötet ihren verdämmernden Mann Robert Schumann. Die vermeintlichen „Schweinereien“<ref name="diepresse.com"/> im Text erregten den bildungsbürgerlichen Protest in der Schumann-Stadt Bonn.

1982 Stigma von Felix Mitterer, das Drama einer Magd, die stigmatisiert das Leiden Christi am eigenen Leib erlebt, wurde zum Skandal. Die Stadt Hall in Tirol, die damals die Tiroler Volksschauspiele beherbergte, weigerte sich, die Passion der Dienstmagd Moid auf den Spielplan zu setzen. Von „Schweinereien“ und „Religionsverhöhnung“ war die Rede, Bombendrohungen wurden ausgesprochen, Wallfahrten organisiert. Dies führte dazu, dass die Volksschauspiele nach Telfs wanderten, erst drei Jahre nach der Premiere wagten sich auch andere Theatermacher an Mitterers Stück.

1985 Der Müll, die Stadt und der Tod von Rainer Werner Fassbinder löste am Schauspiel Frankfurt Kontroversen um Antisemitismus aus. Die für den 31. Oktober geplante offizielle Erstaufführung geriet zum Theaterskandal: Vor dem Eingang der Spielstätte fand eine Demonstration gegen die Aufführung statt und die Vorstellung musste abgebrochen werden, nachdem Zuschauer, viele davon Mitglieder der Frankfurter Jüdischen Gemeinde, die Bühne nach den ersten Sätzen der Schauspieler besetzt hatten und diese am Weiterspielen hinderten.<ref>Theater: „Müll Stadt Tod“. Sein geheimes Herz</ref> Nach diesen Ereignissen gab es nur noch eine geschlossene Aufführung für die Presse am 4. November. In der Figur des jüdischen Immobilienspekulanten im Stück glaubten viele Ignatz Bubis erkennen zu können, der Anfang der 1970er Jahre in die Auseinandersetzungen um die Sanierung des Frankfurter Westends als Investor verwickelt war.<ref>Biografie: Ignatz Bubis</ref> Aufgrund der Vorwürfe wurde das Stück bis 2009 an keinem Theater in Deutschland gespielt.<ref>Rainer Werner Fassbinder Foundation</ref>

[[Datei:Bernhardhaus094o.JPG|mini|hochkant|Thomas Bernhard (Gemälde), Bernhardhaus 2009]]

1988 Heldenplatz von Thomas Bernhard erregte bei der Uraufführung am Wiener Burgtheater (Regie: Claus Peymann)<ref>Cornelia Rühle: Theaterskandal in der Alpenrepublik, Deutschlandradio Kultur, 4. November 2008</ref> den größten österreichischen Theaterskandal der Nachkriegszeit.<ref>Die Presse, 9. September 2010</ref> Bei der Uraufführung ereigneten sich auch Protestaktionen vor dem Burgtheater, wobei u. a. durch den Aktivisten Martin Humer eine Ladung Jauche vor dem Gebäude verteilt wurde. Die Uraufführung selbst wurde vom Publikum mit lautstarken Beifalls- und Missfallensäußerungen begleitet. Während der ersten Aufführungen kam es wiederholt zu Störungen, an den Rängen wurden Transparente gegen das Stück angebracht. Weitere Aufführungen fanden unter Polizeischutz statt. Gegen die Aufführung erhoben vor allem konservative Kreise ihre Stimme, weil es angeblich das Ansehen Österreichs beschmutze. Die erhebliche öffentliche Kontroverse um das Stück entstand vor allem dadurch, dass am 7. Oktober, also ca. vier Wochen vor der Uraufführung, in der Neuen Kronen Zeitung und der Wochenpresse unautorisierte Auszüge aus dem Stück abgedruckt wurden. Aus den gedruckten Passagen war nicht ersichtlich, dass es sich um Dialoge der Protagonisten handelte, sodass viele Leser die geäußerten Standpunkte als Bernhards eigene Meinung verstanden. Eine Reihe von Personen, darunter der Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, der ehemalige Bundeskanzler Bruno Kreisky und der Vizekanzler Alois Mock sowie zahlreiche Kommentatoren und Leserbriefschreiber, verlangten daraufhin die Absetzung des Stücks. Bundeskanzler Franz Vranitzky, Wiens Kulturstadträtin Ursula Pasterk und Unterrichtsministerin Hilde Hawlicek sowie eine Minderheit der journalistischen Kommentatoren traten für eine Aufführung ein.

1989 Miss Sara Sampson von Gotthold Ephraim Lessing in der Inszenierung von Frank Castorf am Münchner Prinzregententheater veranlasste viele Zuschauer zu Protestbriefen wie „Wir fordern ein sauberes Staatsschauspiel“,<ref>Willi Huntemann: Engagierte Literatur in Wendezeiten.</ref> da ein Darsteller auf der Bühne onanierte. Bei der Premiere schrien und jubelten die Zuschauer, selbst Schauspieler des eigenen Ensembles brüllten aus Leibeskräften „Buh“ und mitten in der Vorstellung brach ein Zuschauer auf seinem Sitz zusammen.<ref>Jürgen Balitzki, Frank Castorf: Castorf, der Eisenhändler: Theater zwischen Kartoffelsalat und Stahlgewitter. Berlin, 1995</ref> Der bayerische Innenminister Gerold Tandler forderte wegen Obszönität die Inszenierung abzusetzen.

1995 Zerbombt (Blasted) von Sarah Kane entfachte bei der Uraufführung in London am Royal Court Theatre Upstairs am 12. Januar 1995 einen Theaterskandal, der die Boulevardpresse ebenso beschäftigte wie die Feuilletons renommierter Zeitungen. Der Kritiker der Daily Mail schrieb die Headline „this disgusting feast of filth.“<ref>Daily Mail, 18. Januar 1995</ref> Das Stück wurde zu „einem der größten Theaterskandale der letzten Dreißig Jahre.“<ref>Anna Opel: Sprachkörper – Zur Relation von Sprache und Körper in der zeitgenössischen Dramatik – Werner Fritsch, Rainald Goetz, Sarah Kane, Aisthesis Verlag, Bielefeld 2002 S. 132</ref> Die Bandbreite der Urteile reichte von Beschimpfungen als Perversität bis hin zu literarischen Auszeichnungen. Zuschauer und Kritiker waren abgestoßen von der massiv zur Schau gestellten maßlosen Gewalt, Vergewaltigung (beider Geschlechter), sexuelle Praktiken von Masturbation bis Penetration. Schonungslos brutale Bilder zeigten gewalttätige Menschen; eine unvermutet poetische Sprache zeigte ihre Verletzbarkeit und ihre tiefsten Sehnsüchte. Sarah Kane erhängte sich, 28 Jahre alt, am 20. Februar 1999 in einer Nervenklinik.

Ballett

[[Datei:Igor Stravinsky LOC 32392u.jpg|mini|hochkant|Igor Strawinski]]

1913 Le sacre du printemps von Igor Strawinsky sorgte bei der Uraufführung für einen der größten Skandale der Musikgeschichte. Zur Generalprobe hatte der Impresario der Ballets Russes Sergej Diaghilew die Pariser Presse eingeladen, so dass das Premierenpublikum vorbereitet war. Schon vor Beginn der Aufführung herrschte im Zuschauerraum eine regelrechte Jahrmarktsstimmung, man trieb allen möglichen Klamauk und rief ironische Bravos in Erwartung des Ungeheuerlichen, das kommen sollte. In seinem Manifest Le coq et l'arlequin beschreibt Jean Cocteau den Verlauf des Abends: „Bei der Uraufführung des Sacre spielte das Publikum die Rolle, die ihm zugedacht war: Es revoltierte von Anfang an. Man lachte, höhnte, pfiff, ahmte Tierstimmen nach, und vielleicht wäre man dessen auf die Dauer müde geworden, wenn nicht die Menge der Ästheten und Musiker in ihrem übertriebenen Eifer das Logenpublikum beleidigt, ja tätlich angegriffen hätte. Der Tumult artete in einem Handgemenge aus. Mit schiefgerutschtem Diadem in ihrer Loge stehend, schwang die alte Comtesse de Pourtalès ihren Fächer und schrie mit hochrotem Gesicht: ‚Zum ersten mal seit sechzig Jahren wagt man es, sich über mich lustig zu machen!‘ Die gute Dame meinte es aufrichtig; sie glaubte an eine Fopperei.“ Claude Debussy prägte den Ausdruck „Massacre du Printemps“, und der Musikkritiker Carl van Vechten schrieb, daß das Publikum Strawinskys Ballett als einen gotteslästerlichen Versuch betrachtet habe, Musik als Kunst zu zerstören: „Das Orchester spielte, ohne daß man es hörte, außer wenn zufällig ein wenig Ruhe eintrat.“<ref>Theo Hirsbrunner, Igor Strawinsky in Paris. Laaber 1982</ref>

[[Datei:Bartók Béla 1927.jpg|mini|hochkant|Béla Bartók 1927]]

1917 Parade von Erik Satie (Ballett) Am Ende der Uraufführung in Paris im Théâtre du Châtelet brach ein Tumult aus, in dem die lautstarken Ablehnungen den Applaus übertönten. Der Schriftsteller Ilja Ehrenburg beschrieb die Premiere: „Die Musik gab sich modern, das Bühnenbild war halb kubistisch […] Die Parterregäste rannten zur Bühne und schrien markdurchdringend: ‚Vorhang!‘ […] Und als ein Pferd mit kubistischer Schnauze Zirkusnummer vorführte, verloren sie endgültig die Geduld: ‚Tod den Russen! Picasso ist ein Boche! Die Russen sind Boches!‘“<ref>Wilfried Wiegand: Picasso. Rowohlt, Reinbek, 19. Aufl. 2002, ISBN 978-3-499-50205-7, S. 93 f</ref> Ein Kritiker von „La Grimace“ schrieb, dass der „unharmonische Clown Satie“ seine Musik aus Schreibmaschinen und Rasseln komponiert habe und sein Komplize, der „Stümper Picasso“ auf die „nie endende Dummheit der Menschen“ spekuliere. Guillaume Apollinaire gelinge es, „alle Kritiker, alle Stammgäste der Pariser Premieren, alle Lumpen aus der Butte und die Trunkenbolde vom Montparnasse zu Zeugen des extravagantesten und sinnlosesten aller verhängnisvollen Produkte des Kubismus zu machen.“<ref name="Wehmeyer209">Grete Wehmeyer: Erik Satie. Gustav Bosse Verlag, Regensburg 1974, S. 209</ref> Die Irritation des Publikums durch die künstlerische Arbeit von Cocteau, Satie, Picasso, Massine und des Ballets Russes war für den Protest jedoch weniger ausschlaggebend als die im Krieg mit Deutschland stattfindenden politischen Auseinandersetzungen, die ein „Trommelfeuer der Chauvinisten“ erzeugten. Die kubistische Parade wurde als Landesverrat angesehen. Die Uraufführung hatte ein gerichtliches Nachspiel. Ein Kritiker verklagte Satie, und die Polizei nahm Satie während der Verhandlung bei Gericht fest, als er wiederholt „Cul!“ schrie. Das Urteil lautete auf acht Tage Gefängnis. Cocteau beschrieb als Grund für den Skandal, dass die „Schlacht“ um Parade mit der blutigen Schlacht um Verdun zusammengefallen sei.<ref>Grete Wehmeyer: Erik Satie. Rowohlt, Reinbek 1998, S. 98 f</ref>

1926 Ballet Mécanique des amerikanischen Komponisten George Antheil mit zehn Klavieren, Schlagzeug, Flugzeugpropellern und elektrischen Türklingeln wurde zum größten Skandal seit der Aufführung von Strawinskys Sacre du Printemps. Sylvia Beach schreibt: „Die Wirkung des Ballet Mécanique auf das Publikum war merkwürdig. In dem Geschrei, das sich im ganzen Haus auf allen Seiten erhob, ging die Musik völlig unter. Gegnern im Parkett antworteten Verteidiger von oben, man hörte Ezras Stimme sich über alle anderen erheben, und jemand erzählte, daß man ihn mit dem Kopf nach unten von der vierten Galerie hatte hängen sehen. Man sah auch Leute, die einander ins Gesicht boxten, man hörte das Gejohle, aber nicht einen Ton vom Ballet Mécanique, das, nach den Bewegungen der Ausführenden zu schließen, die ganze Zeit über weiterging.“<ref>Sylvia Beach: Shakespeare and Company. Frankfurt/Main 1982</ref> Die Aufführung am 10. April 1927 in der New Yorker Carnegie Hall wurde zu einem ‚Waterloo’ für Antheil, zu einem der größten Skandale der Musikgeschichte. Hauptverantwortlich für das Misslingen war eine Public-Relations-Kampagne, die auf angeblich skandalöse Aufführungen in Paris verwies und das Ereignis als „…Biggest Musical Event of the Year!“ und Antheil als „…Sensational American modernist composer“ ankündigte.

1926 Der wunderbare Mandarin von Béla Bartók (Ballettpantomime) verursachte bei der Kölner Uraufführung wegen der angeblich unmoralischen Handlung einen Theaterskandal, die Beschreibungen gipfelten in Formulierungen wie „Kaschemmenstück niedrigster Art“, „Dirnenstück voll der rohesten und brutalsten Instinkte“, die Diffamierung reichte von übersteigertem Nationalismus bis zu offenem Antisemitismus. Hinter diesem Pfeifkonzert, das diesmal nicht wie üblich von der Galerie, sondern von den Logen ausging, wurde ein von langer Hand vorbereitetes Komplott vermutet. Der damalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer ließ alle weiteren Aufführungen verbieten,<ref>Wolfgang Lempfrid: Warum diese Töne? Skandal und Provokation in der Musik</ref> die Stadtverwaltung und der Theaterausschuß ließen sich von den Protesten jedoch nicht beeindrucken und gaben der Theaterleitung Rückendeckung.

1948 Abraxas von Werner Egk, uraufgeführt von Marcel Luitpart mit dem Bayerisches Staatsballett in München war ein Skandal „wegen allzu großer Freizügigkeiten“, nach nur fünf Vorstellungen verfügte der Bayerische Kultusminister Alois Hundhammer, dass das Werk abgesetzt werden musste.<ref>Geschichte des Bayerischen Staatsballetts</ref>

Oper

1905 Salome von Richard Strauss, ein Musikdrama nach dem Einakter von Oscar Wilde, das »schamloseste und obszönste Werk der Opernliteratur« (Marcel Reich-Ranicki), war nicht nur der Meinung Kaiser Wilhelm II. nach ein Opernskandal. Kritiker und Publikum erbosten sich über die »unsittliche« Thematik, die schon dazu geführt hatte, dass das Schauspiel von Oscar Wilde 1892 in London verboten und erst viele Jahre nach der Entstehung uraufgeführt wurde. Dennoch bedeutete es für den Komponisten den internationalen Durchbruch.

1921 Mörder, Hoffnung der Frauen und Das Nusch-Nuschi von Paul Hindemith wurden am 4. Juni im Landestheater Stuttgart in Bühnenbildern von Oskar Schlemmer ein Skandal, der aber viel weniger der Musik, als den Libretti von Oskar Kokoschka und Franz Blei zuzuschreiben war. Kokoschkas Mörder, Hoffnung der Frauen hatte schon 1909 bei der Uraufführung in Wien einen Skandal verursacht.

1927 Jonny spielt auf, eine durch Elemente des Jazz angereicherte Oper von Ernst Krenek, wurde am 10. Februar im Neuen Theater Leipzig in der Inszenierung von Walther Brügmann erfolgreich uraufgeführt. Sie wurde auch weltweit zum Erfolg. In Österreich jedoch waren schon die ersten Aufführungen von Unruhen, die auf die frühe Nazibewegung zurückgingen, gestört worden. Ab 1929 wurden auch Münchener Aufführungen gestört, bis die Oper schließlich nach der Machtübernahme 1933 von den Nationalsozialisten verboten und als entartete Musik gebrandmarkt wurde. Der Jazzmusiker des Titelbildes auf dem Klavierauszug wurde für das Werbeplakat der gleichnamigen Ausstellung missbraucht.

1930 Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny von Bertolt Brecht und Kurt Weill wurde in Leipzig mit einem Theaterskandal uraufgeführt. Das lag an der innovativen musikalischen Gestaltung Weills und (zu Zeiten der großen Wirtschaftskrise) an der deutlich hervortretenden Kapitalismuskritik. Auf der Bühne ging es ums Saufen, Lieben, Kämpfen und ums Fressen. Die Akteure spielen Abenteurer, Kriminelle, Zuhälter und Prostituierte. Alfred Polgar berichtet: „Die Nachbarin links wurde von Herzkrämpfen befallen und wollte hinaus: nur der Hinweis auf das Geschichtliche des Augenblicks hielt sie zurück. Der greise Sachse rechts umklammerte das Knie der eigenen Gattin und war erregt! Ein Mann hinten redete zu sich selbst: ‚Ich warte nur, bis der Brecht kommt!‘ und leckte sich – in Bereitschaft sein ist alles – die Lippen feucht. Kriegerische Rufe, an manchen Stellen etwas Nahkampf, Zischen, Händeklatschen […] begeisterte Erbitterung, erbitterte Begeisterung.“<ref>Renate Hellwig-Unruh: Flop, Skandal, Erfolg</ref> Der Dirigent Gustav Becher konnte nur mit Mühe die Premiere zu Ende bringen. Nicht nur die bürgerlichen Opernfans protestierten lautstark, sondern auch organisierte Claqueure aus dem nationalsozialistischen Spektrum. Die Aufführung entwickelte sich zu einem der größten Theaterskandale der Weimarer Republik, die Oper wurde als „unverhohlen übelste kommunistische Propaganda“ verschrien und einige Städte, die das Stück aufnehmen wollten, setzten es nach der skandalösen Erstaufführung wieder ab.

1951 Das Verhör des Lukullus von Paul Dessau und Bert Brecht, die Geschichte vom verstorbenen Feldherrn Lukullus, der vor dem Aufnahmetribunal ins Totenreich durchfällt, eine Parabel gegen den Krieg, sollte bei der Uraufführung an der Deutsche Staatsoper Berlin in der DDR verhindert werden, da die Oper vom Zentralkomitee der SED verboten worden war und als formalistisches und dekadentes Werk angeprangert wurde.<ref>Frieder von Ammon: Sündenfall der Brecht-Rezeption</ref> Das Ministerium für Volksbildung übernahm die Kartenverteilung an „gute und bewusste Genossen und Freunde, von denen man eine gesunde Einstellung zu dieser formalistischen Musik erwarten konnte“, doch die verkauften ihre Freikarten an andere Opernfans, sodass es statt des erhofften Theaterskandals zu einem der größten Triumphe des zeitgenössischen Musiktheaters kam.<ref>Werner Hecht: Von wegen eingeknickt</ref>

1953 Abstrakte Oper Nr. 1 von Boris Blacher sorgte bei der Uraufführung am Nationaltheater Mannheim für den größten Opernskandal im Nachkriegsdeutschland. Das Libretto und die Idee zur Oper stammen von Werner Egk. Die Oper gilt als Ausgangspunkt für das experimentelle Musiktheater der 60er Jahre.

1968 Das Floß der Medusa von Hans Werner Henze (Oratorium) scheiterte bei der Hamburger Uraufführung, da Studenten vor der Aufführung die Bühne besetzten und Spruchbänder, eine rote Fahne und ein Bildnis Che Guevaras aufpflanzten, um den Abbruch der Veranstaltung oder eine Diskussion mit dem Premierenpublikum zu erzwingen. Die Presse hatte den Eklat allerdings im Vorfeld schon inszeniert und half mit, ihn vorzubereiten. Der Intendant des NDR, der das Konzert live übertragen wollte, sah sich genötigt, die Polizei zu rufen und den Saal stürmen zu lassen. Während Hans Werner Henze sich mit den Podiumsbesetzern solidarisierte und in die „Ho Chi Minh“-Rufe einstimmte, wurde der Librettist Ernst Schnabel irrtümlicherweise von der Polizei verhaftet. Die Veranstaltung musste schließlich abgebrochen werden, der NDR sendete stattdessen einen Mitschnitt der Generalprobe.

1971 Staatstheater von Mauricio Kagel („Szenische Komposition“) erzeugte bei der Hamburger Uraufführung zur Zeit der ersten Intendanz von Rolf Liebermann einen solchen Theaterskandal, dass es bis zu anonymen Bombendrohungen einer „„Aktionsgemeinschaft junger Freunde deutscher Opernkunst“ kam.<ref>SWR2 Musikstunde mit Werner Klüppelholz, Sendung vom 22. September 2010, S. 5 pdf-Datei</ref>

[[Datei:Patrice Chéreau 66ème Festival de Venise (Mostra).jpg|mini|hochkant|Patrice Chéreau, 2009]]

1976 Der Ring des Nibelungen von Richard Wagner löste zum 100. Jubiläum der Uraufführung bei den Bayreuther Festspielen (Regie: Patrice Chereau, Dirigent: Pierre Boulez) einen Skandal vor allem unter Wagnerianern aus, da die Handlung in die Ära der frühen Industrialisierung verlegt wurde. Konservative Kreise wollten nicht dulden, dass der „Ring“ als Spiegel des 19. Jahrhunderts auf die Bühne gebracht wurde. Wohlerzogene Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft verwandelten sich in schreiende Furien, Damen in langen dunklen Roben schüttelten die Fäuste wie die Megären, die Dinnerjackets, Smokings wurden zu Kampfanzügen. Lautes Blöken und Brüllen erfüllten den Raum, schwarze Wolkenklänge, bestürmten empfindsame Nerven.<ref>»Der Irrtum der Werktreue«</ref> Die als „Jahrhundert-Ring“ bekannt gewordene Aufführung, die Stinkbomben-Würfe und Morddrohungen gegen den Regisseur Patrice Chereau auslöste, galt schon wenige Jahre später als ein Höhepunkt in der Geschichte der Bayreuther Festspiele.

1980 Jesu Hochzeit von Gottfried von Einem, eine Mysterien-Oper nach dem Libretto von Lotte Ingrisch, die auf Bibel-Zitaten beruht, löste bei der Uraufführung im Theater an der Wien (Regie: Giancarlo del Monaco) eine drastische Ablehnungsfront von ultrakatholischen Kreisen gegen das Werk ein, dass eine Aufführung fast nicht zustande kam, obwohl Kardinal König eigens versichert, dass gegen eine Aufführung seitens der katholischen Kirche Österreichs nichts einzuwenden sei. Bei der Uraufführung am 18. Mai 1980 störten organisierte Schreier die Aufführung, es wurden Stinkbomben und Tomaten geworfen. Sowohl Kirchenvertreter als auch Journalisten machten bereits vor der Premiere Stimmung gegen das Werk, indem sie Einems Oper als religions- und kirchenfeindlichen Akt denunzierten. Es gipfelten im Vorwurf der „Blasphemie“, es kam zu heftigen öffentlichen Kundgebungen, Schmähbriefen und selbst Morddrohungen.

1981 Aida von Giuseppe Verdi erregte in Frankfurt am Main (Regie: Hans Neuenfels) einen Skandal, in dem Aida als Putzfrau und Radames als hemdsärmeliger Manager auftraten. Die Sklaven waren Wilde, die mit Hähnchenkeulen um sich warfen, und der Chor der Ägypter war als festliches Opernpublikum in Frack und Abendkleid kostümiert.

1982 Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach an der Hamburger Staatsoper (Regie: Jürgen Flimm, mit Neil Shicoff in der Titelrolle). In der Aufführung war Hoffmann ein Alkoholiker, Womanizer und toller Komponist , in einem großen leeren Raum waren Schränke, in denen Hoffmann Sachen sammelte wie Spazierstöcke und Schmetterlinge. Hoffmann lag betrunken im Bett, um ihn leere Weinflaschen. Während der Ouvertüre entstieg dem Bett ein Mädchen mit einem T-Shirt bekleidet. Die Geschichten wehten durch das Fenster, durch die Türen in den Saal hinein und wehten wieder hinaus. „Die Leute haben geschrien, waren außer sich. Diese vornehmen Hamburger, die zeigten die italienische ‚Leck-mich-am-Arsch‘-Geste, rollten die Programmhefte zusammen zu Verstärkern für ihre ‚Buhs‘ – es war unglaublich. Und als wir rauskamen beim Bühnenausgang, kam mir eine Frau entgegen, die hat mich angeschrien: ‚Herr Flimm – warum nehmen Sie uns unseren Hoffmann weg?‘“<ref>Interview mit Jürgen Flimm</ref>

1983 Figaros Hochzeit von Mozart an der Stuttgarter Staatsoper (Regie: Peter Zadek, Ausstattung: Johannes Grützke). Die Zuschauer tobten und schrien (unter anderem „Scheiße! Scheiße!“), da die Oper in eine andere, gröbere Zeit verlegt wurde: Susanna trat im Minirock auf, Figaro mit Hosenträgern, Bauch und Nickelbrille. Zu Mozarts Musik erklangen so unerhörte Sätze wie: „Auf seine eigene Frau hat der Herr keinen Bock mehr.“<ref>Template:Der Spiegel</ref>

1987 Das Buch mit sieben Siegeln, ein Oratorium von Franz Schmidt (Inszenierung: George Tabori) sorgte bei den Salzburger Festspielen in der Salzburger Universitätskirche durch vermeintlich obszöne Darstellungen im sakralen Raum für einen Skandal. Die Inszenierung wurde nach der Premiere abgesetzt, da man „Kopulationsbewegungen“ gesehen zu haben vermeinte, was jedoch nicht den Tatsachen entsprach, da es sich um eine Szene handelte, in der sich die Menschen aus Furcht vor der Apokalypse verzweifelt aneinanderklammerten.<ref>Gerhard Roth: Der Würgegriff des Volksempfindens.</ref> ÖVP Generalsekretär Michael Graff regte an, die Festspiele sollten Tabori „eine schöne Bedürfnisanstalt anbieten, damit er sich dort in angemessenem Rahmen künstlerisch“ betätigen könne. Die Kronenzeitung schrieb: „Der Verhunzer war ein gewisser Herr Tabori, ein reichlich unappetitlich anmutender Mensch, der uns auch im Fernsehen schon erklärt hatte, was es mit der Produktion auf sich hätte: Ich will zeigen, was der Mensch dem Menschen antut. Gut, aber wozu muß dann in der Kirche zu fließendem Blut geschnackselt werden?“

1994 Aida von Giuseppe Verdi an der Grazer Oper (Regie: Peter Konwitschny) musste bei der Premiere wegen Tumulten zweimal unterbrochen werden, meuternde Premierengäste erzwangen die Unterbrechung, der Dirigent klappte die Partitur zu. Es flogen sogar Tomaten durch die Grazer Kulturreferentin einer bürgerlichen Partei,<ref>Rainer Kasselt: Die Tomatenwerferin, Sächsische Zeitung, 27. Januar 2004</ref> da Konwitschny die Oper als Kammerspiel inszenierte statt als opulentes Illustrationstheater, er verwendete nur ein Sofa, ein rotes Tuch sowie einen geschlossenen weißen Raum, aber mit zwei Plüschelefanten. Der berühmte Triumphmarsch war nicht zu sehen, nur zu hören, der Pharao, seine Tochter und den Oberpriester feierten zu den pompösen Klängen mit Sekt und Faschingshütchen den Sieg über die Äthiopier. Es regnete Konfetti und Luftschlangen, die Souffleuse wurde zum Mittrinken animiert. Im Saal ging plötzlich das Licht an, die Siegesfanfaren des Marschs schallten von oben in den Zuschauerraum, das Publikum tobte.<ref>Süddeutsche Zeitung, 4. Juli 2001</ref> Der Grazer Oper brachte der folgende Verdi-Zyklus unter Konwitschny den Titel „Oper des Jahres 2001“ ein.

1999 Die Czardasfürstin von Emmerich Kálmán an der Dresdner Semperoper (Regie: Peter Konwitschny) sorgte bei der Premiere für einen Theaterskandal, da der Regisseur Teile des Geschehens auf die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges und damit in die Entstehungszeit des Werkes verlegte. Lautstark störte ein Teil des Publikums die Aufführung. Sänger und Orchester waren mitunter kaum noch zu verstehen.<ref>Skandal um „Csardasfürstin</ref> Es kam zu einer künstlerischen Amputation dieser Inszenierung. Erst nach einem Gerichtsverfahren wurde sie teils in kompletter, teils in gestutzter Form auf die Bühne gelassen. Nach 16 ausverkauften Vorstellungen verschwand die Operette vom Spielplan.

21. Jahrhundert

Schauspiel

[[Datei:Nestroy 2009 (44) Christoph Schlingensief.jpg|mini|hochkant|Christoph Schlingensief (2009)]]

2000 Ausländer raus! Schlingensiefs Container, eine Aktion von Christoph Schlingensief bei den Wiener Festwochen vor der Wiener Staatsoper verlegte den Theaterskandal in die (Medien-)Öffentlichkeit. Das Konzept der Aktion orientierte sich an der TV-Show Big Brother. Als Kandidaten fungierten Asylbewerber, die, ähnlich wie im Vorbild „Big Brother“, durch tägliche öffentliche Abstimmungen aus dem Container – in Schlingensiefs Installation auch aus dem Land – herausgewählt wurden. Des Weiteren wurden an dem Container fremdenfeindliche Wahlplakate der FPÖ („Stopp dem Asylmissbrauch“), eine FPÖ-Fahne sowie auf dem Dach ein Transparent mit der Aufschrift „Ausländer raus“ installiert. Auch ein Transparent mit dem SS-Motto „Unsere Ehre heißt Treue“ wurde angebracht, was zu einer Klage durch die FPÖ führte.

2000 Vagina-Monologe von Eve Ensler, „genitale Selbstgespräche“ aus Interviews mit 200 Frauen, die sich über ihre Vagina äussern, stießen am Lübecker Theater Combinale und am Münchner Metropol auf Protest. In beiden Städten beschwerten sich aufgebrachte Bürger schon vor der Premiere über vermeintlichen Schmuddel. Bei der Vergabe von Fördergeldern habe das zuständige Ministerium den „abscheulichen Titel“ des Dramas moniert.<ref>Vaginale Plaudertaschen. FOCUS Magazin Nr. 45 (2000)</ref> Das Stück hatte schon in New York für einen Skandal gesorgt, wurde dann jedoch zu einem Kult-Text und mittlerweile haben viele prominente Frauen weltweit in verschiedenen Aufführungen mitgewirkt.

2005 Macbeth von Shakespeare in Jürgen Goschs Inszenierung am Düsseldorfer Schauspielhaus zeigte „wilde Blutspritzereien und nackte Hexen am Donnerbalken, Männer, die in Frauenrollen ihren Penis zwischen die Beine klemmen und sich wild im Dreck am Boden suhlen“. Die Kritiker liefen Sturm gegen das „Ekeltheater“ und den „Sudel-Macbeth“, Zuschauer verließen wütend den Saal. Doch später erhielt Gosch für das Stück den renommierten Faust-Theaterpreis.

2006 Der Schauspieler Thomas Lawinky entriss während der Premiere von Das große Massakerspiel oder Triumph des Todes von Eugène Ionesco am Schauspiel Frankfurt dem Theaterkritiker Gerhard Stadelmaier mit den Worten: „Mal sehen, was der Kerl da schreibt!“ den Notizblock und gab ihn nach kurzem Durchblättern wieder zurück. Als Stadelmaier die Aufführung daraufhin verließ, rief ihm Lawinky „Hau ab, du Arsch! Verpiss dich!“ nach. Stadelmaier sah dies als Angriff auf seine Rolle als Kritiker. Lawinky kündigte, um seiner Entlassung zuvorzukommen. Es entbrannte eine Diskussion innerhalb der deutschen Theaterlandschaft, wobei bekannte Theaterleute Partei für Lawinky ergriffen.

2009 Pension F. von Hubsi Kramar, ein Stück zum österreichischen Missbrauchsfall Josef Fritzl, konnte bei der Uraufführung im Februar 2009 im 3raum-Theater in Wien nur unter Polizeischutz stattfinden.<ref>stern.de: „Pension F.“ unter Polizeischutz aufgeführt</ref> Bereits im Vorfeld hatten FPÖ-Kultursprecher Gerald Ebinger, Michael Jeannée und Leserbriefschreiber nicht nur Subventionsrückzahlung gefordert, sondern sogar „Geldbuße“ und Gefängnisstrafe für den „Ekel-Mimen“ Kramar.<ref>Ein Theaterskandal für „Heuchler“, Der Standard, 22. Januar 2009 </ref>

2010 Rechnitz (Der Würgeengel) von Elfriede Jelinek, ein Text über das Massaker von Rechnitz in einer Inszenierung von Hermann Schmidt-Rahmer, der auch eine vierminütige Toneinspielung, die sich an den Fall des „Kannibalen von Rotenburg“ anlehnt, verwendet wurde, führte zu einem Eklat. Zuschauer im Central, einer Spielstätte des Düsseldorfer Schauspielhauses, riefen „Aufhören!“, andere schimpften vor sich hin. 70 Prozent des Publikums verliessen kurz vor Schluss der zweiten Aufführung den Zuschauerraum <ref>Die volle Wucht der Provokation</ref> Im Anschluss an die Aufführung kam es zu einem Eklat, als ein älterer Herr der Abendspielleiterin sagte, es tue ihm leid, was die Beteiligten auf der Bühne machen müssten. Als die Frau antwortete, sie sei aber stolz darauf, dabei zu sein, wurde sie von dem Mann bespuckt.<ref>Annette Bosetti: Tumulte bei Jelinek-Aufführungen</ref>

2012 Gólgata Picnic wurde bei einem Gastspiel am Hamburger Thalia-Theater von der Pius-Bruderschaft mit einer Anzeige bedroht, mehr als 500 E-Mails empörten sich „auf Initiative radikalkonservativ-fundamentalistischer Kreise“ über Gotteslästerung, Pornografie und Volksverhetzung und verlangten die Absetzung der Aufführung. Der Versuch eines Hamburger Bürgers das Gastspiel per Verwaltungsgericht zu verhindern, scheiterte. Die Intendanz engagierte einen privaten Sicherheitsdienst für den Abend, an dem der Skandal dann jedoch ausblieb.<ref>Gólgota Picnic: In Hamburg kein Skandal. FOCUS Online</ref> Die religionskritische Inszenierung von Rodrigo García thematisierte die Frage, inwieweit Religion Erlösung vom Bösen verheißen könne und ob sie nicht selbst Teil des sogenannten Bösen sei. Das Stück hatte bereits in Frankreich und Österreich für Aufregung gesorgt.

2012 Sul concetto di volto nel figlio di Duo (Über das Konzept des Angesichts bei Gottes Sohn) des Regisseurs Romeo Castellucci mit der italienische Theatergruppe Societas Raffaelo Sanzio aus Cesena sorgte im Berliner Hebbel am Ufer für Aufruhr und Protest. Die Aufführung zeigte, wie ein alter Mann von seinem Sohn, versorgt wird. Der Alte ist inkontinent, beschmutzt sich und seine Wohnung, der einst Kleine sorgt für den Papa, der wieder zum Kind wird, dies vor einem überdimensionalen Christusbild von Antonello da Messina. Die Zuschauer in Berlin zeigten sich über den Fäkaliengeruch und „die Handlung zwar teils schockiert“,<ref>Demenz, Kot und Handgranaten</ref> akklamierten das Stück aber. Die Inszenierung hatte zuvor bereits in verschiedenen italienischen Städten zu heftigen Diskussionen und Protesten durch konservative katholische Gruppen geführt, zum Teil militant. Vorstellungen in Paris konnten nur unter Polizeischutz stattfinden. Der deutsche Kardinal Rainer Maria Woelki sprach von Blasphemie – ohne jedoch das Stück gesehen zu haben. Die Presse verteidigte die Aufführung: „Früher brauchte das Theater den Skandal. Hier wollen Kirchenleute ihn herbeireden. Um etwas zu schützen, das ihnen entglitten ist – die Seele und das Gefühl der Zeitgenossen.“<ref>Rüdiger Schaper: Ein Mensch. Berliner Tagesspiegel, 7. März 2012</ref>

Oper

[[Datei:Calixto Bieito.png|mini|hochkant|Calixto Bieito, 2008]]

2003 Der Troubadour von Giuseppe Verdi an der Oper Hannover (Regie: Calixto Bieito) schockte mit Schlägereien, homo- und heterosexuellen Vergewaltigungen und Folterexzessen von natural born killers, gipfelnd in einer offenbar Pasolinis Salò nachempfundenen Szene, in der eine vertierte Soldateska über der Leiche einer gefolterten und geschändeten Frau uriniert. Graf Luna, vor lauter Lust, daß die Heldin sich ihm hingeben will, um ihren Geliebten zu retten, onaniert. Die in den Wahnsinn gefolterte Azucena beschmiert sich mit ihren Fäkalien. Zahlreiche Zuschauer verließen zur Pause das Theater, etliche andere im zweiten Teil.<ref>Der Exorzist</ref>

2006 Idomeneo von Mozart an der Deutschen Oper Berlin (Regie: Hans Neuenfels) wurde aus Furcht vor Anschlägen islamistischer Terroristen abgesetzt, da die Inszenierung von christlichen Repräsentanten als „religionsfeindlich und menschenverachtend“<ref>Vor der Oper unter den Detektor</ref> eingestuft wurde und die „aufklärerische Pose“ der Opernszene, in der die abgeschlagenen Köpfe von Religionsführern wie Jesus und Mohammed gezeigt wurden, eine „menschenverachtende Seite“ habe. Die Entscheidung der Opern-Intendanz stiess international auf Unverständnis und heftigen Protest, da sie als Aufgabe der Freiheit der Kunst angesehen wurde. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisiert den Schritt als „unnötige Schere im Kopf“.<ref>Wende im Opernskandal</ref>

2008 Der Fliegende Holländer von Richard Wagner entwickelte sich an der Leipziger Oper (Regie: Michael von zur Mühlen) zu einem Eklat. Etwa nach einer Stunde verließen bereits zahlreiche Besucher den Saal. Auf der Bühne waren Videosequenzen mit Hunden, die sich gegenseitig tot bissen, Kuh-Kadavern, die an Haken hingen und jede Menge Blut zu sehen. Nach der Aufführung trat der Hauptdarsteller James Johnson drei Tage später zurück. Gegen Michael von zur Mühlen wurden rechtliche Schritte eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft überprüfte dabei, ob die Aufführung gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen habe. Mit teilweise neuer Besetzung und ohne Gewaltvideos erfolgte später eine Wiederaufnahme der Inszenierung.<ref>Kritische Würdigung des „Leipziger Opernskandals“ im Online Musik Magazin (OMM): Die Verzweiflung vor dem Schuss</ref>

Literatur




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