Mythologus oder gesammelte Abhandlungen über die Sagen des Alterthums  

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Dass in den historischen Forschungen über das entlegnere Alterthum dem etymologischen Verfahren eine Stelle gebührt , ist eben so gewiss , als es begreiflich ist , dass ein ziemlich entschiedener Widerwille gegen eben diesen Zweig der Forschung vorwalten muss. Diesen Widerwillen begründet die leidige Erfahrung , dass nirgend Willkür und einseitige Ueberzeugung mit so dogmatischem Ton aufzutreten pflegt , als in den Untersuchungen dieser Art , und die noch leidigere Gewissheit , dass dies , wenigstens auf lange hin , nicht anders sein kann in einer Wissenschaft , die jedem redenden und hörenden Menschen so nahe zu liegen scheint , und die eben deswegen noch so wenig auf Grundsätze , einer Wissenschaft würdig , zurückgebracht ist. Aber abgesehen von dem, wie die Etymologie gewöhnlich getrieben wird , ist doch auch klar , dass in dem was sie behandelt die ältesten und folglich für alle Ursprünge die einzigen historischen Monumente liegen . Und wenn man mitunter über den Antheil der Etymologie in diesen Forschungen dass tolerante Urtheil höret , man müsse mit den Thatsachen erst aufs reine sein , um alsdann zuzusehn wie sie hie und da durch die Etymologie auf eine anziehende Art bestätigt werden ; dass heist mit andern Worten , ohne die Etymologie gehe jede alterthümliche Forschung ganz vollständig von statten , doch könne sie , gut gespielt , als eine Aufheiterung in Zwischenräumen dienen , so kann ich mit diesem Urtheil so wenig einverstanden sein , dass ich vielmehr erkläre , mit der Etymologie gehe das eine wesentliche Ende jener Untersuchung aus diesem Gebiete verloren.--Mythologus oder gesammelte Abhandlungen über die Sagen des Alterthums (1828–1829) by Philipp Buttmann

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Mythologus oder gesammelte Abhandlungen über die Sagen des Alterthums (1828–1829) by Philipp Buttmann

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MYTHOLOGUS oder gesammelte Abhandlungen über die Sagen des Alterthums von Philipp Buttmann. Zweiter Band. Nebst einem Anhang, 1. Ueber das Elektron. 2. Horaz und Nicht- Horaz. Berlin , 1829. In der Mylius'schen Buchhandlung. N3 OXFORD Es ist allbekant, welche herabwürdigende Deutung man dem horazischen Ausdruck mascula Sappho gegeben hat. Indem ich diese annahm, in meiner Abhandlung über die Anspielungen im Horaz (Mythologus erster Band, Anhang ), fòlgte ich dem Irrthum vieler Gelehrten : dafs ich ihn aber in dieser neuen Ausgabe zu wiederholen kein Bedenken trug ohne die würdevollen Worte Welckers zu lesen , wodurch er die Dichterin vollkommen gerechtfertigt hat, das thut mir sehr leid. Diese angebliche Schuld der Sappho gegen die Liebe , und Horazens gegen sie zu tilgen, und meine wirkliche Schuld gegen beide gut zu machen , halte ich für eine meiner heiligsten Pflichten , ehe ich aus diesem Kreise der redenden Menschengeschlechter scheide ; welche ich hiemit erfülle. Berlin im Februar 1829. 1 Inha I t. XIII. Ueber den Mythos von den ältesten Menschengeschlechtern. XIV. Ueber den Kronos oder Saturnus. Zusatz A. Zusatz B. XV. Ueber den Janus. XVI, Ueber Lerna, dessen Lage und Oertlichkeiten. (hiezu das Kupfer) XVII. Ueber die Fabel der Kydippe. XVIII. Schreiben an Herrn Uhden über den Virbius und Hippolytos. XIX. Ueber die Kotyttia und die Baptae. 1 28 63 65 you ' 70 - 93 - 115 145 -154 XX. 8 Ueber die mythischen Verbindungen von Grie- chenland und Asien. -- 168 194 - 246 XXI. Ueber die Minyae der ältesten Zeit, XXII. Vom Geschlecht der Aleuaden. XXIII. Einige Vermuthungen, 1. Ueber die Potitii und Pinarii. 2. Ueber die Tarquinii. XXIV. Ueber den Begriff von ❤gargia, Anhang. 1. Ueber das Elektron. 2. Horaz und Nicht - Horaz. - 299 297 304 1# 337 364 XIII. Ueber den Mythos von den ältesten Menschengeschlechtern *). Um bei Erklärung der alten Mythen sich so wenig als möglich von dem rechten Wege zu entfernen, ist nichts so nützlich , als dafs man stets die Augen auf den Mythen anderer Völker behalte, um durch die Analogien, die sich auf diese Weise unfehlbar darbieten , manches Licht aus der Fremde zu empfangen , das in der Heimath der Mythen selbst, die man untersucht, sich verborgen hat ; wobei sich denn freilich am Ende häufig ergibt , dafs das, was man für blofse Uebereinstimmung ähnlicher Verhältnisse halten könnte , Uebereinstimmung wirklicher Verwandschaft durch Abstammung ist. Und dafs dies namentlich so sei zwischen der griechischen Mythologie und der hebräischen, welche letztere ein Zweig ist der gröfstentheils verloren gegangenen südwestasiatischen: das sehe ich als eine Wahrheit an, deren Evidenz schon im wesentlichen erworben ist, deren fernere Belege aber doch immer noch willkommen sind. Einzele Schilderungen in den ersten Perioden des Menschengeschlechts nach der hebräischen Sage haben, so wie andern, so auch mir in meinen früheren Abhandlungen Gelegenheit dargeboten, die nach Metallen benann- ་

  • ) Vorgelesen in der Akademie der Wissenschaften zu Berlin den 10. März 1814.

II. A 2 XIII. Mythos der ältesten ten Menschengeschlechter der griechischen Poesie zu vergleichen. Dies etwas vollständiger durchzuführen ist mein gegenwärtiger Zweck, wozu ich die griechische Sage etwas genauer aufzufassen suchen und bei dieser Gelegenheit vollständiger behandeln werde. Wie bei allen so auch bei dieser Sage muſs man sich nehmlich hüten, Vorstellungen, welche durch die spätern Dichter erst festen Fufs gefafst haben , für die ursprünglichen zu halten. Uns hat Ovid gewöhnt, die vier Alter, das goldene, silberne, eherne und eiserne, in allmählichen Gradationen von kindlicher Unschuld und Seligkeit zu unserm verbrecherischen und mühseligen Zeitalter übergehn zu lassen. Allein eben dieses allmähliche und doch abgetheilte , was durch keine feste sinnliche Punkte gehalten wird, zeugt wider das Alterthum dieser Darstellung , in welcher nur spätere Dichter, als in einem Felde willkürlicher Fantasie , sich gefallen konnten. Natürlich gehört zu diesen jüngern auch Aratus. Dieser erwähnt indessen nur drei Geschlechter, das goldene, silberne, eherne. Während des ersteren wohnet die Dike völlig unter den Menschen; unter dem zweiten weit schlechteren erscheint sie nur um die Menschen zu strafen ; wie das eherne entsteht, da entflieht sie gänzlich vor den Greueln der Sterblichen. In diesem Gemälde zeigt sich schon weit mehr festes , und man könnte es für das alte halten, wenn nicht das eigenthümliche in der Darstellung des Hesiodus in seinen Werken und Tagen unsere Aufmerksamkeit auf sich zöge. Eine ältere Quelle kann für unst nicht existiren, wenn gleich, durch viele Beispiele gewarnt, wir uns auch hier wieder hüten müssen, die Erzählungen dieser für uns ältesten Dichter nicht mit der Entstehungszeit der Fabeln selbst zu verwechseln ; wozwischen noch ein grofses Feld dichterischer Industrie verbreitet ist , deren Produkte erst in Homer und Hesiod fragmentarisch auf uns gekommen sind. So ist es auffallend und fast dem Erweiterungssystem späterer Dichter angemessen, dafs Hesiodus uns fünf Geschlechter förmlich zuzählet. Im goldenen natürlich stimmen alle Dichter im wesentlichen mit einander überein. Hesiodus setzt es ausdrück→ Menschengeschlechter. 3 lich unter Kronos Herrschaft ; ihm aber eigenthümlich ist , dafs die Menschen desselben , nachdem sie der Erde entrückt worden, als wohlthätige, fromme, irdische Geister unter den Menschen walten. Das silberne schildert er keinesweges als einen allmählichen Uebergang vom ganz guten zum schlechten. Die Menschen desselben sind an Leib und Seele schon durchaus schlecht ; sie leben in Weichlichkeit , Trägheit und Thorheit, kränken und beeinträchtigen sich untereinander selbst , und bringen nicht einmal den Göttern die gebührenden Opfer : darum entrücket Zeus auch diese. Auch sie sind seitdem selige Geister , aber sterbliche , unterirdische , vom zweiten Range, denen jedoch auch Ehre gebührt. Nun folgt das eherne. Dies wird als ein furchtbares wildes Geschlecht geschildert, dessen Menschen sich bei ihrer ungeheuren Stärke mit nichts als Krieg und Gewaltthaten abgeben. Merkwürdig ist, daſs, offenbar zur Begründung der Benennung nach Metallen , von ihnen ausdrücklich gesagt wird, sie hätten alles von Erz verfertigt, und Eisen sei nicht gewesen. Dies Geschlecht vertilgt sich endlich unter sich selbst ; aber es wird nicht gesagt , welche Rolle sie nach ihrem Tode spielen. Es folgt ein viertes Geschlecht, das Hesiodus nach keinem Metalle benennet, und in dessen Schilderung er von allen andern Dichtern , wovon etwas auf uns gekommen ist , darin wieder sehr abweicht, dafs er dieses Geschlecht ausdrücklich als weit gerechter und trefflicher als das vorhergehende auftreten lässt. Es ist nehmlich das Geschlecht der Heroen oder Halbgötter, d. h. der Göttersöhne , durch welche die Thaten geschehen sind, welche die epische Poesie in den Thebanischen und Trojanischen Kriegen verherrlicht hat. Hesiodus läfst dies ganze Geschlecht nach ihrem Tode auf den Inseln der Seligen wohnen ; und schliefst nun mit einer Klage über das fünfte oder eiserne Geschlecht , ein mühseliges und schamloses, worunter zu leben er verdammt sei. Er sagt voraus, dafs auch dieses einst , nach Erreichung des höchsten Grads der Bosheit, den er hier umständlich ausmalt, untergehn werde, ohne hinzuzusetzen, was dann erfolgen werde. A 2 4 XIII. Mythos der ältesten Es ist, dünkt mich, augenscheinlich, dafs diese Abfassung der Fabel, so alt sie auch ist , doch schon vielfältige Modificirung einer weit älteren enthält. Schon gleich die Zahl von fünf Geschlechtern widerspricht durchaus der Einfachheit einer ersten Erfindung , und noch weit mehr ist dieser entgegen die alles Ebenmaafs zerreifsende Einschaltung des vierten von keinem Metall benannten zwischen dem ehernen und eisernen. Es ist ganz unmöglich, dafs, wer zuerst die Idee bekam, die verschiedenen Menschenalter nach Metallen zu benennen , eines dazwischen ohne solchen Namen gelassen hätte. Endlich ist es undenkbar , dafs ein erster Erfinder die Benennungen nach Erz und Eisen motiviren , und die nach Gold und Silber unmotivirt lassen sollte. Zwar begründet sich von selbst die Benennung nach dem Golde. Aber wie ungleich und unzusammenhangend sind nun sämtliche Motiyirungen, wie durchaus unähnlich einer ersten Erfindung ! Das erste Geschlecht heifst das goldene, weil jene Menschen an Unschuld und Seligkeit vorglänzen wie unter den Metallen das Gold; die zweiten das silberne , weil sie jenen weit nachstehn ; die dritten das eherne , weil sie zuerst in Erz arbeiteten ; endlich die fünften das eiserne, weil in diesem Zeitalter zuerst das Eisen aufkam. Vor einem kleinen Mifsverständnifs mufs ich hier warnen , das sich hauptsächlich erst durch unsern Sprachgebrauch festgesetzt hat. Obgleich , da die verschiednen Geschlechter des Mythos alle eins aufs andre folgen, jedes Geschlecht auch ein Zeitalter ist, so ist doch in der alten Fabel nur von Geschlechtern , nicht von Zeitaltern die Rede. Dies gilt bei den Griechen durchaus : und bei der Benenung nach Metallen, z. B. beim Golde, liegt nicht der Begriff einer höchst glücklichen , seligen Zeit, sondern eines reinen und edlen Menschengeschlechts zum Grunde. So heifst es also bei Hesiodus : Χρύσεον μὲν πρώτιστα γένος μερόπων ἀνθρώπων ᾿Αθάνατοι ποίησαν · Ganz zuerst ein goldnes Geschlecht der redenden Menschen Schufen die ewigen Götter ; 1 Menschengeschlechter. 5 daher noch wörtlicher bei Aratus χρύσειοι πατέρες ; und daher sogar, bei kindlicher Auffassung des Mährchens, der Mifsverstand, dafs die Menschen wirklich aus jenen Metallen gemacht gewesen , worauf sich einige Scherze Lucians beziehen , die ohne diese Voraussetzung ganz leer wären *). Auch bei den Lateinern ist , wenn sie in diesem Zusammenhange aetas sagen, noch das Geschlecht zu verstehn ; daher Ovid: Aurea prima sata est aetas ; und nur weil bei ihnen die Sage von der glücklichen Zeit Italiens unter Saturn unabhängig von jenem Mythos sich ausbildete , bekam der darauf übertragene Ausdruck saeculum aureum jenen andern Begriff, der sich nun bei uns festgesetzt hat , indem wir von einer goldnen Zeit sprechen, so oft wir eine Zeit des Flors in irgend einer Beziehung nennen wollen. Wir kehren zu der Hesiodischen Erzählung zurück. So laut sprechende Spuren diese auch hat von sehr bedeutenden Entstellungen des Urmythos, so haben wir doch nun einmal keine ältere. Trachten wir also , aus ihr selbst, mit Hülfe der wenigen Winke , die uns sonst woher kommen, der ersten Erfindung auf die Spur zu kommen. Apollodor läfst das eherne Geschlecht durch die Deukalionische Flut umkommen. Eine Notiz , die dort ganz unerwartet kommt, da er des Mythos von den metallenen Geschlechtern weder vorher noch nachher mit keiner Silbe erwähnt. Die Ursach liegt wol darin , weil, sobald aus den alten Dichtungen eine umfassende und der Vollständigkeit ähnliche Mythologie sich bilden sollte, jener Mythos gar nicht recht hinein zu verweben war, wenn man nicht absichtlich den ganzen Zusammenhang von Kronos , den Titanen , Zeus , Prometheus , Pandora und Deukalion (denn innerhalb dieser Namen würden die ganzen drei ersten Geschlechter fallen), wie er in der Theogonie des Hesiodus liegt , zu jenem Zweck erst modeln wollte, wozu die älteren Dichter nicht kalte Künstler ge-

  • ) Saturnal. 8. ὑπὲρ τίνος γὰρ ἂν καὶ ἐπέττευον , αὐτοὶ ὁλόχρυσοι

ὄντες ; — τῶν ἀνδρῶν ἐκείνων τῶν χρυσηλάτων --- . 20. αὐτοὺς ἐκείνους φασὶ τοὺς ἄνδρας χρυσοῦς εἶναι. 6 XIII. Mythos der ältesten nug waren. Vofs, zu Virgils 6. Idylle, 41., versucht so etwas, wobei aber gewifs seine Meinung nicht ist , einen ältesten konsequenten Zusammenhang dieses Theils der Mythologie herstellen zu wollen, sondern nur eine Skizze zu entwerfen , wie etwa ein späterer mit Dichter- und Schönheitssinn begabter Geist sich das Chaos der alten Sagen einigermafsen in Einklang brachte ; oder doch wie man es noch könnte. In des ganz unpoetischen Apollodor Seele kam aber so etwas nicht : was also mit den gangbarsten Mythen , die er kompilirte , nicht recht historisch zusammen sich fügte, darüber schlüpfte er weg. Das also ist aus ihm, als einem solchen Schriftsteller, klar, dafs er eine Darstellung jenes Mythos vor Augen hatte , wodurch derselbe mit der darauf folgenden Menschengeschichte so in Verbindung gesetzt war , dafs die Flut das eherne Geschlecht vertilgte , und Deukalion ein neues Menschengeschlecht stiftete. Es hat sich uns ferner in der Hesiodischen Darstellung von selbst dargeboten, dafs die Aufzählung von fünf hinter einander folgenden Geschlechtern etwas gehäuftes und die Einheit des Plans zerstörendes hat ; ferner dafs das Eisen der Idee nach ganz überhängt. Dagegen gewähren die dreiersten Geschlechter etwas in sich zusammenhangendes und für sich schon vollständiges, womit die drei Metalle, sobald wir darüber wegsehn, dafs das mittlere Geschlecht, für sich betrachtet , dem Werthe des Silbers nicht eben entspricht, ganz gut stimmen. Denn in jene einfache Zeit gehören zu einer solchen poetischen Idee durchaus nur diese drei Metalle , das Gold und das Silber , als die edleren zur Zierde dienenden, und das zum gemeinen Gebrauch bestimmte Erz , neben welchem das Eisen, auch wenn es im Gebrauch war , so wenig als etwas besonderes sich darbietet, als das Zinn oder das Blei. Verbinden wir hiemit , dafs Aratus nur diese drei Geschlechter allein aufführt. Man kann zwar sagen, dieser Dichter höre mit dem ehernen auf, weil er bei diesem auf den Punkt kam , der die ganze Episode in sein Gedicht brachte , nehmlich auf das Aufsteigen der Dike von der sündigen Erde nach dem Himmel , wo sie jetzt als Jung1 Menschengeschlechter. 7 frau schwebt. Aber eben in diesem Punkt liegt auch die poetische Vollendung des Mythos; und Aratus hätte unmöglich diese drei Geschlechter so mit Liebe ausmalen können , wenn er sich nicht bewufst war, dafs er einen vollständigen Mythos gab *). Ich glaube also annehmen zu können , dafs die drei ersten Geschlechter den eigentlichen in sich vollständigen Mythos bildeten, und dafs er , trotz der Ausdehnung , die er in der Hesiodischen Erzählung bekommen, auch in seiner ursprünglichen Kürze fortdauernd sich erhalten hatte, und Aratus ihn so auffafste. Denn vielfältig sehen wir ja in den Monumenten und Fragmenten alter griechischer Dichtkunst, dafs neben den Gesängen von Homer und Hesiod sich Sagen und Mythen genug aus gleichem und höherm Alter erhalten hatten , deren die nachfolgenden Dichter sich bedienten, um weder allzubeengt durch das gangbare, eignen Reizes zu entbehren , noch zu sehr in den Schein willkürlicher Erfindung zu verfallen. Und so ergibt sich mir also aus allem obigen vereint folgendes. Es bestand ein alter moralischer Mythos, der von drei uralten Menschengeschlechtern sprach, deren das erste das Ideal von Seligkeit, das letzte das Ideal von Gottlosigkeit war. Dieser Mythos hatte aber nicht zum Zweck zu zeigen , wie die Menschen allmählich so böse geworden wie sie jetzo sind. Dahin haben ihn erst später Dichter, wie Ovid, verflächt. Dieser Vorstellung widerspricht geradezu die völlige Vertilgung des dritten Geschlechts , in welcher die Notiz im Apollodor mit der im Hesiodus übereinstimmt (wenn gleich die Art der Vernichtung verschie-

  • ) Dafs mit dem Ehernen Geschlecht der Mythos seine Vollendung hatte , das wufsten oder fühlten die Uebersetzer des Aratus. Germanicus hat statt des Verses Οἱ πρῶτοι κακόεργον

ἐχαλκεύσαντο μάχαιραν in seiner Nächbildung diesen : Ferrique invento mens est laetata metallo. Ihm ist also das Erz und Eisen poetisch ganz dasselbe. So auch Festus Avienus in seiner Umarbeitung ( v. 341.) Atque cruentus amor chalybis subit. Ja der älteste von allen, Cicero, spricht geradezu statt des ehernen vom eisernen Geschlecht in diesem Vers, den er selbst anführt de Nat. Deor. 2, 63. Ferrea tum vero proles exorta repente est. 8 XIII. Mythos der ältesten den ist), und welcher Aratus Darstellung nicht entgegen ist. Die moralische Absicht war, das Verhalten der Gottheit zu der Bosheit im Menschengeschlecht darzustellen, und ganz insbesondere die Lehre , dafs wenn die Bosheit ihren Gipfel erreiche , die Götter die Menschen vertilgen. Sollte diese auf alterthümlich wirksame Art gegeben werden, so mufste so wie die Unschuld , so auch das Laster in seinem vollen Umfange schon einmal da gewesen und die Vertilgung schon einmal erfolgt seien. Der Mythos war also mit dieser aus. Die Anwendung auf das jetzige Menschengeschlecht ergab sich von selbst, aber ein Theil selbst der ursprünglichen Dichtung war sie wol nicht ; denn sonst hätte der Dichter nach dem Strafgericht den zweiten Kreis wieder förmlich mit einem goldnen Geschlecht beginnen und seine Mitwelt ins zweite oder dritte setzen müssen. Was aber der erste Dichter nicht gab, das fand sich später hinzu , nur freilich nicht ohne Nachtheil der Einheit und des Ebenmaafses. Sobald nehmlich dieser Mythos seine Stelle in dem Fabelkreis der Volksbelehrung einnahm , so war es natürlich, dafs die Anwendung sich historisch daran knüpfte. Hiezu bot sich die überall bestehende Sage von einer grofsen Erdüberschwemmung von selbst als Verbindung dar. Und nun erst ergab sich auch gleichsam von selbst wirklich eine kleine Analogie zwischen diesem zweiten Cyklus und dem ersten, da alle Ueberlieferung die Vorfahren als eine Heroenwelt schildert, von welcher die jetzige ausgeartet sei. Auf diese Art erwächst uns die Hesiodische Darstellung unter den Händen, wenngleich in dieser die Sündflut fehlt, und Hesiod, der diese Dichtung hier ganz unabhängig von der gewöhnlichen mythischen Geschichte vorträgt, einer andern Darstellung folgt, nach welcher das eherne Geschlecht sich unter sich selbst vernichtet. Der zweite Cyklus entspricht dem ersten, aber ohne ihn zu wiederholen ; eben weil jener ideale Dichtung ist, dieser hingegen aus wirklicher Ueberlieferung und täglicher Erfahrung entnommen. So wie die Trefflichkeit und das Leben der Heroen ganz verschieden sind von der Schilderung des goldnen Geschlechts , so geht auch die Ausartung ihrer Nachwelt einen andern Weg, als dort " Menschengeschlechter. 9 beim zweiten und dritten Geschlecht. Jene ging durch Trägheit und Gewaltthätigkeit : die jetzige Welt gewährt das Bild der Mühseligkeit und, der Schamlosigkeit. Jene hatte der mythische Vortrag in zwei Alter getrennt ; hier hält den Dichter die Wirklichkeit fest , und er läfst die Ausartung in Einem Geschlecht auf den Gipfel losgehn. Die Verderbnifs gestaltet sich dort als einfache Ideale in wenig Zügen ; hier malt sie der Dichter mannigfaltig aus, weil sie ihm näher liegt, nicht um einen höhern Grad der Bosheit nach dem ehernen Geschlecht auszudrücken. Das eherne Geschlecht hatte jenen Gipfel in seiner Art erreicht, das jetzige wird es in der seinigen. Sehr sichtbar aber und absichtlich dargelegt ist zwischen beiden Cyklen die Analogie in dem Zustand nach dem Tode : denn nachdem das eherne Geschlecht blofs als vertilgt und namenlos vom Hades anfgenommen geschildert war , wird dem Heroengeschlecht wieder ein seliges gottähnliches Leben auf den Inseln des Oceans zu Theil , geringer zwar, aber doch analog dem Zustand derer vom goldnen Geschlecht , die heilige Dämonen sind ; dem eisernen hingegen wird wieder eine blofse Austilgung , wie jenem ehernen , verkündet (Zɛùç d'héσa - ). Kurz , durch den ganzen Vortrag vom vierten und fünften Geschlecht spricht sich eine Anwendung des alten Mythos auf die wirkliche Welt aus ; eine Moral, die in eine Fortsetzung der Erzählung selbst übergegangen ist. Spätere Dichter verwandelten nun den so fortgesetzten Mythos in einen nothwendigen Zusammenhang sämtlicher Alter ; und damit dieser den Anfoderungen der Kunst genüge , so ward das vierte Geschlecht herausgeschliffen , und durch leichte Schattirungen dem ganzen Mythos eine gleichmäfsige Haltung vom goldnen Alter bis zum eisernen gegeben. Dabei ergriffen sie Hesiod's blofs dunkele Andeutungen von künftiger Vernichtung und einer analogen Wiederkehr ; und so rundete sich bei ihnen erst die Vorstellung ab , dafs immer eine Reihe Alter- ein grofses Weltjahr ausmache , mit dessen Verfliefsung das letzte Geschlecht jedesmal untergehe, und immer wieder ein neues goldenes Geschlecht ent- 10 XIII. Mythos der ältesten stehe eine Vorstellung , die dem ersten Erfinder ganz fremd war *).

  • ) Vofs zu Virg. Ecl. 4, 5

- 7. p. 185. u. 187. ist nicht dieser Meinung , sondern nimt an , dafs die älteren Dichter , und namentlich Hesiodus, schon ganz eigentlich einen Umlauf und Wiederkehr von vier Weltaltern sich gedacht hätten. Ich will nicht bestreiten, dafs, wenn Hesiod's eisernes Geschlecht gleich auf sein ehernes folgte, es sich , bei der ausführlichern Ausmalung , die er dieser seiner Mitwelt gibt, auch als schlechter denn jenes betrach- ten liefse. Aber so folgen sich nun einmal jene Alter bei ihm nicht. Dafs in der Fabel vor Hesiodus vier Geschlechter gewesen,, und er sein viertes eingeschoben hätte, ist ganz undenkbar : denn wie konnte ein Dichter, wenn er die Schilderung von vier ordentlich abstufenden Altern vorgefunden hätte , diese klare Idee so gänzlich vernichten ? Bei ihm selbst ist aber , wie gesagt , kein Umlauf von vier Altern , sondern nur eine schon einmal erfolgte Wiederholung der Erscheinung, dafs auf ein gutes Geschlecht verderbte Geschlechter folgen, die, wenn sie ganz verrucht geworden, ausgerottet werden. Dies ist geschehn mit dem ehernen Geschlecht; er sagt es voraus für die jetzige Welt ; und so ergab sich freilich auch die Aussicht, daſs vermuthlich dann wieder ein neues besseres Geschlecht beginnen werde. Dies scheint der Dichter auch auszudrücken , wenn er den Uebergang zum eisernen Geschlecht mit diesem Wunsche macht : Μηκέτ᾽ ἔπειτ᾽ ὤφειλον ἐγὼ πέμπτοισι μετεῖναι ᾿Ανδράσιν, ἀλλ᾽ ἢ πρόσθε θανεῖν ἢ ἔπειτα γενέσθαι. Wär' ich selber doch nicht ein Genofs der fünften der Männer, Sondern, wo nicht gestorben zuvor, doch später geboren. Diese letzten Worte haben etwas sonderbares. Gleich als wenn das eiserne Geschlecht bei seinen Lebzeiten entstanden wäre, dem er also durch frühen Tod hätte entgehn können. Soll der logisch-richtige Sinn, der hier erfoderlich ist,,,hätte ich doch entweder im vorigen Geschlecht gelebt, oder lebte erst im künftigen," in die Worte kommen, so müssen wir sie so fassen , dafs er diese zweierlei Lebenszeiten , deren eine er sich wünscht , jede durch den der Gegenwart nächsten Punkt bezeichne , also durch den Tod im vorigen und durch die Geburt im künftigen Ge- schlecht. Dies ist aber ein Zwang , der mich fast geneigter macht anzunehmen , Hesiodus habe hier eine Alltagsformel der Klage über schlechte Zeiten gebraucht, ohne an deren buchstäbliche Anwendung zu denken. Nimt man aber dies an , dann ist fühlbar , dafs auch aus dem eлɛiтα yɛvéodai kein sicherer Schlufs auf die gewisse Vorstellung der Wiederkehr eines bessern dem goldnen Alter analogen Zeit gemacht werden kann. Auf keinen Menschengeschlechter. 11 Wenn wir also nun die drei ersten Geschlechter, als für sich vollständig den alten Mythos bildend und abrundend, vor uns nehmen , und die Darstellung des Aratus von einer in drei regelmäfsigen Stufen erfolgten Ausartung mit der des Hesiodus von den drei ersten Geschlechtern allein vergleichen, so ist, wie bereits angedeutet worden, kein Zweifel, dafs die Aratische, so poetisch sie auch sein mag, doch die neuere ist. Denn war diese Idee erst da, so war es gar nicht möglich, dafs aus dieser sogleich jedem sich empfehlenden ganz glatten und leichten Darstellung die Hesiodische , für die man gar keine rechte Begründung sieht , erst umgebildet werden konnte ; wohl aber umgekehrt. In dieser Hesiodischen bildet nehmlich das silberne Geschlecht nicht sowohl einen Uebergang zum ehernen, sondern vielmehr einen Gegensatz dazu , so jedoch, dafs beide auf zwei entgegengesetzten Wegen der Schlechtheit von dem goldnen sich entfernen. Darum heifst es sogleich beim silbernen , es sei weit schlechter (πоhì xótεoov) gewesen als das goldne , und vom ehernen nur , es sei dem silbernen in nichts ähnlich (ovdiv oμoïov) gewesen. Ja man würde nach den Ausdrücken des Dichters beide Geschlechter als von dem guten Ideal gleich entfernte böse Ideale ansehn können, wenn nicht aus dem Umstand, dafs ihnen als abgeschiedenen Geistern doch einige Ehre gelassen wird, hervorginge, dafs der Dichter ihnen , auch als Menschen , noch einige Vorzüge vor dem ehernen gibt. Fassen wir also , ohne uns durch irgend eine Form des Vortrags irre machen zu lassen , die Schilderung in sich selbst auf, so erhellet, dafs wir hier die Dichtung eines alten Weisen vor uns haben , der die jedem natürliFall lag diese, als zum Sinn der Fabel gehörig, deutlich in seiner Fantasie , denn sonst mufste sie sich am Schlufs auch deutlich aussprechen. Eben so wenig liegt jener Umlauf in der Aratischen Darstellung. Und wenn überhaupt der Cyklus, wie Voſs ausdrücklich will , von vier Altern , so alt und gangbar gewesen wäre, so würden nicht, wie wir oben gesehen haben, Cicero und Germanicus, in ihren Uebersetzungen des Aratus , das eiserne Geschlecht so ruhig mit dem ehernen in eins werfen. 12 XIII. Mythos der ältesten - chen Verstand einleuchtende Wahrheit erkannte, daſs das Ideal der Unschuld nur eins , das der Schuld hingegen mannigfaltig ist. Darum stellt sich seiner Seele nicht der allgemeine Uebergang vom Guten ins Böse , sondern , so wie die Unschuld weicht, gleich ein Verfall in zwei entgegengesetzte Extreme dar , und zwar in die , welche in jenem einfachen Leben hauptsächlich sich darbieten , die träge Weichlichkeit und die freche Gewaltthätigkeit. - - 鲎 Sobald man indessen dies , so wie es doch wirklich da liegt, gefafst hat, so fällt es auf, warum diese Extreme als auf einander folgend dargestellt werden. Weder ist begreiflich , wie das gewaltthätige Geschlecht aus dem weichlichen entstanden ist, noch, wenn man sich wörtlich an den naïven Ausdruck des Dichters hält , wornach die Götter beiderlei Menschengeschlechter gemacht haben ( Δεύτερον αὖτε γένος — ᾿Αργύρεον ποίησαν -- , Ζεὺς δὲ πατὴρ τρίτον ἄλλο γένος – Χάλκειον ποίησε – ) , kann man sich in die seltsame Vorstellung der Gottheit finden, welche, nachdem ihr das zweite Geschlecht mifsrathen, ein drittes noch ärgeres macht. Hier liegt zuverlässig mangelhafte Auffassung und Fortpflanzung dessen zum Grunde , was ein alter Naturdichter konsequent und wahr erfunden hatte. Dieser der einsah , dafs aus der Tugend in der Verderbnifs, gleichsam durch chemische Zersetzung, die verschiedenen Laster zugleich hervorgehn, hatte dies höchst wahrscheinlich so ausgedrückt , auf das unschuldige Geschlecht seien zwei andere gefolgt, das weichliche und das gewaltthätige Geschlecht. Diese lassen sich aber nicht anders denken als neben einander; nehmlich als ein Unterdrücker - Geschlecht , das alles übte , und ein Schmerzen-Geschlecht, das alles duldete ; und höchst wahrscheinlich liefs er dieses endlich aufgerieben werden von jenem , das also freilich das letzte blieb und von den Göttern nun wieder durch die Sündflut vertilgt ward. Nun sieht man, wie es nur einer leichten Verschiebung bedurfte , um die Vorstellung von drei schlicht auf einander folgenden Geschlechtern und Zeitaltern entstehn zu lassen, und so eine andere , aber oberflächliche Regelmä- Menschengeschlechter. 13 fsigkeit in die Erzählung zu bringen. Die verlorene Konsequenz des Ganzen ward nun durch eine partielle Konsequenz in jedem einzelen Geschlecht ersetzt. Das Schmerzengeschlecht erduldete nun seine Schmerzen von einander selbst: · ἄλγε᾽ ἔχοντες ᾿Αφραδίαις · ὕβριν γὰρ ἀτάσθαλον οὐκ ἐδύναντο Αλλήλων ἀπέχειν . , Schmerzen erduldend Durch unsinniges Thun : nicht mässigen gegen einander Konnten sie frevelnden Trotz. und das Gewaltthätige zerstörte sich unter einander selbst : daher auch ein Theil der Erzähler die Sündflut entbehren konnte , und die Fabel sich so , wirksamer sogar , mit gänzlicher gegenseitiger Vertilgung dieses dritten Geschlechts endigte. Freilich sehen wir in jenen alten Gedichten gewöhnlich die Stärke und die kriegerischen Vorzüge fast als die einzige Tugend auftreten , und es kann daher auffallen, von zwei ausgearteten Geschlechtern gerade das schwächere im Hesiodus noch einigermafsen geehrt zu sehn. Allein es ist eben so klar , dafs gegen jene , herschende Ansicht des kriegerischen Alterthums das harmlose Geschlecht der Barden und Weisen in fortdauernder Opposition ist, und jede Gelegenheit ergreift , seinen Abscheu gegen die Kriege und gegen die wilde ungebundene Uebermacht an den Tag zu legen. Ihnen ist also ein Geschlecht, das zwar aus Unverstand sich vielfältig zankt und neckt , aber sonst doch Liebhaber stillen häuslichen Genusses , und von jener heillosen Zerstörungssucht frei ist, immer noch dem Geschlechte der Räuber und Mörder weit vorzuziehen ; und die Stufenfolge der drei ersten Geschlechter im Hesiodus ist also , wenn wir in Absicht der Bosheit das erste mit Null und das letzte mit Zehn bezeichnen, nicht wie bei Aratus 0. 5. 10. , sondern 0. 9. 10. Wie wenig befriedigend die Motivirung der Metallnamen im1 Hesiodus ist , haben wir schon bemerkt. Aber 14 XIII. Mythos der ältesten auch nun wir die Fabel auf die drei ersten Geschlechter beschränkt haben, ist die schlechte Stelle, welche das besonders im Alterthum so hochgeachtete Silber einnimt, höchst auffallend ; und es bleibt immer noch unmöglich, dafs die Idee dieser durchgehenden Vergleichung auf einmal entstanden sei. Aber allmählich, und gleichsam Stück vor Stück angeboten , läfst man sich ein kleines Mifsverhältnifs gefallen. Ergreifen wir den Wink, dafs Hesiodus selbst die Benennung des ehernen Geschlechts umständlich motivirt : Τοῖς δ᾽ἦν χάλκεα μὲν τεύχεα , χάλκεοι δέ τε οἶκοι, Χαλκῷ δ᾽ ἐργάζοντο . Diesen war von Erz das Gewehr, von Erz auch die Häuser, Und sie bestellten mit Erz. und verbinden damit die noch fühlbarere Begründung im Aratus (130. 131.) : οἱ δ᾽ ἐγένοντο , Χαλκείη γενεὴ , προτέρων ὀλοώτεροι ἄνδρες , Οἳ πρῶτοι κακόεργον ἐχαλκεύσαντο μάχαιραν Εἰνοδίην . wieder entstand nun Ganz von Erz ein Geschlecht , verderblicher noch denn jene, Welche zuerst aus Erz das schreckliche Messer geschmiedet, Draufsen zum Morde bestimmt. so kommen wir sofort auf den richtigen Weg. Die ehernen Häuser im Hesiod sind nur wunderbare Ausmalung des Namens. Unter dem xaλxòs ist , wie gewöhnlich, das Metall und die Metallarbeit überhaupt zu verstehn, welche dieses unternehmende Geschlecht erfand ; wodurch denn sofort das mordende Schwert , die Gewalt und der Krieg über das Menschengeschlecht kamen. Dafs die Erfindung der Kunstarbeit die Quelle alles Erden-Elends sei , ist ja der Sinn so mancher Dichtung : so auch dieser. Das gottloseste Geschlecht hat die Künste , das Metall erfun-

Menschengeschlechter. 15 den , sich mit Erz bewaffnet und den Krieg in die Welt gebracht: darum heifst es das eherne ; ursprünglich also keinesweges als Gegensatz gegen andre Metalle. Dieser Witz trat erst hinzu. Weil nehmlich das Ideal der Bosheit das eherne Geschlecht hiefs, so nannte man, ohne auf die Begründung diases Namens zu achten, das Ideal der Reinheit das goldene ; und nun war es genug , dafs das zweite Geschlecht zwischen beiden lag , um es das silberne zu nennen. Nun begreift man um so besser die Aenderung, welche der Mythos bei den späteren Dichtern erfuhr. Denn diesen , die mehr räsonirten , war es Bedürfnifs , die Verhältnisse der Metalle und der Geschlechter in das völlige Ebenmaafs zu bringen : und so entstand das sorgsam abstufende System. Mit dem Erze also oder dem Kupfer , woraus in einer langen Periode des Alterthums fast alles gemacht ward, schlofs die ältere, obgleich schon auf die dargelegte Weise modificirte Fabel für sich, und war auf diese Art vollständig und rund. So wie sie aber der übrigen mythischen Erzählung angepasst ward, und das neue seit Deukalion vorhandene Menschengeschlecht als ein viertes hinzutrat ; da war es wieder eben so natürlich , dafs man das Spiel mit den Metallen fortspielte. Die Eisen-Arbeit galt für eine spätere Erfindung; man schied sie also aus dem Begriff der Metallarbeit überhaupt, die im ehernen Geschlecht lag , und theilte sie diesem letzten Geschlechte zu. Wie dieses sich wieder in zwei Perioden theilt , das haben wir oben gesehen. Aber hier liefs das Gleichnifs , auch noch so leichtsinnig gefafst, den Dichter im Stiche. Harmlos liefs also Hesiodus , oder wen er zum Vorgänger mag gemacht haben, sein viertes Geschlecht ohne solche Benennung stehn. Der ganz späten Dichtung war das Eisen sehr willkommen. Als ein schlechteres oder ein härteres Metall denn das Erz, ist es in der Hesiodischen Erzählung offenbar nicht zu fassen , da dort das eherne Geschlecht schon seinen Gipfel erreicht hatte. De duro est ultima ferro donnert dagegen Ovid. Denn nun war das grofse Weltjahr in vier schön abstufende den Jahreszeiten entsprechende Weltalter abgeschliffen. Wie das Sonnenjahr begann es 16 XIII. Mythos der ältesten mit einem goldenen Frühling, und endigte mit einem schwarzen, eisernen Winter. Behalten wir nun den aller frühern und spätern Zusätze und Abänderungen entkleideten alten Mythos, so wie wir ihn im obigen zu entwickeln getrachtet haben , im Auge, und werfen einen vergleichenden Blick auf die he-- bräische Mythologie, so finden wir zwar ein entsprechendes System von verschiedenen Menschengeschlechtern dort nicht ; aber so wie wir unsere Aufmerksamkeit darauf gewandt haben, dafs in Absicht des moralischen Sinnes der Mensch im Paradiese und das Goldne Geschlecht ein und dasselbe sind , so dürfen wir nur aus dem Paradiese heraustreten, um denselbigen Gang der Ideen unter Formen zu erblicken , die nur im unwesentlichen verschieden sind. Einzele Spuren , die ich aber damals noch nicht verfolgen konnte , zeigten sich mir schon bei meiner Behandlung des Mythos von Kain und Abel. Ganz unabsichtlich erinnerte ich dort , dafs um den Uebergang vom Stande der Unschuld zum Brudermord in dem Raume von Vater zum Sohn richtig zu beurtheilen, man erwägen müsse , dafs die Allegorie ganze Geschlechter und Zeiten auf Individuen koncentrire ; Adam und Eva seien die Stellvertreter des Menschengeschlechts im Stande der Unschuld , dem goldnen Alter der Griechen ; Kain und Abel die des Menschengeschlechts im Stande der Sünde , der von den Griechen wieder in zwei oder drei abstufende Alter getheilt werde , bis sie in das eiserne gelangen , wo der Bruder den Bruder tödtet. Ich zeigte ferner aus innern entscheidenden Gründen , daſs Adam und Eva, Kain und Abel , einen zwiefachen , aber zusammenhangenden und in sich vollendeten Mythos bilden, welcher oberhalb von der Schöpfungsgeschichte und unterhalb von der Nachwelt ursprünglich gänzlich getrennt sei. Eben so haben wir in der gegenwärtigen Untersuchung dargethan, dafs der Mythos von jenen Urgeschlechtern ein für sich bestehender sei, der unabhängig entstand von den geogonischen und theogonischen Mythen, die man vor ihn gepflanzt hat, und von aller mythischen Geschichte nachher. Eine natürliche Kritik zeigte uns, daſs die Menschengeschlechter. , 17 die drei ersten Geschlechter die einzigen des ursprünglichen Mythos sind ; und die höchste innere Wahrscheinlichkeit führte uns darauf, dafs das zweite und dritte Geschlecht neben einander bestanden haben müssen. Kann nun eine Uebereinstimmung vollständiger sein , als die zwischen dem Goldnen, Silbernen, Ehernen Geschlecht, und den eben so viel Geschlechter repräsentirenden Personen Adam, Abel, Kain? Wir müssen dabei nicht vergessen, dafs die hebräische Mythologie, eben so wie die griechische , ein aus mancherlei älteren Erzählungen gebildeter Fabelkreis war , und dafs die mosaische Geschichte davon nur einen sehr schmalen nach bestimmten Absichten zugerichteten Auszug enthält., Wir denken uns gewöhnlich Abel als einen frommen Mann, in scharfem Gegensatze gegen Kain. Die Bibel sagt davon nichts. Vielmehr, da es doch sonst so gewöhnlich in diesen Büchern ist, durch solche Ausdrücke : ,,er that was dem Herrn wohlgefiel," ", er führte ein gottseliges Leben," diesen Begriff zu erwecken, sind wir durch dieses Stillschweigen berechtigt, den Gegensatz gegenKain einzig im Temperament zu suchen : wir müssen ihn ruhig und still, im Gegensatz der rauhen Wildheit des andern, annehmen ; aber wir brauchen uns nicht zu scheuen vorauszusetzen, dafs er in den vollständigen Erzählungen, die der mosaischen vorausgingen, zugleich träg und weichlich geschildert ward : eine Ansicht , die noch begünstigt wird durch das bequeme Schäferleben, im Gegensatze von Kains Ackerbau , aus welchem mühsameren Betrieb die Erfindung der Künste entsprang. Und in dem einzigen Umstande, dafs Gott Abels Gabe gnädig ansah , Kains aber nicht, liegt durchaus nichts, als dafs der alte Dichter jenem Temperamente hier eben so den Vorzug gibt, wie der Griechische Mythos der Eigenschaft des zweiten Geschlechts durch die Rolle , die er den Geistern desselben nach dem Tode beilegt. Eine ganz unerwartete Bestätigung gewähren dieser Ansicht die Namen der beiden Brüder, an deren buchstäblichen Sinn ich eben dort , ohne an diese Anwendung zu denken, gemahnt habe. Kain heifst der Spiefs und Abel der Schmerz. Also haben wir hier genau das LanII . B 18 XIII. Mythos der ältesten zengeschlecht und und das das Schmerzengeschlecht , das wir in dem gewöhnlichen Mythos erkannt haben , wo die ἄλγεα des silbernen Geschlechts *) , und die χάλκεα τεύχεα des ehernen **) , oder die εἰνοδίη μάχαιρα desselben bei Aratus, gewifs nicht mit Unrecht , von mir als Spuren der uralten Charakterisirung beider Geschlechter hervorgehoben worden sind, die sich nun auch in jenen so ganz entsprechenden hebräischen Namen kund thun. Dafs ein allegorischer Mythos , in welchem einzele Personen ganze lange Geschlechter repräsentiren , bei der nachherigen Anreihung sämtlicher Mythen , ohne Mifsverständnifs nicht an die Spitze der Geschichte des Menschengeschlechts sich stellen läfst , ist begreiflich. Bis zu der alles vertilgenden Sündflut , welche auch die dortige Ueberlieferung darbot , mufste also die sindige Vorwelt gedehnt werden ; und jene Repräsentanten ganzer Geschlechter traten nun als Stammväter auf; obgleich die biblische Genealogie nur von Kain eine Reihe Nachkommen aufführt , die sich , zur Bestätigung unserer Vergleichung, endigt mit den Erfindern der Künste, namentlich der Metallarbeit. Zu Erhaltung aber des Samens des Guten sorgt diese Mythologie für eine genealogische Reihe einzeler Frommen bis auf Noach, an deren Spitze sie einen eignen Sohn des Adam setzt : vielleicht auch dies ein Beweis , dafs Abel , der ja eben so gut an der Spitze einer Stammreihe stehn konnte , nicht in dem vollen Sinne eines Gerechten , wie ihn die Zeit nach dem Falle noch zuläfst, gedacht wurde. Ergänzen wir also den Mythos in seiner Vergleichung mit dem griechischen und in seiner Verbindung mit der Folgezeit so : Adam und Eva, die in dem Stande der Unschuld dem goldnen Geschlecht der Griechen entsprechen, zeugen, nachdem sie durch ihren Sündenfall das Uebel in die Menschheit gebracht, in diesem ihren sindigen Zustand zwei Söhne, in welchen sich die im gefallenen Adam allgemein gedachte Sünde zwiefach äufsert , den wilden,

  • ) ᾄλγε᾽ ἔχοντες ᾿Αφραδίαις.
    • ) Τοῖς δ᾽ ἦν χάλκεα μὲν τεύχεα -

Menschengeschlechter. 19 harten , ehernen Kain , und den stillen , aber weichlichen und trägen Abel, der viel Schmerz von seinem Bruder erlitt, und endlich von ihm erschlagen ward. Von ihnen ging die sündige Vorwelt aus, und von Kains Geschlecht, dem gewaltthätigsten, wurden die Künste und die Metallarbeit erfunden. Aber auch das Gute, dessen der Mensch noch fähig ist, erhielt sich von einem dritten Sohne Adams aus, dem Seth, durch eine Reihe einzeler Menschen bis auf Noach, der diesen Samen durch die Flut auf ein neues Menschengeschlecht brachte. Dieser von Seth ausgehenden Reihe, die natürlich kein Menschengeschlecht in jenem Sinne des Wortes bildet, ist ebenfalls etwas entsprechendes in der griechischen Mythologie, da wir uns den von der Gottheit geretteten Deukalion als das letzte Glied einer ähnlichen Reihe neben oder unter jenen Geschlechtern zu denken haben ; wenn gleich das widerspruchsvolle genealogische System der Mythologen ihn und die Pyrrha unmittelbar zu Kindern des Prometheus und des Epimetheus und der Pandora macht, zwischen welchen Personen der bekante Mythos spielt, den ich in einer früheren Abhandlung als eine unverkennbare Modifikation des orientalischen Mythos vom Sündenfall dargelegt habe. Das bisher beigebrachte reicht hin, um auch hier die historische Verwandtschaft des orientalischen und griechischen Mythos von der erst unschuldigen, dann sündigen und zuletzt vertilgten Vorwelt darzuthun. Weitere Spuren von dem Uebergang desselben aus jener Form in diese, und aus einem Lande in das andere, fehlen und sind ent behrlich. Da wir indessen schon ein paarmal Fragmente von phrygischer Mythologie zwischen der südasiatischen und der griechischen in der Mitte gefunden haben * ) ; so ist die Vermuthung vielleicht nicht ganz verwerflich, dafs in diesem durch seine Metallarbeiten so früh bekanten Lande, in dessen Nähe auch das Vaterland des Eisens und

  • ) Die vom Annakos, als deutlicher Wiederholung der von Henoch (Abh. von Kain u. s. w.) und die vom phrygischen Noach

auf den Münzen von Apamea Kibotos (Abh. von der Sündflut) ; so auch die von Iapetos und Prometheus, s. Abh. IX. S. 222. fig. B 2 20 XIII. Mythos der ältesten der Eisenarbeit war, dafs,, sage ich, in diesem schon der Mythos jene mit der Vergleichung der Metalle spielende Form erhielt, und dafs die kleinasiatischen Griechen, zu welchen Hesiod's Vater gehörte, ihn so von den Phrygiern empfingen. Wir wenden uns wieder zu der griechischen Fabel, um noch einen merkwürdigen Nebenzug der Hesiodischen Erzählung zu betrachten. Dies ist die bei ihm allein hinzutretende Bestimmung , dafs die abgeschiedenen Seelen der Menschen des Ersten und Zweiten Geschlechtes als Dämonen oder Geister fortdauernd walten, und zwar die ersteren irdische Dämonen wohlthätiger Art seien, die das Recht beschützen, die andern unterirdische sterbliche Selige (μázαoes vηroí) von zweitem Rang, aber auch der Ehre theilhaftig. Hier fällt es sehr auf, dafs in einem so alten Volksdichter von zwei Reihen göttlicher oder geistiger Naturen die Rede ist, von welchen doch, so viel mir bekant ist , durchaus nichts in den gangbaren religiosen Gebräuchen der Griechen weiter bemerklich ist. Denn offenbar sind diese Dämonen verschieden von den Heroen , von deren Verehrung so viel im Alterthum vorkommt, und die nachher besonders erwähnt werden. Auch findet man nie, dafs mit dem Namen Heroen andre Wesen bezeichnet wurden, als Individuen aus der mythischen Zeit seit Deukalion, deren Name sich in den verschiedenen Stämmen, Städten, Familien u. s. w. erhalten hatte. Die Benennung Dämonen begreift zwar in ihrer engern Bedeutung auch bei den nachfolgenden Schriftstellern göttliche Wesen niedern Ranges ; aber sobald man sich etwas bestimmtes darunter dachte , so waren es die Nymphen, die Winde, und andre die Gegenstände der Natur belebende Wesen ; auch wol andre einzele Gottheiten dieses Ranges, die vermöge alter Ueberlieferung bei einzelen Stämmen irgend einem Gegenstand oder Geschäft vorstanden ; wobei auch nicht zu leugnen ist, dafs man zu gleicher Zeit an das Dasein einer Menge Gottheiten glaubte, die den Menschen nicht bekant geworden , und welche alle unter dem Namen Dämonen begriffen sind. Aber die Hesiodische Stelle geht auf einen ganz bestimm- • Menschengeschlechter. 21 ten Glauben und eine Art wirklicher Verehrung von zwiefachem Grade. Seine δαίμονες und μάκαρες θνητοὶ haben etwas den geniis der italischen und den Engeln der orientalischen Religionen ähnliches , wovon bei den Griechen der älteren Zeit , wo noch keine fremde Superstitionen sich eingeschlichen hatten, keine Spur ist. Ich halte dies daher mit für einen Beweis , dafs dieser Mythos aus dem Orient kommt, und dafs ihn Hesiod hier aus einer diesem Ursprung näheren Quelle vorträgt. Denn der Grieche war empfänglich für alle alte Sagen, er ' leugnete keines der göttlichen Wesen, wovon ihm eine Kunde zukam ; aber er verehrte in jener alten und reinen Zeit nur die, von welchen er eine eigne National - Erfahrung hatte. t Hesiodus brachte indessen diesen so vorgetragenen Mythos nicht ohne bestimmte Absicht unter die Griechen. Er gefiel ihm des moralischen Gebrauches wegen , den diese überall umher schwebenden göttlichen Beschützer des Rechts dem Volkslehrer gewährten. Darum kommt er auch auf diesen Zug noch einmal mit einiger Wiederholung, aber auch mit kleinen Zusätzen, zurück, wenn er v. 252. ff. zu Warnung der Könige sagt : Τρὶς γὰρ μύριοι εἰσὶν ἐπὶ χθονὶ πουλυβοτείρῃ ᾿Αθάνατοι Ζηνὸς, φύλακες θνητῶν ἀνθρώπων, Οἵ ᾧα φυλάσσουσίν τε δίκας κ. τ. λ. Dreifsigtausend ja sind auf der Nahrung sprossenden Erde Zeus unsterbliche Boten, der sterblichen Menschen Behüler, Welche die Obhut tragen des Rechts u. s. w. Wie ähnlich sind diese von Zeus ausgeschickten Götter den Engeln der jüdischen und christlichen Religion ? Aber wenn sie bei den Griechen im gangbaren Glauben gewesen wären, so könnte es ja nicht fehlen, dafs, wie in der Bibel allerlei Erscheinungen und Einwirkungen der Engel, so auch bei Homer und allen folgenden Dichtern und Schriftstellern, eben dergleichen von jenen Rechts- Wächtern und Tugendbeschützern vorkämen. Allein überall sehn wir nur die bekanten Gottheiten walten und handeln ; und 22 XIII. Mythos der ältesten nur erst die ganz späten Dichter, bei welchen schon mannigfaltiger Einflufs, theils fremder Religionen, theils mystisch - philosophischer Lehren , sichtbar ist , kommen hie und da auf jene Hesiodische Lehre zurück (s. Heins. Introd. in ' Eoy. x. ' Hu. c. 7.) . Nehmlich viele der Sänger jener ältesten Zeit waren in Absicht ihrer Zeitgenossen eben das, was späterhin die Philosophen. Sie trugen keineswegs blofs die gewöhnlichen Vorstellungen, blofs die gangbaren und einheimischen Religionslehren vor. Sie holten nützliche Lehre in jeder Form überall her, vorzüglich also in jener epischen Zeit die Mythen anderer Stämme und Nationen , welche solche Lehren in sich schlossen. Und Hesiodus tritt hier mit diesem Mythos. und mit seinen göttlichen Wächtern genau auf, wie ein Plato jener Zeit *).

  • ) Diese Ansicht möge vor jeder übereilten Kritik der Verse

122. ff. und 252. ff. abhalten, dergleichen schon Brunck gewagt hat. Die erstere Stelle lautet in allen Handschriften und Ausgaben so : Τοὶ μὲν δαίμονές εἰσι Διὸς μεγάλου διὰ βουλὰς Εσθλοὶ ἐπιχθόνιοι , φύλακες θνητῶν ἀνθρώπων , Οἱ ῥα φυλάσσουσίν τε δίκας καὶ σχέτλια ἔργα Πέρα ἑσσάμενοι πάντη φοιτῶντες ἐπ᾽ αἶαν , Πλουτοδόται, καὶ τοῦτο γέρας βασιλήϊον ἔσχον . Die andere so Τρὶς γὰρ μύριοι εἰσὶν ἐπὶ χθονὶ πουλυβοτείρῃ ᾿Αθάνατοι Ζηνὸς, φύλακες θνητῶν ἀνθρώπων, Οἵ ῥα φυλάσσουσίν τε δίκας καὶ σχέτλια ἔργα Πέρα ἑσσάμεναι πάντη φοιτῶντες ἐπ᾽ αἶαν. Die zwei ersten Verse der ersten Stelle führt Plato im Cratyl. p. 398. a. und nach ihm andere, so an : Οἳ μὲν δαίμονες ἁγνοὶ ἐπιχθόνιοι τελέθουσιν Εσθλοὶ, ἀλεξίκακοι , φύλακες θνητῶν ἀνθρώπων . - Diese Schreibart hat man empfohlen und aufgenommen, und Brunck hat die beiden folgenden Verse Οἵ ῥα φυλάσσουσιν ἐπ᾽ αἶαν herausgeworfen, als aus der zweiten Stelle hieher verpflanzt. Alles mit grofsem Unrecht. Die platonische Lesart, wenn sie nicht geradezu als eine Anführung aus dem Gedächtnifs anzusehen ist, ist auf jeden Fall nur eine der tausend Abweichungen, welche in diesem alten Gedichte sich von alters her finden mussten, und de- Menschengeschlechter. 23 Die zweite Erwähnung dieser Dämonen gewährt uns übrigens auch noch den deutlichen Gegensatz zu dem vnToi, welches an der erstern Stelle die Geister des zweiten Geschlechts zum Beiwort haben. Also haben wir nun einen vollen Zusammenhang. Die Geister des Ersten Geschlechts allein heifst er Dämonen , und dafür die des Zweiten μáxαges Selige. Ich glaube jedoch nicht , dafs diese, selbst den höchsten Göttern überall zukommende Benennung hier den untern Rang bezeichnen soll ; vielmehr zeigt das nachher mit Nachdruck erst beigefügte δεύτεροι , dafs δαίμονες und μάκαρες als Synonyme nach Maafsgabe des Verses stehn. Aber das ist nun klar, daſs jene ersten wirklich unsterbliche Gottheiten sind, die andern aber in die Klasse derer gehören , denen ein zwar langes aber doch beschränktes Dasein bestimmt ist , wie z. B. vielen Nymphen ( s. Plut. de Orac. def. c. 11. ) . Ich erinnere hier an meine Darstellung der Paradies - Dichtung, und dafs, wie ich zeigte, in der Idee des Paradieses auch die Unsterblichkeit des darin wohnenden Menschen lag; denn er würde, wenn es gedauert hätte, immer den Baum des Lebens genossen haben. Dies war also eine verscherzte Unsterblichkeit. Bei der Gestaltung des griechischen Mythos, wo die Sünde ganz auf die folgenden Geschlechter fiel, erhielt jene Unsterblichkeit, welche, wie man sieht, in der Ur - Idee des sogenannten Goldenen Geschlechts lag , volle Realität. Jenes Menschengeschlecht lebt fort als unsterbliche Gottheiten. 1 ren besondere Entstehung wir in der folgenden Note deutlich wahrnehmen werden . Auf das Διὸς μεγάλου διὰ βουλάς bezieht sich in der andern Stelle das ' Adávatoι Zŋvós, ein Ausdruck, den ich ebenfalls nicht angerührt zu sehn wünsche, da der Genitiv deutlich diesen Sinn ansdrückt : Zeus unsterbliche Boten. Die zwei doppelt vorkommenden Verse aber stehn jedesmal an ihrer rechten Stelle ; das erstemal, weil es dem Dichter gleich anfangs darauf ankommt, die volle Schilderung dieser Geister zu geben ; das andremal, weil er sich deutlich auf jene beziehen muſs, und nichts schicklicheres wiederholen kann, als was zur Warnung der Könige, die er hier anredet, am wirksamsten ist. 24 XIII. Mythos der ältesten Der Ausdruck : καὶ τοῦτο γέρας βασιλήϊον ἔσχον , und solches war ihr königlich Ehramt, steht eben so in deutlicher Beziehung auf den Vers vom zweiten Geschlecht : Δεύτεροι, ἀλλ᾽ ἔμπης τιμὴ καὶ τοῖσιν ὀπηδεῖ. Als die Zweiten ; jedoch ward ihnen auch Ehre zum Antheil. Die Ausleger sehn in jenen Worten blofs einen ziemlich matten Zusatz zu dem пhoуτodóval, wodurch den Königen der Erde ein Wink gegeben werden solle. Auch Grävius, obgleich er allein den Gegensatz bemerkt hat , ist von dieser Ansicht nicht frei. Mich dünkt aber, wer den ganzen Zusammenhang und Gegensatz recht überschaut, dem kann es nicht entgehn , dafs dies so viel heifst : Alles dies ist ihr königliches Amt , d. h. das ist ihr Amt, als Könige. Sie sind also Könige , d. h. nach damaligem Sprachgebrauch, sie bilden ein königliches Geschlecht, einen Adel unter den Geistern, und jene andern sind ihnen untergebene des zweiten Ranges. Also haben wir hier eine Art Hierarchie unter den Geistern , die an orientalische Vorstellungen genug, aber an keine griechische weiter erinnert. Dieser durchgehende Gegensatz muſs denn auch, so wie die Sache jetzt liegt, die fast allgemeine Lesart inox óviο von den zweiten Geistern , gegen das nur schwach unterstützte лóvioi, fest halten, Aber eben indem wir bemerken , dafs hier fast kein Wort ist , das nicht seinen Gegensatz hat , so fällt das Beiwort ovλoí auf, das durchaus nur den einfachen Begriff gute hat, und das so voran und abgeschnitten da steht. Unmöglich können doch die zweiten hiegegen im Gegensatz stehn, sie, denen auch Ehre gebührt. Jetzt, da kein Gegensatz da ist , mufs uns freilich das beruhigen, dafs dies Wort ein lobendes und ehrendes Beiwort ist, das man ja wol auch ohne absichtlichen Gegensatz gibt: und damit beruhigte sich auch der einfache Sänger und Hörer jener Zeit *). Aber es liegt etwas im Ganzen, und 1

  • ) In der Art, wie diese Verse bei Plato angeführt sind (s. d.

Menschengeschlechter. 25 in der Stellung und Fügung dieses Lobes , wodurch die Art von Kritik, die wir hier üben, doch noch aufmerksam erhalten wird. Und hiezu tritt noch mit gröfserm Gewicht der Ausdruck bei den zweiten : ἀλλ᾽ ἔμπης τιμὴ καὶ τοῖσιν onnde . Sieht man nicht immer deutlicher dafs hier ein ganzes drittes Glied fehlt , Geister die nicht gut sind, und denen auch diese untergeordnete zweite Ehre nicht gebührt ? *) Doch diese Lücke zeigt sich noch deutlicher. Sobald uns nehmlich die Erwähnung der aus den zwei ersten Menschengeschlechtern entstehenden Geister nicht mehr auffällt , so fällt es uns auf, daſs das dritte deren keine hat. Man betrachte den Mythos in sich, ohne Rücksicht auf Griechen oder Asiaten, so ist aus seiner ganzen Tendenz und Gestaltung , so wie aus dem Ebenmaafs, klar , dafs hier böse Dämonen erwähnt waren ; man betrachte ihn in orientalischem Sinne, so ist es gewifs. Jene verruchte Vorwelt bewohnet jetzt die Finsternifs , von wo sie jede Gelegenheit wahrnehmen, da die guten Götter und Geister sie nicht beobachten oder den Menschen nicht bewachen, um als böse Geister Unglück und Sünde auf der Erde zu bewirken ; denn der blofse Begriff ohnmächtiger , nur Furcht und Schrecken erregender Gespenster, dergleichen alle abgeschiedne Seelen sind , reicht nicht hin , um jene Darstellung auszufüllen. Aber es ist nun auch klar , warum diese bösen Geister fehlen. Die griechische Religion ist die einzige, welche den uralten Dualismus aus eigner Kraft fast bis auf die Spur vertilgt hat. Sie kennet keine böse Götter und Geister, welche, sei es unabhängig oder abhängig und geduldet , noch walten. So gedachte Gottheiten glaubt sie nicht nur nicht, sondern vor. Note) , spricht sich das Bedürfnifs aus , welches man fühlte, das loi so zu fassen ; daher die Häufung mit άyvoi und alɛşixaxo , welchen das Aus perálov diù fovias, das entbehrlich schien, weichen musste.

  • ) Ich mufs anführen, dafs Lanzi ad v. 123. dies gefühlt hat.

„Per quell' ¿o&λoi tacitamente insinua l'esistenza di altri demoni cattivi, conforme alla sacra tradizione.” ― 26 XIII. Mythos der ältesten sie leugnet sie. Alles was von dieser Art aus uralten Religionen auf sie gekommen , man überschaue ihre Mythologie, entweder es ist geradezu getödtet , wie der Python, oder es liegt in ewigen Banden , wie Typhoëus und die Giganten und die Titanen , oder endlich die griechische Theologie hat es umgewandelt in heilige und gerechte Götter auch sie, wie Hades und die Erinnyen. Das Böse in der Welt, was die Menschen nicht selbst bewirken, das schicken die ewigen Götter in ihrem , freilich menschlich gedachten Zorn. Aber von Natur und absichtlich Böses thuende Götter und Geister walten nirgend. Wenn so etwas in den Sagen war, so konnte es, als aller altgriechischen Moral und Aesthetik widersprechend, gar nicht aufkommen ; oder wenn es in dem Munde des gemeinen Volkes und schwächlicher Thoren war, so wurde es als eine elende Deisidämonie verachtet, und fand wenigstens in den Gesängen jener untadlichen Barden keinen Vorschub. Meine Frage ist gelöst. Dafs dieser Mythos in seiner Urform solcher Geister erwähnte, das sehe ich deutlich , ich sehe die Stelle wo sie fehlen ; aber ich sehe auch das Messer welches sie wegschnitt. Das Wie, Wann und Wer kümmert mich weiter nicht. Noch eine Vermuthung , deren Gegenstand geringfügiger ist, mag ich nicht unterdrücken, weil, wenn sie gegründet ist , sie den orientalischen Mythos noch besser vollendet. Die ersten Geister heifsen bei Hesiodus πKoóvioi , zwar , wie sich erwarten liefs , mit der Variante vлоvóиoι , die aber bei diesen Geistern schwerlich einige Begründung finden kann. Die andern heiſsen vñoɣvóviοi ; natürlich wieder mit der Variante éпión , die aber hier von einem Theil der alten Ausleger sehr vertheidigt wird. Sie beziehen nehmlich auf diese zweimalige gleiche Bestimmung den Zusatz deÚTEQOL ganz besonders. Mir , und allen denen meine Annahme von den Geistern des dritten Geschlechts sich empfohlen hat, muſs natürlich diese Lesart sehr schmeicheln. Nur die Geister der Finsternifs waren in dem alten Mythos únоzóvio . Aber sofort mufs uns auch das Streben nach Ebenmaafs und Menschengeschlechter. 27 - - Symmetrie , das in allen solchen alten Dichtungen liegt, dahin leiten , anzunehmen , dafs der orientalische Mythos die untadlichen Geister des ersten Geschlechts zu überirdischen μεταχθονίοις oder himmlischen , die des zweiten zu irdischen, die bösen zu unterirdischen machte, Diese Vorstellung pafste aber zu wenig in das System der altgriechischen Religion , welche noch nicht so freigebig war mit Wohnungen im Olymp , und welche die Götter der Unterwelt zwar als furchtbare , aber nicht als böse beschrieb. Die Bestimmungen wurden also anders gefafst , liefsen aber Varianten zu , die sich von selbst darboten, und folglich ohne Zweifel uralt sind. 28 XIV. Kronos XIV. Ueber den Kronos oder Saturnus *). In der vorhergehenden Abhandlung habe ich eine anziehende Frage übrig gelassen , die sich zu einer besondern Untersuchung zu eignen schien ; nehmlich die, was es für eine Bewandnifs habe mit jener Bestimmung des Goldnen Geschlechts, dafs es unter des Kronos oder Saturnus Herrschaft gestanden habe **). Eine Frage , welche sogleich übergeht in die andre , was es überhaupt für eine Bewandnifs habe mit diesem wahrhaft räthselhaften Gotte, der nicht nur Vater des höchsten Gottes , sondern selbst ein höchster Gott ; der ein alter Wohlthäter des Menschengeschlechts war ; der bald als ewig gefesselt im Abgrund, bald als herschend auf den Inseln der Seligen geschildert wird ; von welchem ein berühmtes Fest den Namen führt, und von dem wir doch , wenn wir den Total - Eindruck aufmerksamer Lesung der Alten sprechen lassen , sagen müssen , dafs er in Griechenland keine eigentliche Nationalverehrung und keine ordentliche Tempel hatte , und in Italien zwar beides , aber lange nicht in dem Verhältniſs der andern Gottheiten. Trotz dieses kleinen zuletzt angedeuteten Unterschiedes entferne ich zuförderst jede Trennung des Kronos vom

  • ) Vorgelesen in der Akademie der Wissenschaften den 17.

Merz 1814.

    • ) Hesiod. ε. 111. Οἱ μὲν ἐπὶ Κρόνου ἦσαν, ὅτ᾽ οὐρανοῦ ἐμβαoilever. Plat. Politic. p. 271. 272 etc.

oder Saturnus. 29 Saturnus , die sich stützt auf oberflächliche Angaben der Art, die italischen Völker hätten einen alten Nationalgott des Feldbaues, wegen Aehnlichkeit einiger Attribute, mit dem Kronos der Griechen verglichen. Diese Art der Ansicht ist zulässig zwischen den Griechen und den ihnen ganz fremden oder fremd gewordenen Nationen des Orients und des Nordens , aber nicht zwischen zwei so nah verwandten ; sie mag auch da zulässig sein in Absicht einer oder der andern wenig bekanten Gottheit, nicht aber eines in der Sage so umständlich auftretenden allgemein bekanten Gottes. Kurz , wer den Saturnus vom Kronos trennet, der trenne nur auch eben so . leichtsinnig den Vulkanus, den Merkurius, die Diana, die Minerva von den entsprechenden griechischen Gottheiten , von denen die Namen sie trennen ; oder er halte die Sage von dem Goldnen Alter in Italien unter Saturnus für eine auf historische Wahrheit gegründete , verschieden von der griechischen Fabel des Goldnen Geschlechts unter Kronos. Aber jene Deutung zum Feldgotte hat nicht einmal eine ordentliche Ueberlieferung zum Grunde, sondern sie ist auch bei den älteren Schriftstellern nur ein klügelndes Rathen, einzig gestützt auf das Attribut der Harpe oder des sichelförmigen Messers, das an die Ernte oder auch an die Schneitelung der Bäume erinnert, und auf die so bedenkliche Etymologie des Namens Saturnus mit langem a von satus mit kurzem *).

  • ) Macrob. 1 , 7. läfst den Janus den Dienst des Saturnus, als

Urheber eines bessern Lebens, einführen, und setzt hinzu : Simulacrum ejus indicio est, cui falcem insigne messis adjecit. Huic deo insertiones surculorum pomorumque educationes et omnium cujusquemodi fertilium tribuunt disciplinas. Vgl. Virg. Georg. 2, 406. Ru- sticus curvo Saturni dente , relictam Persequitur vitem. S. auch Varr. ap. Augustin. de C. D. 7, 13 et 19. Plut. Quaest. Ro. 42. p. 275. a. Festus v. Saturnus. Die Etymologie von satus s. bei Festus ebendaselbst und bei Varro L. L. 4, 10., der sie aber nicht einmal auf den Feldbau bezieht, sondern in kosmogonischem Sinn auf den Himmel, zu dem er und andre den Saturnus deuten : vgl. unten eine Note. Uebrigens wird man mich hoffentlich nicht so miſsverstehn, als hielte ich in Etymologien überhaupt die Aenderung der Quantität einer Silbe für etwas bedenkliches, während Buchstaben und Silben sich gänzlich umwandeln. Die Meinung ist 30 XIV. Kronos Uebersehn wir schnell des Kronos Attribute und Mythologie , so sind die am meisten in die Augen fallenden Punkte: 1 ) die ebenerwähnte Harpe, womit er seinen Vater der Mannheit beraubt ; 2) seine ehemalige Weltherrschaft, deren ihn Zeus beraubt ; 3) das Goldne Geschlecht unter ihm , in der einen Sage auf der Welt überhaupt, in der andern nach seiner Verstofsung in Italien ; 4) das Verschlingen und Wiederausspeien seiner Kinder; 5) das nach ihm benannte Fest und die damit verbundenen Vorrechte der Sklaven, was in Italien eine ausgezeichnete Na- tionalsitte war. Hier fragt sich zuförderst , was hat man von einem Mythos zu denken, der einen Gott zum ehemaligen nachher vertriebenen Weltherscher macht? Die am meisten oben liegende Antwort ist diese , der vertriebene sei der in der ältern Religion wirklich einst verehrte oberste Gott, den aber eine später eingeführte Religion geleugnet habe; mit andern Worten : der Mythos bedeute den KronosDienst, vertrieben durch den Zeus - Dienst. Man ist hier freigebig mit Ideen aus den neuern Zeiten , wo allerdings Religionen , wie die christliche und mahomedanische , den Völkern mit einer Gewalt aufgedrungen worden sind, welche intolerante Symbole jener Art begründen könnten. Wenn in jenen ältern Zeiten Aenderungen der Art bei einem und demselben Volke wirklich statt fanden, so sind sie zuverlässig sanfter vor sich gegangen. Und wenn auch die Anhänger eines ältern Ritus hie und da verfolgt worden sein mögen, so verfolgte doch nie ein Volk seine eignen Ahnen. Die Götter oder den obersten Gott seiner Väter ehrt ein Volk durch alle Perioden hindurch ; es wird seine Vorstellungen von ihm reinigen , es wird sie im wesentlichen vielleicht ganz umkehren ; aber eine Religion , welche den ältern , wirklich früherhin von dieser nur , dafs wenn eine Sprache einen Gegenstand nach einem andern so ganz mit übrigens unverändertem Stamme benennt , wie hier Saturnus wäre nach satum , dafs alsdann die Quantität sich schwerlich ändert : und dafs , wenn auch dies in einem alten Namen möglich ist , hieraus wenigstens kein Beweis , oder auch nur eine Wahrscheinlichkeit, genommen werden kann. oder Saturnus. 31 Nation verehrten Nationalgott , statt ihn zu leugnen, welches der geringere Frevel wäre, als wirklich ehedem waltend, nun aber gestürzt darstellte , wäre die profanste die sich denken liefse : eine solche konnte nie entstehn ; am allerwenigsten so, dafs Sagen sich dabei erhielten von dem Glücke und der Gerechtigkeit , in welcher die Nation unter jenem Dienste gelebt habe. Allein wenn die jeder Nation angeborne Frömmigkeit ihr nicht erlaubt, die wirklich von ihr verehrten. Götter so zu behandeln ; so steht dagegen dem gar nichts im Wege, dafs ein ursprünglich nicht von ihr verehrter Gott , an welchen also auch, und wenn er noch so wohlthätig geschildert würde , keine Naturpflicht sie bindet , durch die wunderbaren Gebilde der Mythen als Herscher einer Vorwelt dargestellt werde , woraus alsdann von selbst folgt, dafs er gestürzt ist. Ein solcher Mythos läfst uns vielleicht über vieles ungewifs , nur das lehrt er unwidersprechlich, dafs dieser Gott nie ein eigentlich verehrter hoher Gott dieser Nation war ; wobei jedoch, wenn ich dies auf den Kronos in Absicht der Griechen und Italer anwende , nichts hindert , dafs unter den übrigen Titanen, die mit ihm gestürzt sind , die wirklich verehrten Götter fremder Nationen seien, zu welcher Vermuthung sich Anlafs genug findet. Diese negativen Resultate über den Kronos , verbunden mit dem Satz, der jedem überlegenden sich als wahr darbieten mufs , dafs nehmlich der höchste Gott einer Nation, durch alle Modifikationen die er erlitten haben mag, zuverlässig immer und von jeher ihr höchster Gott gewesen ist, machen es höchst wahrscheinlich, dafs der mythische Vater desselben , also hier Kronos , der Vater des Zeus , nur eine jener persönlichen Allegorien ist, die sich erst bei Anhäufung des mythisch - theologischen Systemes in die Götter - Genealogien einmischen. Und bei dieser Voraussetzung bietet sich die Deutung des Kronos, die, so viel ich weifs, die älteste ist, auch als die überzeugendste dar. Kronos ist die Zeit *).

  • ) Schon Eurip. Heracl. 900. sagt in diesem Sinn Aiùv, Ko̟ó-

32 XIV. Kronos Hiezu gibt und gab zuförderst der Name eine sehr gültige Anleitung , da die Verschiedenheit χρόνος , χρόνος, völlig in den griechischen Dialekten gegründet ist , und navov nais. Der Verf. des Buchs de Mundo c. 7. Koóvov de nai χρόνου λέγεται ( ὁ Ζεὺς ) διήκων ἐξ αἰῶνος ἀτέρμονος εἰς ἕτερον αἰῶνα . Cic. de N. D. 2, 25. Saturnum autem eum esse voluerunt (Graeci), qui cursum et conversionem spatiorum ac temporum contineret, qui deus graece id ipsum nomen habet. Koóvos enim dicitur , qui est idem xgóvos. S. auch Varr. ap. Augustin, de C. D. 7, 19. Plut. de I. et 0. p. 363. d. Lactant. de fals. Rel. 1, 12. Macrob. 1, 8. et 22. Auf eine seltsame Art spricht hievon Dionys. Halic. 1 , 38. (p . 30. Sylb . ) . Οὐδὲν οὖν θαυμαστὸν τοὺς παλαιοὺς ἱερὰν ὑπολαβεῖν τοῦ Κρόνου τὴν χώραν ταύτην (Italien ) τὸν μὲν δαίμονα τοῦτον οἰομένους εἶναι πάσης εὐδαιμονίας δοτῆρα καὶ πληρωτὴν ἀνθρώποις, εἴτε χρόνον αὐτὸν δεῖ καλεῖν, ὡς ῞Ελληνες ἀξιοῦσιν , εἴτε Κρόνον, ὡς ῾Ρωμαῖοι, πᾶσαν δὲ περιειληφότα τὴν τοῦ κόσμου φύσιν, ὁπότερον ἄν τις ὀνομάσοι . Die ausgezeichneten Worte liefsen sich vielleicht so erklären : Die Griechen deuten ihren Saturnus oder Kronos , und sagen , er sei die Zeit ; die Römer lassen sich auf keine solche Deutung ein, sondern erkennen in dem Saturnus blofs die Person , ihren Gott und ehemaligen König des Landes. Mit gröfserm Rechte scheint man jedoch die Stelle für verdorbeu zu halten. Und zwar wollen Stephanus und Casaubonus lesen : εἴτε Κρόνον (oder χρόνον ) - -, είτε Κύρον ( oder Κόριον ) ὡς ῾Ρ . Vielleicht ist dies im wesentlichen der Wahrheit sehr nah. Ich möchte nehmlich alles unangerührt lassen , und nur zuletzt statt Κρόνον schreiben Κόρονον. Dann wären hier wirklich zwei Deutungen des Namens . Bei den Griechen ist die durch zgóvos die gangbare. Bei den Römern heifst er Saturnus : dies erklärt sich Dionysius nach Cicero's Vorgang aus satur, und findet darin eine Uebersetzung des Namens Κρόνος statt Κόρονος von κόρος saturatio. Wirklich stimmt, wenn man auf die Quantität der Silbe Sa nicht achtet, Kógo - vos buchstäblich mit Satur - nus. Merkwürdig ist noch, dafs Plutarch (Quaest. Ro. 11. et 12. p., 266.) als etwas den Römern eigenthümliches anführt, dafs sie den Saturnus den Vater der Wahrheit nenneten. So deutlich dies darauf geht, daſs die Zeit alles ans Licht bringet , so ist es doch nicht blofs die philosophische Idee einiger Schriftsteller. Denn wie käme sonst Plutarch darauf, dies mit einem Aia ti-voµišovow ; unter seine Fragen über das Römische Alterthum zu bringen, und jene Lösung nebst noch einer andern zu versuchen ? Er fand also jenes unter gewissen religiosen Formeln ; und wir sehn daraus, dafs Saturn schon immer auch in Rom für ein Symbol der Zeit galt. oder Saturnus. 33 namentlich statt x das ältere ionische zu sein pflegt *). Weniger beweisend ist die Art, wie der Gott gebildet wird ; denn da alle eigentliche Kunst schon in die Zeit der Deutungen fällt, so ist nicht immer gewifs, ob dieser oder jener Zug überliefert oder ob er durch Deutung hinzugekommen ist. Also nur als Beweis sehr alter Deutung des Kronos auf die Zeit wollen wir die Uebereinstimmung seiner Bildung anführen, da er stets als Greis dargestellt wird **), und mit verdecktem Hintertheil des Hauptes ***), welches letztere deutlich auf die verhüllte Zukunft geht, da besonders im griechischen oniowo immer die Zukunft bedeutet. Zuverlässiger sind die aus höherem Alterthum überlieferten Attribute , also namentlich bei dem Kronos

  • ) Vgl. χάζω κεκαδεῖν , δέχομαι δέκομαι . Insbesondere aber habe ich in meiner Grammat. Not. zu §. 17. bemerkt , dafs die tenues

vor dem e zuweilen sich aspiriren , wie in Θράσσω für ταράσσω , φροίμιον für προοίμιον : eben so scheint χράω , das bekantlich zur Grundbedeutung hat anfassen , einerlei zu sein mit dem Stamm von κράτος, κρατεῖν : so also auch χρόνος entstanden älteren κρόνος. - с - Sabinus - - aus dem

    • ) Toyέowv sogar nennt ihn Meleager Ep. 128. S. auch

Virg. 7, 177. sqq. Quin etiam veterum effigies ex ordine avo- rum Italus Saturnusque senex vestibulo astabant. Tertull. ad Nationes 1 , 10. Easdẹm statuis inducitis formas ut cuique ars aut negotium aut aetas fuit. Senex de Saturno, imberbis de Apolline, virgo de Diana figuratur. Artemid. 2, 49. pɛigáriov onμαίνει τὸν ῾ Ερμῖν, νεανίσκος δὲ τὸν ῾Ηρακλέα , πρεσβύτης δὲ τὸν Κρό- vov. Serv. ad Georg. 1 , 236. Albric. c. 1. Diese Stellen beweisen eine durchgehende Vorstellung, wogegen es nichts beweist, wenn eine andre Observanz dem Saturn einen stets schwarzen Bart zuschreibt , nehmlich als Symbol der immerwährenden Jugend des Goldnen Geschlechts. Procl. ad Hesiod. &. 114. et in Theol. Plat. 5, 10. pr. Der veredelnden Kunst mag ein solches frisches Alter für die Götterbildung willkommen gewesen sein : aber in der gewöhnlichen Vorstellung blieb er ein grauhaariger Aller , wie er sich , von Lucian (Saturnal. 5.) redend eingeführt, selbst nennet, πολιὸν οὕτω καὶ πρεσβύτην θεόν.

      • ) Serv. ad Aen. 3, 407. Sciendum, sacrificantes diis omnibus

capita velare consuetos excepto tantum Saturno , ne numinis imitatio esse videretur. Fulgent. Planc. Mythol. 1 , 2. Satursenior, velato capite, falcem gerens. Albric. c. 1. Hirt Bilderbuch für Mythol. I. p. 13. nus - II. C 34 XIV. Kronos die Sichel, auf die alles zerstörende Zeit gehend * ), welcher auch aufser dieser mythischen Personifikation in der Dichtersprache eine Sichel zugeschrieben wird ; s. z. B. das alte Epigramm auf Laërtes zerstörtes Grab ('Adeon. 615. Brunck) : ψήχει καὶ πέτρην ὁ πολὺς χρόνος , οὐδὲ σιδήρου Φείδεται, ἀλλὰ μιῇ πάντ᾽ ὀλέκει δρεπάνῃ . Stein zermulmet die Zeit, die daurende , selber des Eisens Schont sie nicht ; alles zumal tilgt mit der Sichel sie hin. Noch vollständiger aber spricht in diesem Sinne der uralte Mythos der verschlungenen und wieder hervorgegebenen Kinder. Nichts ist nehmlich irriger , als wenn man die abenteuerlichen Begebenheiten und Thaten der mythischen Welt als zufällige Geburten einer reichen und mannigfaltigen auf seltsames ausgehenden Fantasie betrachtet. Dies ist die Natur unserer ganz späten Mährchen - Dichtung, ganz fremd jener einfachen , nichts absichtlich erdichtenden , sondern blofs anschauenden , lernenden und bildlich wieder vortragenden Vorzeit. Eine Unermesslichkeit solcher allegorischen und anderer Mythen schwärmten umher und verbanden sich endlich so, dafs allmählich einer vom andern ursachlich abhing, und nur hie und da leichte Żwischenzüge , welche die Muse eingab, den Kitt machen mufsten. Der Orphische Vers an den Kronos (Hymn. 12, 3.) gehöre er welchem Zeitalter er wolle, Ὃς δαπανᾶς μὲν ἅπαντα καὶ αὔξεις ἔμπαλιν αὐτός , Der du alles verzehrst, und alles auch wieder gedeihn machst, enthält die richtige Deutung jener Allegorie **) , die eine uralte , in sich unabhängige Dichtung war. Wie passend nun ferner die Zeit, als Gott gedacht, einerseits ein Sohn

  • ) Macrob. 1 , 8.
    • ) S. auch Etym. M. v . Koóvos. Macrob. 1, 8. Augustin. de

C. D. 6, 8. Phurnut. 6. Vgl. Cic. de N. D. 2, 25., wo die Kinder, vielleicht einfacher, auf die Jahre gedeutet werden. oder Saturnus. 35 - des Himmels ist, ohne dessen Bewegung Tage und Jahre nicht sein würden, und anderseits selbst wieder Vater der Götter, oder deutlicher alles dessen, was Himmel, Meer und Erde in sich schliefsen Zeus, Poseidon, Hades - ; dies bedarf keiner Erörterung. Sobald aber auf diese Art Kronos in die genealogische Geschichte trat , so machte sichs von selbst, dafs die verschlungenen und wiedergegebenen Kinder eben jene Zeus , Poseidon , Hades , und die mythischen Schwestern derselben waren , obgleich dadurch die Dichtung ihren ersten Sinn verlor. Und nun allerdings wusste die stets geschäftige Fantasie dies abenteuerliche Faktum , das sie vorfand, aufs schönste neu zu motiviren und zu verbinden. Hüten wir uns jedoch vor der Klippe, woran so gewöhnlich die Mythen - Deuter scheitern , vor dem Gedanken, jene Dichtung in der Mythologie begründen zu wollen. Wir forschen nur den gröfsern hervorstechenden Punkten, und unter den kleinern nur denen nach, die uns Spuren eines zerrissenen oder vernachlässigten Zusammenhanges zu tragen scheinen. Was sich auf diesem Wege uns nicht darbietet, das überlassen wir andern, oder auch der ferneren Dunkelheit , worin so vieles ruht und so vieles ewig ruhen wird. So mag der Sinn von des Uranos Entmannung für jetzt noch unerklärt bleiben, wenn gleich ein Gedanke mir nicht verwerflich scheint, den ich im Natalis Comes (2, 1. ) gefunden , dafs eben weil die Zeit oder Kronos Vater von allem ist, der Himmel, der ihn gebar, nichts weiter zeugen kann. Denn dafs, der Tendenz des so erklärten Mythos zuwider , Kronos Brüder noch hat , und dafs von dieser einem selbst das Menschengeschlecht, von einem andern die Himmelskörper u. s. w. abstammen, das könnten wir kühnlich unbeachtet lassen, als jener tausendzüngigen Mythologie gehörig, welche durch äufsere Formen verbindet, was unter sich bald geradezu sich aufhebt, bald zehnmal dasselbe ist. Wenn ferner zu jener blutigen That Kronos seine diamantene Sichel gebraucht, die seine Mutter ihm dazu gibt , so wird unser Forschungstrieb abermal , wie in einer Menge ähnlicher Fälle , bedroht durch eine irrige Vorstellung der ältesten und neuesten C 2 36 XIV. Kronos Zeiten. Nicht etwa zum Andenken an jenes mythische Faktum wird Kronos mit der Sichel gebildet; sie war längst da vor diesem episch ausgebildeten Mythos als altes Attribut des Hieroglyphs der Zeit. Aber das eben war ein Reiz dieser Mythen , wenn solche Attribute , deren Sinn vielfältig verkannt oder doch nicht beachtet war, auf eine so natürliche Art , gleichsam wie von selbst , in die Erzählung sich verwebten. Ein blofs intellektualer Begriff ist auf jener Stufe der Sprache und der Philosophie nie in seiner erst spät sich gestaltenden bestimmten Begrenzung vorhanden ; er wird bald weiter bald enger gefafst. Doch es bedarf dieses Einganges nicht, um es natürlich zu finden, dafs unter dem Begriffe der Zeit und unter dessen Personifikation, dem Kronos, auch die Begriffe von Aller, Alterthum, Vorzeit auftreten. Die Zeit ist alt ; in der alten Zeit , unter dem alten Kronos geschah , was man ins fernste Alterthum setzt *). So ist Kronos die Vorzeit und , deutlicher personificirt, die Gottheit derselben. Da nun eine allgemeine Vorstellung die älteste Vorzeit als unschuldig und selig schilderte, so erwuchs gleichsam von selbst im Munde des Griechen die Sage, unter Kronos Regierung sei jenes Goldne Geschlecht gewesen , Kronos sei der König desselben, sei damals König der Götter und Menschen gewesen. Bei allen Nationen ist ferner die Urwelt ein in der Vorstellung ganz gleicher Begriff mit der Urzeit des eignen Volks oder Landes. Aber indem die Mythen sich ausmalen und bestimmter machen, kann es kommen, daſs der Mythos von der Vorwelt bei Einem Volke mehr in dem allgemeineren , bei andern mehr in dem beschränkteren heimischen Begriff sich ausmalt. Der griechische Mythos vom Goldnen Geschlecht spricht von der Erde und den Menschen ; der italische von Italien und dessen ältesten Bewohnern.

  • ) Hicher die verschiednen sprüchwörtlichen und gemeinen Redensarten, da alles, was uralt genannt werden soll , xgóviós, xgovixós heifst, und selbst zgóvos, über welche letzte Form ich weiter

unten noch reden werde. oder Saturnus. 37 Alles was sonst in der mythischen Geschichte des Kronos vorkommt, haben wir, so lange nicht neue Spuren hinzutreten , nur als epische Ausführung dieser Dichtungen zu betrachten. Herschte Kronos einst und jetzt sein Sohn, während er als ein Gott doch nicht gestorben sein konnte , so gab die Menschenwelt Analogien genug, dies zu erklären. Sein Sohn hat ihn gestürzt : ein Ereignifs, das sich bald mehr bald weniger zum Nachtheil des einen oder andern motiviren und durchführen läfst. In dem grofsen Fabelkreis näherte sich dieses Faktum jenem andern durchaus verschiedenen Mythos des Streites zwichen Zeus und den Titanen; und so ward Kronos in der gangbarsten griechischen Vorstellung einer der Titanen, und lag nun mit ihnen gefesselt im Tartaros *). Eine andere Erzählung, welche mit dem Mythos von Saturns Vertreibung die italische Sage zu verbinden strebte , liefs ihn vor seinem Sohne nach Italien fliehn , und ein kindliches Spiel mit dem Namen Latium vollendete diese Darstellung. Aber auch in dieser scheint er nach seinem irdischen Aufenhalt in die Unterwelt gegangen zu sein , da ihn die Römer, wie Plutarch meldet , für einen der unterirdischen Götter hielten **). Eine jener Bestrebungen endlich, die Mythen zu moralisiren , wovon frühe Spuren sich finden , machte durch eine äusserst natürliche Erfindung den Kronos seit seiner , vielleicht gutwillig gedachten, Entfernung aus dem Himmel zum Könige in den Inseln der Seligen, deren Leben dem des Goldnen Geschlechts auf Erden

  • ) Findet man sich veranlafst , mit älteren Mythendeutern in

diesen Fesseln der Zeit eine in die Erzählung verflochtene philosophische Allegorie zu erkennen (s. Cic. de N. D. 2, 25.) ; so ist, nach dem was oben bemerkt worden , durchaus nichts dagegen einzuwenden. Nur wenn ein Faktum an sich nichts abenteuerliches oder zu specielles hat, sondern, wie dieses, so natürlich in den Hergang pafst , dafs dieser ohne dasselbe kaum vollständig wäre, dann ist von innen zu jener Annahme keine Andeutung ; und es mufs also , wie gesagt, anderswoher eine hinreichende Veranlassung zu derselben vorhanden sein.

    • ) Plut. Quaest. Ro. 11. p. 266. e. tòv di Kgóvov yovvτai

θεὸν ὑπουδαῖον καὶ χθόνιον . 34. p. 272. d . Κρόνον δὲ τῶν κάτω θεῶν οὐ τῶν ἄνω νομίζονται. 38 XIV . Kronos gleich ist. Die älteste Notiz von dieser Vorstellung ist in Hesiod's Schilderung dieses Aufenthalts , worin er die abgeschiedenen Seelen seines vierten Geschlechts wohnen läfst V. 167. ff. Τοῖς δὲ δίχ᾽ ἀνθρώπων βίοτον καὶ ἤθε ὀπάσσας, Ζεὺς Κρονίδης κατένασσε πατὴρ ἐς πείρατα γαίης Τηλοῦ ἀπ᾽ ἀθανάτων τοῖσιν Κρύνος ἐμβασιλεύει . Καὶ τοὶ μὲν ναίουσιν ἀκηδέα θυμὸν ἔχοντες ᾿Εν μακάρων νήσοισι παρ᾽ Ὠκεανὸν βαθυδίνην Ολβιοι ἥρωες · τοῖσιν μελιηδέα καρπὸν Τρὶς ἔτεος θάλλοντα φέρει ζείδωρος ἄρουρα . Diesen getrennt von der Menschen Verkehr das Leben bereiterd Ordnete Zeus der Vater den Sitz am Rande der Erde . Fern von der Ewigen Schaar übt Kronos dorten die Herrschaft. Und sie wohnen nunmehr mit stets unsorgsamer An des Okeanos tiefem Hochbeglückte Heroen ; Seele Gewog, in der Seligen Inseln , wo Honigfrüchte zur Nahrung Dreimal bietet des Jahrs der triebsame Grund des Gefildes . Zwar verwarfen alte Grammatiker den dritten dieser Verse, und er fehlt deswegen in den meisten Handschriften ; aber die Gründe der Verwerfung benehmen ihm sein Alter nicht *). Das Alter der Vorstellung selbst aber beweist auch ohne ihn Pindar (Ol. 2, 127. ff.), der ohne Vorgang nicht gedichtet haben würde, - παρὰ Κρόνου τύρσιν · ἔνθα μακάρων νᾶσος φἀκεανίδες αὖραι περιπνέουσιν βουλαῖς ἐν ὀρθαῖς ῾Ραδαμάνθυος , ὃν πατὴρ ἔχει Κρόνος ἑτοῖμον αὑτῷ πάρεδρον πύσις ὁ πάντων ῾Ρέας ὑπέρτατονἐχοίσας θρόνον,

  • ) S. unten Zusatz A.

oder Saturnus. 39 99 zu Kronos Burg ; wo des Okeanos Lüfte der Seligen Inseln umwehen ; - unter Rhadamanthys gradem Gericht, der dem Vater Kronos ein williger Beisitzer ist, dem Gatten der vor allen am höchsten thronenden Rhea." Diese Vorstellung ward befördert durch jenen Theil der Sage, wovon sie auch eine leichte Abänderung sein mag, dafs Kronos nach seiner Weltherrschaft sich nach Westen (nach Italien) gewandt habe *). ` Wir haben, um das Wesen des Kronos zu erforschen, alles zugezogen, was die Mythologie von ihm dichtet ; und, so viel ich weifs , tritt er in keiner der tausendfältigen echtgriechischen Sagen weiter handelnd auf, als in der Fabel von seiner Liebe zur Philyra, mit welcher er den Chiron gezeugt ; ein Mythos, der dann von den Dichtern, vielleicht nur um konsequent zu erscheinen , in die Zeit seiner Weltherrschaft gesetzt wird. S. Apollon. 2, 1234. ff. und daselbst den Scholiasten. Diese Erzählung ist ganz den hundert und hundert Liebesgeschichten des Zeus und andrer Götter ähnlich, und da sie durchaus in keiner sonstigen Verbindung mit dem Mythos und den Attributen des Kronos steht , so gehört sie nicht zu seiner , sondern zu des Chiron Mythologie. Denn dafs der Gott sich bei dieser Gelegenheit in ein Pferd verwandelte, dient offenbar nur zur mythischen Begründung von Chirons Centanrengestalt. Träte das Pferd irgend sonst woher noch in -

  • ) Diese Vorstellung erweiterte sich allmählich dahin , dafs

Kronos überhaupt der westlichen Lande König gewesen sei. Diodor . 3, 60. δυναστεῦσαι δέ φασι τὸν Κρόνον κατὰ Σικελίαν, καὶ Δι- βύην , ἔτι δὲ τὴν ᾿Ιταλίαν , καὶ τὸ σύνολον ἐν τοῖς πρὸς ἑσπέραν τό- ποις συστήσασθαι τὴν βασιλείαν . 5, 66. δυναστεῦσαι δ᾽ αὐτὸν μάλιστα twv ngòs konέgav tónov. Cic. de N. D. 3, 17. Saturno — quem vulgo maxime ad Occidentem colunt. Da ein Römer hier spricht, so sind hier hauptsächlich die ganz barbarischen Westländer gemeint ; und die phönicischen und celtischen Gottheiten, welche mit dem Kronos verglichen wurden (s. im Verfolg des Textes) , vollendeten also die Vorstellung von einer durch den ganzen Occident gehenden Herrschaft und Verehrung desselben. Einen celtischen Mythos, den spätere Griechen auf den Kronos in der Unterwelt deuteten; s. unten in einer Note. 40 XIV. Kronos die Attribuirungen des Kronos , so wäre dies die Ursach, warum man ihn gerade zum Vater des Chiron gemacht ; nun fragt sich nur noch , ob eine andre Ursach zu entdecken ist. Hiezu gehörte eine Erörterung der Mythologie des Chiron ; da diese hieher nicht gehört, so begnüge ich mich mit dem , was sich am leichtesten darbietet. Chiron ist eines der verschiedenen Symbole der Arzneikunde. So lange mir keine überzeugendere Begründung der Centaurengestalt desselben gegeben wird , suche ich darin die Notiz , dafs der Theil der Griechen , dem dieser Mythos ursprünglich gehört, diese Kunst den nördlichen Nationen zu yerdanken glaubte , besonders jenen Bergbewohnern, denen eine alte Ueberlieferung diese Gestalt lich. Die Erfindung derselben setzte man in die älteste Zeit des Menschengeschlechts. Dies lautet mythisch : Kronos ist der Vater des Chiron. So scheint mir der griechische Mythos des Kronos völlig in sich selbst begründet, und wir, um auf die Grundbegriffe desselben zu kommen , nicht veranlafst, die Mythologien anderer Nationen zu Rathe zu ziehen. Allein auch ohne unser Bedürfnifs drängt sich uns ein ausländischer Gott auf, von welchem nach einer sehr unterstützten Meinung die Griechen ihren Kronos genommen haben sollen. Dies ist der sogenannte phönicische Kronos. Die Griechen selbst nehmlich belegen mit dem Kronos, und nie, so viel ich weifs, mit einem andern, jenen Hauptgott der assyrischen und phönicischen Nationen , besonders auch der Karthager, welchem durch Verbrennung der Kinder das bekante gräfsliche Opfer gebracht ward. Dafs dies dieselbe Gottheit und eben die Opfer sind , die in der Bibel unter dem Namen des Moloch vorkommen, ist bekant, und in dieser Hinsicht alles am vollständigsten zusammengetragen bei Vossius de Theol. Gent. 2, 5. Selden. de Diis Syr. 1 , 6. cum Additamm. Andr. Beyeri. Die wichtigsten Stellen der griechischen und römischen Schriftsteller habe ich hier unten ausgezogen , und darunter auch die Stelle des Diodor , worin dieses Opfer auf den Mythos von dem seine Kinder verschlingenden Kro- oder Saturnus. 41 nos bezogen wird * ) . Wollten wir diese Beziehung annehmen, so verstände sich jedoch, dafs nicht, wie Diodor - -

  • ) Porphyr. de Abst. 2, 56. Φοίνικες δὲ ἐν ταῖς μεγάλαις

συμφοραῖς ἢ πολέμων ἢ αὐχμῶν ἢ λοιμῶν ἐθύοντο τῶν φιλτάτων τινὰ ἐπιψηφίζοντες Κρόνῳ · καὶ πλήρης δὲ ἡ Φοινικικὴ ἱστορία τῶν θυσάντων, ἣν Σαγκουνιάδων - συνέγραψεν . Euseb. Or. de laud . Constantini c . 13. Κρόνῳ γὰρ Φοίνικες καθ᾽ ἕκαστον ἔτος ἔθυον τὰ ἀγαπητὰ καὶ μονογενῆ τῶν τέκνων . Curt. 4, 3. (von den von Alexander belagerten Tyriern) Sacrum quoque multis saeculis intermissum repetendi auctores quidam erant, ut ingenuus puer Saturno immolaretur. Plut. de Superst . p. 171. c. Τί δὲ Καρχηδονίοις οὐκ ἐλυσιτέλει -- μήτε τινα θεῶν μήτεδαιμόνων νομίζειν , ἢτοιαῦτα θύειν οἷα τῷ Κρόνῳ ἔθυον ; - εἰδότες καὶ γινώσκοντες τὰ αὑτῶν τέκνα καθιέρευον · οἱ δὲ ἄτεκνοι παρὰ τῶν πενήτων ὠνούμενοι παιδία κατέσφαζον . – παρειστήκει δὲ ἡ μίτης ὤτεγκτος καὶ ἀστένακτος· εἰ δὲ στενάξειεν καὶ δακρύσειεν ἔδει τῆς τιμῆς στέρεσθαι, τὸ δὲ παιδίον οὐδὲν ἧττον ἐθύετο. κρότου δὲ κατεπίμπλατο πάντα πρὸ τοῦ ἀγάλματος ἐπαυλούντων καὶ τυμπανιζόν-- των, ἕνεκα τοῦ μὴ γενέσθαι τὴν βόησιν τῶν θρήνων ἐξάκουστον. Diod. 20 , 14. ( von den Karthagern nach der von Agathokles erlittenen Niederlage ) ᾐτιῶντο δὲ καὶ τὸν Κρόνον αὑτοῖς ἐναντιοῦσθαι , καθόσον ἐν τοῖς ἔμπροσθεν χρόνοις θύοντες τούτῳ τῷ θεῷ τῶν υἱῶν τοὺς κρατίστους ὕστερον ὠνούμενοι λάθρα παῖδας καὶ θρέψαντες ἔπεμπον ἐπὶ τὴν θυσίαν. — διορθώσασθαι δὲ τὰς ἀγνοίας σπεύδοντες διακοσίους μὲν τῶν ἐπιφανεστάτων παίδων προκρίναντες ἔθυσαν δημοσίᾳ . - ἦν δὲ παρ᾽ αὐτοῖς ἀνδριὰς Κρόνου χαλκοῦς ἐκτετακὼς τὰς χεῖρας ὑπτίας ἐγκεκλιμένας ἐπὶ τὴν γῆν, ὥστε τὸν ἐπιτεθέντα τῶν παίδων ἀποκυλίες σθαι καὶ πίπτειν εἰς τι χάσμα πλῆρες πυρός . Diodor fügt nachher selbst die Anwendung auf den griechischen Kronos bei : καὶ ὁ παρὰ “ Ελλησι δὲ μῦθος ἐκ παλαιᾶς φήμης παραδεδομένος, ὅτι Κρύνος ἠφάνιζε τοὺς ἰδίους παῖδας , παρὰ Καρχηδονίοις φαίνεται διὰ τούτου τοῦ νομίμου τετηρημένος . Dafs übrigens die Griechen von jeher in diesem phönicischen Gotte ihren Kronos erkannt haben, beweisen solche alte Stellen , wie des Sophokles aus dessen Andromeda bei Hesych . v. κούριον , wo man den ersten nicht hieher gehörigen Vers, der sehr korrumpirt ist, mit den Verbesserungen der Gelehr- ` ten nachsehn kann. Die zwei folgenden lauten so : νόμος γάρ ἐστι τοῖς βαρβάροις θυηπολεῖν βρότειον ἀρχῆθεν γέρος τῷ Κρόνῳ . Scaliger hat aus diesen Worten die Verse schon hergestellt. Aber γέρος hätte er vielleicht nicht in γένος verwandeln , sondern das leichter sich darbietende ysgas behalten sollen : - Νόμος γάρ ἐστι τοῖσι βαρβάροις Κρόνῳ Θυηπολεῖν βρότειον ἀρχῆθεν γέρας . Γέρας kann in solcher Verbindung wohl für Opfer stehn, wie von einem Todtenopfer γέρα gesagt wird Soph . Electr . 443. Alt ge- 42 XIV. Kronos in dem oben gerügten Geiste aller alten Mythologen die Sache darstellt, diese Opfer zum Andenken an das mythische Faktum eingeführt sein können. Solche grausame Opfer haben ihren Ursprung einzig in der uralten Vorstellung, dafs man, um die Götter von Zufügung gröfseren Unglücks abzuhalten , ihnen gutwillig Menschenblut , ja eine Auswahl sogar des Liebsten opfern müsse. Die richtigere Ansicht wäre also die, dafs zu mythischer Begründung jener Opfer die Dichtung von den verschlungenen Kindern entstanden , und dafs sie nachher mit so vielen andern in die griechische Mythologie gekommen wäre. Diese Ansicht erhält noch manchen Vorschub durch einen Blick auf die phönicische Mythologie , die Eusebius , als aus dem alten phönicischen Geschichtschreiber Sanchuniathon erhalten , mittheilt (Praep. Evang. 1 , 10) . Ich will aus dem Gewirre dieser Mythologie nur das hieher gehörige ausziehn. In einer mit vielen , theils phönicischen , theils griechisch gemachten Namen erfüllten genealogischen Theogonie werden, nicht etwa bald anfangs , sondern ziemlich tief in den Stammbaum hinein, und als Kinder des Eliun oder des Höchsten und seiner Gemahlin Beruth, die aber Menschen sind, Uranos und Ge eingeführt ; auch sie ein irdisches Königspaar, von denen, wegen ihrer Schönheit, Himmel und Erde benannt wurden. Ihrer Söhne einer ist Ilos oder Kronos. Bei einem zwischen den Eltern entstandenen Zwist stand Kronos der Mutter bei. Auf Angabe seines Geheimschreibers Hermes und seiner Tochter Athena machte Kronos sich einen Speer und eine Harpe. Er vertrieb den Uranos und herschte nun selbst mit seinen Bundsgenossen , den Eloim, welcher Name erklärt wird: Koónio , Leute des Kronos. Diese sind , heiſst es nug, wenn gleich nicht platonisch, ist auch die Stelle in dem Dialog Minos p. 315. c . ( oder Simon. Socr. dial. de Lege cap. 5. Boeckh . in Praef. p. 15. 16.) Καρχηδόνιοι δὲ θύουσιν (ἀνθρώπους ), ὡς ὅσιον ὂν καὶ νόμιμον αὐτοῖς · καὶ ταῦτα ἔνιοι αὐτῶν καὶ τοὺς αὑτῶν υἱεῖς τῷ Κρόνῳ · wo der Zusatz τῷ Κρόνῳ von Böckh ohne Ursach als überhangend verdächtig gemacht wird. Andre Stellen citiren Selden und Böckh. a. a. O. óder Saturnus. 43 dabei, die welche genannt werden of ni Koórov. Eine Beziehung auf Hesiod's Ausdruck von den Menschen des Goldnen Geschlechts , οἱ μὲν ἐπὶ Κρόνου ἦσαν . Kronos tödtet seinen Sohn Sadid selbst , aus Argwohn , und enthauptet seine Tochter. Uranos schickte nun seine Töchter, darunter Astarte, Rhea und Dione, gegen den Kronos aus , der sie aber zu seinen Beischläferinnen macht. Auch zeugt Kronos jenseit des Meeres * ) drei Söhne, Kronos den zweiten, Zeus Belos und Apollo. Im zwei und dreifsigsten Jahre seiner Regierung lauerte Ilos oder Kronos dem Uranos auf, und entmannte ihn an einem Ort, der noch gezeigt wird, und wo dessen Blut in die benachbarten Quellen und Flüsse triefte. Nach einiger Zeit herschten mit Kronos Willen Astarte und Zeus Demarus und Adod, welcher der König der Götter heifst. Er selbst schweift umher und gibt seiner Tochter Athena Attika zu beherschen. Bei einer Pest opfert er seinen einzigen Sohn dem Uranos und beschneidet sich und seine Leute. Ein weiteres wird von ihm nicht erzählt, oder Eusebius hat mehr nicht ausgezogen. Es würde eine verächtliche Kritik sein, welche dieses chaotische Gewebe als ein willkürliches Lügengespinnst ohne weiteres verwerfen wollte. Vielmehr ist unleugbar, dafs wir hier eine Menge dort inländischer Traditionen vor uns haben; und somit müssen auch die Beziehungen, welche sich auf die Mythologie des griechischen Kronos darin befinden, unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Zu bedauern ist nur, dafs es dem Autor nicht gefallen hat, allen Namen, die er griechisch gibt , den einheimischen beizufügen. Grade beim Kronos hat er es jedoch gethan ; und so ist auch schon längst bemerkt, dafs dieses Ilos der dort allgemein gangbare Name der Gottheit ist, der im Hebräischen El lautet. Aufser allen Zweifel setzen dies die Eloim, welche mit so deutlicher Beziehung auf den Namen El oder Ilos über-

  • ) Statt év Пagaig nehme ich nehmlich Vigers Emendation ev nagaiq an, so jedoch , dafs ich nicht mit ihm in diesem Worte

eine der Städte mit Namen Peräa, sondern das bekante Appella- tivum erkenne. 44 XIV. Kronos 慶Fsetzt werden Koóvioi. Verbinden wir hiemit folgende Notizen. Damascius beim Photius 242. (p. 559. Hoesch.) sagt : ,,die Phönicier und Syrer nennen den Kronos El und Bel und Bolathen ;" Servius zu Aen. 1 , 646., in Phönicien heifse der Sonnengott Hel, wovon man durch das Digamma Bel gemacht habe ; und zu V. 733. sagt er: Apud Assyrios autem Bel dicitur quadam sacrorum ratione et Saturnus et Sol *). Wir sehn also aus Zeugnissen, was durch die Sache selbst schon erhellet. Die Namen Moloch oder Molech d. i . König, Baal oder Bel d. i. Herr, El d. i. Gott, sind allgemeine Benennungen der Gottheit, die sich aber in jenen Landen vorzugsweise auf einen bestimmten, nehmlich auf den vornehmsten Gott befestigt hatten, der, wie fast überall, aus dem Begriffe der Sonne erwachsen war. Ihm galten jene grausamen Opfer , und in ihm erkannten die Griechen ihren Kronos. Nun erklärt sich uns, warum es in der griechisch geschriebenen Erzählung von Sisuthros oder dem assyrischen Noach heifst, Kronos habe ihm die Flut vorher verkündigt **). Es ist derselbe Gott, der auch in der mosaischen Erzählung dem Noach sie verkündigt, und für dessen Rettung sorgt. Denn das war ja der Unterschied der reinen israelischen Religion , daſs der Gott , den die benachbarten Heiden als obersten Gott verehrten, den Israeliten einziger Gott war , unter welchem alles , was sonst jenen Völkern für Götter galt, nur als dienstbare oder als verworfene Geister stand. Daher also , und weil dieses Volk seinen einzigen Gott ebenfalls El oder Eloah nannte, ist es begreiflich, dafs auch dieser Gott den Fremden kein andrer erschien, als der El oder Moloch oder Bel der übrigen Landesbewohner; und so wissen wir nun , warum namentlich Saturnus für den Gott und Stifter der Juden galt, wie uns die Notizen bei Tacitus Hist. 5, 2. und 4. lehren ***).

  • ) Vgl. noch Voss. de Theal. Gent. 1, 18. p. 142. und 2, 4.

Auch Selden und Beyer a. a. O.

    • ) S. m. Abh. über den Mythos der Sündflut. Theil I. VIII.
      • ) Judaeos Creta insula profugos novissima Libyae insedisse

oder Saturnus. 45 Hätten wir also jene erste Untersuchung über den griechischen Kronos nicht gemacht, so wären wir zu der Annahme berechtigt , dafs der Kronos der Griechen ursprünglich kein andrer sei, als jener vornehmste Gott der Phönicier, dessen Mythologie mit dem kadmeischen Stamme herüber gekommen sei, und sich so in den griechischen Mythenkreis verwebt habe. Allein wir können auch jene Untersuchung nicht wieder wegwerfen, vermöge deren uns durch reine Kritik der Kronos als das gediegne Produkt der Allegorie , als Personifikation der Zeit und des Alterthums erschien , dessen Attribute und Mythen alle ohne Zwang damit übereinstimmen, und der einen griechischen darauf sich beziehenden Namen hat. Ein Mittel , dieses zwiefache Resultat in Uebereinstimmung zu bringen, wäre die Annahme , dafs allerdings der Mythos jenes phönicimemorant, qua tempestate Saturnus, vi Jovis pulsus, cesserit regnis. Und weiter vom Sabbat: Alii honorem eum Saturno haberi, seu principia religionis tradentibus Idaeis, quos cum Saturno pulsos et conditores gentis accepimus , seu etc. Wenn nun ferner Tibull ( 1, 3, 17.) sagt: - Aut ego sum causatus aves, aut omina dira, Saturni aut sacram me tenuisse diem : und es aus andern bekanten Kombinationen unzweifelhaft ist, dafs er hier den jüdischen Sabbat meint , worauf auch in Rom ein Aberglaube ruhte ; so scheint es nothwendig, auch hier an den Gott der Juden zu denken, dem der Sabbat heilig war. Dann bietet sich aber der Erwägung gleich auch das dar, dafs dieser Tag als Wochentag ebenfalls dies Saturni heifst, und' dafs diese Benennungen mit den Planeten zusammenhangen , und sich nach Dio Cassius aus Aegypten herschreiben. Auch so kann man indessen bei diesem astrologischen Verfahren von dem Tage, der aus alten Ursachen schon immer der Tag des Kronos mag geheifsen haben, ausgegangen sein, und so nun die übrigen haben folgen lassen. Doch dies geht nun über in die höchst verwirrte Untersuchung über das Alter und die Ursach der jetzigen Planeten- Namen die bekantlich den älteren Griechen fremd waren , aber doch schon bei Cicero (de N. D. 2, 20.) vorkommen. Die Enthüllung aber dieses Theiles des Alterthums gehöret andern. Um einen Blick in dies Chaos zu thun , sehe man Dio Cassius 37, 18. 19. und das dort von den Erklärern beigebrachte, ferner Jablonski's Abhandlung Remphah, besonders den §. 10. (Opuscc. II. p 30. sqq.) 710 46 XIV. Kronos schen Gottes herüber gekommen wäre, und hier erst, da er neben dem obersten Nationalgott der Griechen nicht bestehen konnte , durch den deutenden Sinn dieses Volks und seiner Sänger sich so gestaltet habe. Der alte Gott, wovon dieser fremde Nebenstamm sprach, ward der Gott des Alterthums , der Gott der Zeit ; und von seinen Mythen blieb , was Sinn in dieser Beziehung hatte * ). Und dieses lasse ich für die weiter schreitende Forschung als Möglichkeit stehn **). Aber nun trete ich auch mit der Warnung auf, dafs man den Nachrichten jenes angeblichen Sanchuniathon nicht zuviel vertraue. Ich wiederhole nicht , was andere über diesen Gegenstand bereits gesagt haben , sondern mahne nur an einiges was für unsern Zweck hinreichend ist. " Ein hellenisticher Grieche Philo von Byblos, soll den Sanchuniathon ins Griechische übertragen haben. Man denke aber ja nicht an eine eigentliche Uebersetzung, viel weniger in unserm kritischen Sinne. Man durchlaufe das grofse Fragment beim Eusebius , und selbst das , was ich oben davon angeführt habe, so sieht man dafs Philo überall selbst spricht, und dafs er nur ans seiner phönicischen

  • ) So haben die Begriffe, Sohn des Himmels, Vater der Götter, etwas, das sich zwar, wie wir oben sahen, sehr gut auf die

Zeit deuten läfst ; aber diese Deutung hat nichts so charakteristisches, dafs die Begriffe nicht auch ohne sie entstanden sein könnten. Eben so hoben wir eine Deutung der Entmannung des Uranos aus , weil sie gut eingreift ; aber auch diese hat nichts so schlagendes, dafs wir nicht erwarten könnten , gerade diese Dichtung als eingewanderten fremden Mythos auftreten zu sehn, wovon ich selbst sogleich die Wahrscheinlichkeit bemerklich machen werde. -

    • ) Für diesen Fall ist sogar der Name Kiun oder Kivan in

Betrachtung zu ziehen, der ein syrischer Name des Planeten, Saturn sein soll ; ob blofs des Planeten, oder auch des Gottes, ist mir nicht klar. S. Selden. Synt. 2. cap. 14. Pocock. Specim. Arab. (v. Ind. in Cevan. ) Wäre ferner das fragmentarische Gewirr der ägyptischen und anderer fremden Theologien und Mythologien erst aufs Reine, so liefse sich auch das vielleicht in diese Untersuchung ziehen, daſs man den kleinasiatisch - ägyptischen Serapis ebenfalls mit dem Saturn zusammengebracht hat. S. Jablonski Panth. I. p. 140. 141. II. p. 73. oder Saturnus. 47 Quelle für die griechisch lesenden eine phönicische Mythologie und Geschichte vorträgt. Aber nun betrachte man diese Mythologie selbst. Offenbar sind ja das nicht die heiligen uralten Mythen eines Volks , wie wir sie in einém Moses, selbst nicht wie wir sie in der Theogonie eines Hesiodus finden ; sondern hier ist die elende Entstellung eines ganz späten , in dem Sinne derjenigen Mythologien die wir im Diodor lesen , wo die uralte Göttergeschichte auf die plumpste Art in eine menschliche Landesgeschichte verwandelt wird ; wo solche Namen und Attribute der höchsten Gottheit , wie Eliun der höchste, Uranos, Ilos oder Kronos, Adod König der Götter, hinter einander als Menschen und Herscher auftreten, und uralte dunkle Allegorien für irdische Handlungen derselben gelten. Ob und wer Sanchuniathon war, wird von uns nicht enthüllt werden. Aber dafs können wir annehmen , dafs die phönicische Mythologie und älteste Geschichte auf einen alten Urheber dieses Namens sich berief, und dafs sie in allen späteren veränderten, interpolirten und fortgesetzten Gestalten jenen alten Namen erhielt. Und wenn man den Griechen nach Christi Geburt eine aus solchen Quellen geschöpfte phönicische Geschichte in ihrer Sprache und in ihren Denk- und Redeformen in die Hand gab, so hiefs dies auch ein Sanchuniathon . Nun überlege man aber, was , schon ohne Philo's Industrie , durch das Verkehr eines halben Jahrtausends zwischen den syrischen und griechischen Nationen, und bei der wirklich vorhandnen Analogie eines Theils der beiderseitigen Sagen , von griechischer Mythologie in die phönicische kann geflossen sein ; so wie wir ja auch asiatische Religionen nach Athen und Rom wandern sehen. Und dann endlich beachte man noch den deutenden Finger des Philo , nicht nur in solchen Worten, wie ,, das sind die ini Koóvov," nehmlich des Hesiod, sondern in folgender Erklärung , die jedoch Eusebius immer noch dem Sanchuniathon zuschreibt,,,diese alten Geschichten hätten spätere Priester erst allegorisirt, und sodann von Nachfolgern zu Nachfolgern vermehrt; und zuletzt hätten die gewandten Griechen , namentlich Hesiodus , erst alles in wohlgefälligen Mythen ausge- 48 XIV. Kronos schmückt." Mich dünkt , in einem Vortrag von dieser Tendenz haben ein paar solche Züge, wie die Harpe und die Entmannung des Uranos, nicht Zuverlässigkeit genug, um über das Verhältnifs des El zum Kronos etwas uns glauben zu machen , was nicht anderswoher deutlich angeregt wäre. Und nun noch eine andre für diesen und ähnliche Fälle höchst wichtige Erwägung. Ein Mythos kann irgendwoher eingewandert sein , ohne dafs eben daher auch komme die Person, womit wir denselben verbunden sehn. Nicht das weiht den phönicischen Gott zum Kronos der Griechen, dafs jener dort oberster Gott war , und dafs er seinen Vater , den Himmel, entmannte. In dem Mythos, dafs die Zeugungsglieder des Himmels abgeschnitten wer- den von dessen Sohn , dafs sie ins Gewässer fallen , dafs die Göttin der Liebe daraus entsteht u. s. w. , mag eine alte schon in Asien gangbare Allegorie liegen ; sie mag, und wird gewifs , in Verbindung stehn mit dem uralten Symbol des Lingam oder Phallos ; sie wird übergegangen sein aus der orientalischen Theologie in die griechischen Mythen aber darum ist der Sohn des Himmels , der bei den Griechen die That verübt , nicht derselbe Sohn des Himmels, von dem es die Phönicier erzählten. Man überschaue nochmals jene Sanchuniathonsche Mythologie und lasse durch keine Namen sich irre machen, so wird sich für den philosophischen Forscher eine weit gröſsere Analogie jenes Ilos darbieten mit dem Zeus der Griechen, als mit dem Kronos. Die Sache ist einfach diese. Der oberste Gott jeder Nation ist ein wahrer, d. h. ein Erfahrungs - Gott ; der Vater sowohl als der Grofsvater, den die Mythologie ihm gibt, sind philosophische , sind ergrübelte Götter. Ilos ist ein Sohn des Himmels : Zeus ist es auch: aber eine eigenthümliche Vorstellung, welche die herschende ward, schaltete eine neue Allegorie, den Kronos, zwischen Himmel und Zeus ein. Nehmen wir nun an, dafs der Mythos von jener Entmannung aus der Fremde in Griechenland einwanderte, so versteht es sich von selbst, dafs er sich auf irgend eine Art, der Genealogie , die er hier vorfindet , anschmiegt. Entweder Kronos mufs hier den oder Saturnus. 49 den Uranos entmannen , oder Zeus den Kronos. Es ist die vollkommenste Bestätigung dieser Ansicht , dafs wir wirklich beides in den Verschiedenheiten der griechischen Sage finden ; ja dafs ein moralisirender Vortrag das zwiefach vorgefundene Faktum auch wol benutzte zu einer uralten Heiligung des buchstäblichen Vergeltungsrechts. Kronos hat seinen Vater gestürzt und entmannt; er erfährt beides von seinem Sohn. Kurz, was Kronos in irgend einer Darstellung dieses Mythos thun oder leiden mag, das thut oder leidet er nicht , weil er mit diesem Mythos zugleich gewandert wäre ; sondern weil er , obgleich ursprünglich nur das Symbol der Zeit, an dieser Stelle , wohin ihn die genealogische Mythologie gesetzt hat, eben so gut wie Uranos und wie Zeus, auch als das Symbol des Himmels betrachtet ward, und weil zwischen diesen dreien also nothwendig hin und her schwanket, was fremde und heimische Sagen aus alter kosmogonischer Allegorie in die Mythologie verwebten *). So möchte also alles , was zu der Ansicht führen könnte, daſs die Person des Kronos aus dem phönicischen

  • ) Porphyr. de Antr. Nymph . 16. Παρὰ δὲ τῷ ᾿Ορφεῖ ὁ Κρόνος μέλιτι ὑπὸ Διὸς ἐνεδρεύεται. πλησθεὶς γὰρ μέλιτος μεθύει καὶ

σκοτοῦται ὡς ἀπὸ οἴνου, καὶ ὑπνοῖ. οὔπω γὰρ οἶνος ἦν. φησὶ γὰρ παρ᾽῾Ορφεῖ ἡ Νὺξ τῷ Διὶ ὑποτιθεμένη τὸν διὰ μέλιτος δόλον , Εὖτ᾽ ἂν δή μιν ἴδηαι ὑπὸδρυσὶν ὑψικόμοισιν “ Εργοισιν μεθύοντα μελισσάων ἐριβόμβων, Αὐτίκα μιν δῆσον . Ο καὶ πάσχει ὁ Κρόνος · καὶ δεθεὶς ἐκτέμνεται ὡς ὁ Οὐρανός. Wozu Porphyrius selbst etwas weiterhin noch hinzusetzt : ὑφ᾽ οὗ (τοῦ μέλιτος ) δολωθεὶς ὁ Κρόνος ἐκτέμνεται πρῶτος τῶν ἀντιφερομένων τῷ Οὐρανῷ. Schol. Apollon . 4, 983. Τίμαιος δέ φησι, καὶ τὴν δρεπάνην ἐκεῖ ( in Corcyra ) κεκρύφθαι, ᾗ δ Κρόνος τὰ τοῦ Οὐρανοῦ αἰδοῖα ἀπέτεμεν , ἢ ὁ Ζεὺς τὰ τοῦ Κρόνου. Lycophr . 761. -- νῆσον δ᾽εἰς Κρόνῳ ςυγουμένην " Αρπην (d . i. Δρεπάτην oder Κέρκυραν ) περάσας μεζέων κρεάνομον : s . dort und zu 869 . den Schol. Phurnut. c. 7. Etym . Μ . υ . Τιτανίδα . Τιτᾶνες δὲ, οἱ καταχθόνιοι δαίμονες – ἢ παρὰ τὸ τιταίνω , οἱονεὶ οἱ τείνοντες τὰς χεῖρας εἰς τὸ κόψαι τὰ αἰδοῖα τοῦ πατρὸς Κρόνου ἤγουν τοῦ Οὐρανοῦ (wo , durch eine neue Verschiedenheit , der Kronos von den Titanen getrennt und mit dem Uranos vermengt wird : vgl. die oben S. 29. in der Note angeführte Stelle des Varro). Fulgent. My- thol. 1 , 2. Saturnus falcem gerens : cujus virilia abscissa et in mare projecta Venerem genuere. - II . D 50 XIV. Kronos El oder Moloch entstanden sei, sich reduciren auf die Kinderopfer, die jenem obersten Gott dort gebracht wurden, verglichen mit der Kinder - Verschlingung, welche der Mythos von diesem alten König der Götter berichtet *). Vollkommen hinreichend war dies für jene alten Griechen, welche das Bedürfniſs hatten, ihre Gottheiten in den fremden zu finden ; aber ganz nichtig für unsern kritischen Zweck. Und gerade von dieser griechischen Dichtung findet sich nichts analoges in dem Gewirre des Philo , der doch gewifs, hätte er so etwas in der phönicischen Mythologie gefunden, es nicht übergangen haben würde. Dagegen finden wir dort eine weit bessere mythische Begründung jener Opfer. Der Gott selbst opferte einst seinen einzigen Sohn dem Himmel, seinem Vater. Dies fürwahr hat Philo nicht erfunden ; dies ist der uralte Mythos zu jenem furchtbaren Zweck , den schon der hebräische Gesetzgeber vorfand, und ihn in der Person seines Abraham so schön zu adeln und seiner bösen Tendenz so wirksam zu berauben wufste. Die Dichtung von einem seine eignen Kinder verschlingenden und dann wiedergebenden Gotte hat, wenn sie nicht etwa , nach meiner obigen Andeutung , in der griechischen Mythologie erst diese Gestalt angenommen hat, zu wenig Analogie mit jenem Gebrauch, als dafs wir nicht den so leicht sich darbietenden allegorischen Sinn für die einzige und ursprüngliche Tendenz derselben halten sollten. 7 Wenn wir übrigens hie und da lesen , dafs auch in Griechenland und Italien vor Alters Menschenopfer dem Kronos dargebracht worden , so wäre dies so sehr nicht zu verwundern , bei dem so natürlichen Ursprung dieses Gebrauchs in den Zeiten vor der Kultur , den wir oben berührt haben, und in Erwägung, dafs fast von allen übrigen hehren Gottheiten derselbe Gebrauch aus diesem oder jenem Theil des ältesten Griechenlands erwähnt wird. Nur in so fern kann es beim Kronos mehr auffallen , da

  • ) Man sehe unten Note S. 51 , die auf ganz analogen Gründen beruhende Vergleichung der Götter von andern nordischen und westlichen Barbaren mit dem Kronos.

oder Saturnus. 51 wir geglaubt haben, seine Idee selbst aus dem Begriff jener ältesten glücklichen Zeit zu entwickeln. Indessen ist zuförderst zu bemerken , dafs was von einer solchen bei Griechen üblichen Verehrung des Kronos berichtet wird, sich auf Kreta und Rhodos beschränkt *), auf welchen Inseln wir alte Reste des über das ganze mittelländische Meer verbreiteten **) phönicischen Kronosdienstes voraussetzen dürfen. Aber auch bei den übrigen nördlichen Barbaren , den Celten u. a. , wurden solche Opfer einem Gotte gebracht , welchen die Griechen und Römer , von dem phönicischen Gebrauch ausgehend , ebenfalls Kronos und Saturnus nannten ***). Zu eben diesen Völkern gehörten auch die Bewohner des alten Italiens : daher auch bei ihnen derselbe Gebrauch war , dessen Ovid. Fast. 5, 627. 628. Macrob. 1, 7. erwähnen ****), und von welchem noch späte Spuren übrig blieben †) ; die späteste die, daſs die Gladiator - Spiele dem Saturn geweiht waren ††). Indem wir also nun durch Beseitigung alles fremden, das sich früher und später hinzugedrängt haben mag, auf den Satz zurück kommen, dafs der Kronos oder Saturnus

  • ) Porph. de. Abst. 2, 54. 56. Athanas. Or. adv. Graecos.
    • ) Den westlichsten Tempel dieses Kronos weist Strabo ( 3. p.

169.) nach in Gades.

      • ) Varr. ap. Augustin. de C. D. 7, 19. Suid. in Zagdários Σαρδάνιος,

γέλως. Einzele Mythen der nordischen Religionen , die mit den griechischen des Kronos etwas übereinstimmendes hatten , kamen dann wol hinzu. So erkannten die Griechen den Kronos in dem Zalmoxis der Geten (s. ' Etym. M. u. Suid. in Zápolis , Hesych. in Ζάλμοξις u. Σάλμοξις) , wegen der mit seinem Dienst verbundenen Lehre von glücklichem Zustand nach dem Tode bei Zalmoxis, und wegen der Menschenopfer, wovon Herod. 4, 94. 95. So spricht Plutarch (de Oracc. def. p. 420. a. und de Facie Lunae p . 941. a.) von gewissen Inseln der Geister oder der Helden bei Britannien, wo, nach Aussage der Einwohner, Kronos schlafend vom Briareos auf Zeus Befehl bewacht werde. Ein merkwürdiges Beispiel, wie die Griechen die Namen ihrer Mythologie in die fremden Mythen brachten.

        • ) S. auch Dionys. Hal. 1. p. 30.

†) Plin. 30, 1. tt) S. Lips. Saturnal. Serm. 1, 5.. D 2 52 XIV. Kronos der griechisch - italischen Nationen ursprünglich keine jener Gottheiten gewesen, die wir eigentliche Götter oder Götter der Erfahrung nennen möchten , sondern das rein allegorische und mythische Symbol der Zeit und der Vorzeit ; so tritt uns noch das Fest der Saturnalien entgegen. Durch ein so nach ihm benanntes ganz eigentliches und nationales Fest scheint nehmlich auch Saturnus in die Klasse jener ganz eigentlichen Götter zu treten , denen unter eben so gebildeten Namen Feste und feierliche Opfer geweihet waren. Um auch hievon das historische vollständig vor Augen zu haben, müssen wir wieder von den Griechen beginnen. Denn auch bei diesen finden wir ein von demselben Gotte benanntes Fest. Das wenige , was wir umständliches von diesen Kronien wissen , enthalten zwei Stellen , aber ganz deutliche und unbezweifelte , beide bei Makrobius. Die wichtigste ist 1 , 10., wo aus dem einst klassischen Schriftsteller über die attischen Alterthümer, dem Philochorus , referirt wird. Philochorus Saturno et Opi primum in Attica statuisse aram Cecropem dicit, eosque deos pro Jove Terraque coluisse , instituisseque ut patres familiarum et frugibus et fructibus jam coactis passim cum servis vescerentur, cum quibus patientiam laboris in colendo rúre toleraverant. Delectari enim deum honore servorum contemplatu laboris. Hinc est quod ex instituto peregrino (griechischem, s. Kap. 8.) huic deo sacrum aperto capite facimus. Die andere 1, 7. besteht in folgenden Versen des alten Accius aus dessen Annalen : Maxima pars Grajum Saturno, et maxime Athenae Conficiunt sacra quaeCronia esse iterantur ab illis : Cumque diem celebrant , per agros urbesque per omnes Exercent epulas laeti, famulosque procurant Quisque suos. Nostrisque itidem est mos traditus illinc Iste, ut cum dominis famuli epulentur ibidem. Noch gehört hieher eine Stelle des Demosthenes (adv. Timocr. p. 708, 13.), worin er der Kronien als eines Festes oder Saturnus. 53 erwähnt , dessentwegen der Rath nicht zusammen kam, und das den 12ten Hekatombäon , also um die Erntezeit, gefeiert ward *). Diese Notizen sind uns sehr wichtig. Denn ohne sie könnten wir uns durch ein solches Nationalfest , wie die italischen Saturnalien, wohl veranlafst glauben, den Saturnus von dem Kronos zu trennen, und den römischen Antiquarien Glauben beizumessen , die ihn für einen alten Gott des Feldbaues halten. Allein hier sehen wir erstens die Kronien mit den Saturnalien nicht blofs durch den Namen des Gottes , sondern durch einen Grundzug , das Wohlleben der Knechte , verbunden , welcher die histori- - -

  • ) Τῆς ἐκκλησίας οὔσης ἑνδεκάτης τοῦ ῾Εκατομβαιῶνος μηνὸς ,

δωδεκάτῃ τὸν νόμον εἰσήνεγκεν , εὐθὺς τῇ ὑστεραίᾳ , καὶ ταῦτ᾽ ὄντων Κρονίων , καὶ διὰ ταῦτ᾽ ἀφειμένης τῆς βουλῆς . Unbedeutend durch Kürze sowohl als geringe Autorität sind noch folgende Notizen der Grammatiker : Verr. Flacc. ap. Macrob. 1, 4. Saturnaliorum dies apud Graecos quoque festi habentur. Schol. Aristoph . Nub. 397. Εςι δὲ Κρόνια παρὰ τοῖς Ἕλλησιν ἑορτὴ τὰ παρὰ τοῖς῾Ρωμαίοις Σατουρνάλια ἢ ᾿Απατούρια : über welchen letzten Zusatz ich jetzt nichts zu sagen habe, als was jedermann weifs, dafs die Apaturien ein ganz verschiedenes , obgleich auch mit Lustbarkeit und Mahlzeiten verbundenes Fest waren , das in den Spätherbst fiel. Zweifelhaft endlich, ob sie hieher gehöre, ist die Stelle Piut. adv. Epicurum 16. , von welcher s. im Zusatz B. zu dieser Abhandlung. Und so würde also, ohne die zwei Fragmente des Philochorus und Accius, die Notiz von einem, dem Grundzuge nach, den italischen Saturnalien gleichen griechischen Feste des Kronos so verloren für uns sein, dafs wir es fast leugnen müfsten. Denn wie erklärt man sichs, dafs Athenäus an der gleich anzuführenden Stelle, wo es ihm darum zu thun ist, zu zeigen, dafs die Römer ihre Saturnalien von den Griechen genommen hatten, nichts anzuführen weifs , als die ähnlichen Gebräuche an den Festen anderer Götter? Wie konnte dem alleswissenden das demselben Gotte geweihte Fest des Hauptvolkes entgehn? Die Antwort wird leicht sein und brauchbar, mit Behutsamkeit , für andre Fälle. Jene , die uns jetzt Alleswisser scheinen, weil wir Nichtswisser sind, würden, wenn wir ihre Bi- . bliotheken noch hätten, uns nur als Vielwisser und Halbwisser erscheinen. Bei der Unmöglichkeit, dafs Einer alles lesen und behalten oder zweckmäſsig excerpiren könne, trug jeder vor, was er hatte , und liefs häufig die wichtigsten und beweisendsten Stellen aus bekanten Büchern unbenutzt liegen. 54 XIV. Kronos sche Einerleiheit beider Feste beweist ; und zweitens sehen wir auch hier den Kronos mit der Ernte in Verbindung gesetzt, da doch keine Spur in irgend einem Schriftsteller in dem Kronos der Griechen einen Gott des Feldbaues ahnen lässt. Die Beziehung jeder wohlthätigen Gottheit auf den Feldbau ist in der alten ländlichen Zeit so natürlich, dafs also auch für den Saturnus nichts eigenthümliches dieser Art hervorgeht ; und zwischen dem griechischen und italischen Gott ist demnach kein weiterer Unterschied, als der, daſs in Italien die Verehrung des Saturnus und jenes Fest sich etwas mehr entwickelt hatte, als in Griechenland. Hier müssen wir uns erinnern , dafs bei allen Völkern Feste und Freudentage waren, welche die Jahreszeit oder andre Umstände ihnen gleichsam geboten , und die sich hinter drein erst an die Verehrung eines Gottes oder an ein mythisches Faktum knüpften. Solche Naturfeste sind die Erntefeste, die Herbstfeste, die Winterfeste : und so ward es ferner durch die bei der Mehrzahl der Menschen nie gänzlich fehlende Gutmüthigkeit zu einem moralischen Bedürfnifs , auch der gedrückten Menschenklasse , besonders der ganz unterdrückten , den Sklaven, ein Fest zu bereiten ; ihnen einige Tage, einen Tag wenigstens, des Wollebens zu gewähren. An diesem hatten sie den Geschmack der Freiheit , und durften mehr oder weniger sich selbst sich überlassen. Dieser Tag, den die Griechen, nach den obigen Berichten , sehr natürlich hinter die Zeit der Einsammlung der Früchte legten , erinnerte nothwendig an jene Vorzeit , wo nicht Reiche und Arme, nicht Herren und Knechte waren. Es war das Fest dèr Vorzeit, der Goldnen Zeit, der Tag des Kronos oder die Saturnalien. So knüpfte sich unvermerkt an den Namen und den Mythos dieses Gottes ein Fest , ohne dafs eine eigentliche Verehrung desselben Zweck , selbst nicht hinzutretender Zweck davon gewesen wäre. Der Gott entwickelte sich vielmehr hier zum Theil aus dem Feste; und so ist es denn auch sehr begreiflich , dafs sich zur Verschönerung und Heiligung des Festes bildliche Vorstellungen, mystische und abergläubische Gebräuche, in oder Saturnus. 55 Beziehung auf jenen alten Gott und dessen Mythen entwickelten , die sich in Opfer und andere äufsere Zeichen der Verehrung gestalteten. Also die Ursach zum Fest lag im Menschen und dessen Umgebungen ; an eine Gottheit knüpfte es nun erst das religiose Bedürfnifs. Von dem Begriffe des Kronos ging es so wenig aus, daſs vielmehr die Griechen eben diesen fröhlichen Tag der Knechte auch mit der Verehrung anderer Götter , mit eigentlichen Nationalgottheiten, verbanden. Namentlich feierten ihn, wie wir aus Athenäus (14. p. 639.) lernen , die Kretenser am Feste des Hermes , die Thessalier an dem des Zeus Pelorus , und die Trözenier am Feste des Poseidon *). Ja in Athen selbst hatten die Knechte noch einen andern solchen Tag an dem eigentlichen National - Freudenfest, den Dionysien, welche wie die italischen Saturnalien in den Winter fielen **). Und eben weil dieses und andre Feste die dortige Nationalität mehr ansprachen , so blieb das Kronosfest, und mit ihm die Verehrung dieses Gottes, dort bei einer gewissen Geringfügigkeit und Dunkelheit stehn. Kronos war ein Gott nur in ihrer Mythologie, nicht in ihren Tempeln. Und nur wie überhaupt keine göttliche oder übermenschliche Natur ist , die nicht hie und da einen Altar; eine Kapelle und eine gewisse Verehrung in Griechenland hatte ; so findet sich dergleichen auch in Beziehung auf den Kronos. Bei Olympia war der bekante kronische Hügel, auf dessen Spitze dem Gott geopfert ward (Pausan. 6, 20.) ; und auch hiemit verband

  • ) Athenäus sagt zwar nur , dafs in Trözen im Monat Gerästios an einem Tage eines vieltägigen Volksfestes (navnуvois) die- ser Gebrauch statt finde. Allein aus Schol. Pind. Ol. 13, 159.

wissen wir, daſs in Euböa die Gerästia das Fest des Poseidon waren, der von dem ihm heiligen Vorgebirg Gerästos den Beinamen Gerästios führte ( Aristoph. Eq. 561.) . Da nun, wie wir sehn, bei den Trözeniern , deren grofser Nationalgott bekantlich Poseidon war, ein Monat den Namen Gerästios trug , so versteht es sich von selbst , dafs die in denselben fallende grofse Panegyris das grofse Hauptfest des Poseidon war.

    • ) S. von den Dionysien und ihrem Verhältnifs zu den Saturnalien, den Anhang zu dieser Abhandlung.

56 XIV. Kronos sich eine Sage von dem goldnen Geschlecht : die Menschen desselben hatten dem Kronos bei Olympia einen Tempel geweiht (id, 5, 7.). In Athen war eine alte Kapelle des Kronos und der Rhea am Fufse der Akropolis (id. 1 , 18.), wahrscheinlich eben da , wo Cekrops , nach Philochorus Bericht , eben diesen Göttern den Altar geweiht hatte, der mit jenem alterthümlichen Feste in Verbindung stand. In Italien scheint die griechische Sage vom Kronos und jenes wohlthätige Fest schon eine andre grofse National - Lustbarkeit vorgefunden zu haben , an die es sich anschlofs. Bei den celtischen und andern nordischen Völkern war die Hauptlustbarkeit im Jahre das Jul- oder Juel- Fest, das sich nachher im Norden an das christliche Weihnachtfest anschlofs, aber, wie bekant , schon in den ältesten heidnischen Zeiten vorhanden war. Von diesem Feste liest man , so viel ich weifs , nirgend , dafs es das Fest eines der celtischen oder nordischen Götter war ; sondern es war eine von uralten Zeiten hergebrachte Lustbarkeit , womit man die Zeit der kürzesten Tage , oder vielmehr der langen Nächte, erheiterte *). Wer kann zweifeln , dafs die in eben diese Decemberzeit fallenden italischen Saturnalien , dieses Nationalfest allgemeiner freudiger Ausgelassenheit , in einem Lande , dessen alte Bevölkerung mit den nördlich über ihnen wohnenden Nationen so nahe verwandt war, ursprünglich eben jenes nordische Winterfest war? An dieses hatte sich also der griechische Gebrauch und die Sage vom Saturn angeschmiegt ; und so hiefs es nun die Saturnalien. Hieraus und aus der Gestalt, welche der Mythos vom Kronos in Italien angenommen hatte, dafs er nehmlich der alte gute König des Landes gewesen, wird es denn auch sehr begreiflich, daſs ihm dort mählich eine gröfsere Verehrung erwuchs. Er hatte Tempel an vielen Orten in Italien **) ; aber immer 1

  • ) Ich führe an, was mir eben zur Hand ist , Loccenii Antiqq. Sueo- Gothicae I. 5. und die dort beigebrachten Stellen des Beda u. a.
    • ) S. Liv. 2, 21. Dion. Hal. 1 , p. 27. 6, p. 341. Macrob. 1, 8.

oder Saturnus. 57 blieb es eine Verehrung des zweiten oder dritten Ranges die mit denen der Urgottheiten in keine Vergleichung kam *). Da etymologische Untersuchungen , sobald sie etwas tiefer gehn, dem minder geübten einen verzeihlichen Verdacht auf die damit verbundenen Resultate zu werfen pflegen; so habe ich auf die innere Konsistenz meiner Darstellung und die Kraft der übrigen Begründungen mich verlassend, nur die einleuchtende und gangbare Vergleichung des Namens Koóvos mit zoóvoç zu Hülfe genommen, von dem lateinischen Namen aber gar nichts gesagt, weil es ja nicht verlangt werden kann , dafs wir jedes alten Namens Herkunft wissen sollen. Da ich aber wirklich glaube , auch auf etymologischem Wege zu einem befriedigenden Resultate gelangt zu sein , so trage ich keinen Anstand, den Kennern auch dieses noch vorzutragen. Aus Plato's Kratylus wird heut zu Tage wol niemand mehr etymologische Belehrung schöpfen wollen. Bei Gelegenheit des Namens Koóvoç jedoch macht er die auffal lende Bemerkung, der alte Namengeber habe wol nicht blofs zufällig den beiden Stammeltern aller Götter den Namen von Strömungen gegeben , weil ihm nehmlich ' Pέa von ῥεῖν zu kommen und Κρόνος mit κρουνός einerlei zu sein scheint. Auch meine Aufmerksamkeit reizt jedes Zu- - Rö-

  • ) Zwar liest man hie und da etwas , wie folgendes bei Macrob. 1, 7., wo zu den Römern gesagt wird : Saturnum vero vel

maxime inter ceteros honore celebratis. Aber da wir ja historisch wissen , dafs die Verehrung , die Saturn bei den Römern hatte, nicht auf gleicher Stufe stand, wie die des Juppiter, des Mars, des Apoll, der Diana, der Vesta u. s. w.; so sieht man wohl, daſs jenes nur ein ungenauer rednerischer Ausdruck ist, im Gegensatz der Hintansetzung dieses Gottes bei einigen andern Völkern. mische und italische Gegenstände und Angelegenheiten, die in re- ligioser Beziehung auf den Saturn standen, wie so unendlich viele auf die andern Götter, findet man äusserst wenige. Die Nundinae waren ihm heilig (Plut. Q. R. p. 275. b.) . Aber einleuchtend ist die Uebereinstimmung hievon mit dem Grundbegriff der Saturnalien. Die Nundinae waren der Tag , wo das Landvolk nach der Stadt ging , und woran sich also eine Art Ferien knüpfte. Macrob. 1, 16. S. 58 XIV. Kronos sammentreffen, das andre gewöhnlich zu schnell dem Zufall zuschreiben. Man scheue sich nicht, Rhea, die vielgefeierte, mit Kronos in Eine Kategorie zu bringen ; ich meine, durch Deutung ihres Namens auf irgend eine Allegorie, sie zu einem bloſsen Gebilde der Mythologie ohne eigentlich historische Realität zu machen. Die vielgefeierte ist nicht Rhea, sondern die ungriechische Cybele, die, weil eine asiatische Religion sie zur Mutter der Götter machte, erst spät von den Griechen mit der Rhea ihrer Mythologie verglichen worden , so unähnlich dieser im übrigen die phrygische Göttin ist. Der Name Rhea darf also mit dem Namen Kronos aus derselben Allegorie entstanden , und sie selbst eine blofs aus dem Begriff des Kronos gebildete genealogische Nebenperson ursprünglich sein. Von dem neuen Blick aber in die Etymologie des Namens Koóvos darf uns die bereits von uns anerkannte Gleichheit desselben mit zoóros nicht abschrecken. Was von Koóvos gilt, gilt auch von χρόνος . In den Wörtern κρουνός und κρήνη erkennt jeder kundige den allgemein verbreiteten Stamm des Verbi ģɛīv, rinnen, den ein sehr natürlicher Gebrauch auf die Zeitbegriffe anwendet. Was alt ist, ist verronnen oder verflossen ; was in der Zeit geschieht , geschieht im Verflufs oder Verlauf der Zeit. Nicht allein also das Wort xoóvos , sondern auch dessen aspirirte Aussprache zoóvos, dürfen wir von dieser Wurzel ableiten. Mit dieser Voraussetzung erkläre ich xoóvos für ein altes Adjektiv mit der Bedeutung 1 ) verflossen, 2) längst verflossen, alt. Blofs auf diese Art erklärt sich das int attischen Sprachgebrauch gebliebene , auf eine höchst gezwungene ungrammatische Art sonst als Uebertragung von der Person Koóvos betrachtete Adjektiv xpóvos 1) altväterisch, altmodisch, 2) albern, närrisch ; genau wie im Englischen antick so viel heifst als närrisch. (S. Hdf. ad Plat. Euthyd. c. 38. und das dort angeführte Scholion zum Aristoph. Nub. 926. χρόνος, ἀρχαῖος, λῆρος ). Höchst wahrscheinlich hiefs also in der alten Sprache xoóvos aiœv die alte Zeit, worauf, wie gewöhnlich , zgóvoç Substantiv und Eigenname der personificirten Vorzeit ward, zugleich aber die andre Aussprache zoóvos von der Sprache benutzt ward, oder Saturnus. 59 jene Modifikation der Bedeutung auszudrücken , wornach es den dauernden Flufs oder Verlauf der Zeit , die Zeit, bedeutet. Auf einen ähnlichen Hergang mit dem lateinischen Namen Saturnus mufs uns sogleich diese Endung aufmerksam machen. Die Endungen ernus und urnus, ternus und turnus (in sich einerlei , wie endus und undus), kommen fast durchaus nur in Adjektiven der Zeit vor : hodiernus, diurnus , nocturnus, aeternus , diuturnus. Für Saturnus bietet sich freilich nicht sogleich, wie für diese angeführten, der Wortstamm dar. Allein man vergleiche saeculum (denn dies ist die einzig richtige Schreibart , s. die Inschriften bei Manut. Orthogr. in voce) , und bemerke, daſs auch in diesem Worte die zwei letzten Silben nur eine analogische lateinische Endung sind ; so ergibt sich sogleich mit grofser Wahrscheinlichkeit , dafs das Stammwort, wovon saeculum eine Art Diminutiv ist , ein den Zeitraum überhaupt bedeutendes Wort gewesen sein muſs ; gleichbedeutend mit dem griechischen aidov und dem gewöhnlichen lateinischen aevum, und von beiden nur durch das eintretende s verschieden, etwa saium oder saeum ; wovon also saturnus ein Adjektiv war , wie aeternus von aevum. Der Sprachgebrauch gab diesem letztern Adjektiv den Begriff der Ausdehnung und Fortdauer überhaupt; jenes mufs den Begriff der Ausdehnung in die Vorzeit gehabt haben : alt, uralt. Saturnum tempus hiefs also, was nach meiner vorigen Darstellung xpóvos aidóv , und Saturnus ward der Name für die personificirte Vorzeit bei den Lateinern. Ich hege zu dieser etymologischen Entwickelung das Vertrauen, dafs sie sich, unabhängig von meinen übrigen Ansichten, durch innere Konsequenz und Analogie empfehlen werde. Sicherer aber weifs ich , dafs ich heutige Sprachkritiker von den vorhandenen schlechten Etymologien des lateinischen Namens , namentlich von der von odon, membrum virile , weil nehmlich dieser Gegenstand in Saturns Mythologie vorkommt , nicht mehr abzuschrecken brauche. Wenn indessen Makrobius (1 , 8.) sowohl Saturnus als Satyrus von diesem Worte ableitet, so könnte 60 XIV. Kronos man, ohne die Ableitung anzunehmen, doch auf eine ursprüngliche Einerleiheit dieser Namen verfallen, und selbst dadurch darin bestärkt werden , dafs beide Begriffe , der des Saturn und der der Satyri, auf die Urzeit der Menschheit uns führen. Der Sprachkenner wird indefs gleich fühlen, dafs die Quantität in diesem Falle sich ganz entgegen sträubt. Es ist durchaus nicht abzusehen, wie sich das kurze a in Satyrus in der lateinischen Form Saturnus, wo noch dazu kein Accent darauf liegt, verlängert haben sollte. Auch würde ja , da man den Faunus , den Silenus , den Pan , bald in der einfachen , bald in der vielfachen Zahl sich dachte, eine Spur sich zeigen von Saturnis ; ja diese lateinische Form würde die griechische nicht haben aufkommen lassen. Dennoch würde diese Meinung einigen Schein bekommen, wenn es wahr wäre, was man z. B. in Gefsners Thes. v. Saturnus liest, daſs in den Gesängen der Salii der Faunus Saturnus sei genannt worden. Ich setze den Abschnitt des Festus, worin das stehn soll, hieher. Saturno dies festus celebratur mense Decembri, quod eo aedis est dedicata. et is culturae agrorum praesidere videtur , quod etiam falx ei est insigne. versus quoque antiquissimi, quibus Faunus fata cecinisse hominibus videtur , Saturnii appellantur ; quibus et a Naevio bellum Punicum scriptum est, et a multis aliis plura composita sunt. qui deus in Saliaribus Saturnus nominatur, videlicet a sationibus. Freilich, wenn man hier qui deus auf den nächst vorhergehenden ausdrücklichen Namen eines Gottes beziehen mufs, so geht es auf Faunus. Will man sich also dabei beruhigen; nun gut, so sehe ich hier weiter nichts, als dafs die Salischen Gesänge , deren bekanter Charakter es ist, lauter dem Volk unbekante, mystische Benennungen zu gebrauchen, hier eine mystische Darstellung befolgten, wonach die beiden Urgötter Italiens, Faunus und Saturnus, einerlei Wesen sein sollten , dergleichen Identificirungen es in den Theologien der alten eine Menge gab, und welche durchaus ohne Konsequenz sind. Aber man überlege doch den vorliegenden Satz genauer. Wie kommt die Ableitung des Namens Saturnus, a sationibus hieher, wenn oder Saturnus. 61 zu vom eigentlichen Saturn nicht die Rede ist? Oder soll dadurch erklärt werden , dafs man den Faunus Saturnus nannte? Wo ist auch nur eine Spur, dafs man jenem alten Waldgott die Saaten und den Feldbau zugeeignet hätte ? Diese Gottheiten sind ja vielmehr durchaus das Symbol des Zustands der Menschheit vor Einführung des Ackerbaues. Es ist also offenbar, daſs hier auf irgend eine Art wieder vom Saturnus die Rede sein mufs ; und da das qui deus auf jeden Fall schlecht angeknüpft ist (von Faunus trennen es vier Zwischensätze) , so ist es doch weit erträglicher , es wieder auf den Namen zu beziehen , dem der ganze Artikel gehört. Statt Saturnus nominatur mufs also eine Namensform hier gestanden haben, welche eine deutlichere Ableitung von satum war. Alles dies hat Dacier eingesehn , wie aus seiner Emendation Satunnus erhellet. Ich glaube diese nur noch durch eine Kleinigkeit verbessern zu müssen, indem ich Satumnus schreibe nach der Analogie von alumnus , Vertumnus , Clitumnus, Picumnus. Der Artikel des Festus besteht also aus vier Notizen , die unter sich nicht zusammenhangen , und die der Kompilator, um nicht so viel einzele kleine Abschnitte zu machen , durch nachlässige äufsere Verbindung vereinigt hat: 1) die Epoche der Saturnalien, 2) dafs dem Saturnus der Feldbau zugeschrieben worden , 3) dafs die versus Saturniï nach ihm benannt sind, 4) daſs die Salier, um statt des geläufigen Namens einen gesuchteren zu haben , ihn , mit Anspielung auf den von ihm in Italien eingeführten Feldbau , statt Saturnus , Sătumnus nannten. Aber nun fehlt die Begründung der Benennung der versus Saturnii. Sie bedurfte keiner , weil man leicht einsab, dafs sie so hiefsen , eben weil sie der uralle Rhythmus italischer Gesänge waren. Denn auch in Italien hiefsen Orte und andre Gegenstände, die mit Sagen und Erinnerungen aus dem grausten Alterthum verbunden waren, Saturnius, so wie im Griechischen Koóvios ; namentlich das Kapitol ursprünglich mons Saturnius, und die angeblichen Ureinwohner am Fußse desselben Saturnii. S. Festus in Saturnia. Wenn ich auf diese Art durch diese ganze Untersu- 62 XIV. Kronos chung den griechischen Gott ganz aus sich selbst und aus dem griechischen Boden , worauf wir ihn finden, zu erklären, und alles ausländische von ihm abzuwehren gesucht habe , so kann ich mich wol weniger, als die meisten Forscher dieses Faches , der Verdacht vorgefafster Meinung treffen ; da ich bisher stets darauf ausgegangen bin , die Spuren fremder Herkunft in den Mythen der Griechen zu verfolgen. Meine Ueberzeugung bildete sich im gegenwärtigen Falle durch eine gleichsam entgegenkommende Uebereinstimmung aller Notizen nach einfacher Erklärung , wodurch es mir unmöglich ward, an einen Zufall zu denken. Dennoch habe ich zu viel Erfahrung über die Natur dieser Art von Forschung, um nicht zu erkennen , wie leicht , bei der Beschränkung unserer Umsicht, Einseitigkeit uns beschleicht. Allein eben weil diese Gefahr eine Bedingung des menschlichen Geistes ist, kann die Wahrheit nur dadurch mit Sicherheit hervordringen, wenn jeder die eine Seite , die ihm nach gewissenhafter Abwägung die wahre Ansicht zu geben schien, nun auch vollständig und rund durchzuführen sucht. Dafs Andeutungen vorhanden sind , nach welchen der Begriff des Kronos auf anderm Wege in die griechische Mythologie gekommen zu sein scheinen kann, habe ich nicht nur anerkannt ; sondern auch mitten in meiner Beseitigung dieser Ansicht überall in Text und Noten hingestreut , was Samen einer gegenseitigen Untersuchung werden kann. Wem es gelingt , durch Hinzufüigung anderer Spuren , die mir verborgen geblieben , diese Seite zu verstärken ; wer mit Wahrheitsliebe das , was mir die Sache anders erscheinen liefs, dieses Scheines berauben zu können glaubt, der führe nun auch auf dieser andern Seite die Untersuchung eben so vollständig, und mit gleicher Gefahr unfreiwilliger Einseitigkeit durch. Wo alsdann auch die Wahrheit erscheine, jedem von uns bleibt sein Verdienst um ihre Enthüllung. oder Saturnus. 63 Zusatz A. Wir haben die Verwerfung des 169. Verses in Hesiod's Werken und Tagen oben berührt. Um darüber urtheilen zu können , mufs man die ganze Stelle vom Heroen- Geschlecht vor Augen haben : Αὐτὰρ ἐπεὶ καὶ τοῦτο γένος κατὰ γαῖα κάλυψεν Αὖθις ἔτ᾽ ἄλλο τέταρτον ἐπὶ χθονὶ πουλυβοτείρῃ -- Ζεὺς Κρονίδης ποίησε δικαιότερον καὶ ἄρειον ᾿Ανδρῶν ἡρώων θεῖον γένος, οἱ καλέονται 160 Ἡμίθεοι προτέρῃ γενεῇ κατ᾽ ἀπείρονα γαῖαν. Καὶ τοὺς μὲν πόλεμός τε κακὸς καὶ φύλοπις αἰνὴ Τοὺς μὲν ἐφ᾽ ἑπταπύλῳ Θήβῃ, Καδμηΐδι γαίῃ , Ὤλεσε μαρναμένους μήλων ἕνεκ ' Οἰδιπόδαο , Τοὺς δὲ καὶ ἐν νήεσσιν ὑπὲρ μέγα λαῖτμα θαλάσσης 165 ᾿Ες Τροίην ἀγαγὼν ῾Ελένης ἕνεκ᾽ ἠϋκόμοιο . ῎Ενθ᾽ ἤτοι τοὺς μὲν θανάτου τέλος ἀμφεκάλυψεν. Τοῖς δὲ δίχ᾽ ἀνθρώπων βίοτον καὶ ἤθε᾽ ὀπάσσας Ζεὺς Κρονίδης κατένασσε πατηρ ἐς πείρατα γαίης, Τηλοῦ ἀπ᾽ ἀθανάτων τοῖσι Κρόνος ἐμβασιλεύει . 170 Καὶ τοὶ μὲν ναίουσιν ἀκηδέα θυμὸν ἔχοντες Ἐν μακάρων νήσοισι παρ᾽ Ὠκεανὸν βαθυδίνην Ολβιοι ἥρωες · τοῖσιν μελιηδέα καρπὸν Τρὶς ἔτεος θάλλοντα φέρει ζείδωρος ἄρουρα . Μηκέτ᾽ ἔπειτ᾽ ὤφειλον ἐγὼ πέμπτοισι μετεῖναι u. S. W. Was nun unter diesen Versen den 169. betrifft , so haben denselben von 51 Handschriften , welche Lanzi in seiner Ausgabe aufzählt , nur drei, der Cod . Voss. woraus ihn Graevius aufnahm, der eine Lipsiensis (denn Lösner führt unter denen , die ihn nicht haben, blofs den Academicus an , was Lanzi übersah ), und ein Vaticanus. Und zwar sehe ich ihn durchaus so angeführt : Τηλοῦ ἀπ᾿ ἀθανάτων τοῖσι Κρόνος ἐμβασίλευε. Eben so schreibt ihn auch Proklus : aber sonderbarer Weise steht sein Scholion mit diesem Vers weiter oben zwischen den Scholien zum 160. und 161. Vers , also mitten in dem Zusammenhang von dem Erdenleben dieses Geschlechts. Was man nun auch versuchen möchte, um den Vers dort 64 XIV. Kronos · zu halten, ist vergeblich, wie aus Proklus Worten selbst hervorgeht. Denn dieser führt nun an , die Kritiker verwürfen diesen Vers „,und den folgenden" als leeres Gerede (phŋvaqwódus) und den Affekt der darauf folgenden Verse (tŒov μet' avtoùs sixwv) zerstörend ; und nun führt er gleich selbst die Verse 174. 175. (Myxét éneta u. s. w.) als die von ihm gemeinten an , denen er das dazu gehörende grofse Scholion beifügt , das nachher da , wo die Verse hingehören , noch einmal gelesen wird. Hier ist also nicht blofs im Text , sondern auch in den Scholien Konfusion. Der ,,folgende Vers," der mit jenem verworfen ist , kann , wie jeder fühlt , nicht der 161. sein , der dort auf ihn folgen würde ; sehr wohl aber kann der 170. gemeint sein, der in jenen Handschriften und in der obigen Ordnung auf ihn folgt ; und nur wenn er ungefehr da stand , war die Beziehung der ihn verwerfenden Kritiker auf die Verse Μηκέτ᾽ ἔπειτα u . s. w. als nächst folgende möglich. Freilich erscheinen nun die innern Gründe dieser Verwerfung sehr schlecht. Aber daraus sieht man, dafs sie blofs Gründe aufsuchten , weil die beiden Verse in ihren Exemplaren wirklich fehlten. Untersuchen wir nun die Sache, so findet sich allerdings, dafs in jenen sieben Versen 167-173. nicht nur eine lästige Häufung, sondern auch ein Mangel an innerm Zusammenhang ist. Einigermaſsen nun wäre durch Weglassung der beiden erwähnten Verse dem abgeholfen ; nur dafs der Nominativ "Ohßio ewes in der Luft schwebt , wenn der 170. Vers fehlt. Darum eben haben denn auch diesen die jetzigen Handschriften alle , und nur der 169. fehlt, wie gesagt, in den allermeisten. Das sind aber offenbare Willkürlichkeiten ; und mit Recht stellte also Graevius auch diesen wieder her , und die folgenden behielten ihn bei , bis Brunck ihn wieder ausstiefs. Soviel erhellet nun mit Wahrscheinlichkeit, dafs diese Stelle zu jenen gehört, die in älteren Zeiten von andern Rhapsoden anders gesungen wurden , und die man nachher , durch bestmögliche Zusammenreihung der verschiednen Verse , zu vervollständigen glaubte ; eine Kritik, über deren Anwendung auf dies Gedicht August Twesten eine scharfsinnige Abhandlung ge- oder Saturnus. 65 geschrieben hat , wovon einige Bogen , indem ich dies schreibe, bereits vor mir liegen *). Bei der Unmöglichkeit, unter solchen Umständen den eigentlichen Zusammenhang des ersten Dichters , oder auch nur Eines Rhapsoden mit Sicherheit herzustellen , müssen also alle solche Verse in unsern Ausgaben beibehalten werden, da sie, für uns, alle gleich echt und gleich alt sind. Nur das habe ich mir herausgenommen , dafs ich oben iußaoileva schrieb ; denn nur dies paſst in diesen Zusammenhang. Auch habe ich das Komma nach avavátov gelöscht ; denn nur in Beziehung auf den Kronos konnte der Urheber dieses Verses gesagt haben τηλοῦ ἀπ᾽ ἀθανάτων. Vossens Uebersetzung dieses Verses,,,Fern bei den Ewigen dort, wo Kronos übet die Herrschaft," scheint auf einer Aenderung zn beruhen, die ich nicht annehmen kann, wie sie auch griechisch laute. Der von Graevius angeführte Vers aus der einen Triopeischen Inschrift: - ᾿Εν μακάρων νήσοισιν , ἵνα Κρόνος ἐμβασιλεύει ist eine Nachahmung des Hesiodischen, wodurch die nothwendige Verbesserung dieses noch bestätiget wird. Zusat Z B. Ich habe im obigen über die Koóvia der Griechen und deren Verhältnifs zu den italischen Saturnalien nur so viel gesagt, als sich aus den wenigen Notizen der Alten über das so benannte griechische Fest selbst ungefehr ziehen und folgern liefs. Eben diesen Gegenstand hatte aber schon mein unvergesslicher Freund Spalding berührt in seiner Abhandlung de Dionysiis Atheniensium festo (s. Abhandl. der hist. philol. Klasse 1704-1711. S. 77. ff. ), und war dabei auf andre Vermuthungen gekommen. Ueber die ursprüngliche Einerleiheit der religiosen Winter- Lust1

  • Sie ist seitdem erschienen unter dem Titel : Augusti Twesteni Commentatio critica de Hesiodi carmine Opera et Dies. Kiliae 1815. 8.

II. E 66 XIV. Kronos barkeiten bei den verschiedenen Völkern Europens dachte ich mit demselben längst völlig gleich, und von ihm war die Idee mir eigentlich zugekommen. In dieser Untersu chung über die Dionysien bot sich ihm dieselbe Vergleichung, da bei derselben nothwendig nur von einem grofsen Volksfest die Rede sein kann, bei jenem ältesten Bacchusfest dar, welches die ländlichen Dionysien hiefs, und, wie aus Theophrast erhellet , im Posideon gefeiert ward (S. 76.), der unserm December ungefehr entspricht. Der Gegenstand verwickelte sich durch die Unbestimmtheit des Monats Lenäon , welche zu Annahmen vermochte , die Boeckh seitdem berichtigt hat , in einer Abhandlung von den Lenäen (Akademie 1817.) und des Schlusses von dem Sklavenfeste an den Anthesterien, auf ein gleiches an den ländlichen Dionysien , bedarf es nicht bei dem Beweise, der sich darüber führen läfst aus Plutarch adv. Epicurum 16. καὶ γὰρ οἱ θεράποντες ὅταν Κρόνια δειπνῶσιν ἢ Διονύ σία κατ᾽ ἄγρον ἄγωσι περιιόντες , οὐκ ἂν αὐτῶν τὸν ὀλολυγμὸν ὑπομείναις. 霍 Aber nun fragt sich , wie verhalten sich hiezu die Kronien? Sehr richtig bemerkt Spalding (S. 80. ob. ) , daſs so wie die italischen Völker ihre erste Kultur dem Saturnus , so die Griechen dem Dionysos zuschrieben ; beide Nationen weihten also , nur nach ihrer Nationalität , jede einem andern Gott, dasselbe Fest der Freude, dafs bei beiden in dieselbe Jahreszeit fiel. Was aber die Kronien betrifft, so wagt er die Vermuthung (S. 79. unt.), daſs Kronos, als Gott der Zeit, sein Fest um die Zeit des Jahreswechsels gehabt habe, folglich, wenn es mit der Meinung seine Richtigkeit habe, daſs das griechische Jahr ursprünglich um die Wintersonnenwende begann, anfangs eben in der Zeit jener Lustbarkeit (es liefse sich wohl annehmen, dafs die Kronien damals ein Tag der ländlichen Dionysien gewesen); späterhin aber , als der Jahreswechsel auf die Sommersonnenwende verlegt war , im Hekatombäon : und bei dieser Veränderung vermuthet er , hätten alsdann die Kronien zugleich die heitere Festlichkeit des Wintermonats verloren : denn dem Accius ( s. oben) traut er eine kleine Verwirrung zu. oder Saturnus. 67 Es ist schade , dafs Spaldingen hiebei das andre wichtigere Zeugnifs des Philochorus nicht vor Augen war. Mich dünkt indessen , er würde dies sehr gut selbst zur Bestätigung seiner Meinung gebraucht haben. Denn Philochorus sagt ja in dem Latein des Makrobius ganz deutlich, Kekrops habe jene Kronósfeier et frugibus et fructibus jam coactis eingeführt. Dies umständliche et- et- läfst wol nicht zweifeln, dafs im Original unge fehr eben das gestanden. Sobald aber dies ist , so kann dies alte kekropische Kronosfest nicht um die Erntezeit gefeiert worden sein, sondern es wird hinter die Weinlese geworfen, und kann also sehr füglich in der vollkommenen Winterzeit angenommen werden , wo alle Besorgung, die aus dem Feldbau des ablaufenden Jahres flofs , ein Ende hatte , und wo eben diese Ruhe nun erst recht zum Genufs dessen auffoderte, was im Sommer oder Herbst gewonnen worden war. Virgil (Georg. 1 , 302.) : Hiems ignava colono. Frigoribus parto agricolae plerumque fruuntur, Mutuaque inter se laeti convivia curant. Invitat genialis hiems curasque resolvit. Und wirklich bedient sich Dionysius von Halikarnaſs von den tief in den December fallenden römischen Saturnalien desselben Ausdrucks , dessen sich Philochorus von jenen Kronien bedient ( Ant. Rom. 3. p. 173.), ötav åπavtas èx γῆς συγκομίσωσι τοὺς καρπούς *). " Das einzige Bedenken hiebei ist , dafs jener ältere Jahreswechsel der Griechen , um die Wintersonnenwende durchaus auf keiner alten Nachricht sondern nur auf einer Vermuthung Scaligers beruht , deren Begründungen Ideler (Ueber die astronom. Beobacht. der Alten S. 201.) anführt. Wobei ich aber auch bemerken mufs , daſs ich in dem aus der alten Einschaltungs - Zeit , die gerade hinter den Posideon fällt , gezogenen Grund wirklich mehr ― *) Vgl. Plut. Num. p. 75. e. ἐπὶ τὰς τῶν ἐτησίων ἀπολαύσεις καρπῶν τοὺς συνεργοὺς παραλαμβάνοντος ( auch von den Sa turnalien). E 2 68 XIV. Kronos Bedeutung finde, als dort Ideler. Und so mag dies also dahin gestellt bleiben. Dafs aber die Kronien, auch wenn es sich mit ihrer Versetzung so verhält, darum alle Spur jener alten wohlthätigen Feier sollten verloren haben , möchte ich nicht gleich mit Spalding annehmen , wenn ich auch ebenfalls auf des Accius Worte so viel nicht bauen will. Da Philochorus dem alten Kronosfest diesen Gebrauch ausdrücklich zuschreibt, da er ihn sogar auf etwas der Person des Kronos charakteristisches gründet (delectari enim deum honore servorum) ; so bleibt es immer höchst wahrscheinlich, dafs auch in den Kronien , die wir späterhin in der Erntezeit finden, bei dieser so natürlichen Gelegenheit, etwas zu gunsten der Sklaven geschah, wenn gleich nicht in dem Umfang, wie bei den Winter-Dionysien. Ob wir aber die in der Plutarchischen Stelle erwähnte Ausgelassenheit der Sklaven , ὅταν Κρόνια δειπνῶσιν , als einen ausdrücklichen Beweis noch aus späterer Zeit für diese Uebereinstimmung der griechischen Kronien mit den Saturnalien anführen können , ist eine andre Frage. Denn wir können durchaus nicht wissen , auf welche Art diese späteren Schriftsteller Römisches, das nun eben so überall bekant war, mit Griechischem zusammen in ihren Schriften aufführen. So viel bleibt nach allem diesen gewifs, dafs Spalding mit Recht das den italischen Saturnalien eigentlich entsprechende und im wesentlichen für einerlei damit zu haltende Fest in den alten griechischen Dionysien erkennet. Und ich will nur noch bei dieser Gelegenheit eine kleine Bedenklichkeit desselben heben. Da soviel ausgemacht ist, dafs der Lenäon des Hesiodus ein vollkommener Wintermonat ist, und er auf keinen Fall in die eigentliche Weinlese gezogen werden kann ; so gibt Spalding die gewöhnliche Herleitung des Namens von Anrós , die Kelter, ungern zwar , wie man sieht , mit der ihm natürlichen Geradheit auf, ohne eine andere Ableitung angeben zu können (S. 72.) . Allein die Sache mufs, wie mir scheint, so angesehen werden. Der Lenäon hatte unstreitig , wie die Analogie aller ähnlichen Monatnamen lehrt, und auch Spalding , so viel ich ersehe, annimt, seinen Namen von oder Saturnus. 69 den Lenäen ; welches also der alte ursprüngliche Name dieses ländlichen Festes war. Mag also immerhin keines dieser dem Dionysos geweihten Feste ein eigentliches Kelterfest gewesen sein, es hatte seinen Namen von Lenäos, welches einer der Namen oder Beinamen des Gottes war; so wie ja auch andere Feste (z. B. die Maimakterien, die Munychien, die oben erwähnten Gerästien) von ganz eigentlichen Beinamen ihrer Gottheit benannt waren. Der Gott Lenäos aber hatte zuverlässig seinen Namen vom Anvós. Ueberhaupt war doch offenbar das so natürliche Fest des Keltergottes von der Zeit der Weinlese selbst durch irgend eine Ursach, höchst wahrscheinlich durch die bereits angegebene, tiefer in das späte Jahr gerückt worden : dadurch konnte nicht verhindert werden, dafs es immer noch eben so gut das Fest des Keltergottes oder die Lenäen blieb ; und der Monat , worein diese fielen , hiefs also ganz natürlich der Lenäon. 70 XV. Janus. XV. Ueber den Janus *). Dafs in den historischen Forschungen über das entlegnere Alterthum dem etymologischen Verfahren eine Stelle gebührt, ist eben so gewifs, als es begreiflich ist, dafs ein ziemlich entschiedener Widerwille gegen eben diesen Zweig der Forschung vorwalten mufs. Diesen Widerwillen begründet die leidige Erfahrung , dafs nirgend Willkür und einseitige Ueberzeugung mit so dogmatischem Ton aufzutreten pflegt , als in den Untersuchungen dieser Art ; und die noch leidigere Gewissheit , dafs dies , wenigstens auf lange hin , nicht anders sein kann in einer Wissenschaft, die jedem redenden und hörenden Menschen so nahe zu liegen scheint, und die eben deswegen noch so wenig auf Grundsätze , einer Wissenschaft würdig , zurückgebracht ist. Aber abgesehen von dem , wie die Etymologie gewöhnlich getrieben wird , ist doch auch klar , dafs in dem was sie behandelt die ältesten und folglich für alle Ursprünge die einzigen historischen Monumente liegen. Und wenn man mitunter über den Antheil der Etymologie in diesen Forschungen das tolerante Urtheil höret, man müsse mit den Thatsachen erst aufs reine sein , um alsdann zuzusehn wie sie hie und da durch die Etymologie auf eine anziehende Art bestätigt werden ; das heifst mit andern

  • ) Vorgelesen in der Akademie der Wissenschaften den

Mai 1816. XV. Jan u s. 71 " Worten , ohne die Etymologie gehe jede alterthümliche Forschung ganz vollständig von statten , doch könne sie, gut gespielt , als eine Aufheiterung in Zwischenräumen dienen ; so kann ich mit diesem Urtheil so wenig einverstanden sein, dafs ich vielmehr erkläre, mit der Etymologie gehe das eine wesentliche Ende jener Untersuchung aus diesem Gebiete verloren. Wenn es nun selten ist, dafs der Sinn für reine Sprachforschung sich mit umfassender Kenntnifs sachlicher Gegenstände, soweit sie hinauf reichen, paart; so scheint es verdienstlich dafs jede solche Untersuchung auch von irgend jemand mit entschiedener aber nüchterner Vorliebe für die etymologische Seite, jedoch so getrieben werde , dafs der Blick nie von dem weiche was im sachlichen Felde vorhanden ist. Ich bediene mich dieser Vorrede, deren allgemeinerer Zweck ist , alle meine Beiträge zu diesem Theile alterthümlicher Forschung vor Miſskennnng zu bewahren, heut insbesondere um einen Gegenstand einzuführen , von welchem ich glaube, dafs er ohne etymologische Betrachtung gar nicht gefördert werden könne. Es ist die Untersuchung über das Wesen des Janus. Ein Name der mit rein appellativischen Benennungen , besonders dem Worte janua , in so deutlicher und anerkannter Beziehung steht, dafs eine gründliche Erörterung dieser Beziehung eine nothwendige Bedingung jeder Untersuchung über diesen Gott ist. 1 Ein Gott den sein Name auf ein so kleines ursprünglich wenigstens nur häusliches Geschäft beschränkt , das daher auch andre Nationen nur als Nebenbestimmung einem der gröfseren Götter zutheilen , scheint sich nur als ein Dämon oder sogenannter Halbgott darbieten zu können ; und doch setzt ihn die italische Ueberlieferung an die Spitze ihrer Geschichte : und macht ihn dadurch , sei. auch späterhin sein Dienst unter diesem Namen in den Hintergrund getreten , zu einer ihrer alten und vornehmsten Nationalgottheiten. Dies letzte ist so klar und gewifs, dafs wir fürerst von diesem Gesichtspunkt allein ausgehn, und den Janus ohne seine Beziehung auf die Thüren betrachten wollen. 72 XV. & Janus. Die dunkle Sage leitet Italiens älteste Kultur von zwei verschiednen uralten Königen, das heifst Göttern, her, dem Janus und dem Saturnus ; eine Kollision der Mythen die, nicht ohne Zwiespalt , doch nach der gröfsern Uebereinstimmung, so geschlichtet wird, dafs Janus der ältere einheimische, Saturn der von aufsen gekommene gastfrenndlich von jenem aufgenommene sei ; dafs von Janus die dasigen Menschen ihre ältesten einfachen Sitten und ihre Gottesverehrungen, von Saturn aber den Ackerbau und die übrige davon ausgehende Kultur erhalten haben. Dafs dieser Begriff des Janus nicht von dem eines Hüters der Thüren ausgegangen sein kann, ist klar. Wir sehen deutlich einen uralten Hauptgott der Nation, der eine gröſsere und sinnlichere Sfäre seiner Göttlichkeit gehabt haben muïs ; und da uns diese nicht bekant ist , so ist ein forschender Blick auf seinen Namen gerechtfertigt. Hier gibt sogleich einen wichtigen Wink , den auch die alten Forscher nicht übersahen, der übereinstimmende Name Jana, der einerlei ist mit Diana. Da ich die Zuversicht der Alten, in der Diana die Luna zu erkennen, theile, so kann ich in der Zusammenstellung von Janus und Jana das Götterpaar nicht verkennen das in allen Mythologien lebt *). Also wäre Janus der Sonnengott. Man lächle nicht über das ewige Erscheinen der Sonne in allen mythologischen Deutungen. Nicht die Einseitigkeit des Blickes der Erklärer, sondern die ruhig geführte Betrachtung der meisten Namen , Mythen und Attribute vornehmer Nationalgötter führen unwillkürlich auf jene zwei Himmelskörper, die denn freilich auch von vorn her sich jedem nachdenkenden als die nothwendigen Urgötter des einfachen Menschen darbieten. Die grofse Hälfte der Vielgötterei entwickelt sich von selbst aus den Attributen dieser zwei. Nicht aus schwer zu fassenden Symbolen von Himmel und Erde personificirte sich der Mensch seinen Juppiter und Juno ; sondern er sah sie herschen am Himmel und in der Welt. Sobald aber die Begriffe von der Gottheit sich

  • Macrob. 1, 9. Pronuntiavit Nigidius Apollinem Janum esse,

Dianamque Janam. XV. Janus. 73 würdiger gestalteten , trennte sich der Begriff des Königs und der Königin der Götter von jenen zwei grofsen Fetischen, und bestand für sich unter den alten Namen, ohne jedoch der Sonne und dem Mond ihre eigenthümlichen Gottheiten zu entziehn , die nun unter andern Namen, ursprünglich Nebennamen jener , als untergeordnete Gottheiten auftreten. Um hier dies nicht zu weit zu verfolgen mache ich nur auf einen zum gegenwärtigen Zweck unmittelbar gehörigen Umstand aufmerksam. Janus und Jana sind uns als uralte Namen italischer Nationalgottheiten gegeben : und bei den Griechen waren Záv und Zavá Nebenformen oder Nebennamen von Zeus und Hera. Dem der auf Sprachforschung minder aufmerksam ist bietet sich das Verhalten des Z, besonders wie wir es sprechen, zu dem J nicht dar. Aber die blofse Vergleichung von Cɛúyw jungo, Luyóv jugum, und von den Namen Zeus und Jovis selbst, muſs ihn auf den richtigen Weg führen. Nehmlich das 【 ist nur ein mit weichem Zischlaut begleitetes d, und das d der Griechen ward und wird auf eine auch in den nordischen Sprachen wieder erscheinende , dem j sehr nahe kommende , und fast wie dj lautende Art ausgesprochen. Aus dieser Betrachtung geht das wahre Verhältnifs des Namens Diana zu jenem Jana hervor , und an eine Zusammensetzung von dea oder diva Jana ist nicht zu denken. Mit neuer Bestätigung aber tritt nun hinzu die Form Dijovis, was, wie Varro und Gellius uns lehren, eine alte Benennung des Jovis oder Juppiter ist , und womit der griechische Genitiv 4tós übereinkommt. Wer mehr verlangt, den erinnern wir, daſs aus der griechischen Präposition diά in einigen Zusammensetzungen Ça und da wird, ja dafs bis in sehr neue Zeiten hin der Name diάßokos in ζάβολος , Διαβοληνός in Zabolenus und Jabolenus, δίαιτα in zaeta überging ; was alles schon von Salmasius und andern´zerstreut bemerkt worden ; und was ich noch hinzufüge, dafs die Stadt Zara bei den alten Schriftstellern Jadera und im Mittelalter Diadora heifst ; endlich daſs aus dem lateinischen Worte deorsum, vermöge eines sehr begreiflichen Uebergangs desselben durch djorsum, djosum, 74 XV. Janus. " " • in der Volksprache jusum ward (susum jusum sagte man für sursum deorsum; s. Du Cange in jusum), woraus nun das italiänische giuso und dessen Abkürzung giù entstand, welches letzte Wort mit deorsum zusammenzubringen ohne diesen dokumentirt daliegenden Hergang kein Etymolog hätte wagen dürfen. Ich glaube diese Zusammenstellung rechtfertigt es vollkommen, in den italischen alten Nationalgöttern Janus und Jana, wovon jener als Stifter des Volks verehrt ward, den Záv und die Zavo eines Volkstamms zu erkennen , der durch Sprache und Sagen so vielfältig mit jenem verbunden ist ; oder um es auch von dieser Seite darzustellen, in dem Namen Janus denselben Hauptnamen oberster Gottheit zu finden , der vom Orient aus in den mancherlei vielgöttischen und eingöttischen Religionen in den Formen Jah, Jao, Jova, Jovis sich fortgepflanzt hat. Da nun gewifs eine sehr natürliche Annahme ist ; dafs eben dieser Name in der Kindheit der Nationen, die sich ihren höchsten Gott in der Sonne versinnlichten , von dem Namen dieser ausging ; so tritt als neues Zeugnifs auch noch der orientalische Name des Tages jom hinzu ; gerade wie der lateinische Name dies auf die andere mit jener verwandte Reihe von Formen des göttlichen Namens Aios , Dijovis, Diespiter, deus, dii, deutet *). Wenn wir also weiter nichts vom Janus wüfsten als jene altitalische Sage , so würde diese theils allein schon, noch mehr aber in Verbindung mit diesen etymologischen Betrachtungen uns die uralte Namensform des obersten Nationalgottes, oder doch eines der obersten, im Janus erkennen lassen. Damit stimmen denn auch die Benennungen Janus pater, und wie er in den uralten Saliarischen Gesängen hiefs, deorum deus , ferner die schon sehr alte Deutung desselben auf den Himmel , wie dies alles von

  • ) Dafs in einer der ältesten europäischen Sprachen, der galischen, die Sonne deo heifst, bestätigt unsere Ansicht von seiten

dieser Formenreihe völlig. Ganz wie deorsum jursum verhält sich dies deo zu dem Ju, woraus Juppiter zusammengesetzt, und Jovis, Juno, Janus u. s. w. entstanden sind. 1 XV. Janus. 75 Macrobius a. a. O. zusammengetragen ist. Desto auffallender ist also nun die besondere Beschränkung dieses Gottes bei der Nachwelt auf das Thürengeschäft, und auf einiges andre was sich aus diesem leicht entwickeln läfst. Wir müssen also zu diesem andern Haupttheil der Untersuchung, eben so unabhängig von jenem schreiten. In allen Gestalten des Volksglaubens , im kindlichen Aberglauben sowohl als in den würdigeren Formen der Gottesfurcht, glaubt und fühlt sich der Mensch ausgesetzt einem oder mehren feindseligen Principien. Aber er sei wo er wolle , er thue was er wolle, so fühlt er sich auch unter gewissen Voraussetzungen geschützt von Wesen und Geistern , die mächtiger sind als jene , und aus welchen eben die Religion des Alterthums, das wir vor uns haben, jene Menge von Göttern schuf, die jedem Raum , jeder Zeit und jedem Geschäft vorstanden. Wenn der Mensch auf dem Lande ist oder auf dem Meere , im Walde oder auf der Flur, in der Stadt, im Hause, auf der Strafse ; so befiehlt er sich den Mächten oder Göttern der Erde, des Meeres, der Wälder, der Fluren, den Göttern seines Staates, den Laren, den Wegegöttern ; es sei Tag oder Nacht; er schlafe oder wache ; er treibe Handel oder Kunstfleifs ; er verwalte den Staat oder führe Krieg ; so steht er unter der Herrschaft bestimmter Gottheiten, für jede dieser Zeiten, jedes dieser Verhältnisse, dieser Geschäfte : ein Glaube, dessen Bedürfnifs in der reinen Religion sich ausspricht in der bestimmten Vorstellung von der Allgegenwart des Einen Gottes. Jene vielgöttische Vorstellung dagegen liefs ein grofses Bedenken übrig. Ihrer Schwäche in Beziehung auf die guten Götter sich bewufst , sind die feindseligen Mächte hinterlistig und tückisch. Sie sind auf einer ununterbrochenen Lauer um die Momente zu erspähen , wo die schützenden Götter einen Menschen aus den Augen lassen oder dieser sich denselben entzieht. Freilich schützt mich mein Hausgott in meinem Hause , und die Götter draufsen mich , wenn ich draufsen bin. Aber im Hinausgehn aus dem Hause ist ein Punkt und ein Moment, wo der Hausgott mich gleichsam entläfst, und die Götter draufsen, die Wegegötter, die Feldgötter mich noch nicht über- 76 XV. Janus. nommen haben. Auf diesen Augenblick lauert vielleicht ein Dämon. Doch auch für diese Furcht erfindet der fromme Sinn ein einfaches Mittel. Er bildet sich einen Genius des Uebergangs , einen Gott der Thüren; einen Gott der in Freundschaft steht mit den Göttern draufsen und drinnen , der seinen Blick hat draufsen und drinnen, und in dessen besondern Schutz er steht bei jedem Durchgange. Leicht begreift sich , dafs von dieser sinnlichsten Vorstellung eines Gottes der Thüren , der stets sinnende, in seiner einfachsten Wissenschaft stets abstrahirende Mensch auch jenem Gotte sein Reich ausdehnte auf den Wechsel der Zeiten. Bei Scheiden der Nacht und ihrer. Götter übergibt der römische Janus als Janus Matutinus die Menschen den Göttern des eintretenden Tages ; derselbe eröffnet das neue Jahr * ), mit dem Blicke auf beide Zeiträume gerichtet ; und so endlich wird er ein Gott jedes anderen Wechsels , auch des der Geschäfte und Verhältnisse. Und wie einfach schön und wahr vereinigt auch unsere Religion wieder alles angeführte in dem frommen Gedanken, welcher Segen von Gott erfleht für unsern Ausund Eingang. Dies ist unstreitig der Sinn eines Gottes der Thüren und Uebergänge , wie er vielleicht in allen alten Religionen war. Ob aber wirklich dort und da eine eigne blofs dazu bestimmte Gottheit sich bildete oder ob jedes Volk diese Obhut einem seiner grofsen Götter als besondres Attribut übertrug ; dies ist wol nicht zu bestimmen. In Griechenland sehn wir das letztere deutlich in ihrem Apollo Jugatos oder dyvius, dessen Analogie zu unserm Janus sich gleich darbietet ; wiewohl wir diesen römischen Thürengott ohne jene mythischen Notizen , auf die wir ja für jetzt noch keine Rücksicht nehmen wollen, für einen eigen-

  • ) Sehr begreiflich ist, dafs er hievon das Symbol des Jahres

überhaupt ward , was schon früh eingetreten sein mufs ; da eine Bildseule des Janus , die so alt war , daſs Plinius sie vom Numa gestiftet glaubt , mit den Händen die Zahl 355 darstellte. Nach Plinius Bestimmung mufs es die bekante Statue am Forum gewesen sein. Möglich indessen auch , dafs dieses Attribut noch von dem Janus als Sonnengott herkommt. XV. Jan u s. 77 thümlichen guten Dämon nehmen würden , welchen eine kindliche Einbildungskraft aus Ursachen , die nun keiner Erörterung weiter bedürfen, mit zwei Gesichtern nach roher Kunst gebildet, in den Thüren anbrachte. Denn von dem seltsamen Irrthume wird man, denke ich, ja zurückgekommen sein, welcher das abenteuerliche in den Gestaltungen der Kunst und der Einbildung nur späteren allegorisirenden Zeiten zuschreibt, und in den ältesten Fabelund Götterbildern der Griechen nur rein menschlichschöne Formen annimt. In jener ältesten Kunst, wenn wir sie so nennen wollen, ist das Hauptprincip des Schönen, d. h. dessen was reizen und die Aufmerksamkeit fesseln soll, eben nur das Wunderbare. Und nicht schlecht erfüllt ein kunstfertiger Mann dieser Bildungsperiode seine Aufgabe, wenn er den Gott, den er sinnlichen Menschen zur Verehrung darstellen soll, in staunenerregender Zusammensetzung von Gliedmaſsen darstellt ; die er jedoch nicht willkürlich wählt, sondern aus der mit dem menschlichen Verstand zugleich geborenen Allegorie zur Bezeichnung von Kräften und Attributen nimt ; wie dies die rohen Götzenbilder aller Zeiten und Länder lehren. Nur den Griechen war es vorbehalten , früh das Uebermafs in solchen Zusammensetzungen zu erkennen und zu vermeiden, und besonders in den Gegenständen ihrer Verehrung nach Abwerfung dessen , was die rohe Fantasie beleidigendes gehäuft hatte, nur solche körperliche Attribute übrig zu lassen welche mit menschlicher Schönheit vereinbar waren. Möglich also daſs der zweiköpfige Gott der Thüren , wenn er gemeinsamen Voreltern der Griechen und Italer gehörte , diese Epoche des Geschmacks bei den Griechen nicht überlebte ; und dafs daher , gleichsam als etwas befremdliches , vom Janus bemerkt ward , dafs diesen Gott die Griechen nicht gekannt. Ovid. Fast. 1, 89. Quem tamen esse deum te dicam, Jane biformis ? Nam tibi par nullum Graecia numen habet. Weiter als das vorgetragene lasse ich mich über die bildliche Darstellung des Janus nicht ein. Der alte einfache Doppelkopf kam in die Hände der Dichter und der Künstler. Jene deuteten ihn, und diese formten ihn nach- 78 XV. Jan u s. diesen Deutungen ; und eine Deutung und eine Formung zog die andre nach sich, und so erscheinen diese Bilder nun als historische Monumente. Sie sind es auch ; aber nicht von jener Zeit , wo die Religionen und die Mythen entstehn ; ausgenommen sofern, dem Dichter und dem Bildner unbewusst , ältestes in ihren Darstellungen sich erhält. und durch Kombination sich kund thut. An dieser Klippe der Kunst scheiterten alte und neue Alterthumsforscher ; und es ist ein Hauptzweck der mythologischen Kritik, die scheinbaren Thatsachen , welche beiderlei Monumente uns vor die Augen bringen , zu enthüllen und , wo sie herkamen, in das Reich der Gebilde zu verweisen ; wo ihre Betrachtung wieder lehrreich in vielfacher Beziehung wird. Der gegenwärtigen Untersuchung jedoch hat der Kreis der Kenntnisse ihres Verfassers engere Grenzen bestimmt. Mit scheuem Blick nur auf jene Gebilde, strebt sie älteste Vorstellung herauszuahnen ; damit , wenn diese durch innere Wahrheit sich kund gethan haben sollte , nun erst der erfahrnere Kenner jenes andern Theils , im einzelen ergänze und berichtige. Aber nun komme ich an eine Frage, die schwieriger ist , als sie wol gewöhnlich geglaubt wird. Wie haben wir uns die Uebereinstimmung zu denken, welche zwischen dem lateinischen Namen der Thür, janua, und noch mehr dem eines Durchganges in den Strafsen der Stadt, janus, und dem Namen des Gottes statt findet ? Haben diese Gegenstände von dem Gotte den Namen, oder er von ihnen? Das letztere könnte man sich in Absicht der Form des Namens vernünftigerweise nur so denken : janus heifse (von ire allerdings, wie den Namen des Gottes schon Cicero de Nat. Deor. 2, 27. *) erklärte) ein Gang, ein Durchgang, und diesen Begriff selbst habe man personificirt, und

  • ) Principem in sacrificando Janum esse voluerunt, quod ab

eundo nomen est ductum. Was Cornificius bei Macrob. 1 , 9. sagt, Cicero non Janum sed Eanum nominat ab eundo , läfst sich doch kaum anders als auf die angezogene Stelle beziehen. Doch kann ich mir nicht wohl denken , dafs ehedem dort Eanum geschrieben gewesen. Oder sprach Cornificius blofs ungenau, um Cicero's Ableitung fühlbarer zu machen ? 1 XV. Janus. 79 so, wie bei so viel andern Gegenständen gleiches geschah, als Gott des Durchgangs verehrt. Aber dies lässt sich nun mit der altmythischen Notiz wovon wir ausgingen durchaus nicht reimen. Nicht weil es der dort von mir vorgetragenen Etymologie des Götternamens Janus widerspricht, sondern weil es ganz gegen alle Erfahrung im Alterthum ist , daſs eine Allegorie dieser Art, ein von einem so beschränkten Gegenstand abgezogener Begriff als uralter Nationalgott als eine Art Stammvater verehrt und an die Spitze der mythischen Geschichte der Nation gesetzt worden sein sollte. Man könnte zwar aus dem Begriffe der Thür und des Eingangs den des Anfangs überhaupt leiten ; und so mögen diejenigen Alten es gemeint haben, welche den Janus für das Chaos erklärten *). Allein dies stimmt mit der ganzen übrigen Darstellung nicht, die ihn durchaus nicht zum Anfang der Dinge , sondern zu Ende und Anfang zugleich, zum Uebergang und Wechsel macht. Allerdings steht er also dem Anfange jedes Geschäftes vor; und daher kommt es auch, dafs vor allen Gebeten und Opfern zu andern Göttern an ihn zuerst Gebet und Weihe gerichtet werden mufste. Jedem irdischen Anfang also steht er vor , weil jeder irdische Anfang ein Uebergang ist; aber eben darum kann er nicht der Anfang der Dinge, und auf diesem Wege der göttliche Stammvater geworden sein. Zu geschweigen dafs alles dies, und was man sonst in diesem Sinne versuchen möchte, lauter Abstractionen von solcher Art sind, wie sie vielleicht wol ein ziemlich alter Dichter personificiren , nicht aber ein altes einfaches Volk zu Göttern seines Bedürfnisses schaffen konnte. So werden also jene Gegenstände von dem Gotte den Namen haben. Denkbar wäre es auf folgende Art. Wie die Griechen dem Apoil so hätten die ltaler dem Janus die Hut der Thüren und Durchgänge aufgetragen und sein Bild mit sinnlichen Attributen zu diesem Zweck versehen, in den Thüren angebracht. Einen grofsen Platz der Art, wo etwa ein förmlicher Altar des Janus stand, habe man

  • ) Festus v. Chaos.

80 XV. Janus. 8 dann beim Janus, am Janus und zuletzt selbst Janus genannt, dann auch die Thüren als kleinere Gegenstände dieser Art durch abgeleitete Form januas. Wen diese oder eine ähnliche Darstellung befriedigt, der kann diese Ansicht brauchen, um die alte Ueberlieferung vom Janus mit dessen späterhin gangbarer Verehrung und mit dem was ferner daraus fliefst und wir noch vorzutragen haben in Verbindung zu setzen. Mir jedoch hat auch diese Vorstellung nie genügen können. Mit dem Gefühl das fortgesetzte Beobachtung der Sprache mir eingeimpft hat, will es sich durchaus nicht vertragen dafs ein so alltäglicher ja allaugenblicklicher Gegenstand, wie eine Thür ist, eine ihrer gangbarsten Benennungen auf solchem Wege erhalten habe ; eine Benennung die so alt und geläufig war dafs sogar andere Wörter janitor, janitrix wieder davon abgeleitet waren. Diesen Zweifeln komme ich durch eine dritte Annahme entgegen die , etwas auffallend ausgesprochen, so lautet ; dem Gott Janus der aus den zuerst dargelegten Ursachen so hiefs , wurde, weil er so hiefs , die Obhut der jani undjanuae zugesprochen. Dem Beobachter des Volks, seiner Meinungen und seiner Gebräuche wird jedoch diese Beobachtung minder auffallend sein. Des Menschen Verstand ist stets rege zu kombiniren, und namentlich Wörter und Namen mit Sachen und Thaten. Wenn kein einleuchtenderes Princip sich darbietet, so horcht er auf den Klang der Namen. In der Ungewissheit welchem Heiligen er dieses oder jenes Bedürfniſs empfehlen sollte, liefs der einfache katholische Christ nicht selten den Namen entscheiden ; und so ward z. B. der heilige Valentinus , dessen Name in oberdeutscher Mundart Fallendin lautet, treuherzig zum Patron gegen die fallende Sucht gemacht. Möge dies eine , dem sich viele ähnliche zugesellen lassen, als ein Beispiel da stehn wie harmlos der einfache Mensch in diesem Sinne verfährt. Der vorliegende Fall läfst sich glimpflicher fassen. Den Schutz der Thüren übertrug jenes Volk einem seiner Götter , der wie alle andern im Wechsel der Zeiten und Stämme unter mehren Namen und Namenformen verehrt ward. Nichts begreiflicher als dafs XV. Janus. 81 dafs von diesem Gotte derjenige Name , der gerade mit dem einen Durchgang, eine Thür bezeichnenden Worte übereinkam, für dieses Attribut sein ausschliefsender, und er selbst unter diesem Namen allmählich eine besondere Gottheit für dieses göttliche Amt ward. Durch diese Annahme sind wir jedes etymologischen Zwangs entbunden. Der Gott heifst Janus nach der oben dargelegten Analogie ; und janus heifst ein Durchgang nach der keineswegs verwerflichen Etymologie des Cicero *). Der Janus bietet nun noch ein Kapitel der Untersuchung dar : den Sinn der Eröffnung seines Tempels in Kriegszeiten. Oberflächliche Erklärungen finden sich leicht; besonders indem man es für eine allegorische Handlung erklärt , wodurch nach hergestelltem Frieden eingesperrt wird - was ? Der Krieg , damit er nicht wieder umher tobe? der Friede, damit er nicht davon laufe ? Wunderlich findet man dies durcheinander gewirrt z. B. bei Ovid. Fast. I, 121. Cum libuit (sagt Janus) Pacem placidis emiltere tectis, Libera perpetuas ambulat illa vias. Sanguine letifero totus miscebitur orbis Ni teneant rigidae condita Bella serae. Schon allein ein Beweis von der Ungründlichkeit jeder Erklärung in diesem Sinn. Etwas natürlicher scheint die Antwort eines Neueren. Jani aedicula, sagt Heyne (Exc. ad Aen. 1 , 9.) bello indicto prisco more patebat adeuntibus et supplicantibus. Aber warum grade dem Janus? Und wo sind die Notizen von dem Gebrauche dafs während des Krieges grofse gottesdienstliche Handlungen zur Sühne dieses Gottes gehalten wurden ? ein Gebrauch der doch, bei dieser Annahme, nicht fehlen und nicht untergehn konnte. -– Doch ich thue noch eine Frage in diesem Sinn , deren Ueberlegung uns auf wahrscheinlicheres führen wird. Woher hat man denn die Notiz von einem eigentlichen

  • ) Ableitungen von ire sind nehmlich der Kleinheit der Wurzel wegen gar zu leicht unkenntlich. Wer würde sie z. B. in eques

erkennen? Und doch ist dieses Wor!, vermöge dessen was als seine blofse Endung erscheint (eques, equitis), zuverlässig ein Compositum mit ire. Denn genau wie superstes, antistes von stare, so kommen comes, pedes, eques, ales von ire. II. F 82 XV. Janus. Tempel des Janus der geöffnet und geschlossen ward? Zwar findet man hie und da die Benennung templum von diesem bestimmten Gebäude wie bei Orid a. a. O. 258. (Hic ubi juncta foris templa duobus hàbes); aber dies ist ein allgemeiner Ausdruck den die Dichter , welche selbst nicht bestimmt wissen was sie daraus machen sollen, brauchen , weil allerdings ein Altar dem Gotte dort geweiht war; woher es auch sacellum heifst (ebend. 275. Ara mihi posita est parvo conjuncta sacello. Haec adolet flammis cum strue farra suis). Von einem eigentlichen Tempel ist nirgend eine Spur ; und doch würde gewifs aus dem ursprünglichen Kapellchen späterhin wo der Janus und diese hochfeierliche Cerimonie mit den grofsen Geschicken des römischen Staats in Verbindung standen , zu diesem Zwecke einer der herrlichsten Tempel geworden sein. Wie denn auch wirklich an andern Stellen auch diesem Gotte zu Ehren Tempel waren; denn welcher Gott hätte deren gänzlich entbehrt ? Auf jeden Fall aber , und das ist das wichtigste, ist der Ausdruck „ den Tempel des Janus schliefsen" durchaus unantik. Nirgend heifst die Formel so, sondern immer Janum clusit , Janum Quirinum clusit. Also nicht der Tempel sondern ,, der Janus ward geschlossen." Erwägen wir diesen aus den ältesten Zeiten herstammenden Ausdruck recht, so ergibt sich bald dafs der sogenannte Janustempel nichts weiter als ein Janus d. ĥ. ein Durchgang war. Und das sagt auch Ovid deutlich an derselben Stelle die wir eben aus ihm für den Ausdruck templum anführten. Cum tot sint jani, cur stas sacratus in uno Hic, ubi juncta foris templa duobus habes ? Und eben das ergibt sich aus den Beschreibungen. Es waren geminae portae (Aen. 7, 607.) , ein díavhor.. Plut. de Fortuna Rom . p. 322. b. ἐκλείσθη δ᾽ οὖν τότε τὸ τοῦ ᾿Ιανοῦ δίπυλον, ὃ πολέμου πύλην καλοῦσι. Ganz irrig versteht man zu δίπυλον das Wort ἱερὸν , und erklärt es durch einen Tempel mit zwei Portalen. In diesem Sinn kommt díлvLov nirgend vor. Es heifst weiter nichts als ein Doppelthor d. h. ein Durchgang, und daher nennt derselbe Plutarch (Pericl. 30.) eben so das athenische Thor welches den innern und äufsern Ceramikus verband. Wir komδίπυ- XV. Janus. 83 men nun näher zu unserm Zweck. In alten Städten von einigem Umfang pflegen mitten in der Stadt Durchgänge in Gestalt eines Stadtthors zu sein, theils vielleicht absichtlich zur Verbindung und Sperrung gewisser Theile der Stadt, theils aber und gewöhnlich als Ueberreste eines älteren, kleineren Umfanges der Stadt, wovon man die Thore bald aus heiligen bald aus profanen Ursachen stehn liefs. Dergleichen waren in Rom mehre , welche in der Folgezeit erneuert zur Zierde der Stadt dienten ; so dafs man auch neue der Art , wo sonst keine waren anlegte : wie denn namentlich die aus Horaz und andern Schriftstellern bekanten drei jani auf dem foro wo die Kaufbuden waren, zu diesen absichtlich angelegten gehörten. S. Liv. 41 , 32. Alle diese führten die alte Benennung jani; und höchst wahrscheinlich war , so wie janua mit fores, so auch janus ursprünglich gleichbedeutend mit porta ; und janus, janua verhielten sich zusammen wie im Deutschen Thor und Thür. Und auch in den germanischen Mundarten ist ein von dem Verbo gehn abgeleiteter Name für ein Thor, das englische gate ; welches Wort mit dem lateinischen janus, so wie überhaupt gehen mit eo, ire in etymologischem Zusammenhang zu stehn scheint. Ja von dieser alten Bedeutung des Wortes janus blieb auch noch in sofern eine Spur, dafs, während porta den allgemeinen Begriff des Ortes ausdrückte , wo man in die Stadt aus und einging, der eigentlich zum durchgehn bestimmte Theil des Thorgebäudes in gewissen Fällen janus genannt ward ; denn blofs auf diese Art ist es zu verstehn wenn es bei Liv. 2, 49. und Ovid. Fast. 2, 201. heifst , die Fabier seien bei ihrem bekanten Auszug nach Cremera durch den janus dexter portae Carmentalis gegangen , welcher daher seit dieser Zeit als ein unglücklicher Weg vermieden werde. Dies hat Nardini in seiner Roma Antica I, 9. deutlich auseinander gesetzt und andere Beispiele von Stadtthoren beigebracht, die zwei solche Durchgänge oder Pforten nebeneinander hatten *).

  • ) Im Deutschen verhält es sich mit den Worten Thor und

Pforte ungefehr eben so, wie nach meiner Darlegung im LateiniF 2 84 XV. Janus. Unter den vielen janis dieser Art die also zum Theil alte Thore, Stadtthore waren, stand eines am Forum, welches sich aus den Zeiten herschrieb, da, wie wir aus Livius und allen ältesten Nachrichten wissen, Roms Umfang sich auf wenig mehr beschränkte als den Palatinus und einen Theil des zwischen diesem und der Burg oder dem Kapitol liegenden Thales, wo das Forum war, das, wie in vielen alten Städten am Thore lag. Mit diesem uralten Thore nun , das sehr früh mitten in die Stadt zu liegen kam und vermuthlich so gut wie die übrigen jani zum allgemeinen Durchgang diente , war ein heiliger Gebrauch verbunden. Eben als Durchgang war es von beiden Seiten immer offen * ) ; aber eine alte Sage war dabei dafs es nur offen sei im Kriege, im Frieden aber geschlossen. Eine Sage, sag' ich ; denn da die Römer so weit die Ueberlieferung hinauf reichte stets im Kriege gewesen , so war auch lange Zeit keine Kunde schen mit porta und janus. Gegenwärtig ist das Wort Thor der allgemein übliche Name für ein Stadtthor , und Pforte hat einen andern zum Theil verkleinernden Begriff bekommen , während in ältern Schriften häufig Pforte von den Stadtthoren gebraucht wird. In meiner Vaterstadt Frankfurt am Main, wo alle Stadtthore den Namen Thor tragen, bestanden noch bis auf neue und neueste Zeiten die Stadtthore des alten Umfangs ; sie waren von weit kürzerem Durchgang als die eigentlichen und äuſseren Stadtthore der neuern Zeit , dienten als Durchgänge aus der innern Stadt in die äufsere , und hatten auch soviel der Raum verstattete Krambuden innerhalb. Diese Durchgänge behielten fortdauernd den alten Namen Pforte (St. Katharinen Pforte, Bornheimer Pforte) ; und mit diesem alten Namen eines Thors, Stadtthors verband sich nun die bestimmte eines stets offenen Durchgangs, eines janus.

  • ) Procop. de Bell. Goth. I. ,, Mitten auf dem Forum, dem Kapitol gegenüber ist eine Kapelle , etwas jenseit des Ortes welchen

die Römer die drei Parcen nennen. Diese Kapelle des Janus ist ganz aus Erz” : (mân sieht , daſs er von einem späteren Ausbau des alten Gebäudes spricht , der sich von selbst erwarten läfst, der aber immer im wesentlichen die Gestalt des alten hatte :) ,,die Gestalt des Janusbildes ist mit zwei Gesichtern, das eine nach dem Aufgang das andre nach dem Untergang gerichtet : nach beiden Seiten hin aber sind Thore einem jeden der beiden Gesichter gegenüber." XV. Janus. 85 dafs dieser Janus je geschlossen gewesen als unter der ganz mythischen Regierung des Numa. Nehmlich wie jeder unbefangene Geschichtforscher anerkennt so waren die gleich nach Roms Ursprung, wohin also weder Geschichte noch wahre Sage reicht , aufeinander folgenden Regierungen des Romulus nnd Numa nichts als zwei in Verbindung stehende Symbole, jener des kriegrischen Ursprungs und der kriegrischen Natur des römischen Staates , dieser des vollkommenen Friedens und ungestörten Rechtszustandes, der als Ideal nur vorhanden sein konnte. Dafs also der Janus am Forum im Frieden geschlossen sei , konnte lange Zeit nur eine mythische Sage sein, deren Ursprung zu erforschen steht ; welcher getreu aber, als einmal nach dem ersten punischen Kriege ein solcher allgemeiner Friedenszustand wirklich eintrat , dieser Janus auch wirklich feierlich geschlossen ward : was also in der römischen Geschichte die zweite Schliefsung heifst, bei dem nüchternen Geschichtforscher aber die erste ist. Ja es ist die einzige : denn was man im eigentlichen Sinne Geschichte des römischen Staates nennen kann hört ja mit Augustus auf; welcher freilich , da Krieg und Frieden nur von ihm allein abhingen , einem Theil seiner Regierungszeit diese Aufsenseite der idealischen Zeit des Numa , und seinen Römern das Schauspiel jenes uralten , hochheiligen aber fast beispiellosen Gebrauchs geben zu können sich freute; was man denn die dritte, vierte und fünfte Schliefsung des Janus zu nennen pflegt. Woher also dieser Gebrauch oder diese Sage ? Man kann es von vornher ahnen wenn man uralte Gebräuche, namentlich römische, beobachtet hat ; von etwas sehr kleinem in der Kindheit des Staates. Krieg heifst zu der Zeit wo man von der Stadt aus die Grenze des Nachbars sieht , weiter nichts als der Augenblick wo die Bürger hinausgezogen sind um einen feindlichen Einfall zu thun oder abzuwehren. Der Krieg ist aus , wenn sie wieder zu Hause sind um zu ruhen : wahrer eigentlicher Frieden ist nie, weil jeden Augenblick der Nachbar - der ja ein Fremder , ein hostis ist die Stadt überrumpeln kann. So lange die Bürger auf einem solchen Ausfall (wie man 1 86 XV. Janus. es in diesen Zeiten fortwährender Blokade besser nennt als Krieg) sind , und wäre es auch ein nächtlicher , mufs das Thor, wohl bewacht und beobachtet zwar, stets offen sein , damit die Streiter bei jedem nachtheiligen Erfolg schnell herein können. Wo jenes alte Stadtthor stand, das heifst von dem Palatium aus nach Norden die gegen Sabiner hin, dahinaus wohnten des alten Städtchens ärgste Feinde : um sich , und namentlich ihr friedliches Forum, gegen jeden unerwarteten Ueberfall im sogenannten Frieden zu schützen, war vermuthlich dieses Thor damals immer zu. Es wurde geöffnet und geschlossen mit feierlichen Gebräuchen, die mit den auf Krieg und Frieden sich beziehenden in Verbindung standen ; und sehr wahrscheinlich ist, daſs man dies Thor dem Schutzgotte der Thore, dem Janus , in der Zeit des Offenstehens ganz besonders durch heilige Weihe befahl. Dieses wirklich statt findende , natürliche und nothwendige, abwechselnde Schliefsen und Oeffnen des Janusthores also setze ich in die Zeiten vor aller Geschichte. Ungern zwar verweile ich bei historischen Forschungen bei der Schilderung solcher Perioden, welche nur die Fantasie ausführen kann. Die eben gegebene indessen habe ich so einfach gedacht als möglich ; und bessere Kenner jener ältesten politischen Verhältnisse werden eine wahrere zu gleichem Zwecke leicht hinsetzen können. Rom und alle seine Verhältnisse vergrösserten sich ; namentlich aus jenen Ausfällen wurden Schlachten und wahre Kriege in entfernten Gebieten : aber immer blieb wie denn besonders Rom in seinem etruskischen Sinn alles cerimoniale und herkömmliche, in den zufälligsten Kleinigkeiten, auch wenn es gar keinen Sinn mehr hatte , ja der ursprüngliche gänzlich vergessen war, möglichst getreu beibehieltimmer blieb auf derselben Stelle der alte Gebrauch, und zuletzt, als wegen fortdauernder Kriegszüge diese Pforten längst nicht mehr geschlossen waren , die Sage davon, fortgepflanzt besonders durch die Traditionen und Bücher der Priester. Aber , wir können es nicht genug wiederholen, diese älteste kleinliche Geschichte Roms verschwand wie die jeder ältesten Stadt, gänzlich, und sehr spät erst, -- XV. Ja nu s. 87 wie man heut zu Tage mit Sicherheit sagen kann, ersetze sie sich rückwärts, indem alte mythische Sagen, antiquarische Untersuchungen, Vermuthungen u. d. g. in das halbepische Ganze verwebt wurden was wir jetzt älteste Römische Geschichte nennen. Alle jene vielleicht unzähligen Kriegs- und Friedensereignisse koncentrirten sich nun in den mythischen Personen Romulus und Numa, und die Notiz namentlich von jenem heiligen Gebrauch koncentrirte sich in die Angabe , Numa habe ihn eingesetzt. Von diesem Gebrauch also blieb die Sage in Form eines Gesetzes ; aber von dessen ehemaligen häufigen Ausübungen war keine ausführliche Sage da. Auch diese koncentrirten sich daher in eine einzige Ausübung unter Numa. Auch gestaltete sich die Sache nun gröfser. Was von Ausfall und Heimkehr sonst galt, ward nun auf Krieges- und Friedenszustand gedeutet. Der Janus war stets offen : dies würde niemand aufgefallen sein ; denn es war ein Janus : aber von diesem Janus besonders berichtete die Priestersage , welche auf die dargelegte Art Wahrheit zum Grunde hatte , er sei offen weil eine uralte Religion ihn während des Krieges offen zu halten, befehle und Rom seit Numa's Zeiten immer im Kriege sei. Auf diese Ansicht brachte mich die Kombination der einfachsten , historisches Gepräg vor andern tragenden, Data: und nun erst sah ich dafs sie obgleich unvollständig und undeutlich aber doch unverkennbar schon liege in einem Theil der mythischen Sagen selbst und der damit verbundenen Erklärungen der alten Schriftsteller. Varro (4, 34) , bei Aufzählung der ältesten Thore Roms , sagt : Tertia est Janualis , dicta ab Jano et ideo ibi positum Jani signum et jus institutum a Pompilio , ut scribit in annalibus Piso , ut sit clausa semper nisi cum bellum sil. „ Ut sit clausa semper" also offenbar die porta. ` Ovid a. a. O. nachdem er den Gott gefragt (277) At cur pace lates, molisque recluderis armis ? erhält zur Antwort: Ut populo reditus pateant ad bella profecto , Tota patet · dempta janua nostra sera. Ich weifs nicht recht wie Ovid dies verstand, was nur nach unserer Erklärung Sinn bekommt. Aber unstreitig fand er es in seinen Quellen, und • 88 XV. Ja nu s. trug es, wie so vieles andre , mehr fürs Ohr als für den Verstand vor. Aber noch deutlicher und merkwürdiger ist die Sage über die erste Entstehung des Gebrauchs, die Ovid dort und auch Makrobius erzählen. Nach dieser schreibt sich derselbe von dem Kriege des Romulus mit den Sabinern und von dem entscheidenden Augenblick her, wo Tatius nachdem er die Burg gewonnen nun eben im Begriff war in die eigentliche Stadt zu dringen. Livius hat diese Sage nicht , und erzählt die Begebenheit ganz anders , bestimmt aber die Stelle des Gefechtes so, dafs es dicht vor der porta veteris Palatii vorgefallen. Ovid erzählt nun dafs als eben der Feind ans Thor gedrungen sei (Et jam contigerat portam) , so habe Janus (offenbar als Schutzgott des Thores) eine heifse Quelle entstehn lassen und den Sabinern den Weg dadurch versperrt; worauf sodann an dieser Stelle die (oben schon erwähnte) ara parvo conjuncta sacello dem Gotte gesetzt worden sei. Makrobius sagt, die Römer hätten das Thor (porta quae sub radicibus collis Viminalis erat, eine fehlerhafte Bestimmung von welcher ich sogleich reden werde) gegen den Feind verschliefsen wollen, aber dreimal sei es von selbst wieder aufgesprungen : worauf, als der Feind eben eindringen wollte , plötzlich ex aede Jani per hanc portam magnam vim torrentium undis scatentibus erupisse etc. Also läfst Makrobius die Kapelle des Janus dicht hinter dem Thore damals schon vorhanden sein, Ovid aber zum Andenken und Dank sie erst nachher errichten. Eine Vorstellung worin nur die spätere Ansicht , welche nun einmal blofs eine dem Janus geweihte Kapelle in diesem Durchgang erkannte , mit der Sage die eben da von einem Thore sprach verbunden ist. Ea re placilum, so schliefst Makrobius, ut belli tempore, velut ad urbis auxilium perfecto deo , fores reserarentur. Schwerlich kann ein deutlicheres Symbol sein, als dieser zur Vertheidigung der Stadt ausgezogene Gott , zu dessen Rückkehr seine Thür offen steht , das Symbol ist des in unserer Ansicht enthaltenen ausgezogenen Heeres und des zu seiner Aufnahme offenen Stadtthores. Uebrigens will ich gar nicht leugnen , ja es scheint XV. Janus. 89 vielmehr eine nothwendige Schlufsfolge zu sein, daſs eben weil die Oeffnung und Schliefsung der Thore, und besonders dieses Thores , mit Krieg und Frieden so genau verbunden war; auch der Gott der Thore , und besonders der Janus in diesem Thore , eine Art von Waltung über Krieg und Frieden bekam. Ja sie lag schon in dem Begriffe selbst des Uebergangs vom Frieden zum Krieg, und vom Krieg zum Frieden, dessen äufseres Zeichen die nothwendige Oeffnung und Schliefsung dieses Thores war, die ohne eine heilige Handlung zu diesem Gotte schwerlich vor sich gehen konnte. Ich habe alles was ich über den sogenannten Janustempel zu sagen hatte , um störende Unterbrechungen zu vermeiden, in Einem Zusammenhang als mir gehörige Erklärung vorgetragen. Sie ist es auch. Denn da es meiner Meinung nach für die Unbefangenheit einer Untersuchung vortheilhaft ist , die Darstellungen neuerer Schriftsteller erst dann zu lesen , wenn die eigne Ansicht sich der Hauptsache nach schon ausgebildet hat ; so verfuhr ich eben so in Beziehung auf Nardini. Und so wird es mir vergönnt sein , in Form einer Bestätigung meiner Erklärung , nun erst beizubringen dafs sie auch jenem verständigen und umsichtigen Alterthumsforscher sich schon aufgedrängt hatte, und er sie so übereinstimmend mit mir vorträgt, als es bei der Ueberzeugung von der buchstäblichen Wahrheit dessen was als römische Geschichte und Alterthum auf uns gekommen ist , möglich war. An zwei Stellen seines Werks 1 , 3. und 5 , 7. sagt er, auf Varro's porta Janualis und andre Kombinationen sich stützend, als seine Meinung ausdrücklich, dafs der „,, Tempel des Janus ursprünglich ein Thor von Rom gewesen , welches durch die Erweiterung der Stadtmauern unter Servius zur Insel d. h. zu einem einzel stehenden Gebäude geworden, aus Ehrfurcht aber für das darin befindliche Bild des Janus beibehalten war ; dafs man es nun in einen Tempel oder Kapelle des Janus umgeschaffen, und den von Numa gegebenen auf jenes Thor sich beziehenden Befehl der Schliefsung in Friedenszeiten nun auch in dessen Eigenschaft als Tempel beobachtet habe." Die Untersuchung 90 XV. Ja nu s. über die eigentliche Lage dieses alten und berühmten Janus ist übrigens sehr schwierig, so dafs Nardini, auf den ich deswegen verweise, um Livius Nachricht ,,Numa habe die Kapelle des Janus unten am Argiletum aufgerichtet" in Vereinigung zu bringen, zwei Tempel beide mit jenem alten Gebrauche verbunden , anzunehmen genöthigt ist. Ich wage mich in diese Untersuchung nicht, welche mehr Kenntnifs des Lokals und der übrigen Alterthümer voraussetzt als mir zu Gebot steht. Nur was die Schwierigkeit betrifft , dafs Makrobius an der oben angeführten Stelle, das alte Janusthor an den Fufs des Viminalis setzt , welcher Hügel doch viel weiter hinaus liegt , so glaube ich dafs sie entweder durch Unkunde des Makrobius der den Viminalis und Quirinalis verwechselte zu erklären , oder dafs gradezu statt Viminalis Quirinalis zu lesen ist. Noch bietet ein Beiname des Janus etwas befremdliches dar. Er heifse, sagt man , Janus Quirinus : und bekantlich ist Quirinus doch der eine Name des Romulus, sein Göttername. Man kann sagen es komme auch sonst vor dafs zwei Götter denselben Beinamen führten aber das wäre dann doch nicht erklärt. Irre ich nicht sehr, so lommt jene Benennung nur von dem Janus am Forum vor und namentlich in der alten Formel Janum Quirinum clusil. Hieraus wird sich nun, in Verbindung mit unserer Darstellung, zuförderst gleich ergeben, daſs, was man als Beiname des Gottes ansieht, weiter nichts ist als ein Beiname des Durchgangs zum Unterschied von den andern janis oder Durchgängen in Rom ; und was ich nun gleich hinzusetzen kann , es ist der alte Name dieses Stadtthores , da zu allen Zeiten die Stadtthore Beinamen tragen. Da ferner diese Namen sehr häufig ihren Ursprung in ur alten späterhin ganz verschwundenen Verhältnissen haben, so rührt es daher dafs nicht selten die eigentliche Bedeutung derselben ganz dunkel und unbekannt ist. Und hiemit könnten wir es auch bei diesem alten Quirinischen Thore bewenden lassen ; wenn nicht der Zusammenhang des Gesagten ganz natürlich auf eine wie es mir scheint völlig befriedigende Erklärung führte. Quirites war bekantlich einer der Namen der römi- XV. Janus. 91 schen Bürger, welchen sie der Sage nach seit ihrer Vereinigung mit den Cures unter Tatius gekommenen Sabinern, vermöge eines Vertrages zwischen beiden Stämmen gemeinschaftlich führten. Diese Sage hat sehr viel Gepräg von Wahrheit in dem was sie wesentliches enthält. Eine andre Deutung, dafs es von quiris oder curis komme, was ein Speer bei den Sabinern heifse, mag blofs dienen die Einerleiheit der Silben qui und cu noch zu belegen, die freilich schon an sich keine Schwierigkeit hat , und durch den dazwischen liegenden Laut Ku, womit die Griechen sowol Qui als Cu auszudrücken pflegen , ganz ins Licht gesetzt wird. Dafs die Römer ein Mischvolk unter andern von Sabinern waren , dafs der sabinische Stamm in Rom namentlich einerlei war mit dem in der Stadt Cures, das sind Thatsachen die man der Sage glauben muſs. Vermuthlich hiefs also dieser sabinische Stamm selbst Cures (denn Städtenamen im Maskulino Pluralis sind in der Regel Volksnamen) oder Curetes oder Quirites ; und es ist nichts begreiflicher als dafs dieser Name mit dem Stamme , der einen so bedeutenden Theil von Roms ältester Bevölkerung ausmachte, nach Rom wanderte, und dort neben dem Namen Romani sich erhielt , sich vermischte, und endlich , wie es im Sprachgebrauch zu gehen pflegt, auf gewisse Fälle in der Regel sich festsetzte. Eben so augenscheinlich ist aber auch dafs der Name des Romulus Quirinus denselben Ursprung hat. Denn da der gleichnamige Stifter eines uralten Volkes nicht anders sein kann als das zum Heros erhobene Symbol dieses Volkes ; so mufs es jedem einleuchten dafs der zwiefache Name desselben Heros , Romulus und Quirinus , eben so auf den zwiefachen Namen des Volkes Romani und Quirites sich beziehe. Ja es lässt sich mit höchster Wahrscheinlichkeit weiter schliefsen, dafs Quirinus ursprünglich nur der Heros des zu Cures wohnenden sabinischen Stammes, so wie Romulus des lateinischen zu Rom war ; dafs aber als beide Stämme in Rom so ganz in Ein Volk verschmolzen, die mythische Sage auch Einen Heros unter beiden Namen vereinte. Wobei es eine merkwürdige Spur uralten Vorzugs des sabinischen Stammes zu sein scheint, 92 XV. Janus. dafs Quirites der Ehrenname der Römischen Bürger in der Anrede war , und Quirinus für den Namen des Helden als Gott galt *). Doch denke man hierüber wie man will ; durch die Analogie dieser Namen scheine ich mir völlig berechtigt zu der Vermuthung dafs jenes Thor der ältesten Stadt, das von ihr aus nach Norden ins Sabinerland, nach Cures führte, und von dieser Stadt den Namen das Curiner - Thor, Janus Quirinis führte. Und so entdeckt sich uns ferner auf einmal auch die Ursach , woher die aufser der Stadt damals liegende Anhöhe , mitten über welche die Strafse nach Cures lief, Mons Quirinalis hiefs **). Sehr begreiflich aber daſs, als man in der Folgezeit in jenem Janus am Forum mehr den Gott erkannte dem er heilig war, und der selbst auch Janus hiefs , ein so ehrwürdiger altrömischer Name wie Quirinus für einen Zunamen des Gottes galt. Die Benennung Janus Quirinus war also in ihrem ursprünglichen Sinn längst verkannt , als die Alterthumsforscher in Rom ihre Untersuchungen wissenschaftlich zu bilden anfingen; und sie nannten daher das ehemalige Thor dessen die Geschichte an jener Stelle erwähnte , Porta Janualis.

  • ) Ovid. Fast. 2, 475.

- Quirino. Qui tenet hoc nomen Romulus ante fuit. Sive quod hasta curis priscis est dicta Sabinis : Bellicus a telo venit in astra deus : Sive suum regi nomen posuere Quirites : Seu quia Romanis junxerat ille Cures.

    • ) Dafs die alten Grammatiker diesen Namen erklärt, und folg.

lich anders erklärt haben werden , versteht sich von selbst. Eine zwiefache Erklärung liegt in Varro's undeutlichen oder vielmehr zerrütteten Worten : Collis Quirinalis, ubi Quirini fanum; qui (vielleicht sunt qui) a Curetibus, qui cum T. Tatio Curibus venerunt Ro- mam, quod ibi habuerunt castra. Man sieht wie dies unsere Erklärung mehr bestätigt als aufhebt. XVI. Lerna. 93 XVI. Ueber Lerna, dessen Lage und Oertlichkeiten *). Es hat einen besondern Reiz für den Menschen, zu dessen Ohr auch nur einige Kunde von welcherlei Art Geschichte gekommen ist , Oertlichkeiten kennen zu lernen, welche die Scenen von Gegenständen aus dem grauen Alterthum ; ja selbst, und fast mehr, aus der anerkannten Fa- belwelt waren. Dieser Trieb bleibt auch dem Gelehrten ; und dem Hange ihm zu genügen , nicht dem blofs fleiſsigen Bestreben die Geschichte von Seiten der Erd- und Ortkunde aufzuhellen , verdankt die Wissenschaft eine Menge Erörterungen, welche zu diesem ernsthafteren Zwecke wirklich führen. Desto zufriedener will ich mich also dazu bekennen, dafs es blofs eine Regung dieses menschlichen Gefühls ist , welches mir den Stoff darbot zu einer Untersuchung, auf die jenes ernstere Streben allein, da es ja weit wichtigeres in Menge gibt, das noch nicht untersucht ist, mich wol nicht gebracht haben würde ; die aber doch wissenschaftlich genug ist , um sich auf den Grundsatz zu stützen, dafs der Kleinheit allein wegen nichts dem Forscher unwichtig ist. Von Kindheit an kennt jeder die lernäische Wasserschlange, den lernäischen Sumpf, worin das Unthier lag ;

  • Vorgelesen, in der Akademie der Wissenschaften zu Berlin den 3. Mai 1821.

94 XVI. Lerna. er weifs , wie Herakles es bekämpfte und wie Iolaos den benachbarten Wald anzündend mit den Bränden die Rumpfe des vielköpfigen Ungeheuers austilgte. Einzig in Verbindung mit dieser reinpoetischen Begebenheit, kommt der Name Lerna vor die Ohren der meisten ; und dem Alterthumskenner ist derselbe auſserdem hauptsächlich nur noch durch die in dem dasigen heiligen Hain gefeierten Mysterien der Demeter bekant. Doch reichte dies hin , um der Sage über die Lage und die ehemalige und jetzige Beschaffenheit des Ortes für mich anziehendes genug zu geben. وو Ich fange mit der umständlichsten Beschreibung der Gegend an , welche wir im Alterthume selbst finden : der bei Pausanias. Er geht von der Stadt Argos aus, die bekantlich von der innersten Bucht des argolischen Busens in einiger Entfernung landeinwärts lag. Von Argos", so spricht er,,,ist 40 Stadien und nicht mehr" (also ungefehr eine deutsche Meile weit) ,, das Meer bei Lerna *). Wenn man" (von Argos aus) ,, nach Lerna hinabgeht, so kommt man auf dem Wege zuerst an den Erasinos. Dieser ergiefst sich in den Phrixos , der Phrixos aber ins Meer zwischen Temenion und Lerna. Wenn man über den Phrixos gegangen, kommt man an den Strom Cheimarrhos. Nahe bei diesem ist ein mit Steinen eingefafster Ort, wo, wie man sagt, Pluton mit der entführten Tochter der Demeter ins Unterreich gestiegen ist. Die Lerna liegt im Original ἡ δὲ Λέρνα ἐςὶν , mit dem Artikel wodurch es im Griechischen ungewifs bleibt , welche Art geographischen Gegenstandes der Name bezeichnet ; und mit dem de wodurch eine nothwendige aus der Sache sich ergebende Verbindung angedeutet wird : es ist also so gut als wenn vorher stünde, vom Cheimarrhos gelangt man, ohne weiter etwas nennenswerthes zu passiren , nach der Leralso : ,,die Lerna", fährt Pausanias fort,,,liegt, wie sich schon aus meinen obigen, Worten ergibt , am Meere, na - -

  • ) Ich bemerke, dafs der Nominativ dieses Namens bei Pausanias Aéova, bei Strabo Aέgvn lautet ; und so schwankt es denn auch bei andern.

XVI. Lerna. 95 und man findet dort die unter dem Namen Lernaia bekante Geheimweihe der Demeter. Es ist ein heiliger Hain, der an dem Berge Pontinos beginnt. Dieser Berg läfst kein Regenwasser ablaufen, sondern nimt es in sich auf; von ihm aber fliefst ein Strom her, der ebenfalls Pontinos heiſst. Auf dem Gipfel des Berges sind die Trümmer eines Tempels der Athena Saïtis und die Grundmauer von des Hippomedon Haus , eines der sieben Helden gegen Theben *). An diesem Berge nun beginnt der Hain von Platanen , der sich gröfstentheils bis ans Meer erstreckt. Ihn begrenzen einerseits der Flufs Pontinos, anderseits ein andrer Flufs, Amymone, von der Tochter des Danaos genannt. Innerhalb des Hains sind die steinernen Bildseulen der Demeter Prosymna , und des Dionysos, und noch eine kleinere sitzende der Demeter : in einer andern Kapelle (va ) aber das hölzerne Bild eines sitzenden Dionysos Saotes, und am Meere ein steinernes Bild der Aphrodite. Diese Bilder, sagt man, haben die Töchter des Danaos gesetzt , Danaos selbst aber habe den Tempel der Athena auf dem Pontinos errichtet. Die Weihe der Lernaia aber habe Philammon eingeführt." Hiebei bemerkt aber Pausanias , dafs weder die Worte , die man bei den Cerimonien spreche, alt seien, noch auch die, welche auf einem messingenen Herzen eingegraben seien ; denn diese seien dorisch, die Argeier aber hätten vor der Rückkehr der Herakliden mit den Athenern gleiche Sprache gesprochen: woraus nehmlich hervorgehn soll , dafs die Schrift nicht 1100 Jahre vor unserer Zeitrechnung geschrieben gewesen ; was wir ihm allerdings auch ohne solche Kritik geglaubt haben würden, ohne darum der Weihe selbst ihr etwaniges Alterthum zu rauben. Pausanias fährt fort : „ Auf dem Quell der Amymone steht ein Platan , unter welchem die Hydra sich aufgehalten haben soll." Hier noch einiges unbedeutende aus seiner Ansicht von der Hydra, dann heifst es weiter : ,,Ich sah auch den Quell, wel-

  • ) Diesem wird nehmlich diese Gegend insbesondere als Heimath zuerkannt. Eurip. Phoen. 127. Aɛgvaïa d'oixɛi váµað, ‘ Inπομέδων ἄναξ.

96 XVI. Lerna. cher des Amphiaraos Quell heifst, und den See Alkyonia, durch welchen nach der Sage der Argeier, Dionysos in die Unterwelt gestiegen, um die Semele wieder zu holen, nachdem ihm Polymnos diesen Eingang dahin gezeigt. Die Alkyonia ist von grundloser Tiefe , wie ein auf Befehl des Nero mittelst eines Taues von vielen Stadien gemachter Versuch bestätigt hat. Das Wasser des Sees ist dem Ansehn nach ganz still und ungestört ; wenn aber dadurch gereizt , jemand es wagt darüber zu schwimmen, so hat der See, wie man mir gesagt, die besondere Natur, dafs er den Menschen hinabzieht und in den Abgrund reifst. Sein Umfang beträgt nur etwa das Drittheil eines Stadiums , und an seinem Rande wächst Gras und Schilf. Was aber jährlich in einer Nacht zur Feier des Dionysos an diesem See geschieht, ziemt sich nicht durch Schrift jedermann bekant zu machen." Der griechische Ausdruck τὰ ἐς αὐτὴν δρώμενα drückt noch aus , dafs die Cerimonie in den See gerichtet ist, etwas in denselben geworfen wird. Dann berichtet Pausanias nur noch , dafs auf dem Wege von Lerna nach Temenion der Phrixos sich ins Meer ergieſse, und von Temenion bis Nauplia funfzig Stadien seien. Bei dieser Beschreibung ist das zuförderst sehr unbequem , dafs man nicht deutlich erkennt, was denn Lerna eigentlich war. Gewöhnlich denkt man sich unter diesem Namen selbst einen Sumpf oder See ; und so wird auch bei Strabo zweimal wirklich Lerna eine λíuvŋ genannt ; desto auffallender ist es, dafs dies bei Pausanias nicht geschieht, sondern dieser nur gleichsam anhangsweise einen See Alkyonia nennt und beschreibt, den man daher als einen abgesonderten Gegenstand betrachtet. Bei andern Schriftstellern wird der Name Lerna wie der eines bewohnten Ortes gebraucht, ja bei einigen sogar eine Stadt. genannt; wobei aber zu bemerken ist, dafs dies letzte auIser den in solchen Bestimmungen weniger zuverlässigen Geographen Mela und Ptolemäus , nur noch , so viel ich gefunden, beim Scholiasten zu Eurip. Phoen. 127. geschieht, weil nehmlich in diesem Vers die lernäischen Gewässer als Heimath des Fürsten Hippomedon genannt werden. Den ersten sichern Punkt bei dieser Untersuchung schien XVI. Lerna. 97 schien mir zu gewähren das Büchlein eines Grammatikers bei Heeren (Bibl. d. a. L. VII. Ined. p. 19. 20. ) ,,von kriegberühmten Weibern und andern mythischen Personen", worin auch die bei Pausanias berührte Geschichte von Dionysos und Polymnos oder Polyhymnos erzählt wird, wobei es ausdrücklich heifst : „,er zeigte ihm den Weg in die Unterwelt, durch die Lerna, welche grundlos ist" (Sid τῆς Λέρνης οὔσης ἀβύσσου) . Hier wird offenbar mit dem Namen Lerna der See bezeichnet , der bei Pausanias Alkyonia heifst. Da nun dieser Name sonst bei keinem Schriftsteller vorkommt, und es von der andern Seite, unbegreiflich wäre , wenn der so berühmte lernäische See oder Pfuhl bei dem Beschreiber Pausanias gar nicht erwähnt würde : so erhellet, dünkt mich, deutlich, dafs der eigentliche See dieser mythisch und mystisch berühmten Gegend bei Pausanias jenen bestimmteren aufserhalb Argolis nicht so bekanten Namen führt. Dies bestätigt sich nun noch durch die Art, wie die Alten das Sprüchwort ,,eine Lerna von Uebeln" unermessliches Unglück zu · bezeichnen erklären. „ Die Lerna", sagt Strabo (8. p. 371 .),,,ist ein See im argeischen Lande , wo die Hydra nach der Sage gewesen. Wegen der Reinigungen aber, die an demselben geschehn, ist das Sprüchwort entstanden, ,,eine Lerna von Uebeln" : und Hesychius deutlicher : „,wegen der Sündigkeiten (xavάquata) welche hineingeworfen werden" ; beides deutlich übereinstimmend mit dem, was Pausanias von den Cerimonien am See Alkyonia andeutet, und mit dem dort von mir erklärten Ausdruck và és authy Souva. Und auch abgesehn von dieser Erklärung ist das Sprüchwort selbst eine Bestätigung von der Einerleiheit beider Seen : denn hauptsächlich ist es doch wol auf die Unergründlichkeit zu beziehen , welche Pausanias 'seiner Alkyonia und der oben angeführte Grammatiker seiner Lerna zuschreibt ; und Дéovn xaxov heifst ohne allen Zweifel ,,ein Abgrund von Uebeln. ” . Vergleichen wir nun noch die Art wie die alten Schriftsteller aufserdem noch von der Lerna sprechen. Apollodor 2, 1 , 4. erzählt , daſs die Danaiden die Köpfe ihrer ermordeten Bräutigaine ἐν τῇ Λέρνῃ κατώρυξαν , in der II. G 98 XVI. Lerna. Lerna verscharrten ;" und weiter oben Poseidon habe der Amymone τὰς ἐν Λέρνῃ πηγὰς ἐμήνυσεν, die Quellen in Lerna gezeigt." Pausanias an einer andern Stelle, von der Wasserlosigkeit von Argos redend, sagt, im Sommer seien alle dortige Ströme trocken , πλὴν τῶν ἐν Λέρνῃ ausgenommen die in Lerna." Endlich läfst Apollodor 2, 5, 2. die Hydra wohnen ἐν τῷ τῆς Λέρνης ἕλει in dem Sumpfe der Lerna," und sagt nachher, dafs ihre Höle (paktós) bei der Quelle Amymone gewesen. 99 Wenn wir uns nun aus diesen Nachrichten der Alten allein ein Bild zu machen haben, so kann es wol schwerlich anders gerathen als so, dafs unter dem Namen Lerna ein Marschland, ein Moor , verstanden ward, an dessen tiefster Stelle ein See war , der genau genommen und in der Nachbarschaft einen Namen für sich hatte, die Alkyonia, im Auslande aber und in der Geschichte und Mythologie unter dem allgemeinen Namen Lerna bekanter war. Da es von der Hydra heifst , bald , sie habe sich bei der Quelle Amymone aufgehalten , bald , in dem Flufse selbst (Paus. 5, 17. ἡ ὕδρα τὸ ἐν τῷ ποταμῷ τῇ᾿Αμυμώνῃ θηρίον ), bald, in dem Sumpfe von Lerna ; so werden wir sehr natürlich schliefsen, dafs der Strom, der aus der Quelle Amymone kam, mit diesem Sumpf und See Ein Gewässer bildete , dafs es diesen See nährte , oder wie wir zu sagen pflegen, durch denselben flofs. Bei Pausanias heifst es blofs , der heilige Hain sei vom Flusse Pontinos und dem Flusse Amymone eingeschlossen ; und die Fabel drückt sich allgemein aus, Poseidon habe der Danaide Amymone zur Zeit jener uralten Dürre die Quellen in Lerna gezeigt. Natürlich waren dies hauptsächlich die Quelle und das Gewässer , die den Namen Amymone trugen. Diese Fabel enthält nun deutlich im mythischen Vortrag dieselbe Thatsache , die wir aus Pausanias eben anführten, dafs im Sommer alle Ströme um Argos trocken seien , mit Ausnahme derer in Lerna. Nehmlich diese Erscheinung einer einzigen wasserreichen Stelle mitten in einem dürren Sandlande, erklärte die Mythologie durch eine uralte Dürre , wo das ganze Land so gewesen, und wo dann Poseidon der nach Wasser ausge- XVI. Lerna. 99 schickten Königstochter zum Lohn für ihre Gunst diese Quellen hervorgebracht habe, die seitdem immer strömen, und in der trocknen Jahreszeit das ganze Land allein mit süfsem Wasser versehn. Man vergleiche nun noch Hygin. Fab. 169. Neptunus dicitur fuscina percussisse terram et inde aquam profluxisse, qui Lernaeus fons dictus est et Amymonium flumen ; Schol. Apollon. 3, 124. 1. Aégvŋ κρήνη τοῦ ῎Αργους ἱερὰ Ποσειδῶνος, Lerna eine dem Poseidon heilige Quelle bei Argos," offenbar die Quelle Amymone mit dem allgemeineren Namen des ganzen Gewässers belegend : und Strab. 8. p. 368. von Lakonien aus längs der Küste nach Temenion führend, sagt, xai ëti no̟óτερον , d. h. noch vor Temenion sei τὸ χωρίον δι᾽ οὗ ῥεῖ ποταμὸς ἡ Λέρνη ὁμώνυμος τῇ λίμνῃ , „ der Ort wodurch der dem See gleichnamige Flufs Lerna fliefst." Hier haben wir deutlich den Ausflufs des aus dem lernäischen See ins Meer fliefsenden Stromes : und wir müssen also aus allem diesem mit Zuversicht schliefsen , dafs Amymone und Lerna, als See, Flufs und Quell , Ein zusammenhangendes Gewässer waren. Aber auch der Flufs Pontinos gehört zu diesem Gewässer. Denn da Pausanias sagt , der Hain von Lerna erstrecke sich vom Berg Pontinos bis nach dem Meere, da der Flufs Pontinos an eben diesem Berg entspringt und nebst der Amymone den Hain einschliefst ; so versteht es sich , dafs auch dieses Flusses Wasser , als in derselben Niederung fliefsend, nicht ausgeht. Nehmlich die Amymone ist die heilige und berühmteste Quelle dieses Wasserlandes ; aber dafs Quellen in der Mehrheit da sind, sagen einige der angeführten Zeugnisse ausdrücklich, und unter diesen war denn auch die des Pontinos, der also eine Strecke lang parallel mit der Amymone flofs , dessen Wasser aber ganz unten wahrscheinlich mit in dem Flufsbette enthalten war, das, wie wir eben aus Strabo gesehn , unter dem Namen des Stroms von Lerna, das sämtliche Gewässer dieser Sumpfgegend ins Meer führte. Von dem Berg Pontinos also ging diese wasserreiche Strecke, der Flufs Pontinos und die übrigen Quellen aus : und so erhält auch jene Nachricht Sinn , dafs dieser Berg G 2 100 XVI. Lerna. das Regenwasser nicht ablaufen lasse , sondern einziehe. Nehmlich die Erscheinung , dafs alle übrigen Flüsse der Gegend im Sommer austrockneten , nur der Pontinos und die damit verbundenen Gewässer nicht, dies erklärte man sich auch auf eine physische Art. Alle andre Berge im Hochlande von Argos lassen das Regenwasser in Bergströmen ablaufen, die daher im Sommer austrocknen. Der einzige Pontinos, sagte man, sei von der Natur, dafs er das Regenwasser einziehe und auf diese Art in seinem Innern Wasservorräthe bilde, die nun fortdauernd das ganze Jahr durch strömen. Eine Darstellung , von der ich denke, dafs auch unsere Physiker sie im wesentlichen gelten lassen werden. Das Bild zu vollenden dienen noch einige Dichterstellen : die zuverlässigste von Aeschylus , der im Prometheus 653. Lerna mit diesen Worten nennt, Acorns Bavis Lucov ,,Lerna's üppige Wiese." Da nun der Hain zwischen beide Flüsse eingeschlossen ist, so geht hervor, dafs auf des einen Seite , wenigstens des einen Stroms , ohne Zweifel des Amymone- Flusses, grasreiche Auen waren. Die Worte des Pausanias, welche ich oben übersetzt habe : „ Es ist ein heiliger Hain, der am Gebirge Pontinos beginnt," fangen im Griechischen an "Es dè , und , der Art zu erzählen dieses Schriftstellers nicht unangemessen, hat man dies bisher nur für eine lose Anknüpfung gehalten , anstatt ,, Es ist dort ein Hain." Allein wenn ich die ganze Oertlichkeit, wie wir sie jetzt kennen, vor mir sehe und dabei erwäge, dafs Pausanias sonst gar nicht sagt oder vor Augen legt, was ihm denn eigentlich Lerna heilst ; so wird es mir ziemlich gewifs, dafs die Worte "Es dè - mit dem vorhergehenden ,, Lerna liegt am Meere" zu verbinden sind , und Lerna also eigentlich der Name des Hains d. h. jenes ganzen Baumstrichs ist, der sich von der nächsten Anhöhe bis ans Meer hinzieht. Und auf diese Art löst sich am natürlichsten auch die Frage über die Stadt Lerna einiger Geographen. Nehmlich diese wasser- und baumreiche Gegend, welche eine Art Oase in dem sandigen Lande bildete , natürlich ein wichtiger und anziehender Mittelpunkt für war XVI. Lerna. 101 die ganze Fläche , und folglich von früh an ein heiliger Fleck. Der unergründliche See galt für einen der Eingänge des Hades : alte Mysterien der Demeter und des Dionysos knüpften sich daran : der Hain war diesen Göttern heilig, ihre Bilder standen darin und die jährlichen Weihen und andre Gottesdienste geschahen dort bis in die spätesten Zeiten des Heidenthums *). Dieser Hain hiefs Lerna , in und um ihn waren die heiligen Gebäude nicht nur , sondern nothwendig mufsten an einer so besuchten Stelle auch andere Gebäude und Wohnungen entstehen : und so war Lerna, ohne eine Stadt zu sein, ein bewohnter Ort; völlig wie Olympia, das auch vielfältig aber ganz irrig für eine Stadt gehalten wird , da nur das uralte aber schon in der historischen Zeit zerstörte Pisa dort die Stadt war, Olympia aber ein um den benachbarten heiligen Ort allmählich entstandener volkreicher Wohnort , oder Flecken, wenn man will, und ursprünglich eine Art Vorstadt von Pisa. Und so mufs man nun auch die Stelle des Strabo verstehn, die ich oben so übersetzt habe ,, der Ort (an der Küste) wodurch der dem See gleichnamige Flufs Lerna fliefst. " Im Griechischen steht hier zwoíov, welches am gewöhnlichsten von bewohnten Orten gebraucht wird, die man weder nós Stadt, noch xaun Dorf, nennen kann oder will. Lerna, sagt Pausanias ausdrücklich, lag an dem Meer; der Hain zog sich bis nach dem Meere ; in der Gegend am Meere selbst waren vermuthlich die meisten Wohnungen, und die sind das zooíov des Strabo , dem er keinen Namen gibt, weil Lerna ihm Name des Sumpfes und Gewässers ist. Ehe ich die Nachrichten der Alten verlasse, mufs ich noch etwas über den Polymnos sagen, welchen Pausanias oben nur beiläufig nennt. Diese Geschichte steht wie schon erwähnt, bei dem Grammatiker in Heerens Bibl. , am aus-

  • ) Eine Inschrift (Grut. I. p. 309.) welche Glandorf (Onomast.

sub v. Aconii) mit Grund unter die Constantios setzt , nennt eine Fabia Aconia Paullina als Sacrata apud Eleusinam Deo Baccho Cereri et Corae sacrata apud Laernam (sic) Deo Libera et Cereri et Corae sacrata apud Aeginam etc. 102 XVI. L er n a. führlichsten aber beim Clem. Alex. (ad Gentes p. 22.), ferner beim Hygin. Poet. Astron. 2, 5. Die Geschichte ist eine mythische Begründung des Phallosdienstes , und war also auf diesem mysteriosen Boden zu Hause. Sie ist übrigens von der Art, wie dieser Zweck sie erwarten läfst ; und nur die fromme Absicht , vor den Greueln des Heidenthums zu warnen, konnte den heiligen Clemens veranlassen, sie anschaulicher zu erzählen als irgend ein anderer. Dionysos , den Weg in die Unterwelt suchend, kam an diese Grenze des argeischen Landes und begegnete da einem Namens Prosymnos (so nennt ihn Clemens), der ihm den Weg zu zeigen versprach gegen eine griechische Gunst. Dionysos versprach es zu leisten wenn er zurückgekehrt sein würde, und beschwor dies. Der Liebhaber zeigt ihm den Weg durch jenen See. Als Dionysos zurückkam war Prosymnos unterdessen gestorben. Aber ein Eid von einem Gotte geschworen , muſs irgendwie gehalten. Bacchus schnitt einen Zweig von einem Feigenbaume - kurz der Phallos entstand. Dieser mythische Mann nun wird in den Büchern und Handschriften genannt, Prosymnos, Polymnos, Polyhymnos, Polyhypnos , Hyolipnos , Hypolymnos. Ich glaube nicht dafs jemand Lust hat diesen Heros der wirklichen Geschichte zu vindiciren. Er war also rein poetisch , und sein in allen jenen Formen immer noch sehr griechisch lautender Name hat ohne Zweifel auch griechische Bedeutung gehabt. Der Ort wo wir ihn finden , unser oft besprochener See, griechisch líuvn, läfst uns aus allen jenen Formen den wahren Namen errathen. Er hiefs Hypolimnos, konnte aber auch eben so gut Proslimnos heifsen. Und hiedurch und durch das, was statt dieser Form bei Clemens steht , Prosymnos , fällt zugleich Licht auf den Beinamen Prosymna , welchen, wie wir bei Pausanias gesehn haben , die Demeter im lernäischen Hain führte. Ein solcher Beiname einer Göttin mufste nothwendig eine Deutung haben ; und Prosymna läfst gar keine mögliche zu, so griechisch es lautet. Es ist also ohne Zweifel auch eine Verderbung , und die Demeter in Lerna hatte den Beinamen Demeter Proslimna. Sogleich aber wirft die so XVI. Lerna. 103 beibenamte Göttin wieder Licht auf jenen Proslimnos. Ohne Zweifel hatten nehmlich die beiden in der Geheimweihe dieses Ortes verbundenen Gottheiten auch denselben Beinamen , und auch der Dionysos in diesem Hain hiefs Proslimnos oder Hypolimnos ; aus welchem Beinamen sich aber ein besonderes mythisches Wesen bildete ; vermuthlich weil jene Beinamen schon vor Alters in der täglichen Aussprache sich verderbten und ihre eigentliche Bedeutsamkeit nicht mehr darboten. So kennt der Mytholog auch andere Fälle, wo sich Namen und Beinamen einer Gottheit von derselben unter irgend einer mythischen Begründung absonderten und eigne Personen bildeten, die zu der Gottheit in gewissen Verhältnissen der Verwandschaft oder Freundschaft standen ; wie z. B. ein Apollo Karneios , und ein Karnos oder Karncios als Heros, Gegenstände der Verehrung in Lakedämon waren. Und so trennten sich also auch hier Dionysos und Proslimnos in zwei Personen, die sich einander Liebesdienste erweisen. Unter den neuern Reisenden kenne ich umständlichere Beschreibungen dieser Gegend nur bei Gell und Dodwell. Von diesen ist Gell ohne Vergleich der verdienstvollere, und sehr schätzbar und von grofser Zuverlässigkeit sind seine Karten, Plane und Ansichten (die nicht blofs malerisch , sondern die Oertlichkeit versinnlichend sind) ; so wie auch alles beschreibende in seinem Text ; nur dafs dies letzte sehr kurz und dürftig ist. Was aber die Anwendungen aus dem Alterthum auf die jetzige Oertlichkeit betrifft, so muss man sie bei beiden Reisenden mit grofser Behutsamkeit gebrauchen ; und nichts ist unlustiger für den auf seiner Studierstube sitzenden Forscher , als dafs man bei beiden die Namen des Alterthums vielfältig auf die wirklichen Berge , Flüsse u. s. w. gelegt sieht , ohne auch nur eine Spur von Begründung. Will man sich diese durch Vermuthung suppliren , so wäre zuförderst eine Begründung anzunehmen durch Ueberlieferung, theils in noch dauernden Namen, theils in der Erklärung jetzt dort wohnender. Allein die noch üblichen Namen werden , wenn sie mehr oder weniger , oder auch nicht , übereinstimmen, denn doch überall ausdrücklich als heutige erwähnt ; die 104 XVI. Lerna. Meinung der Landesbewohner aber ist in Bezug aufs Alterthum für alle Gegenstände, die nicht eine bleibende po- . litische Bedeutsamkeit hatten , völlig null , oder wol auch gar nicht vorhanden, da bei den späteren Griechen die ins einzele und kleinere gehenden Notizen aus dem Alterthum gänzlich verloren gingen. Die einzige Begründung in allen solchen Fällen war also bei unsern Reisenden offenbar nur der eigne unmittelbare Eindruck des gesehenen, verglichen mit dem von den Alten, namentlich von Pausanias und Strabo beschriebenen ; und dies wäre auch ohne Zweifel die zuverlässigste von allen, wenn es nicht leider bei diesen wie bei den meisten Reisenden zu gewöhnlich der Fall wäre, dafs sie der alten Sprache nicht in dem zu solcher Anwendung und der dabei zu übenden Kritik erfoderlichen Grade mächtig sind ; wie sich dies bei beiden aus ihren Anführungen und namentlich bei Gell aus den von ihm übersetzt eingerückten Stellen der alten Geographen nicht selten darthut. Auf diesem schlüpfrigen Boden wandelnd , müssen wir also nun trachten das von Kritik anzuwenden , was uns ohne eigene Anschauung möglich bleibt. Fangen wir mit dem zuverlässigsten in Absicht der örtlichen Verhältnisse an, nehmlich mit Gells Karte in seiner Argolis p. 170. *). Auf dieser ist von Argos etwas links herab, an der Küste das durch einige Wasserstellen kenntliche Lerna angegeben. Aber der Flufs, der dadurch flieſst, heifst Erasinos. Dagegen liegt südlicher etwa eine Viertelstunde von Lerna, ebenfalls an der Küste, ein See, Amymone genannt (Lake Amymone) ; in seinen Beschreibungen aber (p. 82-84 und 160. ) nennt er ihn den alkyonischen, und setzt die Quelle Amymone dazu die den See fülle und vom Berg Pontinos nahe dahinter herkom- me. Auch ist, nach seinem Bericht , auf diesem Berg ein alter Thurm , an dessen Stelle , wie er angibt , jener alte Tempel der Saïtis gestanden. Der Ort wo dieser alkyonische See liegt, heifst jetzt Mylä. Gell sagt, „, es führe

  • ) Der hieher gehörige Ausschnitt der Karte ist auf der zu

dieser Abhandlung gehörigen Kupfertafel gegeben. XVI. Lerna. 105 " ein Weg von da längs dem Ufer nach Nauplia zu , auf welchem man mittelst einer Brücke über einen der Ausflüsse von Lerna komme. Der lernäische Sumpf liege von diesem Wege links und sei gebildet von den Flüssen Erasinos und Phrixos. " Welche Angabe um so auffallender ist , da Gell die Beschreibung des Pausanias unmittelbar dazu fügt, in welcher der Erasinos und Phrixos auf dem Wege von Argos nach Lerna erwähnt werden, und Pontinos und Amymone die Flüsse sind , welche den heiligen Hain von Lerna einschliefsen ; und dafs er darin nicht nur keinen Widerspruch , sondern vielmehr eine sichere Wegleitung für den jetzt reisenden findet. Ohne Rücksicht auf die Namen ist also hieraus so viel gewifs, dafs statt Eines grofsen Wasserreviers, das wir in den Beschreibungen der Alten zu erkennen glaubten , zwei parallele da sind , ein kürzeres im Süden von dem Berge mit dem Thurm nach dem kleinen See am Ufer , und ein gröfseres nördlich mit grofsen Morästen am Ufer. Dies letzte ist dem Gell der Ort und Morast Lerna ; jenes der durch die alte Geheimweihe berühmte See. Wobei ich auch das erwähnen mufs, dafs Gell (Itin. of the Morea p. 175.) und Dodwell unabhängig von einander aus dem Munde der Landesbewohner von diesem See versichern , dafs er noch nicht habe ergründet werden können. Ich glaube also allerdings, dafs dieser See für den alkyonischen und folglich für die Scene der alten Geheimweihe genommen werden muſs. Auf einer sehr belehrenden Ansicht der Gegend von Larissa aus , der alten Burg von Argos , (Argolis tab. 19. p. 68.) erkennt man alles dies sehr deutlich *). In der Entfernung von einer halben Meile sieht man einen längeren Strom, Gells Erasinos , durch eine Reihe von Pappeln bezeichnet von einem Berg anfangend , welchen Gell Chaon nennt, und bis ans Meer laufend. Jenseit dieses sieht man am Meere die Moräste mit allerlei durchkreu-

  • ) Auch hievon enthält die Kupfertafel einen Ausschnitt : es ist der unterste . Hinter dem Vordergrund desselben muſs man sich auf

der Burg Larissa stehend und auf diese Gegend herunterschauend denken. 106 XVI. Lerna. zendem Gewässer , und noch weiter jenseits eine kürzere Pappelreihe und den näher am Meere liegenden Berg mit dem Thurme, oder den Pontinos nach Gell. Fragt sich nun, mit welchem Recht Gell jenen gröfseren Flufs Erasinos nennt. Dies gründet sich auf die Lage der Quelle desselben in Vergleichung mit Pausanias. Nehmlich von Argos aus geht , so dafs man die Ebene nebst Lerna zur linken läfst, ein Weg am Fufs der westlichen Berge und dann durch dieselben, nach der heutigen Hauptstadt von Morea, Tripolitza, welcher genau entspricht dem im Alterthum von Argos nach Tegea, den Pausanias (2, 24.) folgendermafsen beschreibt. Von Argos aus hatte man rechts zuerst den Berg Lykone ; etwas weiter auf derselben Seite den Berg Chaon und an dem mit Fruchtbäumen bepflanzten Fuſse desselben die Quelle des Erasinos ; von dessen Gewässer die Sage war, dafs es aus dem See Stymphalos in Arkadien unter der Erde ströme , bis es hier hervorbreche ; an welcher Stelle ein bekantes Fest dem Dionysos gefeiert , und ihm und dem Pan geopfert ward. Denselben Weg beschreibt nun Gell (Argolis S. 79.) so : er gehe von Argos aus in der Ebene am Fufse der Berge Lykone und Chaon (welche Namen er natürlich aus Pausanias nimt) . Diese Berge, sagt er, seien nicht von grofser Höhe, und verweist dabei auf seine Ansicht von Larissa aus , wo sie sich auch deutlich darstellen. In einer Stunde gelangt man an die Quelle des Erasinos. Der Flufs kommt rechts aus dem Felsen mit solcher Gewalt , dafs er ganz in der Nähe schon in drei Aerme sich theilt, deren jeder eine Mühle treibt. Etwas über der Quelle ist eine durch Felsenmassen beinah gesperrte Höle, deren Tiefe man nicht erforschen kann wegen der Menge Schlangen in derselben. Es kommen übrigens mehre Quellen hier zusammen, und dieser (oder des Ortes) Name ist daher Kephalaria. Hören wir sogleich Dodwell, Auf demselben Wege erwähnt er erst zwei kleine Bächlein, worüber der Weg führe , und gelangt in 50 Minuten an eine Felsenhöle , worin eine Kirche und eine Quelle von klarem Wasser mit Namen Kephalari , welche mit Ungestüm aus dem Felsen bricht, und welche Dodwell ebenfalls XVI. Lerna. 107 Erasinos nennt. Der Felsen ist behauen. Nahe bei der Quelle ist eine andre Höle von zwei Eingängen. Es war gerade das Fest des Heiligen dem jene unterirdische Kirche geweiht ist, und die Reisenden nahmen Antheil daran. Dafs Gell und Dodwell dieselbe Stelle beschreiben ist klar, und daſs jener von der Kirche nichts weifs, kommt wol daher, dafs er, wie man sieht, nicht in die Höle hineingedrungen war, und keine Andachtshandlung ihn darauf aufmerksam machte. Gell kann sich nicht enthalten, bei dieser Höle an die Höle der Hydra zu denken. Und in der That, wenn man bei eben demselben liest (S. 158.) , dafs weiter unten ein wenig zur rechten von dem aus dieser Höle kommenden Strom der Morast von Lerna liegt, dafs dieser Strom ihn wässert , so kann man sich solcher Anwendung kaum erwehren, und die Reihe von Pappeln und andern Bäumen, welche den ganzen Lauf des Stroms vom Berg bis ans Meer begleiten, scheinen ein Rest oder Grenze jenes heiligen Haines zu sein. Dafs aber hiemit die Namen und übrigen Angaben bei Pausanias nicht recht stimmen, namentlich der Umstand, dafs ja der Flufs, welcher von dem Bette der Hydra herströmend die Lerna wässerte und den Hain von Einer Seite begrenzte, ganz bestimmt die Amymone war ; darauf läfst Gell sich nicht ein. Ich war daher geneigt , alle seine Benennungen zu verlassen, seinen Erasinos für die Amymone und seinen Chaon für den Pontinos zu halten ; da denn der Erasinos nebst dem Cheimarrhos in den beiden Bächlein bei Dodwell und die auch auf Gells Karte angedeutet sind , zu erkennen sein wirden. Aber dies konnte ich nur , so lange ich die vorerwähnte Vergleichung der beiden Wegbeschreibungen bei Pausanias und Gell nicht gemacht hatte. Denn wer sieht nicht ein , dafs die erste so bemerkenswerthe Quelle , genau auf demselben Wege, und, wie man aus der Beschreibung leicht erkennt , auch in gleicher Entfernung , zuverlässig bei beiden dieselbe ist? Wer kann denken, dafs ein Strom der sich so bemerkenswerth darstellte, dafs man ihn aus einem entfernten See unterirdisch herleitete , von den beiden heutigen Reisenden , die wie man sieht , auf den 108 XVI. Lerna. Erasinos ausgingen , noch dazu in der nassen Jahreszeit (Oktober und December), so gänzlich sollte verkannt worden sein? Doch , wie gesagt , die Quelle selbst thut sich kund genug ; und ich trage kein Bedenken , selbst in jener unterirdischen Kapelle noch einen Belag mehr zu finden. Mitten unter den Aenderungen der Religionen , erhält sich häufig die Heiligkeit der Oerter und der Zeiten in der Sitte und Andacht des Volkes. Die Höle die sonst dem Dionysos und Pan heilig war, ist es jetzt einem christlichen Heiligen , auf welchen denn auch jene Feier überging, die Pausanias erwähnt, und der Dodwell beiwohnte. Was aber die Schwierigkeit betrifft, dafs demnach der Erasinos ein so wasserreicher Strom ist , da doch Pausanias sagt, im Sommer seien alle argeischen Ströme trocken, mit Ausnahme derer in Lerna , von welcher Gegend er doch den Erasinos noch bedeutend zurück zu setzen scheint; diese Schwierigkeit kann uns nicht irren, da sie den Pausanias selbst betrifft. Daher auch Dodwell sagt , Pausanias scheine dié nie ausgehende Strömmung (the perennial current) des Erasinos vergessen zu haben. Denn freilich wer den Erasinos aus jenem arkadischen See herholt, scheint nicht von einem im Sommer austrocknenden Giefsbach verstanden sein zu wollen. Also war er wirklich, indem er jene mythischen Sagen von dem lernäischen Gewässer in seine Nachrichten verwebte , sorglos wie oft; oder , denn was steht dem entgegen ? in sehr trocknen Sommern verlor wirklich auch wol die Quelle des Erasinos ihre Ergiebigkeit ; was man sich ehedem durch ein in solcher Jahreszeit ebenfalls natürliches starkes Fallen des stymphalischen Sees wird erklärt haben. Verzichten wir also ruhig auf die für eine Hydra und zu deren Erklärung , worauf ich unten zurückkommen werde, so einladende Felsenhöle ; und erkennen vielmehr an, daſs sie in dieser Beziehung zu der Beschreibung bei Pausanias nicht einmal pafst. Nehmlich der Ausdruck goLeos , womit bei Apollodor die Höle der Hydra an der Quelle Amymone benannt wird, bezeichnet keineswegs eine grofse Berghöle, sondern überhaupt nur den Schlupfwinkel oder das Lager eines Thiers. Wenn nun aber Pausanias XVI. Lerna. 109 sagt, auf der Quelle der Amymone ist ein Platan, unter welchem die Hydra sich soll aufgehalten haben ; so kann hierunter gewifs jene, eine unterirdische Kirche einschliefsende, Höle nicht verstanden sein. Wenn also auch wir jenen Strom bei Gell und Dodwell für den Erasinos erkennen , und durch den unweit desselben anfangenden Morast uns noch nicht irren lassen, so brauchen wir noch eine kleine Strecke um zu demCheimarrhos zu gelangen, der, wie sein Name zeigt, nur ein Giefsbach von der Höhe her ist , und für den auch auf der Landschaft bei Gell ein deutliches , mit Bäumen bezeichnetes Flufsbett jenseit des Erasinos sich darstellt. Von hier aber ist das nächste bei Pausanias das , was er Lerna nennt , nehmlich der Ort und der Hain ; bei Gell aber der Ort Mylä ; womit auch Dodwell übereinstimmt, sowohl in Absicht des Namens (den er Múλo schreibt) als des Sees und der übrigen Umgebungen und Entfernungen. Wir dürfen also auch der auf diesem Wege uns abermals entgegenkommenden Ueberzeugung uns nicht entziehen, dafs dieser See der alkyonische des Pausanias , dessen Beschreibung so genau übereinstimmt, und sofern derselbe von andern Schriftstellern Lerna genannt wird, die Lerna der Alten ist *). Und auch der Thurm auf dem Berg dahinter , einem isolirten steilen und spitzen Felsenhügel nach Dodwell, den wir nun mit Gell und Dodwell für den Stellvertreter des alten Tempels der saïtischen Athena auf dem Pontinos erkennen, tritt als Bestätigung dazu, da die Kastelle des Mittelalters - Dodwell beschreibt den Thurm als die Trümmer eines modernen Kastells - sehr, gewöhnlich solche schon von den Alten mit Tempeln oder sonst bebaute Höhen waren. Auch kann Hippomedons Haus, dessen Trümmer die Alten hier erkannten , nur von einer alten Burg aus der mythischen Zeit verstanden werden.

  • ) Dies erkennt auch Dodwell ( II . S. 225.) an ; und er braucht

die Ausdrücke, der moorige See Lerna und der Morast von Lerna, den er aus mehren Felsenquellen unter dem Hügel ( dem Pontinos, wie man S. 227. sieht) wässern läfst, ohne Unterschied. Offenbar fangen also die Moräste von Süden aus hier schon an ,. die vom Norden her, nach Gell, gleich beim Erasinos beginnen. 110 XVI. Lerna. Suchen wir die Ursach aller Unbestimmtheit der gefundenen Angaben und ihrer Anwendung, so liegt sie in der nothwendigen Vieldeutigkeit des Namens Lerna. Lerna heifst der See und der Morast, Lerna der Hain und der bewohnte Ort , Lerna der aus dieser Wassergegend ins Meer sich ergiefsende Strom, und oberhalb auch die Hauptquelle desselben ; obgleich manche dieser Gegenstände auch eigne Namen hatten. Und eben so erklärt sich alles schwankende aus der physischen Eigenschaft solcher Gegend : die Sandebene von Argos ward durch mehre Ströme aus der westlichen Höhe bewässert ; von diesen war und ist die wasserreichste Stelle die südlichste , wo aus dem Berg Pontinos unversiegbare Quellen hervordrangen. Dieser südlichste Punkt, wo der unergründliche See war und, wie es scheint, die Mehrzahl der Quellen, war der Mittelpunkt des dasigen Heiligthums. Der Moor fängt unmittelbar an dieser Stelle an : dies erhellet aus Dodwell, und so zog er sich nun von da aus in der Niederung der Küste entlang. Jeder Morast vergröſsert und vermindert sich nach Mafsgabe der Kultur ; und so kommt es daher vielleicht, dafs er jetzt bis an die untere Gegend des Erasinos und Phrixos *) sich hinzieht , so daſs nach Gell der Erasinos den Moor wässert, wovon Pausanias nichts sagt, Der bewohnte Ort des Alterthums lag zuverlässig zunächst an dem See. Es ist also der Ort, der heutzutage Mylä oder Myloi heifst ; denn nicht blofs die dortigen Mühlen heifsen appellativisch so , sondern sie haben nach Gells deutlichen Worten dem Orte den Namen gegeben , und auf einer Ansicht , die er auch von diesem Theile der Landschaft gibt **) (Argolis Tab. 20.) , sieht man auch

  • ) Ich nenne den Phrixos mit, blofs weil Pausanias sagt, daſs

der Erasinos sich in denselben ergieſse : das eigentliche Verhalten dieses Stroms und die Gegend woher er strömt, kann ich nicht beurtheilen , so wenig als ich weifs , woher Gell bestimmt ward zu sagen : der Moor sei von den Flüssen Erasinos und Phrixos eingeschlossen.

    • ) Der Ausschnitt davon ist auf der Kupferplatte der mittelste. Die Ansicht ist der vorigen entgegengesetzt : man sieht nach

Norden und hat im Hintergrunde Argos und Larissa vor sich . XVI. Lerna. 111 mehre Wohnungen dort beisammen liegen *). Diese sind also der kleine Ueberrest des alten Fleckens Lerna ; so wie die Pappeln an dem Hauptstrom dieses Punkts gewissermalsen der Ueberrest des heiligen Hains, der zwischen zwei Strömen bis an den Berg Pontinos sich erstreckte. Doch mufs ich noch bemerken, dafs nach Gell (Arg. S. 84.) ungefehr eine englische Meile nördlich von Mylä im Moor eine Erhöhung ist, worauf einige Bäume und eine verfallene Kapelle ; wovon er vermuthet , dafs es die Stäte des Tempels der Demeter gewesen. Eine noch bestehende Kapelle aber (im Itin. of Morea nennt Gell es eine Kirche) ist südlich vom alkyonischen See , und die dabei befindliche Quelle hält Gell für den Quell des Amphiaraos. Uebrigens hat der See, der wenig Schritte von Meer entfernt ist, einen eigenen Ausflufs ins Meer (Dodwell II. S. 225.) ; und einen eigenen , von dem des Phrixos oder Erasinos unterschiednen, hat der Morast, wie wir aus der obigen Beschreibung des Gell sehn , der auf seinem Weg von Mylä aus am Meer darüber gekommen. Der Neugrieche Meletios , aus dessen Geographie ich für diesen Gegenstand weiter nichts habe ersehn können , sagt, der Strom , der aus dem lernäischen Sumpf komme , heiſse jetzt Masto. Die Natur und die Gestaltung dieser Wassergegend hat viele Beobachter alter und neuer Zeit ganz unabhängig von einander auf die Gedanken gebracht , dafs dies und sonst nichts die wahre Deutung der Fabel von der Hydra sei. S. Albricus de Diis c. 22. Gell Arg. p. 79. Not. Dodwell II. p. 226. Chateaubriand Itin. p. 128. Der See und der Morast mit seinen verheerenden Ueberschwemmungen und schädlichen Ausdünstungen sind der Körper der Hydra , und die vielen Quellen , die vielen Köpfe derselben: zu welcher Ansicht selbst jener Name, Kephalari, einladet, den die Quellen des Erasinos führen ; welche, wenn auch die Fabel nicht gerade dahin das La1

  • ) Itin. of Morea p. 175. The Alcyonian lake is now become

a species of mill- dam, and turns certain mills , which give the name of Mylae to the spot. There are several houses here. 112 XVI. Lerna. ger der Hydra legt , denn doch gewifs so wie heutzutage, so auch in der ältesten Zeit ihren Beitrag zu den Sümpfen an der Küste geliefert haben. Und eben so wahr ist auch das, dafs wenn es irgend jemand beikäme, die Köpfe dieser Hydra zu tödten, das heifst, diese Quellen zu verstopfen, immer andre an deren Stelle und nicht selten zwei für eine sich aufthun würden. Es ist schwer, einer so an Ort und Stelle selbst sich darbietenden , ganz unbefangenen Beobachtern sich aufdringenden , Deutung eines Mythos sich zu versagen. Auch will ich dies so kategorisch nicht. Aber nur das mufs ich sagen , dafs wenn ich mir dies als eigentliche Entstehung und eigentlichen Sinn der Sage von dieser Arbeit des Herakles denken soll, es mich doch nicht recht befriedigt. Eine jede Dichtung hat denn doch einen Zweck ; stellt der Dichter etwas eigentliches uneigentlich dar, so weifs er warum er es thut, und wir, sollen wir anders befriedigt sein , müssen dies einsehn. Aber zu welchem Zweck hätte der alte Dichter , wenn er sich die grofse und heilsame Handlung , die Verstopfung einer Menge zerstörender Quellen , dachte, warum hätte er diese physische Handlung durch eine andere physische, aber unwahre , Handlung ausgedrückt ? Wenn irgendwo Felsen zu zerreifsen, Massen aufzuthürmen , Ställe auszumisten sind, so thut das Herakles so wie wir es uns von dem ungeheuren Manne etwa denken würden : liefs sich nicht auch eine herkulische Weise zur Austilgung solcher Quellen erdenken ? Und wo, kommt die so absichtlich hinzugedichtete List vom Ausbrennen der Hälse her ? Führte die alte Sage wirklich eine abenteuerliche Anwendung von Feuersglut zu jenem Zwecke mit sich , warum läſst der Dichter uns nicht unmittelbar über diese uns wundern, sondern versteckt sie hinter eine andre ziemlich begreifliche Handlung , aus welcher wir die wahre gar nicht herauszurathen im Stande sind? Und endlich, wo bleibt denn die, wenn auch nur poetische, Wahrheit der Sache ? Hatte die Fabel wirklich diesen Sinn und Zweck, so gehört sie an einen Ort , wo jetzt trocknes aber fruchtbares Land ist , und die Sage von alten Verflutungen spricht. Aber . diese Quellen sind ja noch ; waren da im höchsten Alterthume : XVI. Lern a. 113 thume: ja , dem Sinne jener Deutung gerade entgegen, trocken war der Sage nach ursprünglich ganz Argos , für die Entstehung der jetzigen Wasserfülle aber an diesem Ort erzählt sie ein göttliches Wunder. Mich dünkt, eine physische Handlung mythischer Natur kann als Allegorie vernünftiger Weise nur auf etwas unsinnliches gedeutet werden ; und folglich, wenn sie eine deutliche Lehre gewährt , nur auf diese. Bei dem vorliegenden Mythos ist dies , wie ich schon in einer frühern Abhandlung *) vorgetragen , offenbar die Lehre von einer mit Kraft und Klugheit zugleich zu bekämpfenden vielköpfigen Menge. Die alte Sage und die mythische Didaktik enthielt viele einzel stehende Dichtungen dieser Art, die allmählich von der Epik in ihre grofsen Zusammenhänge verflochten wurden. Namentlich was die Form der Bekämpfung eines Ungeheuers hatte, fügte sich am natürlichsten in jenen uralten mythischen Typus eines Helden, der durch zwölf Arbeiten oder Kämpfe mit Unthieren hindurchging. Ich trete ohne Bedenken der schon alten Meinung bei , dafs der Grundtypus dieses Mythos die Hieroglyphe des durch die zwölf Thiere am Himmel wandernden Sonnengottes ist ; aber schon früh bildete diese sich aus in jene grofse Dichtung , deren sittlichen Zusammenhang und poetische Rundung ich in jener Abhandlung entwickelt zu haben glaube. In dieser Dichtung ist der ursprüngliche Sonnengott in ein von ihm unabhängiges sittliches Ideal, den Herakles, übergegangen ; dessen Kämpfen zwar noch die Zahl zwölf geblieben ist ; die zwölf Sternbilder aber , die nur in jenes ursprüngliche Symbol paſsten, muſsten andern poetischen Erfindungen und mythischen Gebilden weichen. So war also auch das allegorische Unthier , von dem wir handeln , hineingekommen ; und der Mythos des argeischen Herakles legte die Scene des Kampfes mit demselben in eine Gegend, wo aus dem vielköpfigen Drachen, wovon ohne Zweifel die ursprüngliche Dichtung sprach, nothwendig eine Hydra ward. Und wenn ich vorhin sagte, daſs ich die Erklärung der Hydra

  • ) Ueber den Mythos des Herakles. Mytholog. B. 1. Abh. XI.

II. H 114 XVI. Lerna. durch den vielquelligen Sumpf nicht schlechterdings verwerfe, so dachte ich an die Möglichkeit, dafs irgend eine von dieser Oertlichkeit ausgehende Dichtervorstellung jenem rhapsodischen Dichter entgegen gekommen sein kann. Nehmlich dafs der Mythos von dem die Hydra so bekämpfenden Herakles aus jener andern physischen Handlung entstanden sei , nur dies glaubte ich bezweifeln zu können: aber dafs der lebendigen Fantasie jener schädliche Sumpf mit seinen flutenden Häuptern sich als ein solches Ungeheuer darstellte, dies leugne ich so wenig , dafs ich es vielmehr fast für nothwendig halte. Diese Hydra, ursprünglich ein blofses Gleichnifs , konnte ein gangbares Symbol, ein Schildzeichen für den Herscher und Helden der Gegend werden , und so eine poetische Wahrheit erlangen , womit es andern äufserlich hinzutretenden Dichtungen , oder einer aus andern Ländern und Zeiten kommenden Sage entgegen kam , und nun wesentlicher Theil eines einheimischen Mythos zu sein scheint. XVII. Mythos der Kydippe. 115 XVII. Ueber die Fabel der Kydippe *) . Es gibt eine Gattung mythischer Dichtungen der alten Griechen , die aus der eigentlichen Mythologie ganz heraustreten. Der mythische Kreis nehmlich , woraus diese besteht, enthält, auſser der Göttergeschichte, eine Menge menschlicher Begebenheiten zwar , die aber mit jenen in Verbindung stehen, und unter sich selbst einen genealogischen , zum Theil auch chronologischen Zusammenhang bilden , der sich uns als eine grofse Heroenwelt und Heroenzeit darstellet. Auch unter den vereinzelt und abgerissen auf uns gekommenen Mythen tragen die meisten dasselbe Gepräge ; so dafs es nur entweder an einem mythographischen Künstler fehlte , der sie in jenen heroischen Cyklus verflochten hätte, oder auch diese Verbindung nur für uns verloren gegangen ist. Jene andern Erzählungen aber , von denen ich hier rede , sind gewisse kleine Liebesgeschichten , in sich abgeschlossen , und ganz den Erzählungen neuerer Zeit ähnlich, so dafs sie die älteste occidentalische Quelle unserer Novellen- und Romanendichtung zu sein scheinen. Die Götter treten in denselben nie als mithandelnde Personen auf: sondern als rein überirdische Wesen senden sie zuweilen Wunder und Zeichen, welche der Erzählung das romantische geben, das sie mit den spätesten Dichtungen dieser Art gemein haben. Die

  • ) Abgedruckt aus den Denkschriften der Akademie zu München.

H 2 116 XVII. Mythos der handelnden Personen selbst erscheinen auch nicht als Heroen oder in jener Heroen - Zeit lebend ; sondern die Scene scheint in der wirklichen Welt zu liegen , jedoch , zum Besten des Dichters , in der ältesten Zeit derselben. Jedermann sieht, dafs ich diese Züge nehme aus solchen Geschichten , wie die allbekanten sind von Hero und Leandros, von Pyramos und Thisbe. Von allen diesen Geschichten, deren, wie man deutlich sieht, sehr viele waren, ist keine einzige in dem Vortrag eines Schriftstellers der eigentlich klassischen Zeit der Griechen , selbst die ältere alexandrinische mitbegriffen, auf uns gekommen. Was wir also aus dieser Gattung kennen , ist enthalten in einigen kurzen prosaischen Erzählungen unter den Werken von Plutarch, Lucian, Parthenius u. a. Klassisches Gewand tragen einige derselben nur noch in einer andern Sprache als der, worin sie entstanden ; bei Ovid. Unter diesen ist die Geschichte der Kydippe und des Akontios. In den Kreis der uns bekanten alten Dichtungen ist sie nur gekommen durch den Gebrauch, welchen Ovid davon gemacht hat , indem er ein Schreiben und Gegenschreiben dieses Liebespaares unter seinen Heroiden aufgestellt hat. Diese Gattung von Gedichten setzt aber die Bekantschaft der Leser mit der Erzählung, worauf sie sich beziehen, wenigstens so weit es ihnen um den eigentlichen epischen Zusammenhang zu thun sein kann, schon voraus ; wiewohl der Dichter so viel als zur ästhetischen Befriedigung dessen, der die Geschichte etwa nicht kennet , nöthig ist , in seinen Vortrag zu verweben weifs. Dies also ist für die Erzählung von der Kydippe unsere Hauptquelle wobei ich jedoch die Möglichkeit zulassen mufs , dafs ein Theil dessen was ich aus den Heroiden nehme einen spätern Dichter zum Verfasser hat: denn der Brief der Kydippe fehlt zum allergröfsten Theil in den meisten Handschriften : aber Ovids Quelle wieder , war Kallimachus , der dieser Geschichte ein eignes Gedicht gewidmet hatte , das unter dem Namen Kydippe unter den verlornen Werken dieses Dichters genannt wird, und aus welchem auch Fragmente angeführt werden , die Kydippe. 417 aber nichts zum wesentlichen der Erzählung beitragen. Die griechischen Quellen für diese Geschichte sind uns also alle versiegt bis auf eine, die aber kaum diesen Namen verdient. Der geistlose Epistelschreiber Aristänetus (I, 10.) trägt diese Erzählung vor in Form eines Briefes : das heifst aber nur, er schreibt oben darüber ,, Eratoklea an die Dionysis," und fängt dann gleich zu erzählen an, ohne am Ende auch nur Lebwohl hinzuzusetzen. Leider aber ist diese seine Erzählung in sich so mager , und dafür mit so gehaltlosem und schwülstigem Nebenwerk durchknetet , daſs man sie kaum geniefsen kann. Aus Vergleichung der Fragmente des Kallimachus ergibt sich indessen , daſs er den Gang der Erzählung aus dem erwähnten Gedicht genommen. Ich will daher so viel als zur Ergänzung des Ovid sich brauchen läfst , aus ihm schöpfen, und die Erzählung so vollständig, als diese Quellen es gestatten , und so einfach als es der ersten Erfindung zu ziemen scheint, vortragen. " Akontios war ein schöner Jüngling aus der Insel Keos, von guter, jedoch nicht eben vornehmer Abkunft und von wohlhabenden Eltern. Dieser befand sich bei dem jährlichen grofsen Feste zu Delos , und sah dort ein die Herrlichkeiten des Orts, in Begleitung ihrer Amme, beschauendes, so schönes Mädchen , dafs er auf der Stelle verliebt in sie ward. Kydippe war eines vornehmen Mannes aus Athen Tochter , die ebenfalls des Festes wegen nach Delos mit ihren Eltern gereist war. Er folgte ihr nach dem Tempel der Artemis ; und als er sie , des Opfers wartend, dort sitzend sah , pflückte er eine der schönsten Quitten und warf sie hin, nachdem er die Worte darauf geschrieben : Ich schwöre bei dem Heiligthume der Artemis, dem Akontios mich zu vermählen. Die Amme hebt den Apfel auf, reicht ihn dem Mädchen , und heifst sie die Inschrift lesen. Kydippe liest laut, und erröthend wirft sie den Apfel hinweg. Aber es war an heiliger Stäte : die Göttin hatte ihre Worte gehört: und so hatte sie geschworen, was Akontios wollte. Ein mehres zu seinen Zwecken zu thun, wehrte dem Akontios die Scheu. Er kehrte nach vollendeter Feier nach seiner Heimath zurück ; wo ihn nun. 118 XVII. Mythos der die Sehnsucht nach der entfernten Geliebten verzehrte, und er, um vor seinem Vater diesen Zustand zu verbergen, öfters aufs Land ging und in der Einsamkeit schmachtete. Unterdessen bereitet Kydippens Vater seiner Tochter ein Ehebündnifs nach seiner Wahl, der das wohlgeartete Mädchen sich füget. Allein so wie die hochzeitliche Feier beginnen soll, erkrankt Kydippe plötzlich und so bedenklich, dafs die Hochzeit eingestellt werden mufs. Schnell geneset sie wieder : die Anstalten werden erneut ; aber mit ihnen auch die Krankheit. Die dreimalige Wiederholung dieses Ereignisses erregt allgemeines Aufsehen. Die Kunde davon gelangt zu Akontios : er eilt nach Athen, wo er täglich und stündlich nach seiner Geliebten Zustand sich erkundigt. Wirklich war auch seine Liebe unbeachtet zwar , aber nicht unbekant geblieben ; und da ein aufsernatürlicher Einflufs sichtbar war, so regte sich sogar der Verdacht eines von ihm ausgehenden zauberischen Frevels. Der delphische Gott, den der Vater befragen liefs, brachte endlich die Wahrheit an den Tag, verkündend seiner Schwester Zorn über begangnen Meineid. Alles übrige entdeckte das Mädchen nunmehr der Mutter. Der Vater , anerkennend , dafs Akontios in keiner Hinsicht seiner Tochter unwürdig sei , fügt sich willig dem Winke der Götter ; und eine glücklich nunmehr von statten gehende Hochzeit bringt den Jüngling zum Ziel seiner Wünsche. Die Lücken, die man in der poetischen Anlage dieser Erzählung wird gefunden haben , erklären sich aus der Beschaffenheit der Quellen, woraus ich sie nehmen musste. Denn ich habe nichts gegeben , was ich nicht gefunden ; aufser ein paar Punkten , die ich durch die Wahrscheinlichkeit bestimmen musste , und von welchen ich daher Rechenschaft zu geben habe. Die Heimath der Kydippe ist nicht angegeben. Denn dafs nicht etwa auch sie aus Keos war , wenigstens nach Ovids Darstellung nicht , das beweisen die gleich anzuführenden Verse, worin Akontios ihr sein Vaterland nennet. Indessen läfst Ovid sie von ihrer Seefahrt nach Delos erzählen ; nur dafs er mit einer Kydippe. 119 fast ein wenig zu poetischen Freiheit die Folge der Inseln, woran sie vorbeifuhr, gerade umkehrt. Et jam transieram Myconon, jam Tenon et Andron, Inque meis oculis candida Delos erat. - Das ist gerade die Richtung, in der man Delos verläfst : denn Mykonos läfst sich in Delos fast mit der Hand ablangen. Aber das ist auf jeden Fall klar, dafs die Reihe der Inseln in der Richtung liegt, in welcher Kydippe nach Delos kam. Nun führen aber die Inseln selbst gerade nach der Südspitze von Euböa, folglich die Wasserstrafse ihnen zur linken zunächst nach Attika ; und links eingebogen ist es der gewöhnliche Weg von Delos an Sunium vorbei nach Athen. Dafs ferner Kydippe von vornehnem Geschlecht sei , dies scheint mir die Oekonomie der Erzählung zu erfodern. Die furchtsame , betriegerische List , welche der Liebende zu Hülfe nimt , setzt ein sehr grofs scheinendes Hindernifs voraus , welches man allenfalls zwar in einem früheren Eheversprechen suchen könnte : aber dies hätte der redselige Ovid seinen Akontios, der alle Einwürfe hervorhebt, um sie durch glänzende Antithesen zu vernichten , zuverlässig nicht übergehn lassen. Die Ungleichheit der Geburt hingegen , dafs diese Akontios nicht ausdrücklich erwähnt, das ziemt dem freien Griechen wol : aber er beseitigt diesen Einwurf sogleich durch geschickte Erwähnung des eigenen Adels , der jedoch so schwach begründet ist , dafs man gleich sieht, hier liegt der Knoten. „,Sage deiner Mutter, dafs sie nach mir und meinem Stande sich erkunde ;" und nun preist er sein Vaterland von seiten seines uralten oder mythischen Ruhms, und sich selbst, dafs er sei von nicht verachteten Ahnen entsprossen , dafs er Vermögen habe und Sitten ohne Vorwurf: aher den besten Accent legt er doch gleich auf seine Liebe. Sic tamen et quaerat, qui sim quantusque, jubeto. Inveniet vobis consuluisse Deam. Insula Coryciis quondam celeberrima Nymphis Cingitur Aegaeo, nomine Cea, mari. 120 XVII. Mythos der Illa mihi patria est. Nec si generosa probaris Nomina, despectis arguor ortus avis. Sunt et opes nobis, sunt et sine crimine morés. Amplius utque nihil me tibi jungit amor. Was die Korykischen Nymphen auf Keos sollen, hat noch niemand zu sagen gewufst, Sehr bekant ist die Korykische Höle am Parnassos, und auch die Korykischen Nymphen daselbst schon von Deukalion her, der ihnen zuerst opferte. S. Ovid. Metam. 1 , 320. Apollon. 2, 711 . Auch soll eine gleichnamige Höle und Nymphen in Cilicien gewesen sein , wo wenigstens eine Stadt Korykos lag; wie man dies alles am schnellsten vollständig übersehen kann bei Stephanus von Byzant im Artikel Kaguxos und den Erklärern dort. Allein aus Keos ist der Name nicht bekant. Einer der Ausleger unserer Ovidischen Stelle hilft sich indessen mit der einfachen Annahme, die Korykischen Nymphen wären ohne Zweifel dieselben, welche an einer andern Stelle des Dichters, Metam. 10, 109, die Karthäischen hiefsen. Eine Vermuthung, welche wahr werden wird, wenn man sie nimt , wie ihr Urheber sie nicht verstand. Die angezogene Stelle ist die , wo es bei der Geschichte des Keïschen Jünglings Kyparissos heiſst Namque sacer Nymphis Carthaea tenentibus arva Ingens cervus erat. Sieht man dort in die kritischen Noten , so heifst es zu Carthaea : Mss. variant vehementer , Cretea , Cirthea, Carchia , Orchea, Corchea u, s. w, Von dieser reichen Varianten-Saat ist, wie billig, kein Gebrauch gemacht, da die Stadt Karthäa auf Keos allbekant ist. Aber hier bewährt sichs wieder , wie nützlich es ist , wenn auch die Schreibfehler aus den Handschriften verzeichnet werden, Bei unserer Stelle in den Heroiden steht bei Coryciis kein Wort von Varianten : nehmlich weil dieses Buch kritisch noch bei weitem nicht so vielfältig behandelt ist , wie die Metamorphosen. Aber gleich die erste alte Ausgabe, die ich aufschlug , gab mir statt Coryciis , Corinthiis *) ; und

  • ) Die Handschriften der Santenschen Bibliothek haben Corinthiis, Corynchiis, Corutiis, Coriciis, letztes nur eine, das erste zwei.

Kydippe. 121 die alten Herausgeber schmälen sehr über diese, den Vers vernichtende, Lesart, wofür sie das von dieser Seite freilich untadeliche Coryciis empfehlen. Also sehn wir nun, woher diese Lesart kommt, und jene Saat in den Metamorphosen trägt nun hier ihre Frucht. Von Coryciis aus müssen wir durch einen Rückweg, Corchiis , Corinthiis, Corthiis, zu der allein wahren Lesart gelangen : Insula Carthaeis quondam celeberrima Nymphis: und jene Parallelstelle , verbunden mit der Mahnung an eine uralte Stadt , erweckt mythische und alterthümliche Ideen genug, um es begreiflich zu finden, dafs der Dichter einen Liebeshelden, der nicht viel anzuführen hat, und doch etwas sagen muſs , auf die karthäischen Nymphen sich berufen läfst. In den Ausgaben des Ovid vor Heinsius steht vor diesen beiden Episteln ein Argumentum, dessen Erzählung zwar kurz ist , aber doch gar nicht aus Ovid genommen zu sein scheint, Heinsius hat die Argumenta alle weggelassen. Möchte er ; wenn er nur kritische Auskunft darüber gegeben hätte. Ich forschte also selbst nach , und fand , dafs das eben erwähnte zusammengesetzt war aus zwei Noten alter italienischer Kommentatoren , die aber eben so wenig, nicht einmal auszugsweise , bei Heinsius und Burmann zu finden sind. In der des Antonius Volscus heifst es unter andern vom Akontios : Novam commentus fraudem in pomo haec vel his similia scripsit carmina: Me tibi nupturam felix eat omen, Aconti. Testor quam colimus numina magna deae. Id cum sacra ministraret ante deae simulacrum in sinum puellae projecit; quae fraudis inscia cum imprudens litteras perlegeret, visa est se uxorem Acontio pacisci. Nam quae ante deos dicerentur in templo Deliae Dianae rata esse debere lex erat. In der Note des Ubertus Crescentinas liest man, aufser einer schlechter versificirten Schwurformel in zwei gereimten Hexametern , unter andern ausdrücklich dieses : Quam (Cydippen) cum ob generis imparitatem non auderet (Acontius ) aperte uxorem petere, invenit viam, qua illam sibi conjugio obligaret. Was in diesen Noten ei 122 XVII. Mythos der genthümliches, und selbst von Ovids Erzählung abweichendes enthalten ist , scheint mir nicht so leichthin dem ex ingenio ergänzenden Kommentator , sondern einer Ueberlieferung anzugehören. Nehmlich diese in der letzten Hälfte des 15. Jahrh. lebenden Gelehrten schöpften ihr Wissen, so unvollkommen es sein mag, aus Handschriften, die jetzt verloren sind oder auch unbeachtet liegen , aus alten wieder aus ältern gezogenen Scholien ; und so verdienen sie die Aufmerksamkeit der Kritiker mehr als ihnen bisher zu Theil geworden. Ich habe es schon gesagt , dafs aus den Fragmenten der Kydippe des Kallimachus nichts für diese Erzählung selbst zu entnehmen ist. Aber es ist weder ein unnützes noch ein unerfreuliches philologisches Geschäft , das wenige, was sich aus einem verlorenen Werke erhalten hat, zusammen zu stellen. Und Kallimachus , wenn gleich er aus der schon sinkenden Zeit der griechischen Poesie ist, wenn gleich seine Gelehrsamkeit vielfältig Eintrag thut eben seiner Poesie , ist kein unbelohnender Schriftsteller. Mir wenigstens ist er durch Gehalt, durch Eigenthümlichkeit und selbst Gemüthlichkeit weit zusagender , als der elegantere aber frostige Apollonius. Wiewohl , nach den Fragmenten zu urtheilen , es mir lieber wäre , wenn die Hekale und die Atia des Kallimachus sich erhalten hätten, als seine Hymnen. In der Bentleyschen FragmentenSammlung stehn die der Kydippe noch sehr unvollständig und zerstreut. Es verlohnt, sie etwas besser aufzustellen. I. Das erste Fragment steht im Etymologico Magno unter Elonvins (in Bentleys Fragmenten - Sammlung num. 169.) ; jetzt aber erst vollständiger in des Zonaras Lexip. 628. kon Μέμβλετο δ᾽ εἰσπνήλαις ὁππότε κοῦρος ἴοι Φωλεὸν ἠὲ λοετρόν. War der Verliebten Lust , wenn er , ein Knabe noch, ging Schulwärts oder ins Bad. Kydippe. 123 Den Anfang des Hexameters verdanken wir dem Zonaras. Aber selbst ohne diesen, da die Grammatiker den Pentameter nur im allgemeinen aus Kallimachus anführen, erkannte Ruhnken die Kydippe aus Aristänets Nachahmung, wenn dieser des Akontios Schönheit von Jugend an schildernd sagt : οἱ δὲ φιλοθεάμονες τοῦ κάλλους εἰς διδασκάλου προϊόντα περιεσκόπουν συνωθοῦντες ἀλλήλους die Liebhaber der Schönheit drängten sich ihn zu sehn, wenn er in die Schule ging." Das Wort εἰσπνήλης war , wie wir aus Theokrit 12, 13. wissen , ein lakonischer Ausdruck für den Liebhaber in der Knabenliebe ; daher Anna Faber (Ernest. p. 355.) die richtige Bemerkung macht, unser kyrenischer Dichter bediene sich dessen als eines heimischen *). - II. Nur Ein Distichon mag wol noch gestanden haben . zwischen dem angeführten Pentameter und folgenden Versen (Bentl. num. 102.) Πολλοὶ καὶ φιλέοντες ᾿Ακόντιον ἧκαν ἔραζε Οἰνοπόται Σικελὰς ἐκ κυλίκων λάταγας. Viel auch fröhliche Zecher , erwärmt von Akontios Liebe, Klatschten zur Erde den Gufs laut im sicilischen Spiel. Athenäus 15. p. 668 , handelt vom Kottabos , einem besonders in Sicilien einst heimischen Zechspiel, und bringt diese Verse als einen Belag des Gebrauches bei, da man, seiner abwesenden Liebschaft erwähnend , den Gufs verrichtete , und aus der Art , wie er gelang , ein Omen schöpfte. Athenäus nennet zwar den Dichter , aber das Buch nicht. Dafs wir es als Fragment der Kydippe ken- ⚫ Valckenaer wollte noch die misbilligenden Verse auf die Knabenliebe hieherziehen , welche in der Bentley'schen Fragmentensammlung unter Num. 103. stehn : aber sie wollen sich durchaus nicht fügen. Und auch ich gebe das 148ste Fragment Pontiζειν ἀγαθοὶ πολλάκις ἠΐθεοι, das mir näher heran zu spielen schien, auf, so lange keine deutlichere Spur hinzutritt. 124 XVII. Mythos der nen, und überhaupt es verstehn , ist Bentley's Verdienst : denn vorher war das Wort dxóvτior als Appellativum geschrieben. III. Aristänet lässt den Akontios gleich nach seinem ersten Abenteuer sehnsuchtskrank werden , und erzählt, wie ihm die Nächte Thränen nur , nicht Schlaf gebracht hätten. Dahin also ziehe ich mit Wahrscheinlichkeit den Vers, welcher im Etym. M. unter "Awgo aus Kallimachus angeführt ist , und dessen Erhaltung, wenn es der Mühe werth scheint, wir, wie so vieler anderer Kallimachischer Verse, nur den darin vorkommenden seltnen Wörtern zu verdanken haben, wonach dieser Dichter bekantlich grofse Jagd machte. (Bentl. num. 150.) Πολλάκι καὶ κανθῶν ἤλασ᾽ ἄωρον ἄπο. Nehmlich xavoi hiefsen eigentlich die Augenwinkel, und wogos war ein rarer Dialekt für den Schlaf. Brauche ich statt Augenlieder blofs das einfache Wort in gleichem Sinne , so gelingt mir wohl im Deutschen ein eben so schwer zu verstehender Vers : Scheucht von den Liedern ihm oft weg den erquickenden Hauch. IV. Aristänet fährt in demselben Zusammenhang fort : Akontios sei, um dem Vater sich zu verbergen, unter allerlei Vorwand öfters aufs Land gegangen : εἰς ἀγρὸν ἐπὶ πάσῃ προφάσει τὸν πατέρα φεύγων ἐφοίτα . In diesen Worten haben die holländischen Gelehrten sogleich einen Vers aus unserm Gedicht erkannt, welchen Aristänet nur aufgelöset hat und das Wort nçóqaois hat treten lassen an die Stelle eines gelehrteren , weswegen der Scholiast zu Soph. Antig. 80. den Vers anführt (Bentl. num. 26.) : ῎Αγραδέ τοι πασησιν ἐπὶ προχάνῃσιν ἐφοίτα. Drum, mit welcherlei Schein, besucht' er die schweigenden Fluren. In den Handschriften freilich steht dygodéro. Alle Kritiker Kydippe. 125 bessern an den ersten drei Silben nicht behutsam genug *) ; denn zuverlässig stand hier eine seltnere , von Kallimachus absichtlich gewählte Form, statt der gewöhnlicheren ἄγρονδε und ἀγρόσε; und daher ist ῎Αγροδε von Schneider hieraus ins Wörterbuch aufgenommen. Allein die wahre Lesart war῎Αγραδε, wie οἴκαδε wie deutlich erhellet Apollon. de Adv. p. 594. 616. 617. Für Too hab' ich Valckenaers Besserung to gesetzt , weil der Accent eine Enklitika zeigt , und diese den Zügen nách am nächsten ist. Merkwürdig ist übrigens, dafs der Scholiast dieses so sicher zur Kydippe gehörige Fragment aus dem dritten Buche Aitio anführt ; woraus als richtige Schlufsfolge hervorgeht , dafs die Kydippe ein Theil jenes gröfsern Werks war , so wie der Schild des Herakles von den 'Hoiais, und viele ähnliche Fälle in der epischen Litteratur. Ich werde auf diesen Umstand zurückkommen ; und will hier nur noch zur Bestätigung dieser Notiz das anführen , daſs aus demselben dritten Buche Aitíov Stephanus von Byzant (unter Años) den Ausdruck 4nhins als Beiname des nach Delos gesendeten Chors anführt **) ; welches also vermuthlich der athenische war, wozu Kydippe gehörte ***).

  • ) Der Accent allein war eine deutliche Spur, dafs weder -

roóos noch dygód hier gestanden. Aber lächerlich ist Toups Anmassung, der mit stolzer Entscheidung schreibt "Ayoovde náʊŋov, und uns befiehlt diese Verlängerung durch bloſse Cäsur die er durch Weglassung einer lästigen Silbe hervorgebracht anzumerken.

    • ) ῞Οθεν Δηλίτης ὁ εἰς Δῆλον ἐρχόμενος χορός. Καλλίμαχος τρίτῳ .
      • ) Die Erwähnung des Aufenthalts auf dem Lande hat den

Ruhnken verleitet auch folgendes Distichon aus dem Stobäus hieher zu ziehen (Bentl. num. 127.) :

  • Αρνες τοι φίλε κοῦρε ὁμήλικες , ἄρνες ἑταῖροι ม

Εσκον, ἐνήριθμοι δ᾽ αὔλια καὶ βοτάναι. Eine Uebereilung , von welcher abhalten musste das Kapitel лeçi Nnniwv, von Kindern und kindlicher Einfalt , worin dies Fragment bei Stobäus steht , und der Ausdruck oμlines ; was alles gar nicht hieher paſst , sondern nur, wie auch Bentley bemerkt. 126 XVII. Mythos der V. Eben so sicher hat man ein anderes Fragment erkannt aus der abermals fast wörtlichen Uebertragung des Aristänet, der den Akontios in seiner ländlichen Einsamkeit, etwas läppisch freilich, wünschen läfst, dafs die Bäume Verstand und Sprache haben möchten , um nur zu sagen : 0 schöne Kydippe ; oder dafs diese Worte wenigstens in ihre Rinde geschnitten sein möchten : ἢ γοῦν τοσαῦτα κατὰ τῶν φλοιῶν ἐγκεκολαμμένα φέροιτε , ὅσα τὴν Κυδίππην ὀνομάζει xahhv. Dies letzte ist freilich noch alberner ; denn er durfte ja nur selbst die Worte einschneiden. Doch so hatte Kallimachus auch wirklich gedichtet, und die Albernheit gehört nur dem, sein Original mifsverstehenden Aristänet : denn so lautet ein Fragment unsers Dichters beim Scholiasten des Aristophanes Acharn. 144. und zwar ausdrücklich als Beispiel, dafs die Verliebten den Namen ihrer Geliebten , mit dem Beisatz ihrer Schönheit , in die Bäume zu schneiden pflegten (Bentl. num . 101.) : ᾿Αλλ᾽ ἐνὶ δὴ φλοιοῦσι κεκομμένα τόσσα φέροιτε Γράμματα , Κυδίππην ὅσσ᾽ ἐρέουσι καλήν *). Doch in die Rinden geschnitzt tragt für der redender Züge Viel, zu verkünden umher, meine Kydippe sei schön. auf ein bei Hirten und Herden erzogenes Kind. Daher sehe man, ob in Verbindung hiemit etwas zu machen ist, aus dem gleichfalls elegischen Fragment 154. ( aus Etym. M. unter "Apεvos) wo ein vierjähriger Knabe genannt wird , Τετράενον Δαμάσου παῖδα Δαμαςορίδην, welche Besserung des verdorbnen vɛsogidŋ Toup (ad Suid. p. 481 . Lips. ) fast zur Gewissheit macht, wiewohl weder Vater noch Sohn sonst bekant sind. Die natürlichste Annahme ist wol , dafs es Fragmente sind eines Epigramms auf das Grabmal eines sol- chen Kindes.

  • ) Die zuverlässigen Besserungen photoio für qúlloıı und

ooo ' für os gab Bentley schon , ohne die Stelle im Aristänet zu kennen. Pierson hat seine Aenderung φλοιοῖς κεκολαμμένα später zurückgenommen (s. Valck. ad Callim. fr.), da έуxúлτɛv das seltnere Wort ist, wofür Aristänet das gewöhnliche gesetzt hatte. Kydippe. 127 Da übrigens Akontios hier mit stummen Gegenständen sich unterhält, so werden wol etwas vorher die Worte gestanden haben, die wegen der seltnen Form лακουός für ἐπήκοος im Etym . Μ . unter Ακουός angeführt sind (Bentl. num. 236.) : Οὐκ ἔσχεν · ἀλλ᾽ ἐπακουοὺς - was geheifsen haben kann ,, niemand hörte" oder auch ,, sie (die Bäume, Felsen u. s. w. ) hörten nicht auf seine Klagen." VI. Akontios Klagen gehn über in Vorwürfe , die er sich selbst macht , daſs er sie in Gefahr gesetzt, den Zorn der Göttin auf sich zu ziehn. O ich Unglüklicher, ruft er bei Aristänet aus, warum doch hab' ich diese Furcht über dich gebracht ! Ὢ δυστυχὴς ἐγώ . τί δέ σοι τοῦτον ἐπῆγον τὸν φόBov. Aristänet hat hier das höchst seltne Wort im Kallimachus nicht verstanden und unglücklich gesetzt , wo bei jenem igos stand , was einen unverschämten bedeutete. Denn als Belag für diesen Gebrauch des Worts führt Hesychius (unter hugóvtα) diesen Vers unsers Dichters an (Bentl. num. 229.) : Λῖνος ἐγώ . τί δέ σοι τόνδ᾽* ) ἐπέθηκα φόβον . Schändlicher ich! o warum schuf ich dir diese Gefahr! den Pierson aus Aristänets Worten erkannte. Und hiemit gehn uns die Fragmente aus. Doch ist es wol nicht aus der Luft gegriffen , wenn ich in dem van Suidas im Worte talis, Jungfrau, Braut, angeführten Vers unsers Dichters (Bentl. num. 210.) , Αὐτίκα τὴν τᾶλιν παιδὶ σὺν ἀμφιθαλεῖ, Alsbald kam mit dem Sohn lebender Eltern die Braut, ein Stück aus dem Hochzeitzug zu finden glaube , womit die Geschichte schlofs. Пais auqiah's ist ein Knabe, des-

  • ) Auch hier besserte , ohne Aristänets Hülfe, Bentley so die

arge Verderbung τίδες ὅταν δὲ ἐπέθηκα . 128 XVII. Mythos der sen beide Eltern noch leben. Solche waren die Brautfihrer bei den Alten : s. Festus unter Patrimi. Nachdem wir alles gesehen , was zu der Geschichte der Kydippe bei den Alten sich findet , dürfen wir eine andere Erzählung nicht übergehn , deren Merkwürdigkeit sich durch sich selbst aussprechen mag. Es ist die von Ktesylla und Hermochar es, die erste bei Antoninus Liberalis , der sie aus Nikanders Gedicht der Verwandlungen vorträgt. Ktesylla war die Tochter des Alkidamas aus der Stadt Iulis auf Keos. Als in Karthäa , dem andern Hauptort der Insel , die Pythia gefeiert wurden , sah Hermochares, ein athenischer Jüngling sie unter den vor dem Altar des Apollon tanzenden Jungfrauen , und verliebte sich in sie. Um seinem Wunsche zu nahn , beschrieb er einen Apfel und warf ihn im Tempel der Artemis hin. Das Mädchen hob ihn auf und las. Es war ein Schwur bei der Artemis , den Hermochares von Athen zu heirathen. Ktesylla erröthend und entrüstet warf den Apfel weg: Aber der Jüngling hielt bei dem Vater um sie an, der sie ihm auch zusagte , und dies mit Berührung des heiligen Lorbeers beschwor. Allein Alkidamas vergals seinen Eid, und vermählte sie bald nach jenem Feste schon einem andern. Noch war die Hochzeit nicht vollendet, als Hermochares, erzürnt über das nicht gehaltene Wort in den Tempel der Artemis hereinstürzte, wo eben die Braut im Opfer begriffen war. Sie sah ihn, und durch göttliche Schickung verliebte sie sich. Die Amme machte die Vermittlerin und so schiffte sie bei Nacht nach Athen, und vermählte sich mit Hermochares. Aber bei der ersten Geburt, abermals durch göttliche Schickung , starb sie , weil ihr Vater den Eid gebrochen. Bei der Bestattung sah man aus dem Sarge eine Taube fliegen ; Ktesyllas Körper war verschwunden. Hermochares befragte das Orakel , und erhielt den Befehl , einen Tempel zu Iulis zu weihen der Aphrodite Ktesylla. Aber auch die Einwohner von Keos in Gesamtheit erhielten vom Orakel einen Spruch : und SO Kydippe. 129 so opfern sie noch jetzt, zu Iulis der Aphrodite Ktesylla, in der übrigen Insel der Ktesylla Hekaerge. Dafs diese Geschichte , besonders in ihrem ersten und Haupttheile, die Geschichte der Kydippe ist , brauche ich nicht zu bemerken, noch auf die schlechtere Anlage des Ganzen aufmerksam zu machen ; da namentlich die Verpflichtungen des Vaters und die der Tochter auf eine den Zusammenhang des Ganzen mit der Katastrophe sehr verwirrende Art sich durchkreuzen. Nur darauf achte man wohl , dafs wir also hier eine poetische Erzählung haben, die zur Zeit der alexandrinischen Dichter zweimal in verschiedener Gestalt vorkommt, und zwar nicht blofs mit Abweichungen , wie sie auch in der Erzählung von Begebenheiten wirklicher Geschichte erscheinen ; sondern mit solchen, die nach aufsen der Sache das Ansehn zweier ganz verschiedener Geschichten geben, nehmlich mit Verschiedenheit der Personen und der Scene ; doch aber so, dafs Keos in beiden Erzählungen als ein Hauptort vorkommt: ein Umstand, der die Sache im Grunde nur auffallender macht. Ich denke nehmlich nicht, dafs man den Fehlgriff machen, und hier blofs Mährchen sehn wird, dergleichen ein Dichter zum Vergnügen ersinne. Diese ganze Gattung war jener Zeit fremd ; den Apolog etwa ausgenommen, der aber , auch wenn Menschen darin handeln, in seiner ganzen Anlage als Parabel sich ausspricht. Die Liebes- und Trauer - Geschichten jener Zeit gehörten keinem Erfinder, sondern, als Sage, einzig dem Volke ; verloren sich aufwärts in eine dunkle Zeit, die dem Forscher Anlaſs gibt zu untersuchen , ob sie aus wirklichen Begebenheiten oder aus Allegorien entstanden sind : wurden aber vom Volke als Geschichten geglaubt. Auch so kann indefs das doppelte und mehrfache Vorkommen nicht befremden. Solche Geschichten wandern durch Raum und Zeit, und schmiegen sich jeder Zeit und jedem Raum als dahin gehörig an. Die Parallelen zeigen sich dem unbefangenen Beobachter in Menge ; ich mahne nur an eine, die erst neuerlich zur Sprache kam , an die im wesentlichen und im charakteristischen übereinstimmend zweimal vorkommende christlich fromme Geschichte, im 4ten JahrII. I 130 XVII. Mythos der hundert von der heiligen Euphrasia in Asien, und im 14ten von einer Nonne in Brandenburg * ). Gerade wie wir hier auf der einen Seite eine die Verehrung jener Heiligen begründende Legende sehn , auf der andern aber eine, wenn gleich in die Chroniken verflochtene , doch nur zu erbaulichen Zwecken dienende Erzählung ; so sehen wir in der griechischen Dichtung einerseits die den Dienst einer Ktesylla auf Keos begründende Sage oder Legende, und auf der andern , so wie es wenigstens da liegt , nur eine Erzählung zu moralischem Zweck. Und so wie nach Erkennung der altchristlichen Legende die sie nachbildende spätere Erzählung den Forscher nicht mehr beschäftigt — aufser wenn etwa jemand darthun wollte , wie es kam, dafs die fromme Fabel gerade in jenen polnischen Chroniken sich wieder hervorthat ; so mufs auch die Geschichte der Kydippe, für jetzt, wenigstens, der durch bestimmtere Zwecke begründeten Geschichte der Ktesylla weichen. Wenden wir also unsern Blick auf diese letztere Geschichte, allein , so mufs es befremden , eine Begebenheit, die zwischen blofsen Bürgern zweier Städte zu spielen scheint , in eine Vergötterung übergehn zu sehn. Den schon einmal entfernten Gedanken an Dichter- Willkür mufs ich hier noch weit mehr verbitten. Die Ausschmückung und Ausführung solcher Geschichten war allerdings in der Hand des Dichters , besonders dieser schon etwas spätern Zeit. Allein das ist, selbst für die spätere alexandrinische Periode , worein Nikander gehört , undenkbar, daſs er für eine bekante zugängliche Insel , für eine grie-

  • ) „ Die keusche brandenburgische Nonne. Eine historisch-kritische Untersuchung vom Pr. Val. Heinr. Schmidt in Berlin ;"

in Buchholz Journal für Deutschland XI. Band. S. 385. - Es betrifft das Geschichtchen von einer Nonne in der Mark Brandenburg, welche bei dem Einfall der Litauer, um der Schändung zu entgehn , ihrem Verfolger versprach , ihn zu lehren , sich fest zu machen; und die sich unter dem Vorwand, dies an sich zu erpro ben, von ihm den Kopf abhauen liefs. Dasselbe nun erzählt das griechische Menologium unterm 19ten Januar von der heiligen Euphrasia , die in der Christenverfolgung unter Diokletian auf diese Art zur Märtyrin ward. Kydippe. 131 chische Stadt , Gottesdienste gedichtet hätte , die nicht vorhanden waren , oder sie auf eine Art begründet, die den gangbaren Sagen und Vorstellungen völlig fremd gewesen wäre. Was also auch dem Nikander an dieser Erzählung gehören möge , so viel ist gewifs : auf Keos wurde eine Aphrodite Ktesylla , eine Ktesylla Hekaerge verehrt, deren geschichtliche Begründung den Hauptzügen nach in jenem Mythos enthalten ist. Ein jeder solcher Mythos mufs aber alt sein ; weil es wieder undenkbar ist, dafs ein Volk die Gegenstände seiner National - Verehrung, so menschlich es sie auch gestalte , in die Zeiten der eigentlichen Geschichte , in eine Menschheit , welche der, worin sie selbst leben , schon ganz gleich ist , versetze. Selbst die Heroen , denen eine untergeordnete Verehrung gewidmet war , gehörten sämtlich jener vorgeschichtlichen Zeit, deren Menschen man sich auch anders dachte. Eine Vergötterung vollends , wodurch Menschen der gemeinen Wirklichkeit mit dem Wesen hoher National - Gottheiten, wie Aphrodite und Artemis , in eins verschmolzen werden -kommt vor, wird man sagen : denn wer kennt nicht die Aphrodite Arsinoe oder Zephyritis und andere, gerade aus der Zeit worin Nikander lebtè ? Allerdings. Da die älte- , ste Mythologie gleichsam unvermerkt sich vielfältig in der Sage und dem Munde der Sänger so gestaltet hatte, dafs hochgefeierte Gottheiten als ursprüngliche Menschen und Heroen dargestellt wurden; so war es der niedrigen Schmeichelei dieser halbbarbarischen Höfe wohl möglich, ähnliches auch gleichsam vor ihren Augen mit ihren Fürsten und Fürstinnen vorgehn zu lassen. Aber so wenig als in Athen oder Sparta je eine solche Vergötterung von Personen der wirklichen Geschichte vorkommt, so wenig ist sie auf Keos zu denken ; und ohne Unsinn konnte sie also auch nicht als eines der Ereignisse auf dieser Insel aus solcher Zeit dargestellt werden. Aber die alte mythische und gleichsam mystische Zeit nimt alles in ihr Dunkel auf, was durch die Sage allmählich sich bildet. Und so sind wir also mit unserer Fabel doch wieder in jene mythische Welt gelangt, aus welcher sie , besonders in der Form als Geschichte der Kydippe, so ganz herauszutreten I 2 " 132 XVII. Mythos der schien. Und wir sehen nun in ihr nur eine der tausend Sagen , die , ohne von der Epik in jenen grofsen mythischen Kreis gewunden zu sein , woraus die eigentliche Mythologie erwachsen ist, sich einzel im Munde des Volkes und minder berühmter Sänger erhielten. Auch so bleibt zwar für uns befremdliches in diesem Mythos noch genug, zu dessen Erklärung aber die Analogien nicht fehlen. Eine Quelle der. Vervielfältigungen in einer vielgöttischen Mythologie liegt in den unzähligen Attributen, welche jeder Gottheit zuwuchsen, theils aus der Natur ihrer Idee selbst, theils aus einzelen oft ganz individualen Vorfällen ; theils dunkel überliefert aus hohem Alterthume , theils herübergebracht aus andern Landen. Aus diesen Attributen entsteht die eben so unzählige Menge von Beinamen einzeler Gottheiten, von welchen vielleicht nicht der hundertste Theil in Büchern auf uns gekommen ist. Jeder solche Name führte eignen Ritus, eigne Altäre, eigne bildliche Darstellungen, eigne mythische Begründungen mit sich , wodurch eine Gottheit gleichsam in viele zerspalten ward. Aber auch ohne diese Zerspaltungen stellten sich jene Attribute oft gleich von vorn als besondre Wesen dar ; aus den Eigenschaften einer Gottheit wurden auch wol Begleiter, Freunde, Diener, Nymphen derselben. Und so hat sich der verständige Mytholog schon längst jenes Schwanken in den Berichten alter Götterlehre erklärt , wo mythische Personen, unter einem gewissen Namen bald als Nymphen und Begleiter einer Gottheit, bald als diese Gottheit selbst auftreten ; und dann auch wol in die mythische Geschichte der Gottheit verflochten sind. So berichtet Pausanias (2, 35.) von einer Demeter Chthonia , deren Beiname so leicht zu verstehn ist , und begründet diesen Beinamen dennoch durch eine Argeierin Chthonia, welche fromm gegen die schweifende Göttin war, und ihr nachher einen Tempel baute. So sind bekantlich die Nymphen Britomartis und Upis , jede auch einerlei mit der Artemis. Denn besonders begreiflich ist es, dafs Götter - Attribute , die sich etwan aus den rohen Vorstellungen einer dunkeln Vorzeit, oder aus Zumischungen von andern Nationen herschrieben, indem sie der schö- Kydippe. 133 neren griechischen Götterlehre nicht recht sich anschmiegten , als solche abgesonderte mythische Personen in den Hintergrund traten, ohne darum die Verehrung zu verlieren, welche uralte Ueberlieferung an sie knüpfte. Es waren nun Menschen, welche der Gottheit lieb waren , und so die Unsterblichkeit erlangt hatten. Und je entfernter der Erzähler in Zeit und Raum von diesen Gottesdiensten war, desto mehr konnte er die Gegenstände derselben in die Sfäre menschlicher Ereignisse und Handlungen ziehen ; ohne dafs dadurch das geheimnisvolle Dunkel zerstreut worden wäre , worin eben diese Wesen als Halbgötter , als Götter , ja als einerlei mit jenen höhern Göttern selbst , was sie eigentlich auch wirklich waren , betrachtet wurden. Es sei mir vergönnt, ein auffallendes Beispiel solcher Verwirrung hier etwas ausführlicher vorzutragen. Zu der Zeit des blühenden Griechenlands war in Ionien in grofser Heiligkeit der Dienst einer Artemis Leukophryne oder Leukophryene, die besonders in Magnesia am Mäander einen Tempel hatte, welcher dem Ephesischen an Pracht und Ruhm wenig nachgab : ein Ruhm, der noch unter den Kaisern fortdauerte, wie wir bei Tacitus (Ann. 3, 62.) sehn. In diesem Tempel befand sich das Grabmahl der Leukophryne, wie wir aus einer bei den ältern Kirchenvätern *) erhaltenen Nachricht des Grammatikers Zeno von Myndos wissen. Hieraus geht hervor , dafs dieser Beiname der Göttin in irgend einer Vorstellung in den Namen einer ehemaligen Sterblichen verwandelt war, die nach ihrem Tode göttliche Natur bekommen habe ; und dafs diese so mit der Gottheit der Artemis in eine mysteriöse Gemeinschaft getreten war. Damit man aber nun deutlich sehe, wie es mit solchen Götterbeinamen zugegangen , so untersuche man den gegenwärtigen. In demselben Mäandrischen Gefilde lag eine alte Stadt Leukophrys, woselbst,

  • ) Clem. Alex. Protrept. p. 29. Arnob. adv. Gentes 6. Theodorel. Serm. 8. p. 598 ; an welcher letzten Stelle der fehlerhafte

Name Avxopóvn von keiner Bedeutung ist , da alle aus derselben Quelle berichten. 134 XVII. Mythos der wie wir aus Xenophon (Hellen. 3, 2, 19. u. 4, 8, 17.) wis-- sen , ein hochheiliger Tempel der Artemis war. Hieraus erklärt sich alles. Als Artemis war in den vordern Landen Kleinasiens die grofse National - Göttin jener Gegenden von den dort einheimisch gewordenen Griechen in ihren Kultus aufgenommen; dieselbe, die wir als Kybele und als Bellona im innern Lande , und im Süden als Aphrodite auftreten sehn. Von Leukophrys, einem ihrer ältesten Verehrungsplätze, hatte sie den Beinamen Leukophryene, der sich in Leukophryne zusammenzog. Dafs diese so zubenannte Artemis durchaus nicht verschieden war von der asiatischen Artemis überhaupt, dies beweisen die Münzen, worauf sie in gleicher Gestalt erscheint wie die Ephesische *) . Indessen ist es sehr natürlich, dafs die dem Orte Leukophrys näher wohnenden ionischen Stämme sie mit dem besondern Ritus aufnahmen , den sie dort hatte , und also der Artemis Leukophryne , die man aber nun , so wie andre Götter, auch kürzer nur mit ihrem Beinamen nannte , also der Leukophryne, Tempel bauten in ihren Städten : denn auch in Miletos nennet Appian (Civ. 5. ) einen mit gleichem Beinamen : und dafs sie ihr Heiligthümer errichteten , durch deren Pracht das in ihrem ältesten Sitze , zu Leukophrys, ganz verdunkelt ward. Ja zu Athen selbst errichteten die Söhne des Themistokles, der, wie bekant, jenes Magnesia als persisches Lehn besafs , eine Bildseule der Artemis Leukophryne. Damit es aber niemand einfalle , dennoch den Namen λευκοφρύνη und das einfachere Λεύκοφρυς selbst für einen von körperlicher Eigenschaft entnommenen Namen der Gottheit oder ihrer Freundin zu halten ; von dem dann jene alte Stadt selbst ihren alten Namen erhalten habe , so erwäge man, dafs heuzoqqus wirklich eine Oertlichkeits- Benennung ist , wie es denn daher auch einer der Namen der Insel Tenedos war. ' Oqqus, Braue, Augbraue , bezeichnet eine in die Länge sich dehnende Anhöhe ; uzoqqus ist also eine solche von weifser Farbe,

  • ) S. Heyne Antiqu . Aufs. 1. S. 109., wo das wesentliche von

dem, was ich hier vollständiger vortrage, schon gesagt, und auch noch anderes angeführt ist, was mir hier fremd war. Kydippe. 135 von Kalk- oder Kreide-Felsen ; gerade wie ein Vorgebirg, oder nach nordischer Benennung eine Nase , der Art unweit Hamburg Blankenese heifst. Und es fehlt also jener deutschen Gegend nur an einer so lebendigen Mythologie , so wäre es möglich , dafs eine dort einst verehrte Göttin allmählich durch Deuter und Dichter in ein Mädchen umgewandelt würde, das so geheiſsen habe, und von ihr jetzt jener Ort. Die Anwendung auf unsre Ktesylla ist leicht. Ohne es zuübernehmen über diesen Namen einige Auskunft zu geben: Ktesylla war irgend ein Attribut einer alten National - Gottheit auf Keos, welches sich der allgemeinen griechischen Götterlehre anschlofs, theils als eine Aphrodite Aphrodite Ktesylla , theils als eine Artemis - Ktesylla Hekaerge. Ein alter Mythos , wie ihn die Theologien von Asien und Europa häufig darbieten , stellte diese Gottheit in einem Liebes- Verhältnifs dar. Das Hinwerfen von Aepfeln, beschriebnen und unbeschriebnen, ist keine seltne Erscheinung in den alten Dichtungen : ich erinnere an den der Eris , und an den der Atalanta. Auch in diesem Kejschen National-Mythos einer Landesgöttin kam es vor ; nur ohne Zweifel ursprünglich anders motivirt, als wir es oben gesehn baben. Aber indem die Göttin , oder eine aus ihr auf die erst erwähnte Art sich absondernde Nymphe, in der Sage und in den Dichtungen sich immer menschlicher und menschlicher gestaltete, erwuchs endlich diese ergetzliche Erzählung. Was von der Ktesylla gilt, gilt nothwendig auch von der Kydippe, von welcher wir ausgingen. Es ist möglich, dafs unter verändertem Namen der Mythos als ein reinpoetisches Wesen sich gänzlich endlich absonderte von jenem mystisch -theologischen Symbol, und nur noch eine anmuthige Fabel blieb. Aber es ist der Mühe werth, auch nachzusehn, ob und wie der Name Kydippe wol sonst noch vorkommt. Und siehe, so findet sich eine Kydippe in der ältesten Fabelsage von Rhodos , die Tochter eines der dort einst herschenden Sonnensöhne , des Ochimos; und von ihr bei Plutarch (Quaest. Gr. 27.) dieser Mythos. Ochimos hatte seine Tochter dem Okridion ver- 136 XVII. Mythos der 1 lobt. Aber Kerkaphos, des Ochimos Bruder, in das Mädchen verliebt , beredete den Herold , der sie dem Bräutigam überbringen sollte , sie zu ihm zu führen. Dies geschah. Kerkaphos entfloh mit dem Mädchen , und kam erst wieder als Ochimos schon alt war. Daher blieb der Gebrauch, dafs des Okridion Kapelle ( gov) kein Herold betreten durfte." Ist es nicht auffallend, daſs wir hier wieder eine Liebesgeschichte haben, in welcher ein Mädchen, die einem andern verlobt ist, von ihrem Liebhaber durch eine List erworben wird? Wellen wir genaueres von der rhodischen Sage wissen, worein diese Kydippe gehört, so haben wir nur einen trocknen Auszug bei Diodor (5, 26. 27.) Die Sonne war bekantlich der uralte Nationalgott der Rhodier, von welchem ihre ältesten Herscher abstammten. Sieben Söhne desselben nannte die Sage mit Namen : Ochimos, Kerkaphos, Makar, Aktis, Tenages, Triopas, Kandalos, und eine Tochter Elektryone, die als Jungfrau starb, und als Heroine verehrt ward. Es versteht sich , dafs Spaltungen unter den Brüdern entstanden. Tenages ward getödtet. Vier der übrigen zerstreuen sich in andre Länder. Ochimos und Kerkaphos bleiben. Was zwischen diesen geschah , haben wir eben gesehn. Diodor berichtet nur folgendes. Die Brüder stifteten eine Stadt Achaia: ein mythischer Vortrag , der weiter nichts sagt , als dafs die griechische Sage diese älteste Bevölkerung von Rhodos zum achäischen Stamme rechnete, innerhalb welches, wie wir wissen , fast die ganze griechische Mythologie spielt. „ Der ältere Bruder (fährt Diodor fort) Ochimos, heirathete eine inländische Nymphe Hegetoria , mit wel cher er die Kydippe zeugte , die nachher Kyrbia umgenamet wurde – ἐξ ἧς ἐγέννησε θυγατέρα Κυδίππην, τὴν μετὰ ταῦτα Κυρβίαν μετονομασθεῖσαν. Diese heirathete Kerkaphos , und folgte dem Bruder in der Herrschaft , so wie ihm seine drei Söhne Lindos, Ialysos und Kamiros. Als unter diesen eine grofse Meeres-Flut eintrat, ward Kyrbe überschwemmt und verödet γενομένης μεγάλης πλημμυρί δος ἐπικλυσθεῖσα ἡ Κύρβη ἔρημος ἐγένετο -; worauf jene das Land theilten, und jeder eine nach seinem Namen benannte Stadt baute." In diesen letzten Worten ist offen- - Kydippe. 137 bar Kyrbe der alte Name des Gesamtstaates oder der Hauptstadt : und doch ist im vorhergehenden diese nur mit dem Namen Achaia genannt, und Kyrbia nur als zweiter Name der Kydippe. Unstreitig ist also im vollständigeren Text vorher auch von verändertem Namen der Stadt die Rede gewesen. Palmerius will daher die Worte Thy μETO ταῦτα Κυρβίαν (wofür aber Κύρβην zu schreiben sei ) μετονομaotoav von ihrer jetzigen Stelle hinweggenommen weiter oben nach 'Axatav eingerückt wissen. Eine bedenkliche Maafsregel. Weit natürlicher und in kritischer Erfahrung besser gegründet ist die Annahme einer Auslassung ; dafs nehmlich die Namensveränderung der Stadt und der Heroine in Verbindung vorgetragen war. Die Erwähnung der Stadt fiel durch Fehler des Abschreibers aus , und die Stelle ward, wie gewöhnlich, von folgenden Abschreibern grammatisch zugeglättet. • Wer die in der Mythologie vorkommenden zwiefachen Namen beobachtet hat , wird wol nicht bezweifeln , daſs die Form der Erzählung , wonach eine Person erst einen gewissen Namen geführt, dann aber einen andern bekommen haben soll , weiter nichts ist als ein Bestreben, die in Absicht der Namen zwiespaltigen Sagen zu vereinigen. Solche Namens-Verschiedenheiten sind nun zum Theil ganz radikale, wie Paris und Alexandros, Pyrrhos und Neoptolemos, Dido und Elissa, Ino und Leukothea, Romulus und Quirinus und viele andre : meist aber sind es nur Verschiedenheiten der Form eines und desselben Namens ; wie wenn Panopeus auch Phanoteus, Eribotes auch Eurybates (s. meinen Lexilogus I, 37. 10.) , Oïleus auch Ileus (s. Heyne zu II. f, 527.), Iasion auch Eetion (Hericov Hellanic. ap. Schol. Apollon. 1 , 916.), Iokaste auch Epikaste (Odyss. 2, 271. und das Scholion dazu) heifst ; ferner Pentheus vom Hekatäus Tentheus (Phot. Lex. in v. s. Toup. Cur. Nov. p. 291. Lips. ), der Argeier Talaos von demselben und andern Kalaos (Schol. Soph. Oed. Col. 1320.), und ganz eben so des Dädalos Neffe Talos von andern Kalos (Túhos, Káλoos : Paus. 1 , 21. 26. vergl. Heyne zu Apollod. 3, 15. 9.) , Marsyas von andern Masses (Plut. de Mus. 7. p. 1133.), Priamos von den Aeoliern Tégóαuos ge- 138 XVII. Mythos der nannt ward, und dergl. mehr. Diese letztere Gattung ging aber in den Dialekten und in der tausendzüngigen Volkssage zum Theil in sehr auffallende Verschiedenheiten über : wobei ich nur an die Namenformen erinnern darf, mit welchen die bekantesten Personen der Mythologie auf,altgriechischen und etrurischen Kunstwerken vorkommen , wo z. B. für Τυδεύς TVTE , für ῎Αδραςος ΑΤΡΕΣΘΕ gelesen wird ; oder an so feststehende Notizen, wie die bei Plato (Cratyl. p. 405.) dafs Apollon in Thessalien A40 geheiſsen, welche durch den auf alten Gefäfs- Malereien ihm beigeschriebenen Namen AITAV bestätigt wird. So wie man nun auf diesem Wege begreiflich findet, dafs die Lateiner den Odysseus Ulixes, den Ganymedes Calamitus nannten ; so sind auch Fälle vorhanden, wo dergleichen Nebenformen in gebildeten Dialekten der griechischen Sprache selbst vorkommen : wie uns denn die Grammatiker (Etym. Gud. p. 522, 44. Schol. Il. 1, 193.) die Notiz erhalten haben, dafs die Ionier statt ᾿Αθάμας ᾿Αθάμαντος auch Τάμμης Tauuto sagten, und Kallimachus dieser Form sich bediente in seinem mythologischen Werke Altia , woraus sie die Worte anführen Τάμμεω θυγατέρος : eine Form , bei welcher man ganz eines jener alten Kunstwerke zu sehn glaubt , und darauf die Beischrift TAMME beim Athamas. Desto glaublicher ist denn auch die Annahme , daſs die lustige Erfindung in der Odysse, wo Odysseus sich Ovtıç, Niemand , nennet , Grund und Entstehung aus einer solchen alten Nebenform des Namens 'Odvoosus habe : denn ausdrücklich sagt Ptolemäus Hephästion im ersten Buche, dafs dieser Held früher Outs geheifsen habe , und fügt eine Ableitung hinzu, wie sie in dieser Litteratur sehr gewöhnlich sind ; nehmlich weil er grofse Ohren gehabt habe.. Besonders mufs dieser Fall häufig gewesen sein bei Namen , die sich aus ungriechischen oder halbgriechischen Ländern herschrieben, indem irgend ein barbarischer Name auf mehr als einerlei Art der griechischen Epik angepaſst ward. Was auf diesem Wege möglich war , dafür kann man empfänglich werden, wenn man sich solche Beispiele gegenwärtig erhält , wie das , was ich an einem andern Kydippe. 139- Orte *) historisch nachgewiesen habe ; dafs der 'phönicische Agenor in der griechischen Fabel diesen Namen bekommen statt Ochnas oder Chnas , wie es in historischen Schriften der orientalischen Form Chnaan (in der deutschen Bibel Kanaan) näher lautet ; oder wie der Name Thiosso (Ooooo) welchen bei Timäus dem Sicilier **) die Dido führte, während dieser letztere Name (4adó geschrieben) von eben demselben zwar auch angeführt , und aus libyscher Sprache abgeleitet ward , doch ohne dem kundigen dadurch die Ueberzeugung zu rauben, dafs beides nur verschiedenartige Umgestaltungen eines und desselben punischen Namens sind, den wir in seiner heimischen Gestalt nur nicht vor uns haben. So lernen wir aus Hesychius ***) , dafs Ariadne bei den kretischen Griechen Aridela , und des Minos Sohn Androgeos hei Hesiodus und andern Eurygyes hiefs, welchem letztern Fall sehr ähnlich ist dieser andre , dafs ein und derselbe mythische Baumeister bei Pausanias ( 1 , 28. ) Agrolas heifst , und bei Plinius (7, 56.) Euryalus. Und so wird man mir leicht glauben , daſs auf eben diese Art aus phrygischen Namensformen im Griechischen zu erklären sind die Doppelnamen Kassandra und Alexandra, Skamandros und Xanthos, welcher letzte Name in dem dort einheimischen äolischen Dialekt závo mufs gelautet haben. Also haben wir in der aus Diodor angeführten rhodischen Nachricht offenbar eine Kyrbe (denn auf den Unterschied Kyrbe und Kyrbia für Stadt und Person, besonders bei den dort befindlichen Varianten ist wenig zu geben,) deren asiatischer Name auch in den der griechischen Dichtersprache noch besser angepaſsten, Ky dippe, übergegangen war. Und als Ortnamen finden wir die erstere Form, bei Stephanus von Byzant, auch sonst in der Nachbarschaft. Denn Kyrbe hiefs eine Stadt in Pamphylien, •

  • ) Abhandl. über die Söhne Noachs. Mythol. T. 1. S. 233 fg.
    • ) Apud Anonymum de Mulierib. bello claris : Bibl. d. alt. Litt.

von Tychsen und Heeren 6. Inedd. p . 15.

      • ) Unter ' Agidha, und ' En Evqvyúŋ.

140 XVII. Mythos der Kyrbasa eine in Karien , und Kyrba war der alte Name von Hierapytna auf Kreta, einer Insel, deren Bevölkerung mit der von Rhodos genau zusammen hing *). Woraus deutlich erhellet, dafs die mythische Person, die denselben Namen trug , allen jenen Stämmen eigen war. Jene sieben Sonnensöhne aber, die jenseit der ältesten Bewohnung von Rhodos stehn, jene Schwester derselben, die als Jungfrau, also ohne alle auch nur mythische Thätigkeit starb, und fortdauernde Verehrung behielt , was sind diese anders als die allein übrig gebliebne trockne Namenliste noch eines alten Göttersystems , wie die Titanen in der bekanteren griechischen Mythologie , wie die Asen im Norden , und viele ähnliche Erscheinungen ? Bei der mannigfachen Vermischung der Bevölkerung wichen allmählich eine Menge alter Religionen vor einer , die sich allgemeiner machte, und wodurch viele Stämme und Länder in religiose Verbindung kamen , ins Dunkel zurück ; und als Heroen, Heroinen und Heroa blieben noch in einzeler örtlichen Verehrung , was ehedem Götter und Göttinnen hiefs , und was die einfachen Tempel und Altäre solcher Gottheiten in der Vorzeit waren. Oder vielmehr die Götter blieben im wesentlichen überall dieselben , und nur ältere Attribute , Allegorien und Gottesdienste wichen andern, die gangbarer wurden, und gestalteten sich nun allmählich als besondere Heroen mit untergeordneter Verehrung. Eine alte National - Gottheit in diesem Sinne war also offenbar auch jene Kyrbe oder Kydippe. Und es ist also gewifs keine grundlose Vermuthung, wenn wir die Kydippe aus einer andern Insel - Sage, die wir ihrem Mythos nach identisch erfunden haben mit einer ebendaselbst als Göttin verehrten Ktesylla , für ursprünglich einerlei halten mit jener rhodischen , in deren besondern Mythos wir ebenfalls wieder das Skelet erkannt haben von dem späterhin ganz menschlich ausgearbeiteten der keïschen Kydippe oder Ktesylla. Und in dieser Beziehung mache ich nun wieder aufmerksam darauf, dafs des Kallimachus Kydippe, wie wir

  • ) S. Diodor a, a. 0. 59.

Kydippe. 141 gesehn haben, ein Theil war von desselben Dichters gröfserm Werke, Aitia: mufs aber zuerst eine falsche Meinung über dies Werk hinwegräumen. Die Kydippe war nehmlich, wie wir an den Fragmenten gesehn haben, elegisch. Dasselbe. war, aus gleichem Grunde, für die Ara schon anerkannt. Wegen eines Fragmentes jedoch (Bentl 19.) ῾Η μὲν ἀερτάζουσα μέγα τρύφος, ὑψίζωνος῎Αςυρον εἶσαvéßaive , glaubten Ernesti und Valckenaer annehmen zu müssen, sie seien blofs hexametrisch gewesen. Nun sind aber drei deutlich elegische Fragmente , wovon das eine (Bentl. 21.) ausdrücklich so angeführt wird , ẻv tếkui toũ deutéqov twv Aitíwv , das andre ( 12. ) fehlerhaft so , ev t πρώτῳ Αἰπῶν, das dritte (11.) so , ἐν πρώτῳ Ἐπῶν . Εg kann nicht leicht etwas gewisser sein , als die Richtigkeit von Bentleys Besserung, der an den beiden letzten Stellen Aitív herstellt. Aber jene wollen an allen drei 'Eléycov oder ' Ekɛyɛíwv geschrieben wissen ; was schon dadurch bedenklich wird, dafs nirgend sonst eine Anführung der ' Eλɛyea des Callimachus nach mehren Büchern , vorkommt. Wie unwahrscheinlich aber ist die Aenderung selbst gegen die einleuchtende des Bentley ! Und ein viertes Fragment, das ebenfalls ausdrücklich aus den Aitíos angeführt wird, hat man gar nicht mit in Erwägung gezogen ; vermuthlich weil es ein deutlicher Pentameter zwar, aber sehr verdorben ist. Ruhnken hat es aus handschriftlichen Etymologicis excerpirt. Es ist dort vom Genitiv der Masculina erster Deklination die Rede. Καλλίμαχος δὲ ἐν πρώτῳ Αἰτίων ἐχρήσατο τῇ ( γενικῇ ) εἰς ου · Ταῦρον ἐρυκιμὴν εἰς ἑνὸς ἀντερέτου ( Var . ἐρυμικὴν — ἀςερέτου ). Das zweite Wort hat Ruhnken richtig gebessert, éoiuún , aber das übrige unberührt gelassen. Ohne Zweifel ahnete er wohl, dafs in sic die Zahl Eins stecke , aber der vorhergehende Accusativ hemmte ihn. Hier hilft eine Notiz der Grammatiker. Das Lexicon de spiritibus (p. 240. Valck. ) nimt von der Regel, dafs der Diphthong & meist tenuirt werde, aus : el , eiva tòv έva ; eben so Arkadius (de Accentib p. 200.) ; Moschopulus (π . Σχεδῶν p. 164. Vienn . ) εἶνα δὲ τὸν ἕνα κατὰ προσθήκην τοῦ ι, ποιητικῶς , δίφθογγος ; eben so Herodian (Epimerism. p. 50.). Wenn zu feiner ungewöhnlichen Form 4 142 XVII. Mythos der kein Autor genannt wird , so räth man selten fehl , wenn man auf Kallimachus räth. Der gegenwärtigen kommt unser Fragment mit offenen Armen entgegen : Ταῦρον ἐριμύκην εἶν᾿ ἑνὸς ἀντ᾽ ἐρέτου . Es wird ja wohl noch irgend Jemand beifallen , zu welcher Geschichte ein solches gebrachtes oder gelobtes Opfer gehört. Wir haben nun für das elegische Versmaafs der Altia der Beläge genug, um jenes Eine hexametrische, dafs es sich füge , zu zwingen ; und gewiſs ein sanfter Zwang ist Bentleys Besserung einavéßn. Aus dem Umstand aber, dafs die Kydippe ein Theil der Aïtıα war, ist nun jeder weitere folgerechte Schluſs zulässig. Dieser Name bezeichnet nehmlich eine Sammlung von solchen Fabeln , welche die mythische Ursache enthalten von gewissen Erscheinungen in der Natur oder in den Gebräuchen. Es versteht sich also nun sogleich von selbst , dafs die Erzählung von der Kydippe nicht bloſs sich selbst als anmuthige Geschichte zum Zweck hatte, sondern dafs sie mit etwas schlofs, das als bleibende Folge der alten Begebenheit dargestellt war. Da wir nun dergleichen in unsern Quellen nicht finden , so gibt die Uebereinstimmung mit der Erzählung von der Ktesylla es uns mit Wahrscheinlichkeit an die Hand. Eben so wie diese , schlofs vermuthlich auch die von der Kydippe mit Erwähnung einer gangbar gebliebenen Verehrung oder eines gottesdienstlichen Gebrauchs. Die ältesten Religionen auf den Inseln des ägäischen Meeres waren von der asiatischen Küste gekommen. Eben dahin hat uns die rhodische Kydippe oder Kyrbe geführt ; und die Ktesylla auf Keos ward , wie wir bei Nikander gesehn haben , verehrt zugleich als Aphrodite und als Hekaerge , d. h. Artemis. So erkenne ich also auch hier wieder die asiatische Göttin , welche den Griechen bald als Aphrodite erschien , bald als Artemis , bald als Rhea- Kybebe , bald als Enyo ; und in der Geschichte von Kydippe und Akontios , nichts als eine der vielfältigen Modificationen des Liebes-Verhältnisses zwischen Ky- Kydippe. 143 bebe und Altis , zwischen Kypris und Adonis , zwischen Isis und Osiris ; und woraus ohne Zweifel ein einzeler von der ionischen Epik aufgegriffener , Zug auch ist die Liebe der Aphrodite zu dem Hirten Anchises *). • So wie nehmlich, wie wir gesehn haben, solche Gottheiten in Nymphen und andre untergeordnete Wesen übergingen , so nahm auch ihr Mythos bald eine andre Gestalt an. Deutlich noch sind Attis und Kybebe zu erkennen in der Hirtenfabel von Daphnis und Echenais ; aber immer mehr und unbedenklicher mufsten nun die Dichter den Mythos ihren Zwecken aneignen. Der uralte kosmologische Sinn desselben war ja längst verloren , und es spielte nur noch darin das Schicksal der Liebenden , dessen tragische Wirkung nun bald an dem Jüngling, bald an der Nymphe sich äufserte. Freilich auf Keos selbst zum Beispiel mag mit dem bestimmten Dienst auch eine Lokalsage vorhanden gewesen sein , welche den dertigen Erzähler gebunden haben würde ; aber nicht keïsche Dichter ja waren es allein, welche die Fabel der dortigen Heroine vortrugen. Die Mythen jedes kleineren Stammes

  • ) Ich dürfte hier wohl erinnern an den Namen Kubar, KúBao, d. h. die grofse , welchen die der Aphrodite verglichene asiatische Göttin bis auf späte Zeiten hin trug ; s. Selden de Diis Syris 2, 4. Allein ich fühle es nur zu sehr, in welche Grundlosigkeiten blofse Namens - Aehnlichkeiten uns führen , sobald keine

deutliche historische Spuren hinzukommen, und man nicht den ganzen Umfang der Theologie aller jener asiatischen Völker , so weit sie einigermafsen bekant ist, vor Augen hat ; wessen ich wenigstens mich nicht rühmen kann. Nur lasse , wer dazu besser ausgerüstet ist , sich auch nicht irren durch die Beziehungen und die Bedeutsamkeit , welche in den Namen Κύπρις, Κυβήβη , Κυβέλη , Κυθήρη für die Griechen lagen . Apollon hiefs Λύκιος auch ohue Lykien, wo er doch seinen berühmten Tempel in Patara hatte ; und Delos konnte sich glücklich schätzen diesen Namen zu führen , da durch ihn ohne Zweifel dorthin gezogen wurden die Mythen , und durch diese die Verherrlichung der dortigen Feier des glänzenden Götterpaares , dem die Namen Aŋhios und Aŋlia, so wie Poißos und Poißn , durch ihre älteste Natnr schon eigen waren. 144 XVII. Mythos der Kydippe. kamen in dem Besitz der griechischen Dichter überhaupt. Der ethische Gebrauch , den ein solcher Mythos darbot, waltete nun vor. So wie aus der hohen Göttin eine Nymphe geworden war , so ward nun aus der Nymphe ein Mädchen, und die Fabel schien im bürgerlichen Leben zu spielen. Auch das rein wunderbare, wie die Verwandelungen und dergleichen, mochte zuletzt als überflüssig bei diesen Zwecken sich wegschleifen. Und so glaube ich keine gewagte Hypothese hinzustellen , wenn ich vermuthe , dafs alle unsere Novellen und Romane , sie mögen mit froher Hochzeit endigen wie die Geschichte der Kydippe , oder mit tragischem Tode wie die der Ktesylla, ihren ersten Ursprung haben in der uralten Liebesgeschichte von Venus und Adonis. XVIII. Virbius und Hippolytos. 145 XVIII. Schreiben an Herrn Uhden über den Virbius und Hippolytos *). Da ich Ihnen schon einige male gesagt habe , dafs mir eine Muthmaſsung entstanden ist , der Virbius in Aricia möge wol eigentlich ein Asklepios sein, so bin ich Ihnen auch die Gründe schuldig. Und diese Schuld trage ich um so bereitwilliger ab, da ich hoffen kann von Ihnen aus dem für mich wenig gangbaren Felde der alten Kunst einiges zu erfahren , wodurch die Spuren , die ich gefunden zu haben glaube , entweder eine deutlichere Richtung empfangen oder verschwinden sollen. Bei so geringen schriftlichen Nachrichten, als wir über den Gott von Aricia haben, müssen wir sogleich die griechische Fabel vom Hippolytos damit verbinden. Denn wenn die italische Sage ihren Virbius für den von der Diana dahin versetzten Hippolytos erklärt , so bin ich Ihrer Zustimmung gewifs , dafs dies nicht ein blofser Einfall eines Priesters sein kann , dem ja dadurch für sein Heiligthum nichts an Göttlichkeit zuwuchs ; noch eines Dichters , da den Dichtern nicht die Erfindung solcher Sagen gehört, sondern nur die Ausführung. Solche Tem-

  • ) Geschrieben nach Anhörung seiner Abhandlung über denselben Gegenstand, und abgedruckt im Jahrgang der Abhandlungeù

der königl. Akademie 1818. 1819. II. K. 146. XVIII. Virbius und pelsagen, die den Gegenstand ihrer Verehrung für einerlei erklären mit mythischen Wesen anderer Länder und Stäm² me, führen auf uralten Zusammenhang ; da solche Gottesverehrungen und Heldensagen nicht etwa überall aus der Erde hervorwachsen , sondern mit den Wanderungen der Völker sich verbreiten. Wir sind also begründet eine Einerleiheit zwischen der Verehrung des Virbius in Aricia und der des Hippolytos in Trözen anzunehmen : nehmlich nicht eben nothwendig so , dafs einst Trözenier diesen Dienst nach Aricia gebracht hätten ; sondern so, daſs von einer der unzähligen Gestaltungen alten Gottesdienstes, die wir theils gar nicht , theils nur zerrissen kennen, ein Zweig in Trözen und ein andrer in Aricia zu hinreichendem Ruf gelangten , um in ihrem ursprünglichen Zusammenhang sich nicht aus der Sage zu verlieren , sondern bis auf späte Zeiten, nur versteht sich in mythischer Form, zu gelangen. Diese Ansicht wird nun dadurch bestätigt , daſs die Verehrung des Hippolytos auch in Trözen keineswegs die eines blofsen Heros , sondern die eines wirklichen Gottes war. Hierauf deuten schon die höchsten Ehren, welche Artemis ihm in Euripides Tragödie verspricht : Σοὶ δ᾽ ὦ ταλαίπωρ᾽ ἀντὶ τῶνδε τῶν κακῶν Τιμὰς μεγίςας ἐν πόλει Τροιζηνία Δώσω . Denn dies kann nicht auf blofse Heldenverehrung gehen, die ihm auch ohne göttliche Zusage gewifs war. Ganz deutlich aber besagt es die göttergleiche Verehrung von welcher Diodor spricht (4 , 62. παρὰ τοῖς Τροιζηνίοις ἔτυχεν ioovéwv tiμar). Und so ist diese göttliche Ehre denn auch zu erkennen in den Nachrichten bei Pausanias (2, 32.), wo wir sehen dafs er erstlich einen förmlichen Tempel mit heiligem Gebiet umher (vaós, Téuevos) hatte, worin sein uraltes Standbild war , und wobei die Sage erzählte, dafs Diomedes , also selbst ein Heros und zwar des Hippolytos gleichaltriger Zeitgenofs, den Tempel errichtet und dem Hippolytos zuerst geopfert habe. Alles Zeugnisse einer uralten Dämonen-Verehrung, wie die des Asklepios, des Herakles, der Dioskuren; von welchen auch eben sol- Hippolytos. 147 che gleichzeitige Verehrungen in der Fabel vorkommen * ). Und so hatte er denn in Trözen auch einen Priester, der lebenslänglich dies Amt verwaltete ; ein jährliches Opferfest ( voiai énétro ) ward gefeiert , und die Bräute weihten ihm ihre Haare in seinem Tempel. Und wenn, wie derselbe Pausanias berichtet, die Trözenier seine Zerreifsung durch die Pferde leugneten, welches tragische unverschuldete Ende sie einem Helden wohl lassen konnten ; auch kein Grab von ihm zu kennen versicherten, dagegen aber ihn für den Wagenlenker am Himmel erklärten ; so ist mir das ein Zeichen , dafs er ihnen ein göttliches Wesen von jeher gewesen war , das erst späterhin , wie ja auch andre vornehme Götter, in der Sage sich menschlich bildete, und nun von den Trözeniern gern als ein vergötterter Held ihres Landes angesehn ward , wie Dionysos und Herakles von den Thebanern , Asklepios von den Epidauriern u. s. w. Hippolytos führt als Mensch ein thatenloses Leben : nur seine Tugend , seine Enthaltsamkeit und Keuschheit werden gerühmt ; woraus sich denn sogleich , in seinem

  • ) Hellanicus ap. Tzetz. ad Lycophr. 469. öτ , пo̟ò тου “ Họακλέα εἰσελθεῖν ἐν τῇ Τροίᾳ (nehmlich als Herakles zugleich mit Telamon Troja eroberte ) , ὁ Τελαμὼν μέρος τοῦ τείχους καταβαλὼν

εἰσῆλθε. σπωμένου δὲ ἐπ᾽ αὐτὸν ῾Ηρακλέους τὸ ξίφος (nehmlich aus Eifersucht, wie Apollodor bei Erzählung derselben Geschichte hinzusetzt), δ΄ Τελαμὼν, παρατηρήσας τούτου ἕνεκα δυσχεράναντα τὸν Ηρακλέα , λίθους περὶ αὐτὸν ἐσώρευεν . τοῦ δὲ φαμένου , Τί τοῦτο ; Τελαμὼν ἔφη, ᾿Εγείρειν μέλλω βωμὸν Ηρακλέους ᾿Αλεξικάκου . καὶ οὕτως τῆς ὀργῆς ῾Ηρακλῆς παύεται, καὶ γέρας αὐτῷ τὴν ῾Ησιόνην , τὴν καὶ Θεάνειραν , δωρεῖται. Ich habe diese Erzählung der bekanteren bei Apollodor 2, 6, 4. vorgezogen, weil sie den Namen des älteren Autors vor sich trägt, und auch durch die Nennung des Herakles Alexikakos sich als echter empfiehlt. Apollodor nehmlich lässt den Herakles Kallinikos nennen , weil dies dem Vorfall angemessener scheint. Aber Alexikakos ist das uralte Attribut dieser helfenden Gottheit (s. Mythologus T. 1. S. 259. Note . ), das also hier mythisch begründet wird, indem Telamon gegen den Verderben drohenden Helden, den Verderben abwehrenden in derselben Person anruft. Dafs Menestheus die Dioskuren, zum Dank daſs sie ihn zum König gemacht, zuerst ávaxtas und oor gas genannt habe, erzählt Aelian V. H. 4, 5. wozu man Plut. Thes. gegen das Ende vergleiche. - K 2 148 XVIII. Virbius und - Verhältnifs zur Phädra, der Mythos bildet, der in den Sagen aller Zeiten und Völker immer wiederkehret , und in der griechischen Mythologie allein wenigstens fünfmal erscheint. Ob die Stelle beim Euripides (952 ff. ) , wo ihm ein Leben in den Lehren des Orpheus , mit Enthaltung von Fleischspeisen, und, was uns freilich sonderbar klingt, eifrige Beschäftigung mit Büchern zugeschrieben wird *), blofs einen willkürlichen Zusatz des Dichters enthält, oder ob schon die Sage ihn zu einem in die Natur der Dinge forschenden Weisen machte was meinen Sie ? Mir ist es wirklich für einen blofsen Gedanken des Euripides zu grell ausgemalt: und so wollen wir es, bis es von andern Spuren aufgenommen wird, einstweilen stehn lassen. Aber seine Keuschheit ist sicher nur eine Folgerung aus dem Umstande, dafs er ein ausgezeichneter Liebling der Artemis ist ; dieser aber ist tiefer in die Sage gegründet. Er heifst nicht blofs ein Liebling, sondern auch ein Geführte der Artemis. Lactant. Plac. 15, 45. Quem (Hippolytum) Aesculapius Dianae voluntate, cujus initio (leg. in vita) comes fuerat, reduxit ad superos. Hinc ab eadem Diana evocatus in nemus Aricinum mortalitatem exuit. Und dafs diese irdische Verbindung der Artemis mit ihm echte altgriechische Sage war, erhellet daraus, dafs ein so nüchterner und verständiger Schriftsteller , wie Xenophon ist, Gebrauch davon machen konnte. Innókuros , sagt er: ( Ven . 1 , 11.) ὑπὸ τῆς ᾿Αρτέμιδος ἐτιμᾶτο καὶ ἐν λόγοις ἦν, σωφροσύνῃ δὲ καὶ ὀσιότητι μακαρισθεὶς ἐτελεύτησε. Welche hohe Bedeutung es aber hat , wenn es heifst , dafs ein Sterblicher mit einer Gottheit in Verhältnifs des Gesprächs stehe, und wie dies nur noch etwa für Gesetzgeber in die Sage kam, ist bekant. Auch die Ausdrücke des Euripides (v. 1093) gehören hieher, wenn er den Hippolytos die Artemis anrufen läfst mit den Worten oúvaze,

  • ) Sein Vater Theseus sagt dort im Zorn über dessen nun entdecktes angebliches Verbrechen :

Ηδὴ νῦν αὔχει , καὶ δι᾽ ἀψύχου βορᾶς Σιτοις καπήλευ᾽ , Ορφέα τ᾽ ἄνακτ᾽ ἔχων Βάκχευε πολλῶν γραμμάτων τιμῶν καπνούς . Hippolytos. 149 ovynúvaje; Ausdrücke die zur Bezeichnung eines blofsen Vorzugs , den ein Sterblicher von Göttern erhält , viel zu gewählt und vertraut sind, und eine bestimmte Ueberlieferung voraussetzen. Verbindet man hiemit die Sage, daſs einerseits (nach Paus. 2, 31.) Hippolytos der Artemis einen Tempel in Trözen , unter dem Beinamen Lykäa , den sie bei den Amazonen führte , zu welchen Hippolytos Mutter gehörte, geweiht habe ; und anderseits Artemis auch nach der griechischen Sage , wie ich aus Euripides angeführt habe , seine künftige Verehrung gleichsam anordnet : so ist in allem diesem deutlich die mythische Begründung einer Gottheit niedern Ranges zu erkennen , die einer höhern beigesellt ist. Und gerade dies wissen wir vom Virbius bestimmt, unter andern aus Ovid (Metam. 15, 545) , wo er sagt de disque minoribus unus Numine sub dominae lateo, atque accenseor illi. Aber jeder Dämon mufs unabhängig von seiner mythischen Begründung auch eine wirkliche in dem alten Volksglauben haben. Er muss ein Wesen haben, weswegen man ihn verehrte. Wie von manchen solcher Götter zweiten Ranges kennen wir dies vom Virbius nicht : eben so wenig vom Hippolytos, von dem wir überhaupt nur mit Mühe die Spuren , dafs er eine solche Gottheit gewesen, aufgefunden haben. Die Uebereinstimmung zwischen beiden in Beziehung auf die Artemis, verbunden mit der Sage von ihrer Einerleiheit , fodert also zu einem Versuch auf, ob, wenn wir beide aufeinander legen, die Spuren von ihrem Wesen vielleicht dichter und kenntlicher erscheinen. In den griechischen Berichten fiel es mir nun auf, die Erwähnung des Hippolytos wiederholt in der Nähe des Asklepios zu sehen. Dieser hat jenen durch seine Kunst *) aus dem Tode oder aus der Unterwelt wieder zum Leben gebracht. Denn dies ist nicht etwa blofs aus der spätern italischen Dichtung herüber genommen ; sondern ApolNec, nisi Apollineae valido medicamine Quam postquam fortibus herbis Atque Virg. Aen. 7, 769. Paeoniis

  • ) Ovid. Met. 15, 534.

prolis , Reddita vita forel. ope Paeonia Dite indignante recepi. revocatum herbis et amore Dianae. L 150 XVIII. Virbius und - lodor unter andern ( 3, 10, 3.) führt es aus dem alten cyklischen Gedichte Naupaktika an *). Ein Stein ferner, laut dessen Inschrift Hippolytos dem Asklepios seine Pferde weihte , stand fortdauernd im heiligen Hain des Asklepios zu Epidaurus ( Paus. 2, 27.) - In Trözen stand , nach Paus. 2, 32. in der Nähe der Hippolytischen Monumente ein Standbild des Asklepios von der Hand des Timotheus, wovon aber die Trözenier sagten , es sei Hippolyto s. In Athen endlich war des Hippolytos Grab- oder Denkmal vor dem Tempel der Themis , der neben dem des Asklepios stand. - Auf dem erwähnten Weihestein des Hippolytos zu Epidaurus stand noch etwas geschichtliches von ihm, das, nach Pausanias Aussage, sich genau an die Sage von Aricia anschlofs. Wir wollen diesen Zusammenhang nachher beleuchten , und hier nur erst diese Sage , wie sie eben aus Pausanias Worten und andern Schriftstellern hervorgeht , nebst den übrigen Nachrichten vom Virbius genauer betrachten. Hippolytos , heifst es , sei seines Vaters Bitten verschmähend nach Italien , und zwar nach Aricia gegangen,

  • ) Heyne will zwar Zweifel über diese Anführung erheben,

aber er begründet sie nicht. Die Stelle Apollodors lautet jetzt 50 : Εὗρον δέ τινας λεγομένους ἀναςῆναι ὑπ᾽ αὐτοῦ ( τοῦ᾿Ασκληπιοῦ ) , Καπανέα καὶ Λυκοῦργον · ὡς δὲ Στησίχορός φησιν, ᾿Εριφύλην · ῾Ιππόλυτον , ὡς ὁ τὰ Ναυπακτικὰ συγγράψας λέγει · Τυνδάρεων, ὥς φησι Havúavis u. s. w. Durch Vergleichung zweier Scholiasten und einer Stelle des Sextus zeigt aber Heyne unwidersprechlich dafs die erste Anführung so geschrieben werden mufs : - ἀναςῆναι ὑπ᾽ αὐτ τοῦ · Καπανέα καὶ Λυκοῦργον , ὡς Στησίχορός φησιν ἐν ᾿Εριφύλη . Dann folgen aber die übrigen so ohne allen Anstofs auf einander, dafs man gegen die vom Hippolytos einen triftigern innern Zweifel haben müfste als den ,, es sei nicht abzusehen wie die Erwähnung davon in den Naupacticis habe geschehn können. ” Auf jeden Fall beruhte die Angabe auf alter Dichtung. Vgl. Schol. Pind. Pyth. 3, 96. Eratosth. c. 6. et 29. und besonders Sextus Empir. 1 , 12. der aus des Staphylus Werk über Arkadien ('Apxαðıxά) anführt, dafs Asklepios ῾Ιππόλυτον ἐθεράπευσε φεύγοντα ἐκ Τροιζῆνος , κατὰ τὰς παραδεδομένας κατ᾿ αὐτοῦ ἐν τοῖς τραγῳδουμένοις φήμας : wo also die Auferweckung des getödteten in die Heilung eines tödtlich verwundeten umgestaltet war. Hippolytos. 151 habe dort geherscht und der Diana ein Tempelgebiet geweiht. Dieses Gebiet war ein Wald mit dem Tempel der Diana Nemorensis , deren Priester Rex nemorensis hiefs, der Sage nach ohne Zweifel als Amts - Nachfolger des Virbius. Virbius selbst aber war, wie wir gesehen haben , hier die Gottheit zweiten Ranges. Uebrigens aber wissen wir auch von der Religion dieses Haines überhaupt sehr wenig. Die Diana darin wird für die Diana Taurica gehalten, und daher die blutige Sitte erklärt , welche bis in die Kaiserzeiten blieb, dafs der Rex nemorensis jedesmal ein entflohener Sklav sein mufste , der diese Würde dadurch erlangte , dafs er den bestehenden Priester im Zweikampf erlegte. Doch geht auch hieraus nichts über den Sinn des dortigen Dienstes hervor. Etwas mehr enthalten diese Verse Ovids, Fast. 3, 265. Hic latet Hippolytus furiis direptus equorum Unde nemus nullis illud initur equis. Licia dependent longas velantia sepes, ¦¹ Et posita est meritae multa tabella deae. Saepe polens voti frontem redimita coronis Femina lucentes portat ab Urbe faces. Regna tenent fortesque manu pedibusque fugaces; Et perit exemplo postmodo quisque suo. Hier haben wir offenbar einen Hain wie der des Asklepios in Epidaurus : denn die multa tabella sind nach aller Analogie die Danktäfelchen genesener Kranker : womit sich denn hier der in der Person der Diana auch liegende Begriff einer Ilithyia verband : denn auf diesen scheint die potens voli femina sich zu beziehen *). Aber eben die besondere Erwähnung dieser letztern Wirksamkeit zeigt, dafs das vorhergehende Distichon auf etwas anderes, nehmlich auf Genesung überhaupt geht. Artemis nehmlich géhörte so gut als Apoll zu den heilenden Göttern. Dies

  • ) Mit Statii Silv. 3, 1 , 55. hat man die faces ab Urbe mit Unrecht verglichen, da dort von einer allgemeinen Feier mit Fackeln

die Rede ist, die an den Idibus Augusti, als dem Fest der Hekate in demselben Haine geschah : weil nehmlich auch Hekate für einerlei galt mit der Diana. 152 XVIII. Virbius und liegt schon darin , daſs beide , wie bekant , die Krankheiten , besonders die pestartigen und die schnelltödtenden, schickten. Doch wird der heilenden Macht der Göttin auch ausdrücklich gedacht. Beide Geschwister führten die Beinamen Ovios und Ovlia ; s. Pherecydes bei Makrob, 1 , 17. und besonders Strabo ( 14. p. 635.) , der unter andern auch sagt; ἰατρικὸς γὰρ ὁ ᾿Απόλλων · καὶ ἡ῎Αρτεμις διὰ τὸ ἀρτεμέας ποιεῖν . Wir müssen also den Virbius, den wir sonst nirgend als in diesem Hain kennen , für eine Untergottheit der Diana gerade in diesem Geschäft halten. Er ist ein Heilgott. Doch ich kenne auch eine Stelle, wo dies , wenn ich sie richtig beurtheile , wirklich von ihm gesagt ist. Dies ist die eine Ableitung seines Namens bei Cassiodor , Orthogr. 6. alii deum qui viribus praesit interpretantur. Wie ich dies auch fasse , so führt es auf die Heilkunde ; aber am allerwahrscheinlichsten sind doch die vires hier durduas, Heilkräfte: und so wenig auf diese Ableitung des Namens Virbius zu geben ist, so ist doch das gewifs, dafs man sie nicht gemacht hätte , wenn die Eigenschaft des Gottes nicht darauf geführt hatte. Und nun kann ich mir es wohl herausnehmen, selbst eine Ableitung beizubringen, die, mit Voraussetzung dafs der gegebene Begriff des Gottes der wahre ist, natürlicher ist. Das Wort verbena ist, wie die Zusammenstellung in den vollständigen Wörterbüchern (s. Gesn. Thes. ) lehrt , und die alten Grammatiker schon einsahen , seinem eigentlichen Begriff sowohl als dem Wortstamm nach einerlei mit herba. Von den Kräutern aber wird die Arzneikunst am natürlichsten benannt ; und das deutsche Arzenei, Arzt, kommt nebst dem alten Verbo arzen, heilen, ohne Zweifel von dem altdeutschen Wurz, in den nordischen Sprachen Urt, Oert, ein Kraut. Damit übereinstimmend , und selbst ohne Zweifel auch dem Wortstamm nach einerlei sind also auch verbena, herba, Virbius *).

  • ) Adelung und die meisten deutschen Sprachforscher verwiïren diesen Gegenstand einigermafsen durch die oberflächliche Annahme, dafs Wurz und Wurzel ganz einerlei seien ; dafs nur einige

Hippolytos. 153 Nehmen Sie nun dazu den merkwürdigen Umstand, auf den Sie mich zuerst aufmerksam gemacht haben, daſs die eigentliche Gestalt des Virbius in Aricia, die eines alten Mannes war. Bei Ovid nehmlich (Met. 15, 536.) , wo der Gott selbst redet , sagt dieser , Diana habe ihn (den Hippolytos) entfernt, um ihn dem Neid wegen des wiedergeschenkten Lebens zu entziehn ; und setzt dann hinzu Utque forem tutus , possemque impune videri, Addidit aetatem, nec cognoscenda reliquit Ora mihi: und so habe sie ihn nach Aricia gebracht. Ich halte mit Ihnen es jetzt für sehr wahrscheinlich, dafs aus diesem Umstand allein die oben erwähnte Thatsache zu erklären ist, dafs die Trözenier eine gewisse Bildseule des Asklepios für einen Hippolytos ausgaben. Unser Hirt zwar , wie ich Ihnen schon gesagt habe, glaubte es von der andern Seite angreifen zu können. Er verwies auf die unbärtige Bildseule des Asklepios in Phlius (Paus. 2, 13. ) , und nahm an , eine solche sei auch Kräuter, deren Haupttheil die Wurzel sei , einen mit dem Worte Wurz zusammengesetzten Namen trügen ; und dafs das Verbum würzen nur daraus , dafs die Kraft der meisten Kräuter in der Wurzel liege, zu erklären sei . Nun ist zwar kein Zweifel dafs die Wörter Wurz , Wurzel und gila dem Stamm nach einerlei sind ; und ich weifs auch wohl dafs in einigen altdeutschen Dialekten Wurz wirklich die Wurzel bedeutet. Aber die aus den nordischen Sprachen (wo auch Wort , Ord; Wurm, Orm heifst) angeführten Wortformen , die dort nie etwas anders als das Kraut bedeuten, während die Wurzel Rod heifst , zeigen deutlich den allgemeinen Begriff des Wortes Wurz : und im Oberdeutschen heifsen viele Kräuter so , bei welchen die Wurzel in keinen Betracht kommt, Hauswurz, Kreuzwurz, wofür anderwärts Hauslauch, Kreuzkraut gesagt wird. Und von diesem allgemeinern Sinn leitet man natürli- cher auch das Wort würzen ab. Arzt, arzen aber kommt von demselben Stamm, gerade wie Arbeit bekantlich von werben. Auf je- den Fall bleibt diese Ableitung stehn , auch wenn man Wurz für die Wurzel nimt , da in dieser Kunst allerdings von jeher eine vorzügliche Kraft den Wurzeln zugeschrieben ward ; daher auch ῥιζοτόμος . Aber die Sprachforscher sind sogar thöricht genug, Arzt nebst dem alten Verbo arzen , von artista das man in diesem Sinn doch blofs voraussetzt, oder gar von archiater abzuleiten. 154 XVIII. Virbius und jener Asklepios in Trözen gewesen ; den man denn, eben weil diese Vorstellung so selten war , für den Jüngling Hippolytos gehalten habe, da auf diesen Helden alles in der Nachbarschaft sich bezog. Allein wenn wirklich Timotheus einen unbärtigen Asklepios machte , so mufste er , dächte ich , seinen Grund dazu in der dort bestehenden Religion haben ; die denn aber auch den Trözeniern unmöglich so unbekant sein konnte, dafs dies nachher zu einem blofsen Irrthum die Veranlassung gegeben hätte : und überhaupt ist mir das öffentliche verkennen einer Bildseule neuern Ursprungs und von einem berühmten Meister, nicht glaublich. Nehmen wir also lieber die Sage bei Ovid zu Hülfe, und verbinden damit was Pausanias von dem oben erwähnten Weihestein des Hippolytos im Hain von Epidaurus sagt ; nehmlich daſs die Inschrift oder das Epigramm darauf übereinstimmendes mit der Sage der Aricier enthalte. Doch ich will Pausanias Worte selbst hieher setzen. Ταύτης τῆς ζήλης τῷ ἐπιγράμματι ὁμολογοῦντα λέγουσιν ᾿Αρικιεῖς , ὡς τεθνεῶτα Ιππόλυτον ἐκ τῶν Θησέως ἀρῶν, ἀνέζησεν ᾿Ασκληπιός . ὁ δὲ, ὡς αὖθις ἀνεβίω οὐκ ἠξίου νέμειν τῷ πατρὶ συγγνώμην, ἀλλὰ ὑπεριδὼν τὰς δεήσεις ἐς ᾿Ιταλίαν ἔρχεται πρὸς τοὺς ᾿Αρικιεῖς, καὶ ἐβασίλευσέ τε αὐτόθι καὶ ἀνῆκε τῇ ᾿Αρτέμιδι τέμενος . καὶ ἄχρις ἐμοῦ μονομαχίας ἆθλα ἦν u. S, W. Da es Pausanias der Mühe werth findet zu bemerken dafs die Erzählung der Aricier mit der Inschrift übereinstimme, so ist offenbar , dafs er dieser wo nicht ein hohes , doch kein unbedeutendes Alter zuschrieb , und sie demnach , als einheimische Sage enthaltend , der Erzählung der Aricier gegenüber stellte. Aber nun fragt sich, wie weit in den folgenden Vortrag hinein erstreckt sich das ὁμολογοῦντα ἔλεγον ? Ich kann mir unmöglich denken, dafs der unbedeutende Ort Aricia, der nebst seinem Hain und dessen Religion, nur durch die grofse Nähe von Rom die Celebrität erhielt die er noch hatte ; dafs dieses Aricia, sag' ich, auf einer Inschrift im eigentlichen Griechenlande , die doch wenigstens vor den Römer - Zeiten gesetzt war, soll genannt gewesen sein. Vielmehr zeigt die unmittelbare Anschliefsung der Worte xai azgıç μou u. s. W. Hippolytos. 155 dafs man auch das dicht vorhergehende nicht allzuängstlich als abhängig von den ὁμολογοῦντα ἔλεγον fassen mufs ; sondern dafs er nach Erwähnung der Uebereinstimmung allmählich in eignen Vortrag übergeht, ohne genau zu bemerken , wie weit die Uebereinstimmung des Steins mit dieser Erzählung in den einzelen Punkten und Umständen gehe. Aber das ist auch klar , dafs sie nicht blofs auf die Wiederbelebung durch Asklepios gehen kann ; wozu es , wie wir gesehen haben , der italischen Sage. nicht bedurfte. Ohne also das einzele zu wissen, was von Hippolytos weiter auf dem epidaurischen Stein stand ; so geht doch soviel hervor , dafs von dessen zweitem Leben bestimmteres genug gesagt war, das mit der italischen Sage im wesentlichen übereinstimmte ; und dafs also auch die griechische Sage ihn ins Alter wenigstens gelangen liefs ; ohne welche Voraussetzung auch die Wiederbelebung weder Zweck noch Sinn hätte. Hier denke ich nun haben wir etwas womit wir auch den oben erwähnten Wink aus Euripides vereinigen können. Ich glaube wie gesagt nicht , dafs , ohne eine bestimmte Veranlassung in der Sage , der Dichter dem jungen Helden das Leben und die Beschäftigung eines Weisen geben konnte. Er fand also den Hippolytos als Weisen schon vor. Sein Schauspiel schliefst die Aussicht auf ein zweites Leben, wovon die Sage in Athen nicht wird einheimisch gewesen sein , gänzlich aus. Sehr schön benutzt er also die Sage von dem weisen Hippolytos und trägt sie in die Schilderung des Jünglings in Form jugendlicher Uebung des Geistes und Körpers. Nun wir aber die Notiz der Gestalt eines alten Virbius mit Gewifsheit , und vom griechischen Hippolytos in der Bildseule des Timotheus mit grofser Wahrscheinlichkeit haben ; so bestätigen sich diese Notiz und die eben aus dem Euripides geschöpfte, gegenseitig. Der bärtige Hippolytos bezeichnete den weisen Hippolytos. Und so kommen wir dem ursprünglichen Heilgotte , den wir im Virbius schon erkennen zu können glaubten , auch hier beträchtlich näher. Denn die Arzneikunde ist, wie wir an Chiron sehen, die älteste Form der Naturwissenschaft und eine Hauptquelle der Philosophie. . 156 XVIII. Virbius und Es gab also ohne Zweifel jugendliche und bärtige Abbildungen des Hippolytos , nach den beiden Abtheilungen in seiner Sage , dem keuschen Jünglinge und dem weisen Manne. Die Sage von dem Tod und der Wiedererweckung trat sehr schön hinzu. Es war Hippolytos in seinem ersten und in seinem zweiten Leben *). Aber nicht allen war dies so bekant. Die ältliche Bildung des Helden, der in seiner berühmtesten Sage als Jüngling dargestellt war, brachte Dunkelheit und Doppelsinn in die Ueberlieferung selbst. Ich nehme an dafs schon vor Timotheus an jener Stelle in Trözen ein Bild stand , ein bärtiges, das einige Hippolytos, einige Asklepios nannten. Timotheus setzte ein neues. Ihm war es Asklepios : aber jenen andern war und blieb auch dies Hippolytos. Lachen Sie nicht über meine Hypothesen : die Sache kann auch ganz anders gewesen sein ; aber auf irgend eine Art mufs ich sie doch aufzufassen suchen , um Züge die in so höchst wahrscheinlicher Beziehung zu einander stehen , nicht zu vernachlässigen. Gelingt es Ihnen früh oder spät aus den Resten alter Kunst sichrere Aufschlüsse zu schaffen, so ergreife ich sie gern, wohin sie auch führen. Aber nun fragen Sie mich vielleicht was mir einfalle, dafs, indem ich den Hippolytos zu einem Heilgott mache, ich zwei entgegengesetzte Rollen verwechsele , den Retter und den Geretteten. Ich antworte , dies ist ein Einwurf für Geschichte nur, nicht für Mythen, die aus Symbolen entstehen. Alle Symbole einer Handlung aber können sowohl handelnd als leidend sein. Das personificirte Sym-

  • ) Hiedurch löst sich denn auch ein Zweifel, der aus der Er

zählung Ovids von der Gestalt des Virbius als eines Alten, in Beziehung auf die in der Uhdenschen Abhandlung erwähnten und sehr überzeugend auf den Hippolytos - Virbius gedeuteten Bilder entstehen könnte. Der eigentliche Gott von Aricia war Hippolytos in seinem zweiten Leben. Das heilige und alte Bild des Virbius war also nothwendig alt. Aber unter den vielen Bildwerken die besonders in spätern Zeiten in und um den hochgefeierten Ort waren, kann es auch an Abbildungen des Jünglings Hippolytos , als zur Geschichte des Gottes gehorig nicht gefehlt haben Ja ihrer werden die meisten gewesen sein , und von dieser Zahl sind die aufgefundenen. Hippolytos. 157 · bol der Heilkunde ist ein Arzt sowohl als auch , und wirksamer noch, ein Geretteter. Beide waren in der al ten Dichtung ; und, wie es zu geschehen pflegt, verwirrten sich. Das will ich Ihnen am Asklepios selbst zeigen. Denn dieser der als Retter, Arzt und Todtenerwecker bekant genug ist , ist doch selbst zwiefach ein Geretteter : erstens indem er durch Apoll aus dem Leibe seiner todten Mutter genommen war ; zweitens vermöge dessen worin seine entschiedenste Uebereinkunft mit Hippolytos oder Virbius liegt beide waren einst in der Unterwelt, wie alle helfenden Götter es waren. Denn ich geselle noch den Retter in einem andern Sinne, den Herakles Alexikakos dazu : wiewohl sich bei diesem das Hinuntersteigen in den Hades , der Natur seines Mythos gemäfs , allmählich in ein bloſses Abenteuer wandelte. Und fast kommt ein vierter hinzu. Denn sehen Sie doch wie die drei Heilgötter übereinander fallen. Hippolytos kommt um und ist in der Unterwelt ; Asklepios ruft ihn zurück , und Zeus schmettert diesen dafür in die Unterwelt ; Apoll zürnend hierüber tödtet die Cyklopen , und Zeus in die Unterwelt stöfst er den Apoll nicht ; das konnte die Mythologie einem hohen Olympier nicht bieten ; er wird auf die Erde verwiesen , wo er dienen mufs. Ist dies Geschick der drei Heilgötter nicht offenbar ursprünglich ein und dasselbe ? Nur die wandelnde Sage immer auslassend und immer zusetzend, änderte die Gestalt der Dichtung bei jedem einzelen ; und die endlich hinzutretende Mythologie verkettete sie gar in Einen Zusammenhang. Wie wenig aber auf diesen zu geben ist , das könnte , wer es nicht schon wüsste , am Asklepios allein schon sehen ; da ja, wie bei Apollodor und andern ausführlich zu lesen ist, in der Mannigfaltigkeit der Fabel sechs und mehr andere Erweckungen durch Asklepios als Ursach seines Sturzes angegeben sind. Man sieht also , diese Thatsache blieb : Asklepios war in der Unterwelt und dafs er wieder heraufgekommen , wenn es auch nicht bei Hyginus 251. und Lucian Deor. Dialog. 13. ausdrücklich zu lesen wäre, versteht sich von selbst. Und da von diesem wol kein Verständiger heut zu Tage mehr zweifelt , dafs er von Ur- 158 XVIII. Virbius und Hippolytos. sprung eine Gottheit war, und er dennoch in der Mythologie als Held und Herscher auftritt , so zeigt er wenigstens dafs ich oben für den Hippolytos nicht zuviel angenommen habe. Wenn ich nun muthmafse dafs Asklepios und Hippolytos eigentlich einerlei seien, so meine ich nicht mythisch, sondern mystisch einerlei. Dasselbe Symbol der Heilkunde gestaltete sich zwiefach , und der Mythos eines jeden bildete sich noch verschiedner. Der Heilgott zu Epidaurus gewann durch äufsere Ursachen grofsen Ruf; ich darf annehmen , dafs er dadurch den Nachbar in Trözen überstralte , so dafs dessen Dienst , und mit demselben sein mystischer Sinn , zu den Zeiten wo noch keine deutlich redende Denkmale waren , immer mehr ins unkenntliche Dunkel traten. Aber ganz unter geht nicht leicht ein Dienst. Die Trözenier glaubten einen vergötterten Helden ihres Staats zu verehren , der göttliche Macht genug hatte , um die Bewohner seiner Heimath zu schützen und zu beglücken. Wenn übrigens Servius ad Aen. 7, 776. nachdem er gesagt: nam et Virbius inter deos colitur. noch hinzusetzt: Virbium autem quidam Solem putant esse ; cujus simulacrum non est fas attingere , propterea quod nec Sol tangitur ; so würde ich mich freilich bei manchem schlecht empfehlen , wenn ich viel hierauf gäbe. Indessen die oberflächliche Verwerfungs- Methode dieser wird mich auch nicht verführen, so etwas ganz unbeachtet zu lassen. Selbst die von Servius beigefügte mystische Begründung verdient Aufmerksamkeit. Wir lernen auf jeden Fall daraus eine Thatsache für die Religion des Virbius mehr. Seine Bildseule durfte nicht berührt werden. Dafs aber die männlichen Symbole der Heilkunst von der Sonne ausgehn, das ist vom Päon wenigstens und vom Apollon an- erkannt genug. Und nun erwägen Sie , dafs Hippolytos ein Viergespann-Lenker ist ; dafs die Pferde schon in seinem Namen sind ; daſs Poseidon , das ist , das Meer es ist, das ihm den Untergang bringt ; dafs doch ich sehe ihr drohendes Lächeln , und schweige. --- XIX. Ueber die Kotyttia u. s. W. 159 XIX. Ueber die Kotyttia und die Baptae *) . Unter den mysteriosen Feiern des alten Griechenlands pflegen auch die Kotyttia aufgeführt zu werden und insbesondere, wiewohl mit dem Stempel gesteigerter Verwerfung, athenische Kottytien, deren Theilnehmer, unzüchtige Männer , den Namen Baptä geführt. Die Hauptstelle ist eine Schilderung davon bei Juvenal , womit Notizen verbunden werden , dafs Eupolis eine Komödie gegen diesen ärgerlichen Gottesdienst unter dem Namen Baptä geschrieben habe. Ich setze zuförderst die Juvenalische Stelle her. Sie ist in der gegen die in Rom herschenden Schändlichkeiten des männlichen Geschlechts geschriebenen zweiten Satire. Indem er dort gewisse geheime und unzüchtige Gelage , welche der Bona Dea zu Ehren von Weiber nachahmenden Männern gehalten wurden, beschreibt, sagt er im 91. und 92. Verse : Talia secreta coluerunt orgia teda Cecropiam soliti Baptae lassare Cotytto. Die Worte sind deutlich : wiewohl einige das Verbum lassare falsch verstanden haben. Es heifst , wie Rigaltius und Perottus richtig es fassen , weiter nichts als häufig anrufen ; wie das gleichbedeutende Verbum in dem horazischen Prece qua faligent Virgines sanctae— Vestam?

  • ) Vorgelesen in der Akademie der Wissenschaften , und aufgenommen in den Band der Schriften derselben vom Jahre 1822, 1823.

160 XIX. Ueber die Kotyttia Wir wollen nun nur die bekanten Notizen über die Kotytto übersehn. Strabo 10. p. 470. unten , führt unter den enthusiastischen und mystischen Gottesdiensten der Ausländer, auch die in Thrakien üblichen Kotyttien und Bendidien an, und erwähnt dabei der Kotys als einer edonischen Gottheit , welcher lärmende sacra gefeiert wurden *). Nachher merkt er an, dafs „,die Athener eine grofse auch von den Komikern durchgezogene Sucht hatten, dergleichen fremde Feiern aufzunehmen , insbesondret die thrakischen und phrygischen," wobei er aber nur die Bendidia , die Sabazia und die Metroa nennet **). Von den Kotyttien finden wir dies in Bezug auf Athen weder bei ihm noch sonst irgendwo. Aber von Korinth wird Kotys als einheimische Gottheit erwähnt. Suid. Kótvs, δαίμων παρὰ Κορινθίοις τιμώμενος ἔφορος τῶν αἰσχρῶν. Hier haben wir die deutlich bezeichnete Gottheit , mit Worten maskulinischer Form. Eine zwiefache Vorstellung des Geschlechts einer Gottheit könnte bei der Analogie ähnlicher Fälle eben nicht befremden. Aber das Wort daiuwv kommt auch sonst ohne Unterschied des angeblichen Geschlechts der Gottheit als Maskulinum vor , und gleich in der unten anzuführenden Stelle des Hesychius wird die unzweifelhaft femininische Form Kotutto mit dem Prädikat qoprinos daíuoor verbunden. Suidas führt übrigens zu seiner angeführten Glosse blofs eine Stelle des Synesius aber unvollständig an, so dafs der Name Kotys nicht darin erscheint ; in der Stelle selbst aber ( Calv. Encom. p. 85.) werden gewisse lüderliche Menschen θιασῶται τῆς Κότυος genannt. Hiezu füge man eine Stelle aus einem alten codice Proverbiorum des Meerman , welche Burmann anführt

  • ) Τούτοις δ᾽ ἔοικε καὶ τὰ παρὰ τοῖς Θραξὶ, τά τε Κοτύττια καὶ

τὰ Βενδίδεια , παρ᾽ οἷς καὶ τὰ Ὀρφικὰ τὴν καταρχὴν ἔσχε. Τῆς μὲν οὖν Κότους τῆς ἐν τοῖς Ηδωνοῖς Αἰσχύλος μέμνηται κ. τ. λ. 3

    • ) ᾿Αθηναῖοι δ᾽ ὥσπερ περὶ τὰ ἄλλα φιλοξενοῦντες διατελοῦσιν

οὕτω καὶ περὶ τοὺς θεούς. πολλὰ γὰρ τῶν ξενικῶν ἱερῶν παρεδέξαντο , ὥςε καὶ ἐκωμῳδήθησαν, καὶ δὴ καὶ τὰ Θρᾴκια καὶ τα Φρύγια . τῶν μὲν γὰρ Βενδιδείων Πλάτων μέμνηται, τῶν δέ Φρυγίων Δημοσθένης--- ταῦτα γάρ ἐξι Σαβάζια καὶ Μητρῶα . und die Bapta e. 161 führt in der Mantissa zum 1. Band der lat. Anthologie (Vol. II. p. 728.) : Cotyi sacrificare, calamistratum esse: huic enim deae apud Corinthios cultae intemperantes ac calamistraturae studiosi formamque venditantes sacrificabant. Und im Scholion zu Theokrit 6, 40. wird der Name KoTvτTagís, den eine Art Beschwörerinn dort führet, erklärt, als gebildet von dem Namen einer bei den Doriern verehrten KoTTo, welche Gottheit dann in der Geschichte der Herakliden mythisch begründet wird *). Denn , dafs in diesem Scholion zweimal Κοτυττοῦς , Κοτυττώ gelesen werden mufs , erhellet doch wol eben daraus , dafs jene Benennung KoTUTTapis davon abgeleitet wird. Aus Griechenland kamen diese Kotyttien nach Italien und Sicilien wie die Erwähnung derselben beweist in den Katalekten zum Virgil Carm. 5. (Anthol. Lat. 1. Epigr. 246. et ibi Intpp.), Horat. Epod. 17, 56. Plutarch. Proverb. 78. an welcher letzten Stelle die Kotyttia als eine sicilische Lustbarkeit mit Volksspielen erscheinen **). Eben so gut könnten also solche Kotyttien auch in Athen gefeiert worden sein , und dies schliefst man denn eben aus der Stelle des Juvenal verbunden mit Synesii Epist. 32. , wo es heifst , ein gewisser schlechter Mensch diene der Κοτυττοῖ καὶ τοῖς ἄλλοις ἀττικοῖς κονισσάλοις , welches eine Benennung für schmutzige Gottheiten ist. Aber mit dieser Möglichkeit ist dem gründlichen Aufklärer des Alterthums nicht gedient. Wir müssen die Sache und insbesondere die Notizen von des Eupolis Komödie näher beleuchten. Die Baptä des Eupolis werden öfters citirt. Verwirrt und zusammengeschmiert wie gewöhnlich ist das Scholion. zu Juvenals Stelle. Baptae titulus libri, quo impudici describuntur ab Eupolide , qui inducit viros Athenienses

  • ) – ἢ ἀπὸ τῆς παρὰ Δωριεῦσι τιμωμένης Κοττούς. ἦσαν δὲ

Τιμανδρέως θυγατέρες Κοττὼ καὶ Εὐρύθεμις, ἃς ἐτίμησαν ῾Ηρακλεῖδαι διὰ τὸ συναγωνίσασθαι αὐτοῖς κατὰ τὴν εἰς Πελοπόννησον ἄφιξιν, ὥς οἱ περὶ ῾Ιππόςρατον ἀποφαίνουσιν .

    • ) ῾Αρπαγὰ Κοτυτίοις . Κοτυτὶς ἑορτή τίς ἐξι Σικελικὴ ἐν ᾗ περί

τινας κλάδους ἐξάπτοντες πόπανα καὶ ἀκρόδρυα ἐπέτρεπον ἁρπάζειν . II. L 162 XIX. Ueber die Kotyttia 99 ad imitationem feminarum saltantes lassare psaltríam *). Baptae ergo molles , quo titulo Eupolis comoediam scripsit, ob quam ab Alcibiade, quem praecipue perstrinxerat, necatus est. Dafs dies keine jener aus der Luft gegriffenen Notizen sind, dergleichen diese Scholien so viele haben, beweist die zwar kürzere aber solide Nachricht in dem bekanten gelehrten Fragment des Platonius über die Komödie , das vor den Ausgaben des Aristophanes steht. Von der Gefahr sprechend , worein jene alten Komiker öfters durch ihre Verspottungen geriethen, sagt er : ouev γοῦν τὸν Εὔπολιν ἐπὶ τῷ διδάξαι τοὺς Βάπτας ἀποπνιγέντα εἰς τὴν θάλασσαν ὑπ᾽ ἐκείνων εἰς οὓς καθῆκε τοὺ; Βάπτας : ,Wir wissen ja, dafs Eupolis, weil er seine Baptä aufgeführt , von denjenigen , gegen welche das Stück gerichtet war, im Meere ersäuft worden ist. " Durch diese Stellen und vielleicht besonders durch den historischen Ton worin Juvenal spricht , hat man sich veranlasst gesehn zu glauben, Eupolis habe jenen bestimmten ausgelafsnen Gottesdienst der Kotyttien durchgezogen ; und so setzt man nun diese unter die Athenischen Sacra, und führt ganz ernsthaft den Namen Вάлtαι als den Namen der Priester der Kotytto auf, und erklärt ihn von irgend einer Weihe **). Man wird gar nicht durch den bei solchen Gegenständen sehr bedeutenden Umstand aufmerksam gemacht, dafs dieser Priester- oder Eingeweihten -Name durchaus nirgend anderswoher als eben aus dés Eupolis Komödie und der so deutlich darauf bezüglichen Stelle, Juvenals bekant ist ; und dafs es überhaupt ganz unbegreiflich wäre, wenn von einer so berüchtigten in der berühmtesten aller Städte üb-

  • ) Man sieht, dafs hier die schlechte Erklärung eines Unkundigen eingewirrt ist , der Kotytto für den Namen einer Zitherspielerin nahm . Hieraus erkennt man also , dafs folgende verwirrte

Glosse , welche Burmann ad Anth.` Lat. 1. p. 477. aus des Papias Glossen anführt: Cocitos fuit dea Atheniensium quam solae feminae colebant, quae psaltriam exercebant: blofs aus Juvenal und dessen Scholien zusammengestoppelt ist und also in der Untersuchung über die athenische Kotytto nicht weiter anzuführen ist.

    • ) S. die Erklärer zu Lucian. adv. Indoct. 27.; Ste Croix sur

les Mystères; etc. und die Baptae. 163 lich gewesenen Feier, so gar sonst nichts irgendwo sollte zu lesen sein. Oder um es kurz zu machen, man bedachte nicht, dafs man einen Komiker vor sich hatte. Wir wollen diesen Gesichtspunkt fester halten und unsern Blick zunächst auf diese Glosse des Hesychius werfen . Κοτυττὼ ὁ μὲν Εὔπολις κατ᾽ ἔχθος τὸ πρὸς τοὺς Κορινθίους φορτικόν τινα δαίμονα διατίθεται. Ich übersetze dies so : ,,Unter dem Namen Kotytto stellt Eupolis , aus Hafs gegen die Korinthier , eine unsittliche Gottheit zur Schau." Was auch für. Unzucht und Ausgelassenheit zu Athen in der Form gottesdienstlicher Gebräuche mag vorgegangen sein , aus dieser Stelle geht mit Sicherheit gerade das hervor , dafs zu Eupolis Zeiten keine Kotyttien dort waren, keine Kotytto dort verehrt wurde. Irgend etwas anders ward von Eupolis durchgehechelt : was er darstellte war blofs seine Erfindung , und der Name der Kotytto war gebraucht, um den eigentlichen Gegenstand gehässiger zu machen : woraus man also vielmehr sieht, daſs die Athener auf diese bei dorischen Stämmen und in peloponnesischen Städten übliche üppige Feier eine Verachtung geworfen hatten. Es bleibt also übrig zu muthmafsen was der wirkliche Gegenstand von Eupolis Satire war. Doch über die Person brauchen wir nicht zu muthmafsen , da uns Juvenals Scholiast den Alcibiades nennet, dessen Sitten hinreichend bekant sind. Aber auch die bestimmten Handlungen worauf Eupolis anspielte , wären sicher längst erkannt worden , wenn nicht alle durch die falsche historische Ansicht des ganzen eine ablenkende Richtung bekommen hätten. Denn wer kennt nicht die Anklage gegen Alcibiades , dafs er und seine Genossen ihren Weingelagen aus Muthwillen ganz die Form der Geheimweihen gaben, und namentlich die der Demeter nachahmten? Uns genügt hier die bekante Stelle aus Plutarchs Alcibiades p . 200 : Ἐν δὲ τούτῳ δούλους τινὰς καὶ μετοίκους προήγαγεν ᾿Ανδροκλῆς ὁ δημαγωγὸς, ἄλλων τ᾿ ἀγαλμάτων μερικοπὰς καὶ μυςηρίων παρ᾽ οἶνον ἀπομιμήσεις τοῦ ᾿Αλκιβιάδου καὶ τῶν φίλων κατηγοροῦντας. ἔλεγον Θεόδωρον μέν τινα δρῖν τὰ τοῦ κήρυκος, Πολυτίωνα δὲ τὰ τοῦ δαδούχου, τὰ δὲ τοῦ ἱεροφάνᏞ 2 164 XIX. Ueber die Kotyttia του τὸν ᾿Αλκιβιάδην , τοὺς δ᾽ ἄλλους ἑταίρους παρεῖναι καὶ μυεῖσθαι μύζας προσαγορευομένους. ταῦτα γὰρ ἐν τῇ εἰσαγγε λίᾳ γέγραπται, Θεσσαλοῦ τοῦ Κίμωνος εἰσαγγείλαντος, ᾿Αλκιβιάδὴν ἀσεβεῖν περὶ τὼ θεώ . „ Zu dieser Zeit führte Androkles der Volksführer einige Sklaven und Beisassen vor , welche Anzeige machten, wie Alcibiades nebst seinen Freunden die Götterbilder geschändet, und bei Weingelagen die Mysterien nachgeahmt habe. Sie sagten , ein gewisser Theodorus mache den Herold , Polytion den Fackelträger, den Vorsteher der Weihe aber Alcibiades selbst ; und die übrigen Gesellen kämen herzu und liefsen sich weihen, und würden Mystä genannt. Denn so besagt es die Anklage des Thessalus, Cimon's Sohns , worin er den Alcibiades belangt , daſs er Gottlosigkeit übe gegen die beiden Göttinnen. " Mich dünkt es ist augenscheinlich , dafs diese Gelage es waren , welche Eupolis , als sie vielleicht noch nicht vor Gericht gezogen waren, einstweilen vorm Volk durchzog. Man kann schon erwarten , dafs die Ausschweifungen die dabei vorfielen , nicht blofs in der Kategorie des Weines blieben ; und noch gewisser ist , dafs die Stadtgespräche und Eupolis Darstellung sie erbaulich zu steigern wufsten. Die Göttin welche solchen Mysterien vorstand, nannte der Komiker , zum Gegensatz gegen die attische Demeter , Kotytto. Woraus allein schon erhellen würde, daſs die Schilderung auf Unflätereien ging, worin Weiber nachgeahmt wurden. Denn nicht nur wird diese Gattung lüderlicher Menschen , die hudoía , an der zuerst angeführten Stelle des Synesius θιασῶται τῆς Κότυος genannt, sondern an den beiden Stellen in den Katalekten und in Horazens Epoden werden die Kotyttia ausdrücklich als weibliche Orgien erwähnt; besonders an der letztern, wo Canidia dem Dichter vorwirft , dafs er die Kotyttien entweiht und unter die Leute gebracht habe: Inultus ut tu riseris Cotyttia Vulgata? Und ausdrücklich sagt denn auch der angeführte Scholiast zum Juvenal von dieser Komödie des Eupolis, qui inducit viros Athenienses ad imitationem feminarum saltantes. Zu des Dichters Erfindung gehörte denn auch ohne Zweifel , dafs er statt der Benen- und die Baptae. 165 nuug Muça den sie sich selbst gaben, sie Báлtas nannte, und dies vermuthlich durch eine scherzhaft erdachte Form der Weihe begründete. Und in deutlicher Beziehung auf diesen seinen Einfall steht das was von seiner Todesart ' erzählt wird. Was nehmlich an der oben angezogenen Stelle Platonius allgemeiner vorträgt, ward ganz bestimmt vom Alcibiades erzählt, wie wir aus Cicero ad Att. 6, 1. wissen, wo unter Beispielen irriger oder widersprechender geschichtlicher Angaben auch dies angeführt wird: Quis enim non dixit, Eupolin , tor the doxaías , ab Alcibiade navigante in Siciliam dejectum esse in mare ? Redarguit Eratosthenes: affert enim quas ille post id tempus fabulas docuerit. Num idcirco Duris Samius, homo in historia diligens, quod cum multis erravit , irridetur ? Dafs die Anekdote nicht wahr ist , darauf kommt nichts an: man sieht , dafs sie sehr alt ist. Sei es also Alcibiades oder die dichtende Sage ; die Todesart des Eupolis, der eingetaucht ward um nicht mehr hervorzukommen, ist als grausamer Muthwille gedacht , in Beziehung auf seine Bantas. d. h. Tauch- oder Taufgesellen. Diese Vermuthung hatte sich mir von selbst dargeboten, als ich eine ausdrückliche Angabe darüber fand, die mich aber in Verlegenheit setzt. Georg Valla nehmlich macht in seinem Kommentar zum Juvenal zu dem Namen Baptae eine Note , worin er des Scholiasten Notiz von Eupolis und Alcibiades mit folgendem Zusatz schliefst : ob quam Alcibiades necuit ipsum in marepraecipitando, dicens, Ut tu me in theatris madefecisti, nunc ego te in mari madefaciam. Ich kann durchaus nicht finden , woher Valla diese Notiz hat. Aber diese Erklärer des 15ten Jahrhunderts welche die Scholien zum Juvenal handschriftlich vor sich hatten , citiren hie und da etwas aus diesem Probus, wie sie den gewöhnlichen Scholiasten nennen , was in unsern Ausgaben desselben nicht steht *). Auch hier hatte Valla kurz vorher ―― Seitdem dies geschrieben, ist die Ausgabe dieses Scholiasten von A. G. Cramer erschienen, welche viel dankenswerthe Vermehrungen enthält ; aber die oben berührte Quelle ist nicht so benutzt, wie ich gehofft hatte. So vermisse ich gleich zu Sat. 1, 153. das 166 XIX. Ueber die Kotyttia den Probus genannt, und die angeführten Worte schliefsen so unmittelbar an die in unserm Scholion befindlichen Worte sich an, dafs ich nicht zweifle, sie sind aus einem vollständigern Exemplar, dergleichen noch manche in dea Bibliotheken sein sollen . Gewifs wird dadurch auch das alte Anekdötchen, so wenig geschichtlichen Werth es auch habe, vollständiger ; und meine Annahme, dafs die ganze Schilderung solcher Feier , mit samt dem Namen Baptä, Eupolis Erfindung sei , wird dadurch fast gewifs. - Ohne nun untersuchen zu wollen, ob die so sehr verbreiteten Kotyttien in spätern Zeiten doch auch noch nach Athen kamen, so bleibt es bei unserer Leugnung der Sache für die Zeit des Eupolis, dessen Komik gerade durch die Wirklichkeit ihr ganzes Salz verlieren würde. Des Strabo Bemerkung , dafs die Athener wegen ihrer Sucht nach fremden Feiern von ihren Komikern durchgezogen wurden wiewohl dies eine Nebenbeziehung auch der eupolidischen Baptä kann gewesen sein bezog sich zunächst unstreitig auf den Aristophanes , von welchem Cicero de Legg. 2, 15. sagt: Novos vero deos et in his colendis nocturnas pervigilationes sic Aristophanes vexat, ut apud eum Sabazius et quidam alii di peregrini, judicati e civitate ejiciantur. Den Ausdruck Cecropiam Cotytto aber braucht blofs Juvenal im Gegensatz der wahren Kotytto anderer Völker ; und ich glaube daher nicht , was sonst wol scheinen könnte , dafs er die Notiz von den Baptä, da er sie so in historischer Form vorträgt, wirklich historisch genommen habe. Er meint, wenn man will, bei Lubinus befindliche Scholion, und zu 155. das bei Calderinus ; und zu 2, 58. wo die verschieden lautende Glosse aus Valla angeführt ist, fehlt die Notiz, dafs eben daselbst die Lesart des folgenden Verses, Dives eris, magno quae dormis tertia lecto, aus Probus angeführt ist. Es bleibt also zu wünschen , dafs alle diese Kommentatoren zu diesem Zweck nochmals genau durchgesehn werden. Auch Ferrarius de Re Vest, führt Scholien an , die ich bei Cramer nicht finde z. B. 2, 1. und 3, 24. zu Sat. 1, 78. und 111. aus einer Handschrift der Ambrosianischen Bibliothek ; wobei er bemerkt, dafs in dieser mehre Scholiasten Juvenals sich befänden. Will keiner der dortigen Aufseher Mai's Nachfolger werden und diese Scholien excerpiren? und die Baptae. 167 wirklich den Alcibiades und dessen ausschweifende Gesellen , drückt aber die Sache aus, wie sie in Eupolis allgemein bekanter Komödie dargestellt ist. Ja ich trage kein Bedenken, für diese Meinung den Scholiasten anzuführen. Dieser wenigstens würde gewifs sein Scholion mit einem, Baptae fuerunt homines impudici, begonnen haben : aber trotz dem diese Vorstellung wirklich begünstigenden Vortrag des von ihm erklärten Textes, lesen wir bei ihm nichts anders als : Baptae titulus libri und, Baptae, quo titulo Eupolis comoediam seripsit: zum deutlichen Beweis, dafs die alte und gelehrte Grundlage dieses Scholions von keinen andern Baptä wufste , als dem so lautenden Titel jener Komödie * ). Ob aber Synesius, wenn er die Kotytto gleichsam an der Spitze der attischen Schmutzgötter nennet, spätere Wirklichkeit vor Augen hatte, oder den Eupolis selbst etwas zu historisch fafste , mag ich nicht entscheiden. -

  • ) K. L. Struve , der in seinem 13. Programm Königsb. 1819

den Namen Báлta behandelt , lässt sich durch Juvenals Vortrag allein bei der Meinung festhalten , Baptä sei in Athen wirklich Benennung gewisser Menschen gewesen, die, um der Unzucht ungestörter zu fröhnen, in geheimen Gelagen die Feier der Kotytto nachgeahmt hätten. Dafs es nicht der Name wirklicher Priester der Kotytto gewesen, erkennt auch er an , und ich darf hoffen, dafs auch meine übrige Darstellung im wesentlichen ihn befriedigen wird. 168 XX. Mythische Verbindungen XX. Ueber die mythischen Verbindungen von Griechenland mit Asien *) . S. wie die Forscher des Alterthumes angefangen haben, nicht in allen Mythen wirkliche , durch Dichterhände nur gemodelte , geschichtliche Ereignisse , sondern in einem Theile derselben , auch reine Dichtung zu gewissen Zwecken zu erkennen , die aber allmählich in der Sage die Gestalt eigentlicher Geschichte angenommen ; so wie sie anfingen diesen Dichtungen nachzuspüren , ihren Ursprung und Sinn zu errathen ; so zogen zu gleicher Zeit auch die Namen der mythischen Personen eine besondere Aufmerksamkeit auf sich, welche von der, die man auf die Namen der wirklichen Geschichte wendet , wesentlich verschieden ist. Die letztern Namen nehmlich dienen nur dem Gedächtnisse und der Bezeichnung , damit man wisse von wem man rede, während die Ursach derselben in der Regel nicht nur unbekant , sondern auch gleichgültig ist. Die Namen in einer Dichtung aber sind ein Theil derselben und haben ihren zureichenden Grund in ihr ; ihre Ursach zu erforschen ist also nicht nur möglich , und häufig sogar leicht, sondern hat auch, eben weil sie zum Ganzen der Dichtung gehören , schon an sich etwas anziehendes. Vollends aber , wenn von Erforschung eines noch nicht

  • ) Vorgelesen in der Akademie der Wissenschaften zu Berlin

den 18. Februar 1819. von Griechenland mit Asien. 169 ins Licht gestellten Gegenstandes , von dem Ursprunge und dem Sinne eines Mythos die Rede ist , so kann jeder noch so kleine Theil desselben , also auch die Namen zu dieser Erforschung etwas beitragen. Ja es bot sich den Untersuchern, wenn sie in dem unermesslichen Felde der Mythologie zweifelhaft umherspähten , was sie für Geschichte und was sie für Dichtung halten sollten , nicht selten die Veranlassung dar , eben in der als absichtlich ihnen erscheinenden Beziehung und Bedeutsamkeit eines Namens die erste Spur einer Dichtung zu erkennen. Wie mifslich nun allerdings dieses Kennzeichen allein ist , dies will ich hier nicht weitläuftig erörtern , da es dem besonnenen Forscher von selbst sich darthut, und die Mifsbräuche , wohin es so leicht verlockt , in einer Menge auffallender Beispiele aus der ältesten und allerneuesten Zeit der Litteratur warnend vor den Augen liegen. Dafs aber auch ein wahrhafter und unverwerflicher Grundsatz in diesem Verfahren liegt, wird der Unbefangene eben so wenig leugnen. Nehmlich nicht die einzel vorkommende , wenn auch noch so schlagende Bedeutsamkeit eines Namens, die nicht nur dem Zufall, sondern ja auch einer wirklich geschichtlichen Ursach ihr Dasein verdanken kann , geben hinreichenden Grund zu der Vermuthung , dafs die Erzählung ein Gedicht sei : sondern nur gewisse zusammentretende Massen, eine stets oder häufig beobachtete Analogie , und ganz besonders ein leicht und natürlich sich darbietendes gegenseitiges Verhältnifs zwischen mehren solchen Namen, können nach Umständen mehr oder weniger zu Vermuthungen jener Art Grund geben. Mit Sicherheit darf der Geschichtforscher in diesem Gebiete heut zu Tage eine ganze grofse Gattung von Namen dieser Art hinstellen : nehmlich die Namen der Stifter, welche gleichnamig sind ihrer ins hohe Alterthum hinauf sich verlierenden Stiftung ; und ganz besonders die Namen der Heroen die gleichnamig sind einem Volke, einem Lande, einer Stadt, die dann auch gewöhnlich ausdrücklich als nach ihnen benannt dargestellt werden. Auch hierüber als von einer schon vielfältig be- 170 XX. Mythische Verbindungen sprochnen, und von jedem Betrachter des Alterthums stillschweigend bemerkten Sache, will ich mich hier nicht weiter auslassen und bemerke nur noch , dafs während die meisten dieser Namen, wie z. B. die Genealogie von Hellen, Doros, Aeolos, Ion, Achäos, und die zahllosen personificirten Städtenamen , wie Kalydon und Pleuron, Korinthos, Marathon, Lacedämon, Thebe u. s. w. so ganz ohne alle Aenderung der Form und so ohne alle Erfindung und Kunst als Personen hingestellt sind , dafs freilich diese selbst von den altgläubigsten nicht mehr für wirkliche Personen gehalten werden ; andere dagegen durch kleine Biegung der Form oder durch eine umständlicher auftretende Fabel ihre Persönlichkeit fester zu halten scheinen ; wieder andere endlich , da die géographischen und ethni schen Namen , womit sie ursprünglich zusammenhingen, aus der spätern Geschichte verschwunden sind , sich von dieser Seite nicht kund thun , und daher für wirkliche Personen gelten , nur weil man weiter nichts von ihnen weifs. Der Unterschied zwischen diesen und jenen ist aber nur der , dafs jene buchstäblichern und unpoetischen Personificirungen im ganzen genommen von neuerer Bildung sind, während diese letztern aus älterer Ueberliefrung abstammend, schon vielfältig in die epischen Sagen verwebt worden, und auf diesem Wege mehr Personalität angenommen haben. Dadurch also dafs Danaos so ernsthaften Besitz genommen hat in der Geschichte , dadurch dafs der argeische Argos, dafs der Stifter der Cephalienier Cephalos, dafs die Nymphe Cyrene , dafs in der italischen Sage Latinus und Lavinia und Romulus und Remus, oder wie der letzte in der griechischen , das heifst süditalischen Form deutlicher heifst Romus , und viele andre in allerlei romantischen Verbindungen und Thätigkeiten auftreten ; können sie aus jener grofsen Analogie nicht gerissen werden. Eben so ist und bleibt Pelops ein ethnisches Symbol, das wir auch glücklicher Weise noch durch den Namen des Peloponnesos erkennen ; aber dafs es auch einen Volksnamen Pelopen gegeben haben mufs, wenn gleich er uns nicht ausdrücklich überliefert ist, dies lehrt uns die Vergleichung des Namens Peloponnesos mit den Völker- von Griechenland mit Asien. 171 namen der Dryopen, Dolopen, Meropen u. s. w. Obgleich also auch keine Xuthen unter den altgriechischen Volksstämmen uns überliefert sind , so zeigt sie uns doch deutlich die mythische Genealogie , wonach Hellen Vater ist von Aeolos, Doros und Xuthos und der letzte wieder von Achäos und Ion. Denn wie wäre es möglich diesen Xuthos, der ganz eben so thatenlos ist als sein Vater , seine Brüder und sein einer Sohn (denn den Ion hat die attische Bühne in einige Thätigkeit gesetzt) , mitten unter lauter Völkersymbolen für historisch zu halten ? Ich musste dies alles , da es doch noch nicht anerkannt genug ist , vorausschicken , um die bestimmteren Fälle , die ich heute vortragen will , zuerst nach aufsen und durch das allgemeinere zu begründen , und so die innere Wahrscheinlichkeit eines jeden zu verstärken. Dafs jene Völkersymbole durch genealogische Mythen verbunden worden , um gewisse bestehende Meinungen über die Verwandtschaft und die Verbindungen der Völker der Sage zu übergeben, ist aus allen Mythologien bekant, und wir haben es so eben an einem griechischen Beispiel gesehen. Aber eben weil, wie wir vorhin erwähnten, die mythischen Personen der ältesten Sagen vielfältig in die tausendzüngige Epik verflochten waren , so finden sich auch nicht nur einzele Völker - Symbole jener Art, sondern öfters auch zwei verwandtschaftlich verbundene , die als Fragmente einer ältern einfachern Völker - Genealogie', oder auch wol, wenn ich so sagen darf, als einzele mythische Gedanken, in dem grofsen Gewirr der später zusammengeflossenen und auch wieder genealogisirten Mythologie wie vergraben, und daher verkannt sind. Meine gegenwärtige Absicht ist , einige solche Fälle hervorzuziehen, wo zwei , theils als Geschwister , theils als Mutter und Sohn, theils als Mann und Frau verbundne Personen, eine alte Verwandtschaft oder Verbindung von Griechenland mit Asien darzustellen ursprünglich bestimmt waren. Ich denke nicht dafs es heut zu Tage noch einiges Aufwandes von Beweisführung bedarf, nicht nur für den negativen Satz, dafs Kadmos keine historische Person ist, sondern auch für den bestimmten, dafs er das Symbol des 172 XX. Mythische Verbindungen 1 phönicischen Stammes war , und dafs sein Name der unveränderte phönicische Name des Morgenlandes Kadm ist. Dafs er ausgeschickt wird seine aus Phönicien entführte Schwester Europa zu suchen, und daſs er, diese nicht findend, in Griechenland wohnen bleibt ; dies ist so sichtbar eine Einkleidung der alten Ueberlieferung, daſs ein phönicischer Stamm sich nach Europa gewandt und in Griechenland sich niedergelassen habe, dafs weder die trockne Form , worin diese Erzählung bei den Historikern auftritt, uns veranlassen kann hier einen wirklichen Königssohn zu erkennen ; denn sonst verlangen wir sogleich dieselbe Anerkennung auch für die Prinzessin Europa ; noch die dichterische Ausführung als Mährchen uns verleiten , das Ganze als unveranlafste Erfindung eines spielenden Dichters zu beseitigen. Aber eben weil die phönicische Königstochter die ausgemachte Personificirung des geographischen Namens Europa ist ; so mufs erst untersucht werden , was die Alten sich unter diesem gedacht haben. Nun ist zwar noch, soviel ich weifs, kein Zweifel erhoben worden , dafs Europa immer als Gegensatz von Asien , folglich als ein Name des Theiles der Erde gegolten habe , wozu Griechenland gehört. Allein eben dies macht eine Schwierigkeit, da in den ältesten Zeiten, woher denn doch , wie eben die Mythologie zeigt, dieser Name sich schreibt , ein so grofser Umfang von Land schwerlich als ein Ganzes gekannt und benannt sein konnte. So wie also die Namen Afrika, Libya eigentlich kleine Länder , und der Name Asia nicht einmal das nachherige Klein - Asien ganz bezeichnet, sondern nur einen beschränkten Theil desselben im Westen ; und wie von diesen Begrenzungen aus erst alle diese Namen zu grofsem Sinn sich ausbreiteten ; so muſs man ein gleiches vom Namen Europa voraussetzen. Und auf den ersten Anblick kann man dergleichen wirklich an der Stelle erkennen, welche in den auf uns gekommenen Monumenten die älteste ist, worin der Name Europa als geographische Bestimmung erscheint ; nehmlich die bekanten zweimal im Hymnus des Apollo vorkommenden Verse, wo von Griechenland mit Asien. 173 dieser Gott die Menge der Völker, welche seinen delphischen Tempel feiern werden, so bestimmt: Ημὲν ὅσοι Πελοπόννησον πίειραν ἔχουσιν Ἠδ᾽ ὅσοι Εὐρώπην τε καὶ ἀμφιρύτας κατὰ νήσους. Der Gegensatz des Peloponnesos scheint hier deutlich Europa als den Namen von Griechenland jenseit des Isthmos hinzustellen ; auch ist dies so irrig nicht, nur kann es nicht, wie die Namen Libya, Afrika und wie Asia im engsten Sinne der eigenthümliche Landesname eines umgrenzten Bezirks sein : denn einem Wunder ähnlich sähe es, dafs von einem solchen eigenthümlichen Namen eines Theiles von Griechenland so ganz und gar keine andre inländische Spur geblieben sein sollte . Oder vielmehr, betrachten wir es von dieser Seite. Der Name eines fremden Welttheils kann wohl durch Ausdehnung des Namens, den das in jenem Welttheil unserm Wohnort am nächsten liegende Land führt, entstehen : aber unmöglich kann ein Volk den Namen seines eignen oder eines Nachbarlandes allmählich zum Namen des ganzen Welttheils erweitern, worin es selbst wohnet ; d. h. nie konnten die Griechen dahin kommen, dafs sie unter Hellas oder Thessalien den ganzen disseitigen Welttheil begriffen ; und da dies mit dem Namen Europa geschah, so kann dies nie ein einheimischer Landesname gewesen sein. Indessen lässt sich für den vorliegenden Fall auch eine andre Ansicht fassen und ist auch gefafst worden. Auch auf der asiatischen Küste wohnten Griechen, und namentlich die, bei welchen die alte Epik am meisten einheimisch war. Europa könnte also der Name sein, den das disseitige Griechenland, ganz oder ein begrenzter Theil desselben , bei den Bewohnern Asiens führte diese könnten ihn erweitert haben, wie ihre Erdkunde sich erweiterte ; und die europäischen Griechen hätten nun erst diesen Namen , wie so vieles andre , von drüben her angenommen. Auch gegen diese Ansicht bleibt noch meine erste Erinnerung. Name eines begrenzten Landes oder Ländchens kann Europa auch so nicht gewesen sein : denn sonst müfste sich bei eben diesen Sängern, und unter den tausendfältigen Nachrichten und Spuren des Alterthumes aus dieser besungensten aller Erdge- 174 XX. Mythische Verbindungen genden, von solcher bestimmten Beziehung dieses Namens auch anderweitige Kunde erhalten haben, wie sie ja verloren nicht war selbst von jenen ausländischen Namen Asia und Libya und Afrika. Immer erscheint Europa als ein unbegrenzter Name, als ein mehr negativer Begriff, nehmlich als Gegensatz von Asia. Und so allein ist er auch in der Stelle des Hymnus zu fassen , nach der Darstellung von Hermann , der ich in allem wesentlich beitrete. Europa ist dort der unbegrenzte Name des festen Landes , von Europa nehmlich, so weit man es kannte ; und der Peloponnesos ist blofs davon getrennt , weil er, wie sein Name zeigt, als Insel gilt, eine jedoch so bedeutende , dafs , was sonst um Griechenland und weiter hin von bekanten Inseln lag, als Anhang zum festen Lande genannt wird. Nehmlich die zwei grofsen Kontinente, deren Zusammenhang im Norden aufser allem Bereich war, durch Namen zu unterscheiden war ein frühes Bedürfnifs, und zwar das nothwendigste war für die Bewohner jedes Kontinents ein Name für das gegenüber liegende. Die Griechen nannten also das ihnen gegenüber liegende, Asia, die Asianer das andre , Europa. Da Asia anerkannt der alte und eigentliche Name des Griechenland zunächst gegenüber liegenden Landstriches war , so forsche ich über die Ursach dieses Namens so wenig, als über die anderer Länder und Völker nach, die in dunkelem Alterthume begraben liegen : aber Europa , das immer nur als ein solcher Beziehungsname vorkommt , scheint mit Recht auf ein auffindbares Etymon Anspruch zu machen. Das von Hermann angenommene jedoch ,,weil die asianichen Griechen jene Küste sich gegenüber so weit hin sich strecken sahen" kann ich nicht annehmen , die Ursach dem Gefühl eines jeden überlassend, und nur das allgemeine hinzusetzend, dafs Namen in der Regel nicht auf solche Art entstehen, wie man sie vielleicht erfinden würde ; eben weil es einen Namengeber , wie ihn der gröfste Philosoph des Alterthumes zu seinem besondern Zwecke fingirt , in der Wirklichkeit nie gab. Hiezu gesellt sich nun die Frage über das Alter der Benennung Europa , statt deren man sich aber gewöhnlich von Griechenland mit Asien. 175 mit der begnügte, ob Homer diese Benennungen der zwei Welttheile schon gekannt habe. Da nun der Name Europa in den zwei Hauptgedichten nicht vorkommt, und gerade nur in den Hymnen erscheint, die ihm mit Sicherheit abgesprochen werden können ; so ist von jeher die angenommenste Meinung, dafs der Name Europa nicht so alt sei als Homer : in welchem Falle es denn freilich zu verwundern wäre , dafs der appellativische Sinn desselben so wenig fühlbar und anerkannt ist, dafs Herodot, der doch dem Aufkommen dieses Namens so nahe an Alter sein mufste, so ganz an der Auffindung seines Ursprunges verzweifelte * ). Nicht ohne Konsequenz schlofs man indessen auch weiter, dafs Homer auch den Namen Asia nicht könne gekannt haben ; und wie Hermann wahr bemerkt, nur von dieser Voraussetzung rührt das thörichte Unternehmen der Alexandriner her , in dem Verse II. f, 461. statt ᾿Ασίῳ ἐν λειμῶνι zu schreiben ᾿Ασίω **) damit es der Genitiv von Aoías sei, dem Namen eines Heroen, von welchem Herodot sagt, dafs die Lydier den Namen Asia von ihm herleiteten. Von dem frühen Dasein des Namens Asia für diesen Theil von Vorder- Asien , an welchen allein Homer hier dachte, zeugen vielmehr gerade diese mythischen Personifikationen , wie dieser Asias und die Gemahlin des Prometheus Asia ; und nur jene ganz unpoetischen Kritiker konnten an der Echtheit der Lesart Anio zweifeln, welche auch Heyne durch sein Gefühl und durch die virgilische Nachbildung Asia prata gerechtfertigt, obgleich in den Text noch nicht genommen hat. Unbekümmert nun ob Homer auch den Namen Europa gekannt , beweisen wir eben so das hohe Alter desselben durch die mythischen Personen welche ihn führen.

  • ) Herod . 4 , 45. ἡ δὲ δὴ Εὐρώπη οὔτε εἰ περίῤῥυτός ἐςι γινώσκεται πρὸς οὐδαμῶν ἀνδρώπων, οὔτε ὁκόθεν τὸ οὔνομα ἔλαβε τοῦτο ,

οὔτε ὅστις οἱ ἦν ὁ θέμενος φαίνεται u. s . w. worauf er der Ableitung von der tyrischen Königstochter mit Verwerfung erwähnet, da ja diese nicht nur eine Asiatin gewesen , sondern ins eigentliche Europa auch nicht gekommen sei.

    • ) Ausdrücklich findet man diese Begründung bei Steph. Byz.

v . ᾿.4σία . 176 XX. Mythische Verbindungen Denn was kann die Nymphe Europa anders sein, die wir unter den Okeaniden bei Hesiodus verzeichnet finden? Und was kann die Europa anders sein , die eine Schwester des Kadmos , eines unleugbaren geographischen oder ethnischen Symbols ist ? Aber eben indem wir auf diesen zurückkommen, finden wir auch die richtige Lösung aller Fragen über die Europa. Bisher haben wir Europa als Korrelat von Asia betrachtet , was es auch ausgemachter Weise ist; nur nicht ursprünglich : die ursprüngliche Gegenbeziehung ist, wie wir deutlich in dem ethnischen Mythos sehen, die zwischen Kadmos und Europa. Nehmlich dafs der Name Europa in Asien entstanden sein mufs, haben wir oben gesehen ; aber er braucht nicht gerade bei den Klein - Asiaten entstanden zu sein : der Mythos zeigt uns, dafs sie selbst ihn von den weiter rückwärts wohnenden Völkern erhalten hatten, und zwar von den Phöniciern und Syrern, von welchen ein so grofser Theil der Bevölkerung Klein-Asiens, und ganz besonders alle umfassende geographische Kenntnifs ausging. Ist aber Europa ein Korrelat von Kadmos, welcher das Morgenland ist , so ist keine natürlichere Erwartung, als dafs Europa das Abendland bedeute. Nun heifst aber in denselben Sprachen, wo Kadm das Morgenland heifst, Ereb der Abend ; und mancherlei abgeleitete Formen von diesem Worte das Abendland, wovon denn eine in der Form Evoonŋ eine griechische Gestalt annahm. Nicht als wenn 'Epiß nicht eben so gut griechisch hätte gesagt werden können als "Eoßos; aber theils wissen wir die Vokalisation der orientalischen Form nicht , woraus die griechische zunächst entstanden ; theils waren die bedeutsamen Endungen ωπος , ωπη doch noch geläufiger. Aber merkwürdig ist dennoch die eben berührte Zusammenstellung mit "Epißos, das dem orientalischen Worte Ereb so gleich ist und Finsternifs bedeutet, da bekantlich nicht nur die Abendgegend bei Homer mit in dem Begriff ποτὶ ζόφον begriffen ist , sondern εὐρωπός selbst die Bedeutung finster bei Euripides hat ( s. die Lexika, welche es freilich von up ; herleiten) und endlich Hesychius die ausdrückliche Glosse hat Εὐρώπη , χώρα τῆς δύσεως ἢ σκοτεινή. Aber von Griechenland mit Asien. 177 Aber wohlverstanden , nicht die mythischen Personen selbst mufs man in Phönicien suchen ; von jenen Gegenden her kamen nur die Namen , die bei den andern Nationen in Eigennamen und so in Personen übergingen. Wo und wie dies geschehen, und wo und wie an die Europa der kretische Mythos und der die Nymphe tragende Stier und andre Attribute aus den assyrischen Götterfabeln sich ketteten, unberühret überlasse ich dieses andern. Untersuchungen, zufrieden die Namen der Geschwister Kadmos und Europa als deutliche Korrelate aus dem Gewirre der Mythologie ausgesondert, und die Symbole von Orient und Occident , von Asia und Europa darin gefunden zu haben , die sich in der griechischen Mythologie nothwendig in die Symbole der Verwandtschaft zwischen Phönicien und Griechenland verengten. 1 Ein andres Geschwisterpaar bietet uns zu unserm Zwecke dieselbe Genealogie dar, in welcher wir den Kadmos und die Europa finden. Der Vater dieser beiden , Agenor, der, wie ich in einer früheren Abhandlung aus den Zeugnissen der Alten selbst dargethan habe , das Symbol des Phönicischen Völkerstammes in Asien ist, hat in dem griechischen mythologischen System zum Bruder den Belos , also den grofsen Nationalgott aller Völker jener Gegenden , und diesem gibt dieselbe Mythologie zu Söhnen den Aegyptos und den Danaos. Jedermann kennt den abenteuerlichen Mythos dieses letztern, wie er aus Aegypten mit seinen funfzig Töchtern nach Argos schifft , wie seine funfzig Neffen ihm nachfolgen und wie aus der grofsen Hochzeit zwischen diesen zwei Familien nur Ein Bräutigam mit dem Leben davon kommt, Lynkeus , der der Stammvater der Danaiden und Perseiden in Argolis ist. Die wissenschaftliche Periode, in welcher es möglich war aus Mythen dieser Art trockne bedeutungslose Thatsachen zu entwickeln, einen wirklichen Mann Danaos in die Geschichte zu stellen , ihn chronologisch zu berechnen, ja sogar in der ägyptischen Geschichte ihn nachzuweisen in einem Bruder des Sesostris , der also der Aegyptos sein mufs ; diese Periode des Forschungsgeistes, die itzt kaum möglich scheint , und die auch unleugbaren Schaden geII. M 178 XX. Mythische Verbindungen stiftet hat in diesem Zweige des Wissens, durch die kaum zu vertilgenden Sehein-Thatsachen ; diese , sage ich , war doch nöthig, weil sie eine erste Stufe der Forschung überhaupt war, ohne welche die folgenden schwerlich möglich gewesen wären. Der Gewinn der kritischen Forschung, die wir itzt üben müssen, ist freilich für die , welche nur in der Häufung von Thatsachen den Werth der GeschichtForschung setzen, ein trauriger : die Aufdeckung nehmlich der Falschheit aller Personen und Angaben, besonders aller chronologischen Angaben aus dieser Zeit , und das aufstellen einer einzigen , in den allgemeinsten Ausdrücken abzufassenden Thatsache , die sich aus der mythischen Angabe,,,Aegyptos und Danaos waren Brüder," ergibt. Aavaoí war bis in die epische Zeit herab einer der uralten Nationalnamen der Griechen , ganz besonders der Griechen in Argolis. Also kann freilich Danaos kein Fürst des Namens gewesen sein : er ist nur Symbol dieses Volkstammes in Form eines Stifters , und in jenem Verwandtschafts- Verhältnifs liegt nur diese Thatsache: Eine alte Ueberlieferung war, dafs ein Theil der Bevölkerung von Argolis , wahrscheinlich ganz besonders ein Stamm oder Kaste darunter , die Danaer , aus Aegypten sich herschrieb. Eine Ueberlieferung , die grofse Unterstützung fand in den unleugbaren Spuren ägyptischen Ursprungs in den Religionen, Sitten und Künsten des griechischen Volkes. Diesen Danaos läfst die Sage in Argolis schon einen uralten Herscherstamm antreffen, die Inachiden, von einem personificirten inländischen Flusse so benannt. Der offenbare Sinn dieser mythischen Sage ist, dafs ein uralter einheimischer ursprungsloser Stamm schon in Argolis gewesen , dem sich der ägyptische nur beigemischt. Auch dies ist eine , durch viele innere und äufsere Gründe bewährte Thatsache, Aber so rein und konsequent wie die ersten und einzelen Mythen waren, bleibt das erwachsende Mythensystem nicht. Die Verwandtschaft von Argos und Aegypten stellt sich mehrfältig, dar , und findet sich auch schon in dem Geschlechte der Inachiden ; und die Historiker waren zum Theil, fast möchte ich sagen albern ge- von Griechenland mit Asien. 179 nug, auch den Inachos selbst für eine historische Person nicht nur , sondern für einen Aegypter zu erklären , der dann nach beliebter Manier dem Flusse den Namen gegeben. Und abermals nach Aegypten, wiewohl in einer andern mythischen Form, führt uns die Io, die bekantlich in der grofsen Verschiedenheit der Sagen theils eine Tochter des Inachos, theils dessen Nachkommin in langer Linie ist. Wir müssen aber die Io noch mit einigen andern Namensformen in Verbindung betrachten. Im Aratus v. 179. wird Kepheus genannt Iasides Wobei folgendes Scholion ist διὰ τὸ ἔχειν τὸ γένος ἀπὸ Ινάχου , ohne Zweifel verschrieben für Ἰάσου ; dann führt es aber fort ἢ ἀπὸ μητρὸς αὐτὸν κατωνόμασεν . Οὐ γάρ ἐςιν ὁ Κηφεὺς ᾿Ιάσου, ἀλλ᾽ Ἰοῦς τῆς Ινάχου . Ιασίδαο οὖν ὡς υἱὸς Ἰοῦς. Ἰοῦς γὰρ Ἔπαφος, οὗ Λιβύη , ἧς Βῆλος, οὗ᾿Αγήνωρ *), οὗ Κηφεύς. Je auffallender es sein kann, dafs von Io Iasides gebildet sein soll , je weniger kann es dieser Scholiast aus sich selbst genommen haben : ohne Zweifel war also von einer Verwandtschaft der beiden Namen Io und Iasos etwas in den Ueberlieferungen : womit denn das genau zusammenhängt, dafs Io nach der einen Sage Tochter des Iasos ist. Nehmlich unter den ganz thater.losen Namen der Inachischen Genealogie erscheint mehr als einmal der Name Iasos. Bei Apollodor ist Iasos , der Vater der Io , ein Sohn des Argos, dieser ist aber selbst wieder Enkel eines Iasos , der wieder Sohn eines ältern Argos ist. Hievon weicht ab eine Nachricht aus Hellanikus bei Schol. und Eust. ad Il. 7, 75. Phavor. v. "Agyos , wonach entweder Phoroneus oder Triopas , beides Inachiden , drei Söhne gehabt, Pelasgos , Iasos und Agenor , wovon die beiden ersten den Peloponnesos unter sich getheilt , Agenor aber kein Land sondern die Pferdezucht seines Vaters erhielt, und daher späterhin mit seiner Reiterei das ganze Land überzog. Und von diesen drei Brüdern leitete Hellanikus die drei Beinamen von Argos ab Πελασγικόν, Ιασον und

  • ) Diese Abweichung , wonach Agenor nicht Bruder sondern

Sohn des Belos ist, findet sich nur noch bei spätern Dichtern Nonnus lib. 1. und Tzetz. Chil. 7, 117. M 2 .180 XX. Mythische Verbindungen Innúßotov. Nehmlich ein einzigmal in den auf uns gekommenen Monumenten , in der Odyssee σ, 246., kommt die Form "Iacos als geographische Benennung vor, indem Argos, das dort, wie so häufig, für den ganzen Peloponnesos steht, "Iaoov "Agyos genannt wird. Κούρη Ικαρίοιο, περίφρων Πηνελόπειο , Εἰ πάντες σε ἴδοιεν ἀν᾿ Ἴασον Αργος ᾿Αχαιοί. Diese Benennung hat bis itzt niemand auf eine andre Art zu erklären gewufst, als auf die in jenem Scholion enthaltene , dafs nehmlich von dem Namen eines alten Herschers "Iaoos Argos , gegen alle Analogie , das adjektivische Beiwort "Iagov erhalten habe. Noch niemand ist es beigekommen die Sache umzukehren, wie man doch offenbar mufs. Aus dem homerischen Beiwort "Iaoos, "Iαoov erklärt sich der mythische Iasos ; der , wie sich das eigentlich schon deutlich genug in den vorgetragenen genealogischen Mythen ausspricht, die Personifikation eines ethnischen Namens ist. Also war "laoo einer der Volksoder Stammnamen des pelasgisch- argeischen Völker - Gemisches ; wofür man denn auch in patronymischer Form sagte Ἰασίδαι * ). Nach allem diesem denke ich den Sprach- und Alterthumskenner leicht zu überzeugen, dafs dieses "Iαoos weiter nichts ist als eine Nebenform des bei andern Stämmen in der Form "Iov gangbarer und bekanter gewordenen einen Haupt - Stammnamens der griechischen Nation. Jedermann weifs dafs die alte Form auch dieses Namens eigentlich ist Ἰάων, Ιάονες woraus die alte orientalische Benennung dieses Volkes Javan entstanden ist. Die Buchstaben ' Ia enthalten also die Wurzel dieses Namens, woher denn auch die Formen 'Taxós, ionisch, und 'Tάs. Diese letztere ist in der gangbaren Sprache zwar nur noch in

  • ) Strab. 8, p. 371. , wo er es von dem Ruhme der uralten

Stadt Argos herleitet , daſs auch die übrigen Griechen Pelasgioten und Danaer und Argeier hiefsen , setzt hinzu : οὕτω δὲ καὶ Ἰασίδας καὶ Ἴασον Αργος καὶ ᾿Απίαν καὶ᾿Απιδόνας οἱ νεώτεροί φασιν : WO ich das νεώτεροι nicht recht verstehe , da doch " Ιασον " Αργος we nigstens dem Homer gehört. von Griechenland mit Asien. 1 181 weiblicher Verbindung : aber es ist anerkannt, dafs nur in der spätern Sprache die Adjectiva auf as und is Gen. dos dem Feminino vorzugsweise angehören , da sie ursprünglich allgemein waren, und auch in mehren Wörtern wie quyás, yórvis u. s. w. so geblieben sind. Nun gibt es aber auch eine seltnere adjektivische Form auf σος κ. Β. τιθασός μέdvoos, von welchen Wörtern es einleuchtet, daſs sie nur eine Verlängerung sind von τιθάς, μέθυς , die der Analogie von us, ouyukus und anderen entsprechen. Gerade so verhält sich aber auch die Form "laoos, welche also mit Ιάς, Ἰάων und Ἴων ohne allen Zweifel zu verbinden ist. Man mufs nehmlich die Vorstellung ganz aufgeben, in welche die von den Grammatikern geregelten mythischen Genealogien uns eine Zeitlang wohl versetzen können, als wenn die mannigfaltigen griechischen Stammnamen wirklich lauter Unterabtheilungen seien , vermöge de-. ren also jeder griechischen Nation nur etwa ein Hauptund ein besondrer Name zukäme. Diese verschiedenen Benennungen durchkreuzen sich so sehr , und einer und derselben Nation werden so viele zugleich zugeeignet, dafs es nur gelingt gewisse Hauptabtheilungen zu machen, in deren jeder gewisse Stammnamen mehr vorherschen als in andern. Die sicherste dieser Art ist die , welche auf die bekante Herodotische Angabe ( 1 , 56.) gegründet ist, nach welcher der Name der Hellenen hauptsächlich den Doriern, der der Pelasgen aber den Ioniern zugehört. Zu diesem weitläuftig genommenen pelasgisch - ionischen Stamm gehören nun aber auch die drei bei Homer schon als wesentlich einerlei abwechselnden Namen Argeier , Danaer und Achaier ; obgleich alle diese Namen vielfältig in der Geschichte wieder als ganz specielle Namen einzeler gröfserer oder kleinerer Stämme in allen Theilen Griechenlands vorkommen. Sehen wir nun aber blofs auf jene grofse Eintheilung, so bewohnten vor der sogenannten Rückkehr der Herakliden , die Hellenen oder Dorier das obere und innere Hellas , die Pelasgen oder Ionier aber Lauptsächlich die Küstenländer mit dem ganzen Peloponnesos. Daher also eben jene uralte Bekantschaft des Namens Iaones oder Ionier weit in Asien hinein. Dafs nun, 4 182 XX. Mythische Verbindungen obgleich Argos und Argolis zu diesem Pelasgischen oder Ionischen Hauptstamm gehört , der Name "Iov in der argeischen Mythologie und Ueberlieferung nicht erscheint, das liegt eben an jener besondern Form desselben, Iasos, die man verkannte. Nach dieser Vorausschickung kann es also nicht mehr befremden, wenn ich auch in dem Namen der Io die Personifikation dieses griechischen Hauptstammes erkenne, die sich neben den männlichen Symbolen, welche die Namen Ion und Iasos führen , eben so bildete und erhielt, wie aufser dem Danaos auch eine Danae : und so wie diese in den genealogischen Systemen dem Danaos als Nachkommin untergeordnet worden , gerade so Io den mehren Iasis im Inachischen Stamm. Da aber , so wie "Iwv eigentlich 'Iάoov ist , so auch nach dieser Voraussetzung der Name 'Io ursprünglich wird 'Iao gelautet haben ; so kommt allerdings die obenerwähnte Bemerkung jenes Scholiasten der die. Benennung 'Iaoidns von der Io ableitet, unserer Annahme ziemlich entgegen. Diese Io nun ist Mutter des Epaphos, der nach Herodots Aussage einerlei ist mit dem Apis, was der Sprachkenner sehr gern anerkennt , da Epaphus weiter nichts ist als der auf orientalische Art verdoppelte Stamm des Namens Apis in griechisch geläufige Töne gekleidet * ) . Und so haben wir also hier wieder eine Verwandtschaft- Verbindung zwischen zwei Personen, um das Verhältnifs zwischen Griechenland und Aegypten anzudeuten ; nur daſs bei diesem Paar das Symbol der ägyptischen Nation nicht durch die Personifikation eines Volksnamens , sondern in der Person eines Nationalgottes dargestellt ist. Desto natürlicher war nun hier die bei der Europa schon beobachtete allmähliche Vermengung des griechischen Volks-Symbols Io mit jener orientalischen Göttin , welche sich durch dichterische Ausführungen und durch die Mannigfaltigkeit der Mythen so festsetzte, dafs nun freilich in der Io weiter nichts als diese letzte Vorstellung zu erkennen ist. -

  • ) Ein Freund mahnt mich an den ägyptischen Artikel, wonach

also ' En- aus Пɛ- gräcisirt sein könnte ; und er hat vielleicht recht. von Griechenland mit Asien. 183 Ich mache indessen noch aufmerksam auf das gegen die gangbarste Vorstellung von dem Zusammenhange zwischen Griechenland und Aegypten, umgekehrte Verhältnifs. Die griechische Heroine ist Mutter des Symbols der Aegypter. Ich sehe mich nicht veranlafst hierin etwas anders als den jeder Nation eignen Nationalstolz zu erkennen. Verbindungen und Verwandtschaften, welche der ruhige Forscher so ansieht, dafs seine eigne Nation von einer itzt fremden, die älter und berühmter ist, ihre Abstammung, ihre Kultur, ihre Sitten habe , dreht nicht selten die alte Sage um. Die eigne Nation ist die älteste, von ihr gehen die Keime von allem aus was bei andern Nationen, die man für verwandt erkennet, gefunden wird. Ganz denselben Fall gewährt das vierte mythische Paar, das zu meinem heutigen Zweck gehört, Danae und Perseus. Die Unmöglichkeit in dem Namen Danae das Symbol desselben Namens der griechischen Nation zu verkennen , den wir im Danaos bereits erkannt haben , berechtigt zu gleicher Annahme für den Perseus in Absicht der Perser, welche nach so alten Nachrichten wie die, welche Herodot vorfand , von dem Perseus abstammen sollten . Daſs die mythologischen Systeme diese Abstammung erst wieder durch einen Sohn des Perseus, Perses, durchgehen lassen , ist nur ein zu leichterer Anknüpfung des persischen Stammes an den in die griechische Mythologie so verflochtenen Helden gemachter Zusatz. Die wirkliche nahe Verwandtschaft der Perser mit den europäischen Völkern , namentlich mit den Griechen , ist aus den sichersten Beweisen , den aus der Sprache genommenen, längst anerkannt. Kein Wunder also, wenn bei dem argeisch-ionischen Stamm , der durch Lage und Verkehr den Asiaten am nächsten war, auch religiose Beziehungen in Mythen sich erhielten, welche diese Verwandtschaft bezeugten. Ich sage religiose Beziehungen ; denn die Fabel des Perseus hat so durch und durch das Gepräge der alt - asiatischen Mythologien die wir kennen , daſs in ihm die Person irgend eines dortigen Dämons , den genauere Kenner besser enthüllen werden , deutlich sich 1 184 XX. Mythische Verbindungen 1 darthut *). Diesen Dämon heftete nun die disseitige Sage an den Namen der persischen Nation selbst : und so haben wir abermals , wie in der Europa und der Io , eine fremde religiose Vorstellung mit einem einfachen Volkssymbole verbunden. Das griechische Volk aber behauptet wieder sein Nationalrecht , und Danae ist Mutter des Perseus, der als argeischer Held nun auftritt **). Nachdem wir vier solcher Paare in der grofsen Genealogie, die von Inachos ausgeht, gefunden, bieten sich mir als das fünfte dar Iasion und Dardanos, Dafs ich in dem erstern , der bei Hesiodus auch Iasios heifst, wieder den Iasos oder Iaon , d. h. den uralten ionischen Hauptstamm erkenne , wird sich von seiten der Namens form wol gewifs leicht empfehlen. In der Sache selbst aber , was kann einleuchtender sein als die ethnologische Verbindung der Troer und der Griechen in zwei so uralten Namen und Stämmen wie die Dardaner und Iaoner; in welchen beiden pelasgischer Urstamm von je ist anerkannt geworden, und die auch nachbarlich verbunden waren. Denn was schon längst dem denkenden Geschichtforscher sich aufgedrungen hat , nicht seit Kodros erst wohnten die Jonier in Asien ; sondern iaonische Stämme wohnten von jeher hüben und drüben ; durch welche Verwandtschaft denn eben Kolonien, wie die, welche Neileos nach der Sage angeführt hat , erst bestimmt wurden sich bei jenen niederzulassen ; wo sie nun, als Stifter vermuthlich eines erhöhten politischen Vereins , den geschichtlichen Ruhm allein davon trugen. Dafs aber von Iasion aus keine Stammlinie , wie von andern Stiftern geht, ist mehr für unsere Annahme als dagegen. Nicht Stifter suchen wir , deren durchgeführte Genealogie erst das Werk hinzutretender Mythologen ist ; sondern alte Symbole, die

  • ) In meiner Abhandlung über den Ursprung der Gestirne auf

der griechischen Sfäre habe ich die Vermuthung vorgetragen, daſs der Perseus am Himmel mit dem Schreckbild der Medusa der Ursprung des ganzen Mythos ist.

    • ) Ich werde weiter unten noch mit einigen Bemerkungen

auf den Perseus zurückkommen. von Griechenland mit Asien. 185 für sich eine einfache mythisch ansgedrückte Thatsache darbieten. Iasion und Dardanos sind Brüder , Söhne des Zeus und der Elektra ; dies für sich ist ein ethnischer Mythos : woran denn aber vieles sich knüpfen kann. Und von dieser Art ist namentlich die mythische Rolle des Iasion in der Fabel der Demeter. lasion ist der Geliebte dieser Göttin, die mit ihm den Plutos zeugte. Ohne Zweifel liegt hierin nur ein Vorzug und ein Lob dieses altgriechischen Stammes, das keiner weitern Erläuterung bedarf. Aber begreiflich ist , wie in den Mysterien dieser Mythos sich weiter ausspann, so dafs das alte Volks- Symbol' wieder in den Hintergrund trat , und zuletzt ebenfalls einem dämonischen Wesen weichen mufste ; wenn anders auf die Nachricht des Diodor (5, 49.), daſs Iasion zuletzt unter die Götter versetzt worden, soviel zu geben ist *). Ich glaube nach diesen Vorgängen für mein sechstes Paar keine ungünstige Aufnahme befürchten zu müssen. Es ist Phryxos und Helle. Wie Danae zum Danaos, wie Io zum Iasos, so verhält sich Helle zum Hellen ihrem Urgrofsvater im zusammengewebten mythologischen System. Dafs von einem historischen oder mythischen Weibe Namens Helle, der Hellespont den Namen habe, wird niemand glauben : aber daſs von den zwei Durchfahrten zum

  • ) Im Schol. Lycophr. 219. werden die Söhne der Elektra genannt Дάgdavos xaì ' Heriwv, und Schol. Apollon. 1 , 916 hat, wahrscheinlich aus Hellanikus καὶ ᾿Ηετίωνα ὃν Ἰασίωνα ὀνομάζουσι .

Dies kann aber die obige Darstellung nicht zweifelhaft machen : denn da doch , wie wir sehen , wirklich statt des Namens Taoiov auch 'Hɛtion gesagt ward, so konnte dies geschehen, mochte der Name herkommen woher er wollte. Merkwürdig ist nun daſs der Name ' Hɛrior auch weiter in der dortigen Mythologie vorkommt, wie aus Homer bekant ist, s. Il. ¿, 395. g, 43. "Tavos, 'Iάoios, 'Iαolov ist also ohne Zweifel die echte griechische Form gewesen und 'Hɛtiv die troische Verderbung. Auch das mufs ich anführen, dafs in dem Pariser Exemplar des Schol. Apollon. statt der angezogenen Worte steht καὶ Ηετίωνα , ὃν καὶ ῾Ησίωνα ἐκάλουν . Ich würde dies als blofsen Fehler verwerfen ; wenn nicht der ebenfalls dort einheimische Name Hotóvn mich bedenklich machte. Häglich dafs von ᾽Ιασίων dort sowohl ‘Ησίων als ' Ηετίων in den Mundarten war. 186 XX. Mythische Verbindungen Pontus der nördliche der thrakische, der südliche der griechische hiefs, scheint nicht unpassend zu sein. 'ElλýónovTos ist also eine euphonische Verbindung von Ehhŋv und nóvτos, die man nachher trennen zu können glaubte : und so verflocht sich dieses Meer in den Mythos der Helle, deren Name auch nach dieser Darstellung doch darin steckt. Der Name aber Poucos verhält sich zu dem gangbaren Volksnamen dous genau wie nach unserer obigen Darstellung "Ianos zu 'Iás. Zwar wird itzt gewöhnlich Phrixos geschrieben , und die Schreibart mit dem v, welche die Codd. häufig darbieten , für fehlerhaft erklärt. Allein theils ist selbst dieses mit unserer Annahme vereinbar , da ja ein Nebenstamm der Phryger Briger hiefs, theils enthält die Fabel dafs Ino das Saatkorn dörrte (pouya ) , und darauf eine Nachstellung gegen diese ihre Stiefkinder gründete , eine unverkennbare mythische Anspielung auf den Namen des Phryxos oder der Phryges, wenn gleich die ausdrückliche Anwendung bei Apollodor fehlt. 1 Was nun das historische von unserer Deutung betrifft, so ist es gewifs dafs nicht nur die beiden gegenüber liegenden Küsten von Griechenland und Kleinasien mit verwandten Völkern besetzt sind : sondern auch von den inländischen und nördlichen Völkern Kleinasiens die anerkannten Verwandten auf dem europäischen Kontinent von Thrakien an , zu finden sind. Die Thrakier auf beiden Seiten der Meerengen , die Namen der Thyner und Bithyner, der Phrygier und Briger , der Päonen in Asien und Europa bezeugen es deutlich. Und hiemit stimmt das aufs beste überein , daſs in dem vorliegenden Verwandtschafts- Mythos von den vielen griechischen Stammnamen gerade der der Hellenen zu erkennen ist : denn auch diese sind in Griechenland ursprünglich die zu innerst und nach Norden hin wohnenden. Bei diesen also hatte sich die Sage ihres alten Zusammenhangs mit dem innern Kleinasien und den Phrygern erhalten ; der folglich zu Lande, ich meine, nur über ein so schmales Meer wie der Hellespont , mufs statt gefunden haben; wiewohl ich nicht eben hierauf den Namen dieser Meerenge und die Dich- von Griechenland mit Asien. 187 tung vom Fall der Helle in denselben deuten will. Diese alte Sage , die sich in die Fabel eines Zuges beider Geschwister über den Hellespont bildete , nahm bald durch Zumischung anderer Mythen eine feenmässige Gestalt an, worin der einfache Sinn sich ganz verlor, und so geht die Fahrt des Phryxos in der Fabel nun , nicht nach Kleinasien , sondern nach Kolchis : theils weil dies entfernte Zauberland besser für den Zweck der Erzählung paſste, theils aber und hauptsächlich weil dieser Mythos nun schon von den Sängern dem von dem Argonautenzug angefügt war. Aber schwer wird es mir werden , gegen das eingewurzelte Vorurtheil durchzukommen mit dem siebenten Paare, Iason und Medea. Nicht zu glauben an Iason und an jene Abenteurer, deren kühne Fahrt soviel Eindruck machte auf ihre Zeitgenossen , daſs die Erzählung davon, mit einigen Zusätzen freilich, auf die späte Nachwelt sich erhielt, dies möchte von manchem schwerer verziehen werden , als alle Zweifel an der biblischen Geschichte. Und sonderbar ist es : ich übernehme es , diesen Verfechtern nicht nur die Unglaublichkeiten jeder Art , sondern auch Kolchis und jede einzele geographische und historische Bestimmung als Ausführung der Epiker nach und nach abzudingen; und wenn dann ungefehr soviel übrig ist , als man ohne Historie wissen kann , dafs nehmlich ein griechisches Schiff einst das erste gewesen , das tiefer in den Pontus drang als seine Vorgänger ; wenn ich dann nur den Namen Iason und ungefehr das Jahrhundert ante Christum stehen lasse , worin diese Begebenheit zu berechnen die alten Chronographen es sich so sauer haben werden lassen ; dann - hat die Geschichte eine Thatsache. Doch ich folge meinen Analogien ; mag eine fortgesetzte Kritik sie prüfen. Für den Iason habe ich mir durch die Iasos , lasios und Iasion schon den Weg gebahnt; und das gedehnte a, wenn es für diese in der epischen Zeit ausgebildeten Namenformen solcher Erörterungen überhaupt bedürfte, ist durch die gleiche Quantität im Namen Ἰάων, daher auch ionisch Ἰήων und Ιήσων , hinrei- 188 XX. Mythische Verbindungen · chend belegt *). Dafs der argeisch - pelasgische, und also auch ionische oder iasische Stamm in Thessalien wohnte wie im Peloponnesos, ist bekant ; und der Zusammenhang namentlich zwischen dem thessalischen und dem argolischen Argos ist in den Mythen durch sichere Spuren angedeutet. Das Symbol dieses iaonischen Stammes in Form eines Helden konnte also sehr füglich von der thessalischen Sage ausgehen ; ja einen sprechenden Belag dafür gibt uns eben die Stadt Iolkos , die Iasons Heimath war, • und an dem Busen lag , woraus die mythische Argo ausfuhr ; da dieser Name in seiner älteren Form , 'Tawλxós, buchstäblich eine Anfuhrt oder Hafen der Iaoner ausdrückt. Man sieht also wie vortrefflich begründet die Namen Iason und Iolkos in einem Mythos sind , der die Symbole des ältesten Verkehres zwischen Griechenland und dem entfernten Asien enthält. Denn das versteht sich , dafs solche Symbole die Gestalt einer einzelen Begebenheit annehmen; das versteht sich, dafs die Dichter diesen herrlichen und reichen Stoff zu immer ausgeführteren und ausgeführteren Erzählungen benutzten, bis jene grofse Epopöen entstanden, woraus erst die Mythologen ihre schmuckloseren Darstellungen, und dann aus diesen die Geschichtforscher ihre Schein - Thatsachen auszogen. Dafs zu diesen poetischen Ausführungen auch die Notiz von den aus allen Theilen Griechenlands aufgebotenen Helden gehört, bedarf wol kaum der Bemerkung. Wem jedoch diese Form mythischer Erweiterung noch fremd sein sollte , der vergleiche nur bei Apollodor und anderen das Verzeichniss der Helden die gegen den kalydonischen Eber auszogen, oder derer die nach Sparta gingen sich um die Helena zu bewerben : woraus sich denn auch ein Theil der Kritik über den trojanischen Feldzug ergeben wird.

  • Dafs auch die Aussprache ' Iuowv alt und echt gewesen, dafür läfst sich sogar eine Autorität, nehmlich der alte Hexameter

auf dem Kasten des Kypselos bei Pausanias anführen : Mýdɛiar Ιάσων γαμέει, κέλεται δ᾽Αφροδίτα : denn an andere Wege dies zu vermeiden , läfst das noch gröfsere Wunder Aέvasv ebendaselbst (Kap. 19. ) nicht wohl denken. von Griechenland mit Asien. 189 ་ Die Deutung der Medea auf die Meder ist bekantlich keine neue Erfindung , da bei allen Mythographen nicht nur, sondern auf der attischen Bühne sogar die Ableitung des Namens jener Nation , entweder von der Medea selbst oder von ihrem Sohne Medos , gäng und gäbe war *). Ja diese Deutung ist so alt als die ältesten auf uns gekommenen Abfassungen der Mythen von der Medea. Denn zuförderst könnten wir wohl zufrieden sein mit dem Alter einer Angabe die Herodot schon vorfand, welcher 7, 62 von den Medern dieses schreibt : ἐκαλέοντο δὲ πάλαι πρὸς πάντων῎Αριοι · ἀπικομένης δὲ Μηδείης τῆς Κολχίδος ἐξ ᾿Αθηνέων ἐς τοὺς ᾿Αρίους τούτους, μετέβαλον καὶ οὗτοι τὸ οὔνομα . αὐτοὶ δὲ περὶ σφέων ὧδε λέγουσι Μῆδοι. Wobei wir die Nachricht , dafs die Meder selbst dies von ihrem Namen und der Medea sagen, der Einfachheit des Berichterstatters zu Gute halten müssen , der auch gleich anfangs, als Aussage der Perser , unter andern anführt , die Griechen hätten dem Gesandten des die Medea zurückfodernden Aeetes in Kolchis geantwortet , auch jene , die Asiaten nehmlich , hätten ihnen keine Genugthuung gegeben für den Raub der Io von Argos. Was aber Herodot den Medern selbst in den Mund legt , mufste nothwendig eine schon aus alter Mythologie verarbeitete Sage sein. Desto sicherer können wir also auch , als eine dasselbe enthaltende altepische Stelle anführen diese Verse der Theogonie 1000 ff. > 1 Καί ῥ᾽ ἡγε δμηθεῖσ᾽ ὑπ᾽ Ιήσονι ποιμένι λαῶν Μήδειον τέκε παῖδα , τὸν οὔρεσιν ἔτρεφε Χείρων Φιλυρίδης, μεγάλου δὲ Διὸς νόος ἐξετελεῖτο . Dieser Μήδειος heifst bei den spätern Μῆδος, aber selbst bei Justin (42, 3.) noch Medius oder Medeus , und alle nennen ihn als den Stifter des medischen Reichs. Da er nun auf keine ersinnliche Art in den Mythos gekommen sein kann, als um eben die Ableitung der Meder von der Medea in gewöhnlicherer Form darzustellen , so ist durch die hesiodische Stelle das Alter dieser Ableitung darge-

  • ) S. Heyne zu Apollodor 1 , 9, 28. Diodor. 4, 56.

190 XX. Mythische Verbindungen than. Wobei auch das nicht darf übersehen werden, daſs die Meder nach einer ältern griechischen Form Mýdlo genannt wurden * ) , und dafs , zum Ueberflufs , auch der Name Mida selbst buchstäblicher mit dem Landesnamen zusammenhängen scheint als man glaubt. Dionysius sagt nehmlich in seiner Weltbeschreibung v. 1026. von der nach Medien kommenden Medea, ὁμώνυμον ἵκετο γαῖαν. Ob ein grammatischer Dichter sich dieses Ausdruckes bedient haben würde, in Beziehung auf die Namen Mdata und Mdía, lässt sich schon bezweifeln. Aber auch Eustathius sagt nichts dazu als nur dafs Dionysius hätte sagen sollen лαρшóvνμov ,, nach ihr benannt : " er selbst aber hat die Form Mndia nicht, sondern zweimal, vom Lande, tñs MŋSɛías ; und eben so steht ohne alle Variante bei Xen. Hell. 2, 1 , 8. ( 13.) Anab. 7, 8, 14. (25.) Athenaeus 14, p. 654. c.; und an vielen andern Stellen ist diese Schreibart in den Handschriften, unter andern in zahlreichen bei Apollodor 1 , 9, 28. der Akkusativ Mydear, in welcher Form also auch die dem Frauennamen gleiche Betonung sich zeigt. Dafs aus Midos die Form Mydia regelmäfsig entstand und gebraucht ward , bezweifle ich nicht ; aber höchst wahrscheinlich wird es durch das angeführte , daſs Mýdla auch für das Land eine rechtmässige und zwar die ältere Form gewesen ; wodurch also Mýdaα , die Frau, ganz wie ᾿Ασία , Λιβύη , ᾿Ατθίς und viele andere eine Personifikation ohne Aenderung der Namensform wird. Ja sogar der orientalische Name der Meder Madai kommt nun aufs möglichste entgegen den griechischen Namensformnen Μήδεια, Μήδειος, Μήδειοι. Wenn man, wie auch glaub' ich schon geschehen ist, Zweifel erregen wollte über die Echtheit jenes ganzen Anhangs an die Theogonie, wozu die angeführten Verse gehören, von v. 963. an, so würde dies erstlich für den gegenwärtigen Fall wenig helfen , da man , wie wir gesehn haben, an Herodot eine so mächtige Grenze findet. Aber

  • ) S. diese itzt wieder hergestellte Lesart bei Pindar Pyth. 1 ,

151. und in Böckh's Note den Beweis dazu aus Eust. ad Dionys. Perieg. 1026 und Steph. Byz. v. Mydia. von Griechenland mit Asien. 191 überhaupt wird es hoffentlich niemand einfallen, das hohe Alter wenigstens , auch dieses Theiles anzufechten ; wozu vielleicht die unerwartete Erscheinung des Latinos v. 1013. verführen könnte. Aber man sehe nur auch diese Stelle genauer an , um das kenntnifslose Zeitalter deutlich vor sich zu haben. Unter den Göttinnen , heifst es , welche Sterblichen beigewohnet, habe Kirke mit dem Odysseus gezeugt ῎Αγριον ἠδὲ Λατῖνον ἀμύμονά τε κρατερόν τε Οἳ δή τοι μάλα τῆλε μυχῷ νήσων ἱεράων Πᾶσιν Τυρσηνοῖσιν ἀγακλειτοῖσιν ἀνασσον. Hier ist wahrlich kein Einfluss der später bekant gewordenen italischen Sagen zu erkennen. Wohl aber erkennt man die Zeit wo einige lose Notizen von fernen Völkernamen einfach personificirt an die eigenen Mythen geknüpft werden , und darunter sogar mit einer Naivität die der späteren Zeit schwerlich eignete, einen "Ayquos als Personifikation der ayolo oder Wilden, von welche die dorthin Verschlagenen zu erzählen wufsten * ). So bestätigen sich also gegenseitig , in Absicht des hohen Alters dieser Personifikation , die beiden nach entgegengesetzten Weltgegenden hin wohnenden Völker Λατῖνοι und Μήδειοι. Eine nicht verwerfliche Annahme wäre allerdings auch die, dafs mitunter der Name einer mythischen Person die Veranlassung gegeben habe , die ähnlichnamigen Völker von ihr abzuleiten . So könnte Пɛooεùs der Zerstörer sein, und Midaa von tò μndos herkommen. Für unsern vorliegenden Zweck ist auch jene reine und diese gemischte Personifikation so völlig gleichgültig, daſs ich es vielmehr, um vor aller Einseitigkeit zu bewahren, für diese ganze Gattung gern offen lasse, sobald anderswoher hinreichende Begründung dazu vorhanden ist, ein mythisches Völker - Symbol so anzusehen. Aber um eine blofs moralisch-poetische Person, dergleichen ein so gemachter Name voraussetzen würde, zu erkennen, dazu ist weder in der Dichtung von Perseus und von Medea, noch in der Erfindung dieser Namen nach

  • ) Diesen merkwürdigen Zug hätte man beinah hinweggeschafft

durch eine angebliche Besserung "Adgios für das dortige Meer. 192 XX. Mythische Verbindungen jenen Etymologien, Andeutung genug, daſs dadurch die so klaren ethnischen Beziehungen , verbunden mit den buchstäblichsten Uebereinstimmungen in der Namensform, sollten überwogen werden. Hiezu kommt für die Medea noch besonders die Uebereinstimmung mit andern Namen aus ihrer Verwandtschaft , da ihr Vater Aeetes auf Aea oder Kolchis, und dessen Mutter Perseis , so wie sein Bruder Perses, auf Persien deuten. Ganz besonders noch thun sich alle diese Personen als , Symbole innerasiatischer Völker dadurch kund , dafs sie Zauberei und geheime Künste üben, deren Vaterland immer dort war. So haben wir die zauberische Natur im Perseus anerkannt *) ; und vom Perses, dessen Fabel übrigens ganz verloren ist, sagt Hesiod (bei dem er aber ein Sohn des Titanen Krios ist dafs er πᾶσι μετέπρεπεν ἰδμοournow , womit es denn genau zusammenhängt , dafs Hekate seine Tochter ist ; Aeetes endlich ist als Zauberer hinreichend bekant. Ganz vorzüglich aber standen von jeher die Meder durch ihre Magier im Ruf dieser Künste, welche mit der Kenntnifs der Kräuter und einer abenteuerlichen Arzneikunde verbunden waren. Daber übt denn auch besonders das Symbol dieses Volkes , Medea, solche Künste in Griechenland aus ; und natürlich stellt dies die Mythologie dann konsequent so vor, dass sie diese Kenntnisse zu den Medern gebracht habe **). Derselbe Gegenstand wird aber auch noch auf eine andere Art mythisch begründet. Hesiod sagt , wie wir gesehen haben, von dem Medeios, dafs ihn Chiron erzogen habe. Dieser Um-

  • ) Hängt es vielleicht hiemit zusammeu , daſs er der einzige

mächtige Sterbliche ist , der sich dem Dionysos nicht nur ungestraft widersetzt, sondern ihn und sein Bacchanten-Heer auch völ lig besiegt hat ? Die Nachrichten davon sind bei Pausanias 2, 20 und 22. und gehören zu einem konsequent durchgeführten Mythos ; daher man ebend. 23. von einer Versöhnung zwischen beiden Kriegern liest, worauf dem Dionysos grofse Ehren und ein heiliges Grundstück von den Argeiern zuerkannt worden.

    • ) Dionys. Perieg. 1025 ff. von der aus Attika vertriebenen

Medea - - ἐς δὲ βαδεῖαν Πλαζομένη κατὰ φῶτας ὁμώνυμον ἵκετο γαῖαν Οὐ μὲν ἑκὰς Κόλχων Τούνεκεν εἰσέτι νῦν πολυφάρμακο . ἄνδρες ἔασιν Χώρὴν ναιετάοντες ἀπείριτον . --. von Griechenland mit Asien. 193 Umstand, der sonst, wie bekant, nur von den berühmtesten Helden erwähnt wird, steht hier bei einer für die griechische Mythologie völlig thatenlosen Person so unbegründet , daſs man sich bisher nur darüber gewundert hat *). Wir sehen itzt deutlich wieder ein Beispiel darin zu dem oben aufgestellten Satz , dafs die Griechen die Keime dessen, was bei andern Völkern merkwürdig war, auf mythische Art aus ihrem eigenen Vaterlande kommen liefsen. Ueber die frühe Bekantschaft der Griechen mit den Namen solcher entfernten Völker Asiens , die durch diese Deutung so alter Mythen vorausgesetzt wird , darf man sich übrigens nicht wundern. Diese mythischen Personen und die damit verbundenen ethnologischen Notizen kamen den Griechen in Verbindung mit den vielen andern asiatischen und phrygischen Sagen zu , und verbreiteten so eine dunkle Kenntnifs von jenen Völkern , während die Personifikationen derselben sich an die heimischen Mythen anknüpften, und so nun zum Theil freier sich ausbildeten. Die Kunde von altem Wasserverkehr des iaonischen Stammes nach dem Pontus, gab die natürlichste Gelegenheit diese Verbindung , in Absicht der Medea, durch eine Entführung einzuleiten. Und so kann , wenn nicht noch andere Winke hinzutreten , der Mythos von Iason und Medea allein schon die Veranlassung zu der Fabel vom Argonautenzug gegeben haben.

  • ) S. Heyne in Epist. crit. ad Wolf. hinter des letztern Aus...

gabe der Theogonie S. 158. II. N 194 XXI. Die Minyae XXI. Ueber die Minyae der ältesten Zeit *). Unter den Namen griechischer Stämme zieht der der Mirian durch sein hohes Alterthum und mythischen Ruhm die Aufmerksamkeit auf sich ; und befriedigt sie doch durch die Vereinzelung der Nachrichten und durch das Unzusammenhangende der Erscheinungen so wenig, dafs es der Mühe zu verlohnen scheint auch nur alles das zusammenzustellen, worin der Name mit mehr oder minder historischer Bedeutsamkeit vorkommt. Dies soll der eigentliche Gegenstand gegenwärtiger Abhandlung sein, ohne daſs ich mir es jedoch versagen werde, einige Winke, die sich mir aus meinem Gesichtspunkte darbieten, zu verfolgen. (1 Bei aller jener Einzelheit der Erscheinungen des Namens der Minyae ist doch eine grofse Uebereinstimmung in der Nachricht, welche die Stadt Orchomenos in Böotien zum Hauptsitz des so benannten Stammes macht, wo-

  • ) Vorgelesen in der königl. Akademie der Wissenschaften den

13. Januar und 13. Juli 1820. Die Abhandlung war vor der Erscheinung von K. O. Müllers Schrift, Orchomenos und die Minyer (Breslau 1820. 8.) , schon vollendet. Da in Behandlung der mythischen Geschichte so sehr verschiedene Grundsätze von jeher, auch bei gleicher Gründlichkeit vorwalten ; die gelehrte Welt aber jede Ansicht in ihrem inneren Zusammenhange beurtheilen mufs ; so ist diese gänzliche Unabhängigkeit und Rücksichtlosigkeit unserer beiden Arbeiten ein Vorzug und ich habe daher die meinige selbst mit nachträglichen Zusätzen in Beziehung auf meines Freundes gelehrte und geistreiche Behandlung nicht vermehren wollen.

der ältesten Zeit. 196 hin denn auch die historische Kunst der Alten alles übrige zurückzuführen weifs. Auch bei Homer kommt der Name, aufser dafs ein Flufs im Peloponnesos Mavunos genannt wird , nur in dem Beinamen der Stadt Orchomenos, Mivuelos, vor, wodurch sie von der gleichnamigen in Arkadien unterschieden wird. Um also der ältesten Sage möglichst beizukommen , müssen wir von der Mythologie des Orchomenischen Volkes ausgehn und sie bis auf die im Homer vorkommenden Helden aus demselben herabführen. Wir legen die Nachrichten aus Pausanias 9, 34. f. als die vollständigsten zum Grunde; und ergänzen sie gleich hier mit dem wichtigsten, was anderswoher geboten wird. In der ältesten Zeit , sagt man , habe in der Gegend von Orchomenos Andreus gewohnt, ein Sohn des Peneios , und von ihm habe das Land Andreïs geheifsen. Zu diesem kam Athamas , des Aeolos Sohn , und erhielt einen Theil des Landes : wie denn ein Strich am See Kopaïs fortdauernd die Athamantische Ebene hiefs (9, 24.). Aber auch des Athamas Antheil zertheilte sich nachher zwischen seinen eignen von Phrixos und dessen Sohn Presbon ausgehenden Nachkommen, und zwei Enkeln seines Bruders Sisyphos , den Söhnen des Thersandros , mit Namen Haliartos und Koronos, welche aber , da sie oder Abkommen von ihnen weiter nicht vorkommen , uns nur dienen durch die gleichnamigen Städte , den Umfang des dasigen Stammes der Minyer auch im Süden des Sees Kopais zu bestimmen. Daneben aber hatte auch der erste Beherscher des Landes Andreus von einer Enkelin des Athamas einen Sohn , der jedoch auch für den Sohn des Flufsgottes Kephisos galt, Eteokles, einen der vornehmsten Heroen von Orchomenos, dem die Stiftung des Gottesdienstes der Chariten zugeschrieben wird * ). Dieser

  • ) Vergl. Theocr. 16, 104, Ω ᾿Ετεόκλειοι Χάριτες θεαὶ , αἱ

Μινύειον Ορχομενὸν φιλέοισαι ἀπεχθόμενόν ποκα Θήβαις . Nach den meisten Handschriften , die statt Xúques haben uyatoes, wären die Chariten sogar Töchter des Eteokles , was mir jedoch noch sehr bedenklich ist. Doch las auch der Scholiast schon so, dessen Erklärung : sie hiefsen dessen Töchter , weil er ihnen zuerst geopfert, sehr ungenügend ist : ᾿Ετεοκλέους θυγατέρας ἔφη τὰς Χά- N2 196 XXI. Die Minyae • Dienst war nehmlich in Orchomenos einheimisch, das heifst, die Chariten wurden dort durch ein vor andern heiliges Nationalfest verehrt, welches mit berühmten grofsen Kampfspielen aller Art unter dem Namen der Charitesien bis auf sehr späte Zeiten fortdauerte (s. Böckh im Anhang zum Staatshaush. d. Ath. II. S. 357. ff. ). Und eben diesen Dienst bringt Strabo (9. p. 414.) mit dem aus der uralten Sage bekanten und, wie aus Homer *) erhellet, zum Sprichwort gewordnen Reichthum und Herrlichkeit von Orchomenos in nicht unwahrscheinliche Verbindung. Zu diesem Eteokles kam noch ein Sohn des Sisyphos, Halmos oder Almos oder Olmos, von welchem ein Flecken am See Kopais mit gleicher Verschiedenheit Halmones oder Almones oder Olmones hiefs. Dieser hatte zwei Töchter, Chryse und Chrysogeneia oder Chrysogone. Die erstere hatte vom Ares einen Sohn Phlegyas, auf welchen, als Eteokles kinderlos starb , die Herrschaft kam, worauf das ganze Land anstatt Andreïs den Namen Phlegyantis bekam. Auch einer von ihm erbauten Stadt Phlegya wird gedacht, worein er die kriegerischesten unter den Hellenen versammelt habe. Dieses Volk, Phlegyae genannt, trennte sich bald von den übrigen Bewohnern des Staates , und ergab sich dem Raub und aller Gewaltthätigkeit gegen seine Nachbarn. Sie überfielen mit Brand und Plünderung selbst den Tempel des Apollon zu Delphi, und wurden endlich vom Zeus durch Blitze , Erdbeben und Pest aufgerieben , bis auf wenige die nach Phokis flüchteten. Dem Phlegyas folgte Chryses, Sohn der andern von jenen beiden Schwestern, Chrysogeneia, vom Poseidon, und diesem sein Sohn Minyas, „ von welchem" sagt Pausanias ,,die , welche er beherschte , noch itzt Minyae heiſsen." Nach andern ( s. Schol. Apollon. 3, 1094. ) war Minyas ριτας διὰ τὸ ᾿Ετεοκλέα τὸν Κηφισοῦ πρῶτον ἀποθῦσαι Χάρισιν ἐν ᾿Ορχομενῷ τῷ Μινυείῳ .

  • ) II. , 381., wo grofser Reichthum ausgedrückt wird durch die Worte :

Οὐδ᾽ ὅσ᾽ ἐς ᾿Ορχομενὸν προτινίσσεται, οὐδ᾽ ὅσα Θήβας Αἰγυπτίας, ὅτι πλεῖστα δόμοις ἐν κτήματα κεῖται. der ältesten Zeit. 197 ren, nicht Enkel, sondern Sohn des Poseidon und der Chrysogone. Dieser Minyas war weit reicher als seine Vorfahwovon Pausanias nur die einfache Ursach anführt, dafs er gröfsere Einkünfte gehabt habe : und er war der erste Mensch, der eine Schatzkammer baute : ein Wunder, von Gröfse und Festigkeit , die Pausanias noch sah , und ähnlich beschreibt der noch jetzt unter den Trümmern von Mykenä befindlichen Schatzkammer des Atreus. Sein Sohn war Orchomenos , von welchem die Stadt den Namen erhielt, und auch das Volk Orchomenier genannt ward, wiewohl sie noch fortdauernd Minyer hiefsen zum Unterschied von den Orchomeniern in Arkadien. Von ihm wird nichts erzählt , als dafs er einen Theil seiner Ländereien einem argeiischen Flüchtling Hyettos zugetheilt , von welchem denn wieder ein gleichnamiger Flecken herkam. Als ein Beweis aber des unter ihm hochgestiegenen Ansehns führt Pausanias an , daſs Neleus, König von Pylos im Peloponnesos, eine Gattin aus Orchomenos gehabt, nehmlich wie wir aus der Odyssee (2, 281.) wissen (denn bei Pausanias sind die Namen falsch geschrieben, s. Bekker) die Chloris, Tochter Amphions des Iasiden. Aber Pausanias verschweigt dabei einen Umstand, der freilich in den Zusammenhang seiner Erzählung nicht pafst, dafs nehmlich dieser Amphion nach Homer Herscher von Orchomenos war : Ὅς ποτ᾽ ἐν Ορχομενῷ Μινυηΐῳ ἶφι ἄνασσεν. Mit dem König Orchomenos ging des Halmos Geschlecht aus, und Stadt und Gebiet kamen an die Nachkommen von Athamas und Phrixos, von welchen also anzunehmen ist, dafs sie in dem Theil, der im engern Sinne Andreïs hiefs, fortgeherscht hatten. Klymenos, Presbons Sohn und Phrixos Enkel, ward also König von Orchomenos *). Nachdem dieser in einem bei dem Feste des Poseidon zu Onchestos mit Thebanischen Männern entstandenen Zank umgekommen war, überzog sein ältester Sohn

  • ) Nach einer Anführung bei Steph. Byz. v. ' Aonlydav, vermuthlich aus den sogenannten hesiodischen xatalóɣois, waren

᾿Ασπληδὼν Κλύμενός τε καὶ ᾿Αμφίδοκος θεοειδὴς des Orchomenos Söhne. · 198 XXI. Die Minyae " und Nachfolger Erginos die Thebaner mit Krieg , schlug sie und zwang sie zu einem jährlichen Tribut , von dem aber Herakles sie wieder befreiete * ). Dieser nehmlich brachte durch einen verheerenden Krieg die Orchomenier gänzlich herunter , und zwang so den Erginos zum Frieden ; der nun , um wieder reich zu werden , nicht heirathete , bis in seinem hohen Alter , da er den Agamedes zeugte , welchem Apollon selbst einen Bruder, den Trophonios, beifügte. Diese beiden mythischen Baumeister sind bekant, und wir merken nur den seltsamen Umstand an, dafs die griechische Sage von ihnen und einer Schatzkammer, die sie einem Könige bauten und dann selbst bestahlen , genau dieselbe Geschichte erzählte **) , welche Herodot 2, 121. dem Rhampsinitus von Aegypten durch zwei inländische Brüder widerfahren läfst. Dem Erginos folgen nun , da Trophonios und Agamedes umgekommen oder vergöttert waren , die beiden homerischen Helden Askalaphos und Ialmenos, Söhne des Ares und der Astyoche, die eine Tochter war des Aktor, und dieser ein Sohn des Azeus, welcher Erginos jüngster Bruder gewesen war. Mit ihnen hört die mythische Geschichte von Orchomenos und von des Athamas und Phrixos Stamm auf. Der alte Reichthum bleibt in dieser mythischen Periode zurück, und Orchomenos spielt in der Folgezeit nur eine untergeordnete Rolle im böotischen Gesamtwesen. - Eine so nützliche Quelle als Pausanias für uns ist, um die ältesten, wenn gleich magern, mythisch - genealogischen Ueberlieferungen zu schöpfen , so mufs man sich doch durch die historische Form dieser Namenfolgen nicht zu dem Wahne verleiten lassen - ich rede nicht von dem , als habe man Geschichte vor sich - sondern auch nicht zu dem , als habe man das einzige oder doch beste Sagensystem vor sich. Pausanias , wie alle griechischen Historiker, besonders die spätern , wählte und formte aus

  • ) Vergl. Sch.. Theocr. 16, 105.
    • ) S. Pausanias 9, 37.; ferner Schol. Aristoph. Nub. 508.,

wo aber sichtbare Verwirrung des festen Landes und des Peloponnesos, und so auch beider Orchomeni sind. der ältesten Zeit. 199 dem Chaos von widersprechenden und sich durchkreuzenden Nachrichten eines das ihm am vernunftgemäfsesten schien, und verfuhr dabei, wenn gleich nicht so zerstörend und albern, wie Diodor, doch immer so, dafs er dem Leser das unglaubliche in den Sagen selbst , und das verwirrende in ihrer Vielheit , möglichst zu ersparen suchte. Lächerlich wäre es nun , wenn wir ihn seinen ehrlichen Zweck auch bei uns erreichen liefsen, und seine Darstellung als die wahrer Geschichte am nächsten kommende annehmen, was wir bei andern finden aber als wildes und loses Gewebe beseitigen wollten. Eben so wenig wird man die Angaben, welche sich bei den alten Erklärern der grichischen Dichter finden, wegen der schlechten Verfassung dieser Scholien selbst , als willkürliches grundloses Geschreibe verwerfen. Vielmehr zeigen die Namen , die hie und da von ihnen angeführt werden , wie Pherecydes, Akusilaus u. a. , aus welchen Quellen, wenn auch nicht unmittelbar, das meiste flofs, was wir bei ihnen finden. Vergleichen müssen wir also alle solche abweichende Nachrichten, wenn auch nicht zur Bereicherung, doch zur Läuterung des bekanteren . • Von dem Minyas , der nach Pausanias u. a. des Orchomenos Vater, und Sohn oder Enkel des Poseidon war, sagt der Scholiast des Pindar (ad Isth. 1 , 79.), er sei nach Pherecydes der Sohn des Orchomenos gewesen; Dionysius aber machte ihn zum Sohn des Ares, und Aristodemus zum Sohn des Aleos ; welche letzte Nachricht nach Arkadien schielt , wo das andre Orchomenos lag, und wo Aleos ein Nationalheros war. Wieder andere , sagt der Scholiast , verknüpften die beiden ersten Stämme , indem sie den Minyas und Orchomenos zu Brüdern, Söhnen des Eteokles , machten. Aber auch das übrige Gesipp von Aeolos und Athamas war vielfältig anders geordnet , als es uns aus den Angaben von Apollodor und Pausanias geläufig ist. Nach einer Nachricht in den Venetianischen Scholien zum Homer (Boeot. 18. ) war Athamas , der sonst allgemein als Sohn des Aeolos anerkannt wird, ein Sohn des Sisyphos , und gründete nebst seinen Brüdern, dem schon erwähnten Olmos und einem sonst unbekanten 200 XXI. Die Minyae i Porphyrion, eine Stadt am Helikon, Olmos genannt. Dies ist offenbar der oben genannte Flecken Olmones oder Halmones, und der Helikon ist eine ungenaue Angabe, deren Urheber von einem entfernteren Standpunkt aus wol nur Böotien bezeichnen wollte. Des Olmos Sohn und Enkel aber sind dann Minyas und Orchomenos, von welchem die Stadt 'den neuen Namen bekam. Eine andere Stammtafel bringt der Scholiast des Apollonius zu 1 , 230. bei , und führt dabei so alte Gewährsmänner an, dafs, wenn gleich nicht klar ist, aus welchem jede einzele Angabe ist , wir sie doch , als zu den ältesten gehörig, beachten müssen. Nach Erwähnung jener Abweichung über Iasons Mutter aus Stesichorus und Pherecydes fährt er nehmlich so fort : ,,Von der Hesione aber , der Tochter Danaos , und dem Zeus ward Orchomenos geboren , von welchem die Stadt den Namen hat. Des Orchòmenos Sohn dem Namen nach, der Zeugung nach aber des Poseidon , von Hermippe des Boiotos Tochter , war Minyas * ) , der in Orchomenos wohnte , und von dem das Volk Minyer genannt ward. Des Minyas Kinder von der Klytodora waren Presbon, Periklymene und Eteoklymene , von der Phanosyra aber, der Tochter Päons , ein anderer Orchomenos **) , Diochthondes und Athamas." Statt dafs Presbon sonst Phrixos Sohn und Athamas Enkel ist , Athamas aber auf der Aeolischen Stammtafel hoch über Minyas steht , sind hier beide Söhne des Minyas. Orchomenos aber, wie gewöhnlich durch Vereinigung abweichender Angaben , spaltet sich in Grofsvater und Enkel , was jedermann natürlich fand , da in der wirklichen Geschichte dies so häufig war. Endlich gab es noch eine Nachricht, welche den Minyas aufwärts aufser aller Verbindung mit dem Andreischen und Aeolischen Stamm setzte , indem sie ihn zum Sohne des Poseidon mit der Kallirrhoe einer Okea

  • ) Verwandt mit , und verschieden von dieser Angabe ist die

in den kleinern Scholien zu Homer (Boeot. 18. ), wonach Orchomenos ein Sohn ist des Zeus und der Hermippe , des Boiotos Tochter.

    • ) *Αλλος Ορχομενός Schol . Paris . πάλιν Ορχομενός Schol vulg .

der ältesten Zeit. 201 nide machte (Schol. Pind. Ol. 14. init.), worauf ich am Ende dieser Abhandlung wieder zurück kommen werde. Was aus solchen Namen von Heroen wie Minyas und Orchomenos selbst schon klar wird, das bestätigt diese vielfache Art, sie in Abstammung zu bringen, vollständig : nehmlich dafs sie nur das persönliche Symbol der gleichnamigen Stadt und des Stammes der Mivva sind ; dafs die Namen der wirklichen Herscher aus jener ältesten Zeit gänzlich verschwunden sind ; dafs eine aus solchen ethnischen und aus andern dichterischen Symbolen gewebte Genealogie den Mangel ersetzte ; dafs das wenige , was als persönliche Verhältnisse dargestellt ist , Verhältnisse des Stammes und der Zeit überhaupt sind ; und dafs also namentlich der Reichthum des Minyas , und die Benennung , welche jene in spätesten Zeiten noch vorhandene Schatzkammer von ihm führte, nur aufzufassen ist als Ueberlieferung von uraltem Reichthum des Stammes der Minyer in Orchomenos. Und jenes uralte Gebäude , von welchem zwar keine so ' bedeutende Ruinen , wie von dem ähnlichen in Mykenä, aber doch deutliche und durch Vergleichung mit jenem kenntliche Spuren vorhanden sind * ) , bleibt also höchst merkwürdig als Denkmal einer schon weit vorgeschrittenen Kunst aus den vorhistorischen Zeiten von Griechenland. Der Name des Minyas als eines Mannes tritt aufser diesen genealogischen Mythen nur noch einmal auf in der Fabel , welche ihn zum Vater macht jener arbeitsamen Schwestern, die wir aus dem Ovid kennen , und die wir aus den griechischen Quellen bei Antoninus Liberalis (cap. 10.), Aelian (3, 42.) und Plutarch (Q. Gr. 38. ) fürs wesentliche etwa so zusammensetzen wollen. Des Minyas (Nikander bei Antoninus nennt ihn, Pherecydes, einen Sohn des Orchomenos) Töchter waren äusserst arbeitsam. Zu ihrer Zeit kam Dionysos, d. h. der Bacchische Dienst, zuerst nach Bootien , und alle Weiber schwärmten als Mänaden umher. Nur des Minyas Töchter, Leukippe , Ar-

  • ) S. Dodwell Travels I. p. 227.

202 XXI. Die Minyae sippe und Alkathoe *), tadelten jene. Verschmähend den Dienst des neuen Gottes bleiben sie zu Haus bei ihren Gatten und bei ihrer Arbeit. Plötzlich wandeln ihre Webestühle und übrigen Umgebungen sich in die Zeichen der Nähe des Weingottes ; bacchische Wuth ergreift sie selbst; sie loosen um die Ehre, dem Gotte ein entsetzliches Opfer zu bringen ; Leukippe gibt ihren Sohn Hippasos preis ; sie zerfleischen ihn, schwärmen dann in den Gebirgen umher und lassen ihre Männer in Trauer daheim. Die Fabel endet bei den meisten mit Verwandlung der Schwestern in Nachtvögel. Plutarch allein fügt noch einen historischen Umstand hinzu. „ Noch bis itzt" sagt er ,,heiſsen die Männer von edelm Geschlecht zu Orchomenos, von der damaligen Kleidertrauer, Volóns ( die Rufsigen), und die Weiber Alohtia , was man auslegt , die Verderberinnen." Hienach führten also die edeln Frauen einen von äolischer Abstammung zeugenden Namen , der aber nach Art solcher Sagen anders , nehmlich vom Verbo oléoα , abgeleitet ward **). Aufserdem kommt , so viel ich weifs , der Name Mi-

  • ) So bei Aelian. Die unbedeutenden Verschiedenheiten der

Namensformen bei den andern Schriftstellern kommen in keine Betrachtung.

    • ) Die Lesart der Stelle ist jedoch noch nicht hinreichend

gesichert. Mit Zuziehung der Handschriften lauten die Theile, worauf es hier ankommt, so : Τίνες οἱ παρὰ Βοιωτοῖς Ψολόεις, καὶ τίνες Αἰολεῖαι ; und weiterhin κληθῆναι τοὺς μὲν ἄνδρας αὐτῶν (nehmlich der drei Schwestern ) δυσειματοῦντας ὑπὸ λύπης καὶ πέν · θους Ψυλόεις τὰς Αἰολείας οἷον ὀλοάς . Sollte die etymologisirende Sage die Silbe ai in den Artikel ai gedeutet haben? Möglich. Aber viel für sich hat auch die Meinung einiger , dafs ai 'Olɛia der Name der Frauen gélautet habe. Bei der ersten Erwähnung ist der Artikel wirklich nöthig , und die Aenderung zaì tires ai 'Olɛiau daher sehr wahrscheinlich ; bei der zweiten minder ; aber dort ist die Verbindung auch lückenhaft. Ein dέ ist durchaus nöthig, und dies könnte also hier in der Silbe au stecken : Tous μέv ἄνδρας αὐτῶν Ψολόεις , τὰς δὲ Ὀλείας. Indessen kann auch vor Aloksia an der ersteren Stelle ai und an der zweiten d' ausgefallen sein. Der Name der Männer lautet in einem Manuskript 40- λίεις ; am analogesten für einen Stamnnámen wäre Ψολιεῖς . - 1 1 der ältesten Zeit. 203 nyas nur noch im Plural als Name des Stammes vor, und zwar ist ein ganz besonderer Gebrauch der , dafs er so für die Argonauten steht. Das auffallende ist hiebei, dafs diese Benennung derselben nirgend in der Fabel selbst begründet, sondern eine Ueberlieferung von Dichter zu Dichter ist, deren sie sich für ihren Versbau bedienen, ohne selbst zu wissen , was der Name bedeutet. Dies sieht man am deutlichsten aus der Begründung , welche die grammatischen Dichter , die allein über diesen Gegenstand auf uns gekommen sind, für diesen Namen beibringen. Apollonius nehmlich, nachdem er die Liste der Argonauten gemacht, setzt hinzu : Τοὺς μὲν ἀριστῆας Μινύας περιναιετάοντες Κίκλησκον μάλα πάντας, ἐπεὶ Μινύαο θυγατρῶν Οἱ πλεῖστοι καὶ ἄριστοι ἀφ᾽ αἵματος εὐχετόωντο Ἔμμεναι · ὡς δὲ καὶ αὐτὸν ᾿Ιήσονα γείνατο μήτηρ ᾿Αλκιμέδη , Κλυμένης Μινυήϊδος ἐκγεγαῦτα . Der Scholiast sagt zu diesen Versen nichts , was sie erkläre oder bestätige , sondern was daraus folgt. ,, Denn Minyas" sagt er ,,hatte viel Töchter. " Aber auch er führt nur diese Grófsmutter des Iason an, und fügt dann die oben aus ihm schon beigebrachte Stammtafel von Orchomenos und Minyas bei, auf welcher nur zwei Töchter des Minyas , Periklymene und Eteoklymene , und von diesen keine Sippschaft angegeben ist. Uebrigens ist , wie sich von der mütterlichen Grofsmutter eines mythischen Helden von selbst versteht , auf die angeführte des Iason nicht der geringste Verlafs. Schon seine Mutter wird auf sieben oder acht verschiedene Arten angegeben , und wieder mit grofsen Verschiedenheiten der Eltern derselben * ). Hätte die Angabe von Abstammung vieler Argonauten von Töchtern des Minyas nur die mindeste mythische Wahrheit für sich , so kann man denken , welch ein schöner Mulierum Catalogus dies bei den Argonauten - Dichtern würde geworden sein ; wie wenigstens Apollonius bei dieser Stelle diesen locus würde ausgesponnen haben ; oder 1

  • ) S. Schol. Apollon. 1 , 49. Burm. Cat. Arg. unter Iason.

204 XXI. Die Minyae · endlich, wie auf jeden Fall die Legion der Mythographen und mythologischen Scholiasten sich beeifert haben würde, solche Minyaden aufzuzählen. Aber alles was sich auf diesem Wege noch findet , ist folgendes. Aufser jener Grofsmutter des Iason Klymene , die , wie aus den Scholien (zu 1 , 230. coll. Schol. Paris.) erhellet , von andern Eteoklymene, von andern Periklymene genannt wird, finden wir bei demselben Scholiasten zu 1 , 45., dafs auch Iphiklos von Phylake , die Klymene des Minyas Tochter zur Mutter gehabt ; und Hyginus setzt sowohl zu dem Namen Iphiklus als zu dem Namen Admetus hinzu : matre Periclymene, Minyae filia ; woraus man aber an der erstern Stelle, nach Anleitung jenes Scholiasten Clymene gemacht hat. Muncker aber führt an , dafs auch Admets Mutter im Schol. Eurip. Alc. 17. Klymene genannt werde. Hierein Ordnung bringen zu wollen , wäre ein thörichtes Unternehmen. Aber da in der obigen Stammtafel die beiden Frauennamen Eteoklymene und Periklymene zuverlässig nicht zwecklos gestanden haben , so ist es nicht unwahrscheinlich, dafs die alte Mythologie zwischen diesen drei benachbarten Fürsten Iason , Admetos , Iphiklos ein Verwandtschaftsverhältnifs durch diese Töchter des Minyas begründet hatte. Aber selbst diese würden nach alter Sitte deswegen noch nicht Minyadae oder gar Minyae genannt worden sein *). An jene vom Dionysos gestraften Minyaden ist , um Argonauten von ihnen zu erzielen, auch nicht zu denken, obgleich in der Erzählung im allgemeinen ihrer Männer und ihrer Anhänglichkeit an diese gedacht wird. Diese Fabel steht ganz vereinzelt da, wie ursprünglich alle ; weder wird einer Klymene unter ihnen gedacht , noch bringt irgend ein mythischer Genealog diese drei in die Stammtafel des Minyas ; kurz, nicht einmal ein Argonauten- Schriftsteller hat diese Minyadea mit seinen Helden in Zusammenhang gebracht. Zu bemerken ist übrigens , dafs Aelian bei Erzählung dieser Fabel nicht sagt Mivbov dvɣa-

  • ) S. noch unten in einer Note zu den Minyern in Pylos und

Triphylia. der ältesten Zeit. 205 Tépas , sondern Mivvov 9. , was Kühn, gewifs nicht mit Unrecht, gegen die Besserer in Schutz nimt. Ich will aber nicht einmal viel auf diese Autorität bauen, sondern getraue mich aus der Natur des Mythos zu behaupten, dafs die ursprüngliche Erzählung nur Minyades nannte, dafs darunter die Töchter des Stammes überhaupt zu verstehn waren ; dafs dann aber, wie gewöhnlich, diese Mehrheit in einer ausführlicheren Darstellung, auf drei Namen zurückgebracht ward. Uebrigens liegt es , dünkt mich , am Tage , wie die Angabe von Abstammung der Minyä als Argonauten von den Töchtern des Minyas entstand. Die Mythologen muſsten den Namen erklären : eine andere Art bot sich nicht dar , als die durch Abstammung vom Minyas ; nun war diese aber , von männlicher Seite , für eine ganze Reihe der berühmtesten Namen , nicht möglich ; also nahm man die Abstammung von weiblicher Seite an , welche sich in der Mythologie durchaus nicht kontrolliren läfst ; und wozu eine wirklich vorhandene oder leicht zu erdenkende Angabe solcher Abstammung für zwei oder drei der ersten Argonauten als hinreichender Belag galt. Eine andre Erklärung des Namens Minyä für die Argonauten gibt uns Strabo. Im 8. Buche (p. 414.) sagt er, es seien , nach der Sage, aus Orchomenos Minyer nach Iolkos als Ansiedler gekommen, und daher heifsen die Argonauten Minyer *). Demetrius von Skepsis aber lehrte nach Schol. Apollon. 1 , 230. ausdrücklich , tous пEQỪ TηY ᾿Ιωλκὸν οἰκοῦντας Μινύας προσαγορεύεσθαι: und eine noch bessere Autorität gewährt derselbe Scholiast zu V. 763., wo zu Erklärung dessen, dafs Apollonius den Phrixos Mivunos nennt, obgleich dies durch den Wohnort seines Vaters Athamas in dem Orchomenischen Lande schon klar wäre, doch gesagt wird : τὴν γὰρ Ιωλκὸν Μινύαι ᾤκουν ὡς

  • ) Eben so wird es auch wol der alexandrinische Aristodemus

verstanden haben , von welchem der Scholiast des Pindar Isth. 1, 79. (vergl. zu V. 11. ) nach Erwähnung von Orchomenos und dessen alten Königs Minyas, sagt : καὶ τοὺς ᾿Αργοναύτας δὲ Μινύας ἐντεῦθεν (nehmlich von dieser Minyeischen Stadt Orchomenos) γρά- vai. Vergl. das unten anzuführende Schol. Ol. 14, 5. 206 XXI. Die Minyac φησι Σιμωνίδης ἐν συμμίκτοις . Wiewohl ein so betiteltes Werk des jüngern Simonides , zu dessen übrigen Schriften es jedoch wohl pafst sonst nicht bekant ist. Endlich tritt hinzu eine verdorbene Stelle des Paus. 4, 3. , wo es heifst , die alten Messenier hätten lieber von den Doriern beherscht sein wollen, als von den Neleiden ihren bisherigen Beherschern , welche sie nicht geachtet hätten , ὅτι ἦσαν ἐξ Ιωλκοῦ τὸ ἀνέκαθεν ὁμιλίαι. Dies gibt keinen Sinn : aber Kühns Besserung Μινύαι für ὀμιλίαι wird durch das bisher beigebrachte aufser Zweifel gesetzt. Hiemit *) verbinde ich ein Scholion zum Pindar (ad Ol. 14, 5.) welches aus dem gesagten Licht erhält. Zu dem Ausdruck des Pindar Παλαιγόνων Μινυᾶν in Beziehung auf Orchomenos, sagt der Scholiast : To Tov Miνυῶν γένος ἀρχαῖον ἀπὸ Μινύου τοῦ Θετταλοῦ , Μινύας δὲ ἐκ Καλλιῤῥόης τῆς Ὠκεανοῦ καὶ Ποσειδῶνος, ἀφ᾿ οὗ καὶ τὸ γένος **) τῶν ᾿Αργοναυτῶν . πλησιόχωροι δὲ καὶ γείτονες οὗτοι οἱ Μινυάδαι Ορχομενίων . ὁ δὲ Μινύας πρῶτος ἦρξεν. Ορχομεvíwv. Die Ableitung der Argonauten vom Minyas ist wol nur die herkömmliche durch dessen Töchter. Das ouro oi Mivváda kann nur auf die Argonauten , also auf die Minyer von Iolkos gehn. Diese werden aber Nachbaren der Orchomenier genannt. Also hatte auch dieser Sclioliast eine Nachricht vor sich, wo das Gebiet der Orchomenier bis an die Südküste von Thessalien sich erstreckte. Wollte man aber die Nachricht, welche die Bewohner

  • ) Ich übergehe nunmehr die Stelle bei Pausanias 2, 29, 3.

welche ich hieher gezogen hatte, getäuscht durch eine falsche von Porson schon gebesserte Lesart. Statt os oi μirúa liest er oool Mivvans , welche einleuchtende Veränderung auch Bekker auf- genommen hat.

    • In dem Scholion steht nach Пoσɛdonos unverständlieh xɑì

Tov yέvovs т. A. Ich habe daher, was man beim Gebrauch solcher Scholien (nicht bei der Herausgabe) thun mufs, statt dieser Worte das gesetzt , was in einem andern Scholion (zu der Ueberschrift) steht, und deutlich aus derselben Quelle kommt. Es heifst nehm lich dort von dem böotischen Orchomenos, es heifse Mirusios àñò Μινύου τοῦ Θεσσαλοῦ , Καλλιρόης καὶ Ποσειδῶνος υἱοῦ , ἀφ᾽ οὗ καὶ τὸ γένος τῶν ᾿Αργοναυτῶν. Μινύειοι γὰρ οὗτοι λέγονται, der ältesten Zeit. 207 der Gegend von Iolkos zu Minyern macht, bezweifeln, und blofs für eine den Grammatikern gehörende Erklärung der Benennung Minyä für die Argonauten halten , so betrachte man doch die Sache nun selbst. Minyä nannten die alten Dichter die Argonauten , ohne selbst zu wissen warum. Offenbar also , weil es ihnen mit der ältesten Sagé überliefert war. Nun kann , wie ich in meiner letzten Abhandlung *) schon erwähnt und durch Analogie belegt habe, daran kein Zweifel sein, dafs die Versammlung aller Helden aus ganz Griechenland nur der späteren Ausschmückung der Fabel gehört. Der älteste Mythos sprach unstreitig nur von einem Zuge der Minya unter Iason aus Iolkos nach dem Pontus. Da nun Minyä ein anerkannter Volks- oder Stamm- Name ist , so folgt hieraus allein schon mit Gewissheit , dafs die ältesten Bewohner der Südküste von Thessalien auch Minyä genannt wurden. Mit Hülfe obiger Zusammenstellung aber ergibt sich nun, dafs der ganze Seestrich vom nördlichen Böotien an Euböa herum bis zu der Südspitze von Thessalien , das Land der Minyä war ; dafs dieser Stamm nach der ältesten Sage sehr reich war und in uralten Zeiten schon, wo denn Iolkos sein Hafen und Pagasä sein Werft war, Seefahrten nach dem innersten Pontus sollte unternommen haben. Diese Minyä gehörten zu dem äolischen Stamm, auf welchen die obigen Genealogien hinführen und dessen Sitze die älteste mythische Geschichte nach Thessalien setzt. Denn dort wohnten die meisten Söhne des Aeolos, Magnes, Deïon, Kretheus , und so denn auch Athamas in Orchomenos. Denn natürlich war alles Ein Land, was ohne Unterbrechung von Einem Völkerstamm bewohnt war, und sofern der Geograph also Iolkos und die Umgegend zu Thessalien rechnet , so verstand sichs auch, daſs für diese Periode Thessalien bis ins nachherige Böotien hinein ragte. Und hierauf allein sind also ohne Zweifel alle die Verwirrungen zurück zu führen, welche die Stadt Orchomenos bald nach Böotien bald nach Thessalien legen,

  • ) Ueber die mythischen Verbindungen von Griechenland mit

Asien. Mythologus T. II. S. 188. 208 XXI. Die Minyae und dann auch von einem dritten verschiedenen Orchomenos in Thessalien sprechen *). Merkwürdig ist noch, dafs der einzige unter den Argonauten , der nach den obigen Nachrichten aus der alten Orchomenischen Geschichte wirklich ein Minyer, und zwar König der Minyer, war, Erginos, dafs gerade dieser von den Argonauten - Dichtern verkannt und für einen von jenem verschiedenen Erginos erklärt worden ist. Man suche ja nicht die Ursach davon in irgend historischen und chronologischen Widersprüchen: diese irrten bekantlich in der ganzenMythologie wenig, und am wenigsten auf der Argonauten - Liste : und auf jeden Fall konnte der Erginos, den wir oben mit dem Herakles haben kämpfen sehn , auch mit ihm in der Argo fahren. Die einzige Ursach der Trennung ist diese, dafs Apollonius und die Orphischen Argonautika einstimmig ihn aus Milet kommen lassen. Denn dafs nach eben denselben er Poseidons Sohn ist , der Orchomenische aber des Klymenos ; dies ist schon an sich in der Mythologie kein Widerspruch, und hier um so weniger, da, wie auch Burmann bemerkt , das Geschlecht der Minyä vom Poseidon ausging. Indessen wie es sich auch damit verhalte ; dafs in den alten Argonautiken Erginos des Klymenos Sohn, folglich Erginos der Minyer aufgeführt war , erhellet aus Pindars 4ter Olympischer Ode (31. ff. ) , wo erzählt wird, wie ,, des Klymenos Sohn" ungeachtet seiner grauen Haare vor Hypsipyle und den Lemnischen Weibern im Wettlauf als Jüngling sich erwiesen. Dafs hier von den Kampfspielen der Argonauten auf Lemnos die Rede ist, ist klar ; ein andrer Sohn eines Klymenos aber kann unter den bekanten Argonauten nicht sein , als Erginos. Auch erzählen die Scholiasten dabei so einstimmig und so umständlich

  • ) S. die Stellen bei Staveren zu Hygin Fab. 1. und vergl.

Stephanus von Byzant , der sogar eine Stadt Minya , die vorher Halmonia geheiſsen habe, nach Thessalien legt ; ferner Plinius 4, 8. In Thessalia autem Orchomenus Minyeus antea dictus et oppidum Almon ab aliis Elmon. [ Ich lege wenig Gewicht auf meine Wiederholung dieses Zweifels in der neuen Ausgabe, aber auch ebenso wenig auf meine Begründung der Behauptung selbst bei Müller S. 249. durch eine sehr späte Notiz bei Diodor 20, 110. und Münzen ohne besondere Autorität.] der ältesten Zeit. 209 lich die Geschichte von Erginos, dafs man sieht , dafs sie von einer allbekanten Sache aus alten Quellen reden. Und der Scholiast des Apollonius zu 1, 185. trägt kein Bedenken , den Argonauten Erginos ohne Rücksicht auf sein Kommen aus Milet , mit Verweisung auf seine Abstammung von Klymenos und Presbon, nur mittelbar für einen Abkömmling des Poseidon zu erklären. Dafs überhaupt Helden der mythischen Welt, die von einigem Ruhm und Thaten sind, wenn sie unter Einem Namen unter den verschiedensten und unverträglichsten Umständen erscheinen, dennoch meist dieselben sind, dies drängt sich jedem Beobachter auf. Doch hindert dies nicht , dafs solche Personen sich mitunter auch wirklich mythisch spalten, d. h. schon in der Fabel selbst als verschiedne Personen gleichsam anerkannt sind , und so also auch dafür gelten müssen , wie die beiden Mopsos , die beiden Atalantä ` u. a. Allein die blofse Verschiedenheit des Wohnorts, die in der uns fehlenden vollständigen Fabel kann begründet gewesen sein, rechtfertigt eine solche Spaltung nicht. Apollodor und Diodor (4, 10.) lassen den Erginos in dessen oben erzähltem Kampf mit Herakles umkommen ; Pausanias, wie wir sahen , läfst ihn Frieden schliefsen und in Orchomenos . alt werden : warum soll nicht ein dritter ihn mit einem Hanfen haben entfliehen und in Klein - Asien sich ansiedeln lassen ? Aber darüber hat sich noch kein Mensch gewundert, wie es überhaupt zugehe, dafs die alten Argonauten-Dichter ( denn dafs die Verfasser der auf uns gekommenen Argonautiken hierin altem Vorgang folgten, versteht sich) einen Griechen aus Miletos konnten kommen lassen. Wissen wir nicht alle , und sagen es nicht alle Alten einstimmig, daſs die griechischen Niederlassungen in KleinAsien erst von der Rükkehr der Herakliden her sich schreiben ; und wissen wir nicht sogar die Epochen , in welchen die verschiedenen Züge geschahen ? Wissen wir nicht namentlich von Miletos , dafs es vor der ionischen Einwanderung von Kariern und andern Barbaren einzig bewohnt war, welche von den Ioniern erst vertrieben oder vertilgt wurden ? Diese noch nicht aufgeworfene Frage beII. 210 XXI. Die Minyae antworte ich am sichersten mit Verweisung auf den homerischen Tlepolemos , der aus Rhodos zu den Griechen vor Troja sich gesellet: da doch Rhodos anerkannt von dorisch - heraklidischer und also nachtrojanischer Bevölkerung war; wie dies und diese Schwierigkeiten Karl Otfried Müller (Aeginetica p. 41.) dargelegt hat. Auch wird die von ihm gegebene Lösung eben so gut auf unsern milesischen Argonauten passen ; dafs nehmlich die Rhapsodik aus kleinlichen dem Nationalstolze dienenden Rücksichten vielfältig die Sage verfälscht , und jüngeres in ältere Zeiten gerückt habe. Ich leugne die Gültigkeit dieser Ansicht für manche Fälle nicht. Aber dafs man Erdichtungen, deren Widerspruch uns sogar auffällt, frech in ein Nationalgedicht habe setzen können, zu einer Zeit, wo man den wahren Ereignissen, wenn sie so gewils waren, als sie itzt uns scheinen, so sehr viel näher war ; als man manches noch vollständiger und mit Belägen wufste, die itzt uns fehlen; und dafs solche plumpe Einfälschungen in die Geschichte von ganz Griechenland ungerügt angenommen worden: dies ist mir schwer zu glauben. Ich fürchte man bedenkt nicht genug , dafs die ganze tere griechische Geschichte bis gegen die Zeiten des Pisistratus nur ein wissenschaftliches Produkt ist , gezogen aus wenig Monumenten und viel Sagen und Epopöen, mit einer Kritik, die wir nicht mehr revidiren können. Namentlich scheint mir alles , was in der älteren Zeit als Wanderungen und Kolonien dargestellt wird , zum Behuf des Gedächtnisses in eine regelmäfsige Form und auf gewisse Epochen zurückgebracht worden zu sein , die das Resultat von Schlüssen und Rechnungen , nicht von Nachrichten waren. Die Bewegungen , das Fortrücken und Nachrücken der Völker und Stämme geschah in dem Lauf der Zeiten allmählich , und entzog sich aller Beobachtung. Die Sage erhielt die Veränderung der Wohnplätze im Gedächtnifs ; sie gestaltete sie episch in persönliche Ereignisse ; und aus diesen suchtc nun die späte historische Wissenschaft ein vernunftgemässes und durch Epochen dem Verstande fafsliches Ganzes zn machen. Ionier, Aeolier und Dorier haben ohne Zweifel von uralten älaIFdejeB TOA10 der ältesten Zeit. 211 Zeiten her auf beiden Seiten des ägäischen Meeres und auf vielen Inseln gewohnt. Aeltere Auswanderungen erleichterten die spätern. Man zog hin , WO man schon Landsleute fand. Homer erwähnt die Dorier mit ihrer Nationalität, als Todïnes schon vor Odysseus Zeiten in Kreta. Auch das soll ein Anachronismus sein. Ich kann mich zu dieser Annahme so leichthin nicht entschliessen. Für jene Zeit ist warlich Homer auch eine historische Quelle, nicht unzuverlässiger als die übrigen. Er hatte also Kunde von uralten Sitzen dorischer Stämme in Kreta. Warum sollen sie also nicht auch in Rhodos von. eben so langer Zeit her gewesen sein ? Denn an den Mythos, der den Tlepolemos mit seiner Schaar Rhodos zu den Zeiten des Herakles selbst besetzen lässt, wo die Geschichte noch von keinen Doriern im südlichen Griechenland weifs , an diesen Mythos dürfen wir uns so wenig kehren , als an jeden anderen , der sicherern Nachrichten , wenn sie vorhanden sind , widerspricht. So sind also gewifs auch Ionier oder Achaier an der milesischen Küste gewesen, lange ehe die Geschichte sie förmlich auftreten läfst ; und wir können obige Hypothese vom Erginos , so lange nichts gewisseres da ist , damit verbinden. Sehr ungezwungen bietet denn auch die wirkliche Sage sich dar , dafs der Branchiden - Tempel bei Miletos von Delphi ausgegangen und Branchos von Abkunft ein Delphier gewesen sei *) : von dem wir denn muthmafsen dürfen , dafs eine der für uns verlorenen Sagen ihn an den Erginos sich anschliefsen , und gleichsam einen Ableger des Delphischen Heiligthums nach Miletos bringen liefs : und dafs auf diese Art die griechische Stamm - Eitelkeit den uralten Branchiden-Dienst in Klein-Asien aus ihrem Vaterland, wie alles, ausgehn liefs. Doch darf auch das nicht unbemerkt bleiben, dafs die Minyer, welche späterhin mit der berühmten, ionischen Auswanderung nach Klein-Asien gegangen, nicht in Miletos , sondern in Teos , und zwar unter einem Anführer, den die Sage wieder Athamas nennet, sich niedergelassen haben **).

  • ) Conon Narr. 33. Strab. 9. p. 421 . **) Paus. 7, 3.

0 2 212 XXI. Die Minyae Was aufserdem unter dem Namen Minyae bei den Griechen vorkommt, das hat die Geschichte alles mit den Argonauten in Zusammenhang zu bringen gewufst ; und so lesen wir es bei Herodot im 4ten Buche, 145. folg. Die Sage berichtete nehmlich , die Argonauten hätten die Weiber, welche damals Lemnos inne hatten , sämtlich schwanger hinterlassen , und von diesen sei eine Bevölkerung der Insel entstanden , die jedoch nach Verlauf einiger Zeit von Pelasgen oder Tyrrhenern vertrieben wurden. Diese Flüchtlinge hätten eine Zuflucht in Lacedämon gesucht und sich dort als Minyer und Abkömmlinge jener griechischen Helden , worunter auch Lacedämonier gewesen , geltend gemacht. Die Lacedämonier , es war damals eben der neugegründete dorische Staat unter den zwei ersten Königen , nahmen sie zu gleichen BürgerRechten auf. Aber bald strebten die Ankömmlinge auch nach dem Rechte zur Königswürde. Die hieraus entstandenen Händel endeten damit, dafs ein Theil derselben sich zu dem Böotier Theras schlug, der als mütterlicher Anverwandter der beiden Könige die Vormundschaft geführt hatte, und itzt, um nicht Unterthan zu werden, eine Kolonie nach der von ihm benanntén Insel Thera führte ; ein Theil aber nach dem benachbarten Triphylia ging, wo sie sechs Städte stifteten , und wo nach Strabo ( 8. p. 337.) die Minyer einer der drei Stämme waren , wovon der Name Triphylia; wiewohl andre an ihrer Stelle die Arkadier nannten. Dafs eine Geschichte von Leuten , die als Nachkommen der Argonauten in Lacedämon Aufnahme bekommen; eine Geschichte , worin , ohne die romanhaften Umstände , womit sie Herodot erzählt , zu erwähnen , die fünften Nachkommen des Herakles auftreten , die beiden Könige nehmlich , und der fünfte Nachkomme des Oedipus ; welcher, wohlgemerkt den Namen Theras führt, den nachher die Insel, wohin er gezogen, von ihm erhält ; eine Geschichte endlich, welche die Chronologen sich genöthigt sehn in das Jahr 1036 vor Christus zu setzen, die also ein oder zwei Jahrhunderte älter ist als Homer; dafs diese durch und durch fabelhaft ist , dies zu behaupten , bedarf keiner Kühnheit; und es fragt sich also blofs , was von der ältesten Zeit. 213 den darin liegenden ethnologischen Verhältnissen anzunehmen ist. Ich glaube , soviel mit Gewissheit : dafs in Triphylia ein Volksstamm wohnte, der sich zu den Minyern rechnete , oder Minyer nannte ; und soviel als alte nicht zu leicht zu verwerfende Sage : dafs auch auf Lemnos und auf Thera, wenigstens früherhin , ein solcher Stamm gewohnt. Zu jenem angeblich historischen Verfahren mich zu bekennen , alles romanhafte wegzulassen, und dann das trockne Skelet,,,dafs von den Minyern in Thessalien , eine Kolonie nach Lemnos gegangen , diese vertrieben nach Lacedämon gekommen, und von da theils nach Thera, theils nach Triphylia gezogen," dies als wahre Geschichte aufzustellen , leidet mein Gewissen nicht. Aus jenen ältesten Zeiten war die Notiz von Verwandtschaften der Völker übrig , die sich dann, nach der Analogie späterer Zeiten , in Koloniensendungen und Auswanderungen einkleideten , und zuletzt in der Menge epischer Sagen, die den Namen der Stiftungen, xtisas, führten, jene unterhaltende und bestimmte Form gewannen , worin sie sich späterhin auch dem Historiker empfahlen. Dafs jene Minyer von Triphylia schon zu weit älteren Zeiten dort wohnten, davon sind die deutlichen Spuren in der Fabel. Kaum wage ich es mit Homer anzufangen ; bei welchem Nestor in seiner langen Erzählung II. λ, 722. den Flufs Minyeios in seinem Vaterlande bei Arene nennt ; um dem alten Dichter nicht wieder den Vorwurf des Anachronismus zuzuziehen. Aber man treibe doch ja auch das grofse Lob von. Homers geographischer Kenntnifs nicht so weit, dafs er einen kleinen Bach weit hinten im Peloponnes aus eigner Erfahrung kenne , um ihm nun den groben Verstofs gegen geschichtliche Wahrheit zuzuschreiben , daſs er einen von ganz neuen Ansiedlern erst sich herschreibenden Namen dem alten Nestor in den Mund lege und diesen sagen lasse Ἔστι δέ τις ποταμὸς Μινυήϊος. Die ganze dort erzählte Geschichte kannte Homer, woher er alles kannte , aus einer der unzähligen Landessagen, die in die Epopöen verflochten waren, und worin also der Name des Flüfschens bei Arene mit überliefert und folglich eben so alt war. Strabo 8. p. 347. führt die Erklä- 214 XXI. Die Minyae rung des Namens desselben von den aus Lacedämon gekommenen Minyern zwar auch an , aber vorher eine andre, die Aufmerksamkeit verdient , nehmlich von den Minyern , welche Nestors Mutter Chloris aus Orchomenos dahin begleitet hatten. Nicht zwar auf diese Begleitung gebe ich etwas , wohl aber auf diese Verbindung zwischen zwei für jene Zeiten so entfernten Ländern , dergleichen in der mythischen Welt nicht ohne eine Ursach eintritt : daher auch Pausanias an der oben angeführten Stelle darauf aufmerksam macht , wie berühmt damals Orchomenos müsse gewesen sein , da Neleus von dort sich eine Gemahlin geholt. Und selbst Homer legt einen Nachdruck darauf, indem er ( Od. 2 , 284.) von der Chloris Vater Amphion und von ihr selbst sagt Ὃς ποτ᾽ ἐν Ορχομενῷ Μινυΐῳ ἶφι ἄνασσεν, Η δὲ Πύλου βασίλευεν . Aber noch auffallender ist , was der Scholiast dort aus Pherecydes beibringt , Neleus habe nicht nur in Pylos geherscht , sondern auch, durch diese Heirath nehmlich, in Orchomenos, und sei reich geworden : was Heyne (zum Apollod. 3, 5, 6.) wunderlicher Weise blofs für einen Mifsverstand der erst angeführten homerischen Worte hält. Sobald man einmal eingesehen hat, dafs in allen solchen mythischen Angaben keine Thatsachen enthalten sind , so erkennt man desto deutlicher das einzige historische , was in ihnen liegt; nehmlich die Verwandtschaft der Sagen , welche ausgeht von der Verwandtschaft oder Einerleiheit der Stämme selbst. Ja die Verwandtschaft der Stämme von Orchomenos und Pylos steht noch deutlicher in der mythischen Genealogie : denn unter den Söhnen des Klymenos bei Pausanias, die ich oben nicht genannt habe , ist auch ein Pyleos. Solche thatenleere Namen in der Mythologie sind gewöhnlich Stifter nachher bekanter Stämme oder Städte ; und durch diesen Pyleos war also in der Orchomenischen Sage die Verwandtschaft des pylischen Stammes angedeutet ; dahingegen in der pylischen Sage die Verwandtschaft des orchomenischen oder minyschen Stammes durch die Chloris geht, Dafs wir aber der Chloris Vater Amphion so wenig, als dessen Vater Iasos in der Herscherreihe von Orchomenos , wie die dortige Sage sie darbot, der ältesten Zeit. 215 finden, da doch, wie wir eben sahen Homer ihn zum König von Orchomenos macht, ist eine gewöhnliche Erscheinung. Ich darf nur an Theben erinnern. Von Kadmos geht dort durch Oedipus bis auf Eteokles und dessen Sohn die Herscherreihe ununterbrochen ; während die Sagen von Nykteus und Lykos , von Amphion dem Thebaner, von Amphitryon und dem thebanischen Herakles nur durch mythologische Künste sich damit vereinigen lassen. So hatte also auch wol bei dem pylischen Stamm eine andre Sage von den Herschern in Orchomenos sich erhalten. Ob der Amphion , den sie nennet, einerlei mit dem thebanischen sei, ist, da die Sage von jenem so unvollständig ist , weder zu bejahen noch zu verneinen. Der Name seines Vaters Iasos aber verlockt wieder nach Arkadien, wo einer von Lykurgos Söhnen Iasos mit der Klymene, des Minyas Tochter , die Atalanta zeugte. Der Iasos , von dem hier die Rede ist , zeugte den Amphion, wenn eine Kritik von Heyne richtig ist, wie es mir scheint, ebenfalls mit einer Tochter des Minyas: denn so heifst es im angeführten Scholiasten : καὶ Φερσεφόνης τῆς Μίου , und Heyne bessert Muov: wobei wir uns das auffallende, dafs diese Frau den Namen der furchtbaren Göttin führt , für. etwa hinzutretende andre Winke merken müssen. Durch diese Tochter des Minyas also führten die Pylier ihr Geschlecht buchstäblich auf die Minyer zurück. Um alles nun auch noch aus anerkannter Völkerkunde zu begründen, so ist bekant, dafs die alten Einwohner von Messene und Pylos sich zum äolischen Stamm rechneten. Perieres, der Stifter des Messenischen Königreichs , und Kretheus, des Neleus Grofsvater , waren Söhne des Aeolos. Neleus war nach der Mythologie aus Thessalien vor seinem Bruder Pelias flüchtig geworden. Pelias und Neleus waren Halbbrüder von Iasons Vater Aeson. Pelias aber herschte in Iolkos. Und so sind wir auch auf diesem Wege zu den Minyern gelangt. Denn Pelias und Aeson sind unbestrittene Minyer und Neleus ist ihr Bruder. Die Flucht des letztern ist die mythische Begründung beider verschwisterten Stämme *) .

  • ) [Aus einem Schreiben von K. O. Müller : ,,Wenn ich die

216 XXI. Die Minyae Ich zweifle nicht, dafs dies echte Spuren von dem uralten Dasein des Stammes von Minyern in der Gegend Genealogien der Pylischen Minyer betrachte, so sehe ich, wie der Kultus des Hades hineinspielt , dessen Tempel bei Pylos Triphyliakos lag ; daher der Gott auch Stadtschirmer ist gegen Herakles. Darum ist Persephone , Minyas Tochter, Ahnfrau der Pylischen Könige : und wenn andere Klymene für Persephone nennen, oder Pyleos Sohn des Orchomenischen Klymenos , so ist dies ganz einerlei. Denn Khúμsvos heifst Hades , nicht blofs in einem Epitheton ornans, sondern ganz eigentlich, wie im Hymnus des Lasos auf die oì xório von Hermione" Müller zielt hier auf die Entstehung eines grofsen Theils der griechischen Mythologie aus dem allmählich menschlich gewordenen und umgestalteten Sagenkreise ältester griechischer Gotterlehre. Der Klymenos der Minyschen Mythen, oder der Heros dieses Namens ist wie aus der Analogie erhellt , einerlei mit dem gleichbenamten Gotte , dessen Mythen hier allmählich abgestreift sind. Eben so ist mit ihrem eigentlichen Namen die Göttin selbst aus diesem Kreise , die Persephone, in einen obern Theil eben dieser Genealogie aus einem verschiedenen Mythos getreten. Hieraus erwächst ein schwacher Lichtfunken für die oben ( S. 8 und 19) so zweifelhaft auftretende Klymene, Tochter des Minyas, welche zugleich Groſsmutter des Iason ist, und also aus irgend einer uns noch dunkeln Ursache an der Spitze der Argonauten- Genealogie steht. Ohne Zweifel führte Persephone auch den Beinamen , der dem ihres Mannes entsprach, Klymene. Eben so passende Benennungen für dieselbe sind die Formen Periklymene und Eteoklymene , in welche sie sich in der mythischen Genealogie zerspalten hat. Auf welche Art Hades in die Mythologie der Minyer getreten, bleibt, wo möglich, zu untersuchen übrig. Auf jeden Fall trat er auch als Gegner des Herakles darin auf, der ihn nach Homer bei Pylos unter die Verwundeten gestreckt, worauf Müllers Worte oben anspielen. Ich füge hinzu , daſs ohne allen Zweifel eine weitere Umwandlung dieser Geschichte in dem Neleus liegt , der so offenbar ein Beiname dieses Gottes ist, der als Heros in den Fabelkreis und die Genealogie der Minyor getreten ist ; und dessen vornehmster Sohn in dem Herakles - Mythos wieder nach dem Namen des Gottes , Periklymenos heifst. Eine weitere Ausführung von diesem allen wird sich fernerer Untersuchung vielleicht darbieten. - Einen merkwürdigen aber ganz dunkeln Zusammenhang gibt das alte Heldengedicht , die Minyade , welche Pausanias mehrmals anführt , und worin durchaus keine Mythen weder des Minyas, noch der Minyae vorkamen , deren Scene aber überall im Unterreich ist. (S. die Stelle im Index zu Pausanias in Minyas Poesis . ) --Verbinden wir &# der ältesten Zeit. 217 des Peloponnesos sind, wo sie noch zu der Perser Zeiten wohnten, und Herodot sie im 73. Kap. des 8. Buches aufführt. Ich zweifle also auch nicht , ein Beispiel gegeben zu haben von der Unzuverlässigkeit der historisch scheinenden Angaben aus jenen Zeiten, welche 500 Jahre älter sind, als die geschriebene Geschichte bei den Griechen ist ; und zugleich ein Beispiel, wie zur Berichtigung der Historie auch die Mythologie gebraucht werden kann, ohne diese selbst als Historie zu misbrauchen. Nachdem wir also die Spur des Namens Minyä bis an die Grenze gebracht haben , wo , wie man gewöhnlich spricht, die wahre Geschichte angeht (sie ist nehmlich von dem Anfang der heraklidischen Reiche an ungefehr so wahr , wie die römische Geschichte von Numa an) : so wird sich dem Rückblick die Wahrheit dessen ergeben, was ich zu Anfang andeutete , dafs dieser Name in der Mythologie selbst als etwas noch mythischeres auftritt, dessen wahre Gestalt man nicht recht auffassen kann. Denn indem wir nun überall zum Theil freilich nur durch gefundene Winke ihm nachgegangen sind , so bleibt das zwar, dafs es ein gewisser Volksstamm gewesen ist : aber nirgends doch tritt er als eigentlicher gangbarer oder gangbar gewesener Volksname auf. Am bestimmtesten thut er dies noch in der letzterwähnten Herodotischen Erzählung, wo bei diesem Geschichtschreiber die Namen Aɑxɛδαιμόνιοι und Μινύαι in jenen Unterhandlungen ordentlich gegenüber stehn : aber man sieht auch deutlich , dafs dies dort nur in Beziehung auf die mythische Abstammung von den Argonauten oder Minyern geschieht , worauf die Ankömmlinge ihre Forderungen gründeten. Da nun in Gefolg dieser Begebenheit nur der kleine Stamm von ihnen übrig bleibt, der sich in Triphylia niedergelassen ; so müſste man erwarten, dafs diese damals und späterhin Minyer geheifsen. Aber keinesweges. Selbst an der zuletzt angeführten Stelle , wo Herodot die sieben Völkerhiemit die Sage vom Höllenrichter Minos : ja vielleicht auch den italischen Ausdruck, Dii manes als Oroùs inoxdorious ; welche Gegenstände wir noch unten in diese Untersuchung ziehen werden.] 218 XXI. Die Minyae stämme des Peloponnesos aufzählt , nennt er diese nicht Minyer, sondern ihrer angeblichen nächsten Herkunft nach Lemnier, so wie er kurz vorher die von Elis Aetolier genannt. Der gangbare Name aber dieses Drittheils der Bevölkerung von Triphylia war, wie man aus ihm sieht, Paroreaten. Denn nachdem er 4, 148. gesagt, sie (die Minyer) hätten die Kaukonen und Paroreaten aus ihren Sitzen vertrieben und sich darin niedergelassen , so sagt er nachher an jener andern Stelle Anuvicov dè (d. h. zu dem Stamme der Lemnier, oder Minyer gehören) Пαowoεntα TávτES πάντες.. Man sieht also , dafs dieser nach Herodots Darstellung hier eingewanderte Stamm allein und ausschliefsend nunmehr den Namen führte , den die früheren Bewohner vorher geführt. Ganz natürlich ; da es eine örtliche Benennung ist ; und gerade so wie in der mythischen Geschichte Lakedämonier und Argeier der Name des damals in diesen Ländern wohnenden Achäischen Volkstammes war, späterhin aber eben so des Dorischen. Das Völkchen, wovon wir reden , hiefs also im Völkerverkehr Paroreaten, rechnete sich vielleicht zum äolischen Hauptstamm, und führte den Namen der Minyer in seiner Sage. Dafs ferner in der Argonautengeschichte der Name Minyer ganz und gar nicht als gangbarer Name eines bestimmten Volks auftritt , sondern rein mythisch und poetisch ist, das haben wir gesehen. So blieben also nur die Minyä in Orchomenos übrig. Aber auch hier zeigt dieser Name sich nie als der eigentliche gangbare der Nation, als ein Volksname, der wie Böotier , Phokier , Kaukonen sich über eine gewisse Gegend erstreckte, deren Hauptstadt Orchomenos war ; sondern es ist eine Nebenbenennung der Einwohner nur eben dieser Stadt , der nicht leicht ohne den Namen der Stadt 'vorkommt, und meist nur um diese von dem arkadischen Orchomenos zu unterscheiden ; denn dahin scheint es mir auch zu gehören , wenn Herodot ( 1 , 146.) die Orchomenier , die an der ionischen Wanderung nach Asien Theil genommen Μινύαι Ορχομένιοι nennet, welches weiter nichts heifst , als Ορχομένιοι οἱ ἐξ Ορχομένου τοῦ Μινυείου . Dafs es nie eigentlicher Volksname war, davon ist ein einleuchPTOTOauD11 der ältesten Zeit. 219 tender Beweis der Gebrauch des Homer. In diesen Gedichten war sicher der Ort , wo ein solcher Name, wenn er wahre historische Begründung im Volks-Verkehr hatte, gebraucht werden konnte und mufste. Und so sehn wir denn im Katalog (Il. ß, 493. ff. ) alle eigenthümliche Namen, wodurch sich die dort aufgeführten Hauptstämme von andern unterschieden , namentlich auch die , welche von dem Namen des Landes oder des Hauptorts verschieden waren. Es treten also dort auf die Bouwτol, Poxnes, Λοκροί ; aus Εὐβοίᾳ die῎Αβαντες, die auch ferner im Verlaufe des Gedichts so genannt werden ; ferner die 'Aprúdes, aus Elis und den übrigen Städten die 'Entoi , von den westlichen Inseln die Κεφαλλῆνες , dann die Αἰτωλοὶ , die Κρῆτες , und aus Thessalien endlich die Μυρμιδόνες, Ἐνιῆves, Múyrntes. Und so fehlt keiner von den Namen, der ein ganzes unter Einem Anführer bei Homer stehendes Volk begriff, als der Name 'Iάores für die Athener ; aber auch dieser kommt doch an einer späteren Stelle in der Schlacht vor, Il. v, 685. Und dafs er im Katalogus fehlt, mag wol daher rühren , dafs dem Dichter , der diesen abfafste, dieser Name mehr als einer der grofsen Stammnamen, wie Dorier und Aeolier, erschien, die kein Volk allein führt , da auch andre Nationen sich zum Ionischen, Dorischen , Aeolischen Stamm rechneten. Dagegen war der Name Ava zwar der einer Stadt, aber doch eigentlich der Name des Landes , da die ganze Axtǹ oder 'Atτικὴ oder ᾿Ατθὶς mit Volk und Namen in dieses ᾿Αθῆναι übergegangen waren. Und so war also nun bei Homer, der kein Eleusis, Rhamnus u. s. w. aufführt, 'Adŋvator ein Volksname nach dem Lande , wie Aaxedauório von dem damaligen Namen des gesamten Landes Λακεδαίμων. Ein so altberühmter Name wie Mvua hätte also , in dieser Form , als Volksname nicht fehlen können, wenn es der wahre Volksname gewesen wäre , besonders da Homer durch Nennung der zwei einzigen Städte Aspledon und Orchomenos gerade so recht den oben bestimmten Winkel von Bootień , wo damals allein noch der Stamm wohnte, dem dieser Name, wie wir gesehn haben, gebührt hätte , von dem Lande der Böotier absondert. Statt des- 220 XXI. Die Minyae sen tritt dieser Stammname bei ihm nur auf als Beiname der einen jener beiden Städte Οἳ δ᾽ Ασπληδόνα ναῖον ἰδ᾽ Ορχομενὸν Μινύειον einzig zum Unterschied von dem arkadischen Orchomenos. Noch ein Beispiel eines vermifsten Namens dieser Art ist indessen da ; aber gerade dies bestätigt mein Urtheil über das vorliegende. Die Lapithen treten unter den thessalischen Völkerschaften nicht auf im Katalog , sondern die Schaar, welche von Polypoites und Leonteus den Söhnen und Nachkommen berühmter Fürsten der Lapithen, Peirithoos und Kaineus, angeführt wird, ist nur durch die von ihnen bewohnten Orte bezeichnet. Doch kommt im Laufe des Gedichts zweimal der Name vor , aber nur indem Polypoites und Leonteus selbst aniva und vis Λαπιθάων Maniάov μ, 128. 181. genannt werden, was eben auf jene mythisch - berühmte Abstammung geht , wie auch Askalaphos und Ialmenos sehr füglich könnten Mivva genannt sein * ) . Als Volksname hingegen kommt ¼αлíðα durchaus nur in jenem berühmten Mythos vor, den auch Homer in der Odyssee erwähnt. Denn was Strabo 9. p. 439. 440. und andere haben , ist so von allem historischen entblöfst, dafs man gleich sieht, daſs es weiter nichts ist, als aus der Mythologie gezogene Scheingeschichte. Doch von den Lapithen wird man mir ohne Mühe zugeben, dafs sie ein eben so mythisches und eben so wahres Volk sind, als die Kentauren; ja die Lapithen sind nur das mythische Korrelat zu diesen. Die Kentauren hat man längst richtig beurtheilt , nur dafs man durch den mythischen Vortrag sich zu sehr einengen und in Thessalien festbannen liefs. Der Norden von Griechenland aus war von nomadischen reitenden Völkern erfüllt : die Städte bauende Kultur drängte jene immer tiefer und tiefer in den innern

  • ) So kommt der Name Lapithe auch sonst noch von einzelen Personen vor, z. B. Herodot (5, 92.) nennt den Kypselos einen Lapithen der Abstammung nach, weil er sein Geschlecht vou

Kaineus herleitete ; und unter den mythischen Helden wird der Argonaut Mopsos , dessen Geschlecht über seinen Vater Ampykos hinauf unbekant ist, von Strabo (9. extr.) ein Lapithe genannt. der ältesten Zeit. 221 Norden, die Sage aber lässt sie noch mit den Griechen in Thessalien zusammentreffen : ganz wie auch die Thrakier in der Sage noch in Böotien und Attika hausen. So sind also die Kentauren mythisch und wahr, und ihr Name sowohl, als der der Lapithen, sind ohne Zweifel altpoetische bedeutende Benennungen , die sich jedoch nicht mit dem Grade von Zuverlässigkeit darthun lassen, wie eine historische Untersuchung sie mir zu erfodern scheint *).

  • ) Nichts ist leichter als das etymologisiren , wie man es gewöhnlich nimt, nehmlich für einen Namen eine passende Deutung

zu finden. Ja, man darf nur die Elemente einigermaſsen handhaben können , so läfst sich , mit gehöriger Weite der Begriffe und der Analogien, jeder Name auf jeden Gegenstand deuten. Es gibt daher eine Grenze historisch überzeugender Deutung : da diese aber einer anders zieht als der andere, so mag ich Etymologien aus dieser Gattung nicht unter die Beweise historischer Gegenstände setzen. Sonst, glaube ich , dürfen folgende Deutungen der obigen Namen sich unter den zwanglosen wohl sehen lassen. Wer einen vorwärts hangenden Kosaken auch nur im Bilde gesehen hat, wird die buchstäbliche Deutung des Namens Kivtavoos , als eines der durch die Lüfte bohrt, für jene nordischen Steppenreiter , in alter epischer Sprache gewifs passend finden . Auch ist sie sehr alt denn die mythische Begründung der Kentauren aus Ixions Beiwohnung mit einem Wolken - oder Luftgebild geht, wie so viele Mythen, augenscheinlich von dieser buchstäblichen Behandlung des Namens aus. Und an innerer Wahrscheinlichkeit und Analogie übertrifft sie nach meinem Gefühl weit die andere , welche die Grammatiker, wie es scheint, gangbar gemacht haben, wonach die Κένταυροι oder ῾Ιπποκένταυροι von der in Thessalien altublichen Jagd zu Pferde gegen Stiere benannt sein sollen : s. Böckh zu Schol. Pind. 4, 78. Doch scheint mir itzt, als einfachste, auch die richtigste Deutung die zu sein , dafs die Endung -avgos nur eine rauhere Form der Endung - wo sei und Inлoxέvτavooι weiter nichts als ἱπποκέντορες , wofür man dann kürzer Κένταυροι d. i. κέν- TOQEs sagte. Für die Verlängerung von wo in opos geben die Analogie διάκτορος, ἀλάστορος für -ως : und ganz parallel ist λάσταυρος, wenn dies gewohnlich sehr schlecht gedeutete Wort nach meiner Vermuthung nur eine derbere Form für λorwg von lay begehren ist. Diese Erklärung setzt denn aber voraus, was man mir leicht glauben wird , dafs die Doppelgestalt der Kentauren erst allmählich in die Fabel gekommen ist, da sie in der alten einfachen Sage nur reitende Wilde, ἱπποκέντορες, ἱππόδαμοι, ἱπποβύται waren . So erst fällt Licht auf die bekante Hochzeit der Lapithen , wo man 222 XXI. Die Minyae 1 Diese Lapithen geben also, dünkt mich, ein sehr passendes und empfehlendes Beispiel für meine Behauptung, dafs auch Mirai nur ein mythischer Volksname sei. Und was keinesweges nöthig wäre findet sich hier auch noch dazu, nehmlich ebenfalls ein Volk, wovon die Marúa den Gegensatz machen , wie die Kentauren für die Lapithen. Die obige Genealogie bietet die Phayvan hiezu so einleuchtend dar , dafs sie als neue Bestätigung hinzutreten ; und zwar hier noch mit den , einem alten Mythos so sehr zusagenden Entsprechen der Namensform, in Mirúai, Pheγύαι , und den beiderseitigen Stammvätern Μινύας, Φλεγύας. Und eben so harmonisch ist auch ihre Genealogie. Dann der Chryses , welcher bei Pausanias Vater des Minyas und Sohn des Poseidon ist, ist nur ein willkürliches Einschiebsel. Nehmlich um die Genealogien auszufüllen, setzte man, wie jeder weifs, der nur einige der Art betrachtet hat, allerlei Personifikationen von den Umständen der Familie und des Landes hinein ; der goldreiche Minyas war also nach einigen ein Sohn des Chryses und Enkel des Poseidon , nach andern ein Sohn der Chrysogone vom Poseidon . Diese letzte Darstellung haben wir oben aus dem Scholiasten des Apollonius (3, 1094.) ersehn, dichterische Kunst braucht, um die Anwesenheit der Kentauren zu erklären. Nehmlich Hippodamia oder Hippobotia (denn beide bedeutende Namensformen führt sie ) war eine Kentaurentochter, was in dem alten Mythos ohne Anstofs war ; aber mit der späteren Vorstellung der Kentauren reimte sich das nicht mehr ; und so dachte man sie sich als Lapithin . S. Schol. Od. g, 303. extr. mit meiner Note hiezu und zu Schol. 295. Was aber die Lapithen betrifft, so denke ich, wer die Richtig keit des Gegensatzes zwischen jenen stets reitenden Nomaden und den ruhigen Städteerrichtern anerkennt , und zugleich aus bekanten Beispielen weifs , wie das Zusammenfügen störriger Steine zu einem sichernden und ebenmäſsigen Bau in der mythischen Poesie sich gestaltet , der wird die Benennung Steine überredender (hữuç Jóvτ ) Menschen nicht mit Zwang in den Namen der Lapithen gelegt finden. Eine dieser schr analoge Benennung ist die der städte verwüstenden Dioskuren Λαπέρσαι ( Νὴ τὼ Λϋπέρσα-- Fragm . Soph. ap. Strab. 8. p. 364.) ; wiewohl dieser Name gewöhnlich, aber nicht sehr wahrscheinlich , bestimmt auf die von ihnen zerstörte Stadt, ã, bezogen wird. der ältesten Zeit. 223 und sie stimmt mit den vielen andern , denen Minyas ein Sohn des Poseidon , wiewohl von andern Müttern ist. Beide Darstellungen wurden dann , wie vielfältig in den mythischen Genealogien , von den Mythologen zusammengeschmolzen, und damit keine , so Gott will , historische Person verloren gehe , der Chryses zwischen Minyas und Chrysogoné eingeschoben. Wir haben also nur wieder diesen thatenlosen Chryses auszustofsen , um folgende ebenmässige Stammtafel zu bekommen , die gewiſs eine ursprüngliche ist.

Halmos Chryse vom Ares Phlegyas Chrysogeneia vom Poseidon Minyas wo denn auch, so wie Poseidon der natürlichste Vater des Minyas ist , der die durch Seefahrt reichen Minyer darstellt , so Ares der Vater des kriegerischen und räuberischen Volks der Phlegyer. Dieses Volk nun ist wieder ein irrer Schatten , der sich nicht bannen läfst. Stephanus von Byzant zwar führt eine Stadt Phlegya auf mit den übrigen grammatischen Zuthaten ; die aber weiter nichts ist, als eben die, welche wir in der mythischen Erzählung unter derselben Namensform gesehn haben , mit dem Zusatz , daſs Phlegyas die kriegerischesten aller Hellenen in derselben versammelt habe. Auch wird sie nicht sicherer durch die Angabe im Hymnus des Apollon ( 278. ) , wo es von dem auf dem Wege nach der künftigen Stäte von Delphi begriffenen Gott heifst : Ιξες δ᾽ ἐς Φλεγυῶν ἀνδρῶν πόλιν ὑβριστάων, Οἳ Διὸς οὐκ ἀλέγοντες ἐπὶ χθονὶ ναιετάασκον Ἐν καλῇ βήσσῃ Κηφισίδος ἔγγυθι λίμνης . Die übrigen geographischen Bestimmungen dort sind sehr verwirrt ; aber gerade diese Angabe wird durch den See Kopaïs und durch die vorhergehende Erwähnung des Kephisos auf die Gegend von Orchomenos bestimmt ; wo man also solche Stadt zu suchen hätte , wenn auf eine epische Erzählung, die fast in der Urwelt, nehmlich vor Gründung 224 XXI. Die Minyae des delphischen Tempels durch den Gott selbst, spielt, das geringste zu bauen wäre. Vielmehr sieht man deutlich, dafs der Phlegyas und die Phlegyä und die Stadt Phlegya ein und dasselbe sind : daher denn auch der verständige Strabo einer solchen Stadt nicht erwähnt. Der Sitz dieses mythischen Volkes schwankt also zwischen Böotien und Phokis (s. oben S. 196. die Anführung aus Pausanias , und vergl. den Scholiasten zum Nikander Ther. 685.: Pheyva γὰρ ἔθνος Φωκίδος παρὰ Δελφοῖς ᾤκησαν ), weil so wie der oben erwähnte berüchtigte Angriff auf Delphi, so auch zu Zethos und Amphions Zeiten ähnliche Feindseligkeiten derselben gegen Theben erwähnt werden * ). Aber sorgfältig heifst uns Heyne zu Il. v, 301. mit diesen ja die Phlegyer in Thessalien nicht verwechseln, welche Homer an der angezogenen Stelle meine , wo er einen andern mythischen Krieg berührt zwischen den Phlegyern und Ephyrern , über welche beide allerlei Nachweisungen vorhanden sind, die man bei Heyne und an den von ihm citirten Stellen des Strabo und Stephanus nachsehn_kann **), und wodurch beide Völker an den Peneos in Thessalien gelegt werden. Weiter allerdings wich Euphorion ab, der nach Serv. ad Aen. 6, 618. sie zu gottlosen und heiligthumschänderischen Bewohnern einer Insel macht , daher Poseidon sie durch Erschütterung des Theils der Insel, den sie bewohnten , verschüttet habe. Wir sehn nun genug. Alle diese Notizen und besonders die ans dem Pausanias, dafs Zeus die Phlegyer durch Blitze, Erdbeben und Seuchen vernichtet habe , nebst der Etymologie des Namens Dhayvan, zeigen uns den überall wiederkehrenden Mythos, dafs ein gottloses Volk durch Feuer vom Himmel und Erdbeben zerstört sei, und der in jedem Lande , wo die Mythen mit den Völkern hinkamen, durch dortige vulkanische Ereignisse meist geographisch bestimmt wird. Welche Sünden das todte Meer in Palästina hervorgebracht haben, ist bekant. Bei den Stämmen, denen die Sage der

  • ) S. Pherecydes bei Schol. Il. v, 302. und Od. λ, 264. (Sturz.

pag. 134. s.).

    • ) Vergl. auch Heyne zu Apollod. 3, 10, 3.

der ältesten Zeit. 225 der Minyer gehört , war die Ursach gleicher Vernichtung Tempelschänderei und kriegerische Unbild. Der Wohnsitz der Phlegyer schwankte , weil wahrscheinlich mehre vulkanische Ereignisse in der Sage und vor Augen waren. Dafs in der Erzählung bei Pausanias die Phlegyer nur eine vorübergehende Periode in der mythischen Geschichte der orchomenischen Vorzeit , und Phlegyas Herscher des Landes ist , kommt blofs von dem Bestreben, eine der spätern Geschichte analoge alte und ordentliche Herscher- Reihe zu haben. Da Phlegyas und Minyas jeder Symbol eines Volkes sind , so versteht es sich , dafs beide in der ältesten Sage neben einander existirten, und dies ist auch der deutliche Sinn der vorhin herausgehobenen Genealogie. Wenn aber nach Paus. 9, 9. die Phlegyer aus dem Minyer - Lande noch den Thebanern gegen die Argeier zu Hülfe gekommen sein sollen , so ist dies offenbar blofs ein poetischer Zusatz der Thebaiden - Dichter. Ungeachtet der unleugbar mythischen Natur dieser Phlegyer und der Bedeutsamkeit ihres Namens , brauchen wir jedoch eben diesem Namen eine geographische Wahrheit nicht abzusprechen , nehmlich den eines Landstrichs in einer oder der andern der in dem unsteten Mythos bezeichneten Gegenden , der seiner vulkanischen Natur wegen , und der damit verbundenen Ueberlieferung , solchen Namen wirklich geführt haben mag. Die einleuchtendste Parallele hiezu , und zu unserer ganzen Darstellung von den Phlegyern überhaupt, gibt uns das Land mit gleichem nur wenig anders geformtem Namen, Phlegra, nebst den Notizen darüber bei den Alten. Zuförderst berichtet der Epitomator des Strabo (p. 330. ) : „,dafs die Halbinsel Pallene früherhin Phlegra geheiſsen, und dafs die in der Fabel berühmten Giganten daselbst gewohnt haben, ein gottund gesetzloses Volk, welches Herakles vernichtete. " So auch Stephanus (v. Пaλλývŋ) , nachdem er gesagt, daſs hier der Kampf zwischen den Giganten und den Göttern gewesen, führt aus des Theagenes makedonischen Geschichte an ,,,die Sage sei , dafs dies Land einst Phlegra geheiIsen und die Einwohner Giganten : zu diesen sei Herakles gekommen und ihre Gewaltthätigkeiten und MenschenII. P 226 XXI. Die Minyac feindlichkeit verabscheuend , auch selbst von ihnen angefallen , habe er sie, zur Strafe ihrer Ungastlichkeit, in einer Schlacht getödtet, während welcher es gedonnert und geblitzt habe ; woher denn die Fabel von dem Kampfe der Götter gegen sie entstanden sei. " Und eben diese Sagent aus gleicher Ursach finden wir auch über die phlegräi schen Felder in Kampanien bei Strabo (4. p. 243. 245.) und andern. So dafs wir also über die Entstehung aller Sagen von den Phlegräern und den Phlegyern und über die Verbreitung dieser Namen als geographischer Bestimmungen über mehre Lande , weiterer Erörterung völlig überhoben sind. Da ich aber oben das Wandern der Mythen mit den Völkern erwähnt habe , so mufs ich bei dieser Gelegenheit ein Wort über die Gattung mythischer Anachronismen erwähnen , vermöge welcher Mythen , die in grofsen Zwischenräumen von Jahren entstanden sind, durch und neben einander stehn. Nehmlich vor der geschriebenen Geschichte ist eine Periode , welche man als die Periode eigentlicher Ueberlieferung von der rein fabelnden Sage unterscheiden mufs. Dies ist die dunkle für uns thatenarme Zeit, worein nur durch unsichere Ueberlieferung, die jedoch hie und da durch Listen verschiedener Art unterstützt wird, und durch Schlüsse, einige obgleich sehr unzuverlässige Chronologie gebracht wird. Diese ist, wie gesagt, für uns thaten-arm, und diese Leere nimt aufwärts zu, fängt dann oberhalb an mit fabelhaften Erscheinungen sich auszustatten : und plötzlich sind wir, ganz oben, mitten in einem Meere der mannigfältigsten Völker- und Personen- Geschichte. Dies ist die Fabel- Sage. Und aus dieser Zusammenstellung geht allein schon hervor , was ich über den möglichen Antheil auch nur einiger Geschichte an diesen Mythenverflechtungen schon öfters gesagt und angedeutet habe. Hier will ich nur davon sprechen, wie undenkbar hier also alle auch nur oberflächliche , ja auch nur scheinbare Chronologie sei. Nehmlich was in jener dunkel-historischen Periode schon nur schwierig und unsicher ist, das ist in dieser gar nicht mehr möglich. In jener obersten Region stehn von jeder Nation der ältesten Zeit. 227 nur die mythischen Anfänge und Alterthümer ihres Stammes , zusammengesetzt nicht aus fortlaufenden Geschichtsfäden, sondern aus lauter einzelen Erzählungen von Thaten und Ereignissen , die nur ihrer Ergetzlichkeit , ihrer Lehre , oder endlich des darin enthaltenen Nationallobes wegen erzählt werden. Solche Erzählungen können nicht einmal mit scheinbarer Chronologie überliefert werden ; sondern jeder reiht sie zusammen wie er am besten kann, und jeder Sänger wie es ihm poetisch am wahrscheinlichsten ist. Einer solchen Fabel ist aber nie anzusehn, in welcher Zeit sie spiele , als nur etwa für die groben Abtheilungen von alter Göttergeschichte oder von Entstehung und erstem Auftreten des Menschengeschlechts , die sich dann aber auch wieder durch Verdunkelungen und Deutungen umgestalten können in Begebenheiten aus den Zeiten des vollen Menschenverkehrs. Aber auch keine Oertlichkeit kann man solchem Mythos ansehn, weil nothwendig im Lauf der Jahrhunderte alle Erinnerung an die Oertlichkeiten der frühern Sitze eines Stammes zum Theil bis auf die Spur im Gedächtnifs verschwindet ; während die Fabel selbst ihrer Ergetzlichkeit und Lehre wegen durch Jahrtausende hindurch , wenn gleich mit Veränderungen , sich erhält. So gemengt setzt sich dann diese Fabeln -Masse an den Grenzstrich , den wir der eigentlichen aber dunkeln Geschichte etwa ziehen wollen; und dicht vor der ersten Begebenheit dieser kann folglich ein Mythos liegen , der aus ältester Zeit und frühesten Sitzen herüber gekommen ist. Ein einleuchtendes Beispiel gibt in der vorliegenden Sage der Mythos von Trophonios und Agamedes und der von ihnen gebauten Schatzkammer. Die auffallende Uebereinkunft dieser griechischen Fabel mit der ägyptischen im Herodot hat längst jene unkritische Art der Beseitigung hervorgebracht, die so viel historisch - nützliches zu verderben strebt. Die ägyptische Erzählung, das versteht sich, die bei einem Historiker sich findet, ist wahr ; und die griechische hat, nach Valckenaer, ein Graeculus in die griechische Geschichte eingeflickt. Was indessen nicht genug ist. Denn es sind wenigstens zwei Graeculi übereinander geP 2 228 XXI. Die Minyae kommen , da ganz eben dieselbe Geschichte auch nach Elis getragen wird, wo Agamedes und Trophonios, welche in dieser Erzählung Vater und Sohn , und Arkadier sind, dasselbe beim Augeias üben was nach der andern bei Hyrieus. Dafs eine Erzählung aus dem gelesensten aller Geschichtschreiber so plump weggenommen, an mehr als eine Stelle tief in die griechische Mythologie, woraus Pausanias und die Scholiasten schöpfen, sollte getragen worden sein , ist eine Annahme , die , hoffe ich , von selbst fällt. Wobei ich jedoch gern glaube , daſs in den Vortrag der Geschichte , wie sie von den Mythologen erzählt wird , sich einiges aus der jedem solchen Erzähler auch bekanten Herodotischen Geschichte unwillkürlich einmengte, und so das auffallende in der Uebereinstimmung bewirkte. Man bemerke nun , dafs Rhampsinit in der ägyptischen Chronologie in der Region steht, wo Sesostris seine abenteuerlichen Züge macht , wo die griechischen Historiker den Danaos herholen , wo auch Proteus als König von Aegypten auftritt ; und man wird wohl fühlen , daſs man auch dort tief in der in historische Form gebrachten Fabelsage sich befindet. Die Sache ist also nach aller mythologischen Analogie diese , daſs ein altes orientalisches Geschichtchen , das sich in der ägyptischen Sage des Königs Rhampsinit einfügte , auch mit viel tausend andern in die griechische Mythologie gekommen ist. Wenn man übrigens das hieher gehörige Stück der Genealogie aus Pausanias in dieser Form betrachtet: Klymenos Erginos. Stratios. Arrhon. Pyleos. Azeus Trophonios. Agamedes Aktor Astyoche vom Ares. Askalaphos. Ialmenos so sieht man die eigentliche Herscherlinie durch Azeus zu Askalaphos und Ialmenos gehn. In der Folge der Herscher ist aber Erginos ; und da dessen zwei Söhne keine Kinder hinterliefsen, heifst es, so seien Askalaphos der ältesten Zeit. 229 und Ialmenos gefolgt. Diese Form genauer historischer Notizen fällt in dieser Art Geschichte ins lächerliche ; hat aber ihre Ursach in der zusammenfügenden Arbeit der Mythologen oder Historiker , die allerlei Mängel und Widersprüche dadurch decken mufsten. Man sieht leicht, dafs Trophonios und Agamedes , die auch in der Arkadisch-Eleischen Geschichte eben so erscheinen, weder hier noch dort hingehören , sondern Dämonen sind , die , wie soviel andere, die Heroenform angenommen haben. In die Minysche Sage kamen sie nebst ihrem Vater , den sein auf sie bezüglicher bedeutsamer Name verräth , nur als Symbole. Den Glanz, Reichthum und Pracht dieses alten Stammes deuten die Chariten an, denen einer der ältesten Herscher zuerst opfert ; dann die goldnen Namen, Chryse u. s. w.; endlich Erginos und dessen kunstfertige Söhne. Da nun die Sage von diesen keine Abkommenschaft angab, so liefs man durch einen Nebenzweig (deren einzele Namen zuverlässig alle auch Beziehung hatten , wovon wir aber das wenigste wissen können) die Herscherlinie herabgehn. Da Trophonios und Agamedes als Baumeister des Delphischen Tempels genannt werden (s. Hymn. in Apoll. 296.), und der Milesische Tempel , wie wir gesehn haben , gleichsam ein Ableger des Delphischen ist , so liegt vielleicht hierin eine bestimmtere Ursach, warum Erginos in Milet erscheint. Aber es ist nichts von seinem Mythos erhalten, als die geringfügige Notiz, dafs er zu den wenigen guten Steuerleuten auf der Argo gehörte. Nach einer so offenbar aus dem Orient eingewanderten Fabel werden denn auch die Spuren phönicischen Ursprungs , die man längst in der Mythologie des Athamas gefunden , weniger auffallen. Seine Gattin Ino des Kadmos Tochter und sein Sohn Melikertes oder Palmon, die zu Seegottheiten werden , sind anerkannt phönicische Götter. Die Geschichte des Phrixos aber , der geopfert werden soll, fliefst mit der hebräischen von Abraham und Isaak aus Einer Quelle. In den Sagen vieler Völker kommen Mythen vor , welche theils die alten Menschenopfer, theils aber auch durch gewisse Zusätze deren Abschaffung begründen. Eine solche ist die von Athamas. Athamas ' 230 XXI. Die Minyae will seinen Sohn opfern ; die reformirende Sage setzt hinzu, durch ein von einer tückischen Stiefmutter verfälschtes Orakel ; als das Opfer geschehn soll , wird er von den Göttern entrückt und auf einem goldnen Widder nach Asien geführt, wo er den Widder dem Zeus opfert. Pausanias (9, 24. vergl. 1 , 24.) sagt ausdrücklich , daſs Phrixos dem Zeus Laphystios habe geopfert werden sollen, der in Bootien und namentlich von den Orchomeniern verehrt ward, und von dem ein Berg mit heiligem Gebiet des Gottes den Namen hatte ; und zwar hatte nach der vom Pausanias erzählten Sage gerade an diesem Berge Laphystios Athamas seinen eigentlichen Sitz (Paus. 9, 34, p. 779.). Demselben so benannten Gotte wollte nachher, wie Herodot als einheimische Sage von Alos in Thessalien erzählt (denn auch dieser Mythos mit den dazu gehörigen Personen war beiden benachbarten Ländern gemein) das Volk den alten Athamas zur Sühne selbst opfern , was aber sein Enkel hinderte. Pausanias (9. 24.) sagt ausdrücklich , dafs Zeus selbst jenen rettenden Widder gesandt habe , den nachher Phrixos demselben Gotte opfert. Das Wort haqúooar , wovon jener Beiname des Gottes kommt, heiſst fressen , was an den kinderfressenden Kronos und den mit diesem stets für einerlei gehalte . nen Moloch mahnet. Kurz es ist klar, dafs die Sage von Menschenopfern , die auf jenem Berge dem Zeus ehedem gebracht worden seien , sich erhalten hatte , und dafs der . griechische mit vielen Zusätzen belastete Mythos erwachsen ist aus jenem alt - orientalischen, der in der mosaischen Erzählung so einfach und edel seinen wahren Zweck ausspricht. Gott verlangt das Opfer des Sohnes : aber zufrieden mit den Willen , sendet er einen Widder der. ihm geopfert wird ; wodurch denn die Thieropfer begründet sind. Aus diesen Darstellungen wird nun , wie man auch über manches einzele denke , ein richtigerer Begriff von der aus allerlei Fabeln, und namentlich auch aus orientalischen , zusammengesetzten Mythologie und Genealogie der Minyer hervor gehn und indem wir nun nochmals den Blick auf den Namen Minyä selbst wenden , werden der ältesten Zeit. 231 wir desto freier in unserm Urtheil sein. Ich habe aufmerksam darauf gemacht, dafs er gar nicht recht als der eigentliche im Verkehr gangbare Name eines Volkes auftritt. Mit besserm Recht können wir annehmen , dafs es der Name einer Art Adel , oder doch , wenn wir diesen blofs in den oben aus Plutarch angeführten Edelnamen suchen , ein dem römischen Quirites entsprechender Name der herschenden Volksklasse war ; wie dies durch den Ausdruck des Pausanias wahrscheinlich wird , welcher (4, 27.) sagt , dafs nach der Schlacht bei Leuktra ' Ooxoμevícov oi Mivvai von den Thebanern vertrieben worden. So ist er also ein Name , woran sich der Nationalstolz des Volkes heftete, ein altepischer , der sich so bis in die dunkelen Quellen der Mythologie hinaufzieht , wo ein Göttersohn Minyas ihn begründet. Käme nun irgend eine geographische oder ethnographische Notiz oder irgend eine poetische Bedeutsamkeit uns entgegen, so würde der Name uns eben so wenig beschäftigen als die grofse Menge der übrigen griechischen Volks- und Stammnamen ; so aber befremdet es einen Namen zu finden , einen berühmten und gefeierten , einen Namen, der, wie wir gesehn haben, herumreist in Griechenland , und der durch nichts als durch eine thatenlose mythische Person begründet ist. Die einzige Hemmung der Forschung ist eine sehr gewöhnliche , dafs wir mit dem Namen uns da fest bannen lassen , wo er nach unsern Nachrichten einheimisch ist. Wir haben aber den Grundsatz aufgestellt, dafs jeder Stamm, wo er auch wohne, immer noch seine ältesten Sagen, so viel sein Gedächtnifs trägt, erhält, die Oertlichkeiten aber nothwendig vergifst. Da nun das Wandern der Völker und Stämme gewifs ist , da unleugbare Reste ausländischer Mythen bei allen Völkern sind, da wir die Verflechtung orientalischer Sagen, namentlich in denen des Minyschen Stammes, gesehn haben: so ist die Aufgabe zuförderst in negativem Sinne gelöst : es ist der alte Name, den der Urvater und die mythischen Vorfahren von jeher und also auch in ihren frühern Sitzen in der Sage führten . Sobald uns aber diese Freiheit gegeben ist , so bieten sich auch positive 1 232 XXI. Die Minyae Winke dar , deren Zusammenstimmung gewiſs nicht so leichthin zu beseitigen ist. Ohne irgend jemand in seiner Meinung über das Urland und den Urstamm unserer westlichen Bevölkerung und Kultur zu stören , ist es doch erlaubt , bei jeder Nation Spuren und Sagen vom Aeltesten zu finden, wenn sie auch selbst die älteste nicht sein sollte. Die indische Mythologie nennt den Menu als den ältesten Stifter des Volks , oder was immer einerlei ist , des Menschengeschlechts. Die mystische Ausführung und Vergrösserung jener Mythologie hat den einfachen Mythos vervielfältigt bis zu einem siebenfachen Menu, der aber jedesmal wieder als Urmensch in irgend einer Idee oder irgend einer mythischen Periode erscheint , und selbst der älteste und erste schon als Gesetzgeber. Denselben Namen sehn wir an der Spitze der ägyptischen Sage. Men oder Menas *). sagt Herodot , sei nach den Götterkönigen der erste Mensch gewesen , der in Aegypten geherscht habe , und so auch Diodor, der ihm die ersten geselligen und gottesdienstlichen Einrichtungen zuschreibt. Es ist leicht auch hierin nur den etwas umgestalteten Mythos vom ersten Menschen zu erkennen, der auch bei den Indiern zugleich Gesetzgeber ist. Und diese Erwägung wird uns denn auch leiten , um in dem Minos der Kretenser wieder dieselbe mythische Person zu erkennen. Auch über ihn geht nichts weiter hinauf. Er ist der Sohn des Zeus. Dena dafs seine Mutter, die Europa, des Kadmos Schwester ist, das ist offenbar phönicischer oder griechischer Zusatz : so wie auch in dem Asterios , den ihm andre Nachrichten zum Vater und Vorfahren geben, die historische Industrie nicht zu verkennen ist , welche den göttlichen Vater des Minos , den König des Himmels und der Sterne in einen menschlichen König von Kreta verwandelt. Die echten

  • ) Auf die mögliche Einerleiheit von Minyas und Menas kam

auch Böckh schon in seiner Erklärung der Orchomenischen seinem Athenischen Staatshaushalt angehängten Inschrift II. p. 369. wo er die Spuren , welche in der Sage der Orchomenier auf Aegypten führen, zusammenstellt. der ältesten Zeit. 233 Züge oder Bruchstücke aus der kretischen Sage, den Minos betreffend , sind ohne Zweifel die , daſs er ein Sohn der Gottheit, dafs er der erste Gesetzgeber und König des Volkes war, und dafs er in der Unterwelt noch das Richteramt verwalte. Diejenigen , die sich nicht frei in der Mythologie zu bewegen verstehn, werden freilich das als unvereinbar mit dieser Vorstellung ansehn , dafs ja der Minos nicht blofs wie der Menas in Aegypten als ein uralter , als ältester König auftrete , sondern dafs er seine thätige Rolle ja spiele in dem Verkehr schon gebildeter Völker, zu den Zeiten des Theseus, dafs er als Grofsvater genannt werde des vor Troja kämpfenden Idomeneus, und also von der Sage wenigstens, wenn denn auch nicht von der Geschichte , in eine Zeit gesetzt wird , die der wahren Geschichte, meinen sie , viel zu nah sei , als , dafs da von dem ersten Menschen , oder auch nur von dem Stammvater des Volks könnte die Rede sein. Ich will diesen Geschichtforschern einige Ueberzeugungen, die ich nicht mit ihnen theile , auch nicht rauben. Aber das ist ihnen wie mir klar , dafs die Erzählungen aus epischem Munde kommen und mythischer Natur sind. Nun ist aber kein Volk in seiner ältern Periode mit der Geschichte anderer besonders entfernterer Länder bekant. Das einzige, was durch das Verkehr einigermaſsen bekant wird, sind einzele Züge aus dem Alterthum , das heifst aus der Mythologie eines solchen Volkes , die von diesen natürlich als Geschichte erzählt und von den andern als solche geglaubt werden. Diese Züge nun verketten sich durch die Epik mit der Mythologie auch des andern Volkes und werden so allgemeiner. So kannten also die Griechen den Minos und manches andre aus und über Kreta: aber das ist nicht die kretische Sage : das ist die griechische Sage über Kreta. Allein diese wenigen Notizen heften sich nun fest an den Begriff von Kreta und stehn dem Sänger immer wieder allein vor Augen , so oft er Kreta erwähnt. Man darf nur wenig in mythischer und romantischer Litteratur bewandert sein , so wird man das analoge von dem, was ich hier sage, kennen. Aus einer fernen Insel ist durch irgend eine Sage ein König bekant, 234 XXI. Die Minyae So oft nun in jedem andern Gedicht ein Held oder ein Ritter an diese Insel kommt , so herscht derselbe König wieder da. So treffen die Argonauten , und dann auch Odysseus , bei den Phäaken den König und die Königin Alkinoos und Arete ; ja dieselbe Epik trug kein Bedenken , dem Agamemnon auf Kypros sogar des Adonis Vater, Kinyras , zum Freund zu geben (I. λ, 20.) ; auf welchen daher auch der griechische Kyprier Euagoras sein Geschlecht sorglos so zurückführte, dafs er ihn zum Schwiegervater des Teukros machte (Paus. 1 , 3.) *). So also verhält es sich auch mit Minos. Es war der berühmteste Name , den die Griechen aus dem Alterthum von Kreta kannten. Die Geschichten von Theseus und Kreta dürften wahr sein , und in Kreta geherscht haben wer wollte, oder niemand; so träte Minos in der griechischen Erzählung auf. Den Beweis davon geben uns die griechischen Historiker selbst, die sich genöthigt sehn, zwei Minos anzunehmen , einen den alten Gesetzgeber, der aufser aller Verbindung mit der Geschichte anderer Völker ist , und den andern mit dem die Griechen ihre Abenteuer bestehn. Wiewohl dies nur ein Hülfsmittel der ganz späten historisirenden Mythologie ist , das den eigentlichen Mythologen, wie selbst dem Apollodor , noch fremd ist (s. Heyn. ad Apollod. 3, 1, 2. 3.) . Hätten wir vollends die echte alte kretische Landessage, so würden wir den Minos ohne Zweifel und manches andre darin finden, aber den Minos, der nach Athen, und den Idomeneus, der nach Troja schiffet, sicher nicht. Wenn die griechische Mythologie den Idomeneus zum Sohn des Deukalion und zum Enkel des Minos machte , so zog sie ohne Zweifel in ihrer harmlosen Unkunde in diesen drei Namen eine lange Reihe inländischer Herschernamen zusammen. Die Natur dieser Namen selbst bestätigt diese Ansicht : denn , Minos war, wie

  • ) Behutsame Mythologen drücken sich denn freilich, für den

Kinyras im Homer, so aus, Homer habe des Kinyras Namen ge braucht (Heyn. ad Apollod. 3, 14, 3.) ; was ich auch wohl zufrieden sein kann , wenn man mir nur erlaubt , unter Homer die altgriechische epische Sage überhaupt zu verstehn , und über den Minos im Homer ungefehr eben so zu urtheilen. der ältesten Zeit. 235 seine nahen Namensverwandten in Indien und Aegypten, der erste Mensch und Gesetzgeber ; und Deukalion wird auf Kreta gewifs keine andre mythische Person gewesent sein, als die gleichnamige in der hellenischen Sage ; wobei es möglich ist, dafs die griechischen Bewohner Kretas einen inländischen oder orientalischen andern Namen des alten Flutenbefahrers erst gegen Deukalion vertauscht hatten. Die entfernte Epik aber, die keine andre Namen aus der kretischen Genealogie kannte als diese, vereinigte sie zu ihrem Zwecke in Grofsvater , Vater und Sohn. Und wenn Homer die hebräische Geschichte so genau gekannt hätte wie die kretische , so würden wir ohne Zweifel unter den Helfern der Trojaner auch den Simson finden, den Sohn Noach, des Sohnes Adam. Zum viertenmal finden wir denselben Namen immer nur mit Wandelung der Vokale an derselben mythischen Stelle bei den Lydiern, die ihr Geschlecht auf einen Manes zurückführten. Dies würde schon ziemlich deutlich aus Herodot hervorgehn , der den Asias , von welchem Asien den Namen hat, zum Sohne des Kotys , und diesen zum Sohn des Manes macht. Aber vollständiger führt Dionysius von Halikarnafs ( 1 , 27. p. 21. Sylb . ) aus den mythologischen Schriftstellern über Lydien an , daſs von Zeus und der Erde Manes geboren sei, welcher dann wieder mit des Okeanos Tochter Kallirrhoë den Kotys gezeugt habe , dessen Söhne Asias und Atys , des letztern Sohn aber Lydos gewesen , von welchem das Land den Namen Lydien erhielt. Hier zeigen die Geburt und die Verheirathung des Manes deutlich, dafs er der erste Mensch gewesen. Die in unsern Tagen erst in volle Klarheit getretene grofse Uebereinstimmung der Sprachen , folglich auch der damit verbundenen Bildung , des südlichsten Asiens mit denen des nördlichen Europa , macht, dafs ich zu diesen vier nun mit voller Ueberzeugung des fünften hinzufügen kann den Mannus der Deutschen. Celebrant, sagt Tacitus, Tuistonem Deum terra editum et filium Mannum, originem gentis conditoresque. Manno tres filios assignant, e quorum nominibus proximi oceano Ingaevones, medii 1 1 236 XXI. Die Minyae 像 Hermiones, ceteri Istaevones vocentur. Dafs Tuisto der Teut, Deut oder Diet ist , unter welchem ein Theil der nordischen Völker einen obersten Gott verehrten , den Cäsar, durch die Aehnlichkeit der einen Namensform veranlafst, mit dem lateinischen Ditis oder Pluto verwechselt, ist wol aufser Zweifel: und dafs er ein Sohn der Erde ist, das hat er mit den griechischen Göttern gemein, Den Mannus hat man ganz verkehrt auf das , was wir Mannheit nennen, auf die Tapferkeit gedeutet; da doch schon eine gewöhnliche Sprachkunde lehrt , daſs Mann eigentlich , so wie fortdauernd im Englischen , den Menschen bedeutet , und Mannus folglich der erste Mensch ist. Das würde er nun auch sein , wenn die Deutschen ihn , wie jene andern Völker ihren Manes, Minos u. s. w. , bloſs für ihren eignen Stifter und König ausgäben. Aber noch deutlicher vielleicht würden wir ihn dafür erkennen, wenn wir seine drei Söhne und jene drei nach ihnen benannten Volkstämme unmittelbar in der altdeutschen Sage , nicht in römischen Verarbeitungen vor uns hätten. Bei Plinius nehmlich (4, 13. u. 14.) finden wir diese Namen ganz in ein geographisches , wenn gleich höchst unförmliches und verwirrtes System der germanischen Nationen verwebt. Aber Tacitus einfachere , dem Original unstreitig nähere Darstellung berechtigt schon zu der Vermuthung, daſs jene drei Namen nicht sowohl eine Eintheilung von Germanien, sondern was freilich bei einem einfachen und unwissenden Volke wenig mehr sagen will eine Eintheilung der bewohnten Erde darstellten. Diese Ansicht geht beinahe in Gewifsheit über durch die Bemerkung , dafs während die beiden Namen Ingaevones und Istaevones durch ihre von dem Wort wohnen gebildeten Endungen so deutlich als Benennungen nach der geographischen Lage sich kund thun , der Name der in der Mitte wohnenden Hermiones dem Namen Germani so nahe tönet : wie denn auch in den Orphischen Argonauticis (v. 1134.) Hermionia als der Sitz einer höchst gerechten Menschengattung, wobei jedem sogleich des Tacitus Germania einfallen muſs , in den tiefen Norden gesetzt wird. Hieraus geht nehmlich zuförderst soviel mit Gewissheit hervor, - - der ältesten Zeit. 237 dafs der Mythos , woraus jene Bestimmungen genommen sind, diesem in der Mitte wohnenden Völkerstamm angehört, und dafs dieser nur noch Bewohner nach zwei Richtungen annahm. Angenommen also auch , was auf jeden Fall auch wirklich so sich verhält, dafs diese Hermiones nur ein Theil dessen sind, was die Römer unter dem Namen Germania begreifen , so ist klar, dafs sie selbst hier als Einheit sich aufstellen, und unter jenen geographischen Bezeichnungen nicht zwei im engern Sinn ihnen verbrüderte, eben so bestimmte Stämme aufführen, sondern zwei Völkermassen nach den zwei Hauptrichtungen, von ihrem Lande aus, jenseit welcher sie nichts kennen, sondern alles was in derselben Richtung liegt, in ihrer Einfalt auch als eins begreifen ; mit einem Worte , die Erde unter sich und jene zwei Völkermassen , vertheilen : genau wie der hebräische Mythos unter den Söhnen des Noach den eigenen Stamm, als Sem, in der Mitte, und zwei grofse Völkermassen im Süden und Norden als Cham und Jafet personificirte , dennoch aber unter den beiden letzten Namen wirklich nahe und nahwohnende Verwandte des eignen Stammes , z. B. die Kananäer , mit begreift * ). Die

  • ) Ich habe im obigen nur soviel über die Namen Istaevones

und Ingaevones angenommen als ich mit Sicherheit konnte. Aber sehr lastig ist es, dafs wir über diese altdeutschen Namen so wenig befriedigen können ; und ich fürchte sehr dafs daran eben die schon erwähnte geographische Ausführung des Plinius schuld ist. Er schreibt 4, 14. so : Ingaevones, quorum pars Cimbri, Teutoni ac Cauchonum genus : proximi autem Rheno Istaevones , quorum pars Cimbri: mediterranei Hermiones, quorum Suevi, Hermunduri, Chatti, Cherusci. Vor diesen drei Abtheilungen nennet er noch als erste die Vindili und zuletzt als fünfte die Peuciner und Bastarner. Sondert man diese ab , so scheint das angeführte den Worten des Tacitus gut zu entsprechen ; und zwar die Hermionen ganz genau : auch fügen die Cimbern , Teutonen und Kauchen , als Anwohner des nördlichen Meeres , sich gut den am Ocean wohnenden Ingävonen des Tacitus ; und dafs die Istävonen am Rhein wohnen, das müfste man eben lernen , und die abermalige Erwähnung der Cimbern so gut wie man könnte, allenfalls auch als Irrthum oder Verderbung sich erklären. Indefs fühlt man schon , wie schlecht diese Angaben des Plinius zu dem einfachen Vortrag bei Tacitus passen ; wie wenig die medii Hermiones sich fügen zu Ingävonen 238 XXI. Die Minyae Einheit , auf welche der germanische Mythos die Erdbevölkerung zurückführte , konnte ein nordischer Noach so die im Nordwesten und zu Istävonen die im Westen von Deutschland wohnen , während Süden und Osten gar nicht berücksichtigt wären: was bei Plinius selbst ganz anders ist, der durch seine Vindilos, Peucinos und Bastarnas für Osten und Südosten gesorgt hat. Und lässt das ceteri Istaevones nuncupantur bei Tacitus nicht auf eine grofse nach Gegend und Raum nicht füglich zu begrenzende Masse schliefsen ? während das proximi Rheno für dieselben bei Plinius eine sehr bestimmte und begrenzte Angabe ist. Und nun die Etymologie. Gegen den klaren Sinn machte man sonst die Ingaevones zu Innenwohnern, die Hermiones zu Herumwohnern, die Istaevones aber zu Westwohnern , wo also grade der einzige unterscheidende Buchstabe weggefallen wäre ; denn Istaevones können auf diesem Erklärungswege nur Est- oder Ostwohner sein. Adelung erklärt Ingaevones ziemlich genügend aus dem in den kymrischen und isländischen Sprachen vorkommenden eigion , aigeun (altgriechisch wy ) Ocean, Meer ; und Istaevones aus dem kymrischen is, iso, isot unten, als Niederländer. Aber von den Hermionen aus können nur die Meeranwohner Niederländer (Niedersachsen) heifsen ; nicht die Rheinländer ; am wenigsten, was doch die Namensform zu erfodern scheint , in Beziehung auf die ausgemacht am Ocean wohnenden Ingaevones . Aber, wie gesagt, ich hege grofsen Verdacht gegen Plinius. Stelle ich mir ohne ihn des Tacitus einfache Angabe vor die Seele , so sehe ich die Her mionen in der Mitte von Deutschland, und von ihnen aus ergeben sich also die am Ocean wohnenden Ingävonen von selbst als der ganze am atlantischen Meer hin sich streckende Nordwesten von Europa. Wer würde also ohne des Plinius Angabe unter ceteri Istaevones etwas anders verstehn können als den unermesslichen Kontinent im Osten ? Und grade dies spricht der Name Istaevones buchstäblich aus . Ich glaube die Foderung ist nicht unbillig, daßs ich mehr vor mir sehn mufs als die paar Worte im Plinius um diese ebenmässige in sich so begründete Darstellung ohne weiters zu verwerfen. Nun will ich es gar nicht unternehmen, des Plinius Angaben oder die Schreibart bei ihm nach meiner Voraus setzung zu berichtigen aber das ist immer merkwürdig , und scheint mir auf Verwechselung jener zwei ähnlich klingenden Namen zu deuten , dafs er im 13ten Capitel die Ingaevones als das äusserste Volk im nordöstlichen Germanien nennt , grade wo nach Tacitus die Aestii wohnen , ein Name der , wie aus Vergleichung aller altgeographischen Quellen hervorgeht , ebenfalls der appellativische Begriff des Oestlichen ist , und sich daher von jenem Punkt an in der Folge immer östlicher zog , bis er sich zuletzt auf den Esthen in Liefland fixirte. der ältesten Zeit. 239 gut als ein nordischer Adam sein. Der Name Mannus stellt ihn uns dar als ersten Menschen und die Vergleichung der Mythen als einerlei mit dem Manu der Inder. Und diese beiden zeigen uns denn auch durch die Uebereinstimmung dieser zwei entferntesten Sprachen, dafs jener Name überall weiter nichts ist als , so wie auch Adam im Hebräischen , der Begriff Mensch selbst. Denn so wie aus dem eigentlichen und einfachen Worte Mann bei uns das Wort Mensch für die allgemeinere Bedeutung entstanden ist , so heifst auch in Indien von Menu oder Manu (denn beide Aussprachen finden statt) der Mensch im Sanskrit Manussa. Wie es sich in den alten Sprachen von Aegypten, Kreta und Lydien verhalten hat, weifs ich nicht. Aber mir kommt vor , dafs der Name des Minotaurus , sei nun dies welches Symbol es will , minder gut aus dem Namen des mythischen Königs Minos , als aus demselben als Appellativum Mensch gefafst, sich erklären läfst. Denn der Stamm von taurus ist dieser ganzen grofsen Sprachverwandtschaft in dieser Bedeutung. gemein , und Minotaurus ist also der Menschstier oder Stiermensch. Auch ist es nicht unwahrscheinlich, daſs der Name Maeones und Maconia für Lydier, Lydien, der immer nur als poetischer und alter Name vorkommt, während die Lydier (aus deren eigenen Mythologie der Name Lydos beigebracht wird) sich selbst auch Lydier nannten ; dafs der Name Maeones, sage ich, der alte Name ist den die Lydier dem ältesten Stamme in der Sage gaben, unwissend vielleicht selbst, dafs dies nur der Name des Menschengeschlechts war , da Maíoves oder Mávns Μάνης sich eben so verhält wie bei den Griechen z. B. Alkman und Alkmaeon. Vielleicht ist diese alte Benennung des Menschen , die in den uns bekanten alten Sprachen zwischen Indien und Deutschland überall andern Wortformen hat weichen müssen, im Lateinischen noch übrig geblieben in dem Worte manes. Nehmlich der vollständige Ausdruck ist eigentlich Dii manes , und wie man das zweite Wort auch erkläre, so ist doch klar aus dem ersten , dafs man den abgeschiedenen Seelen eine göttliche oder dämonische Na- 240 XXI. Die Minyae . tur zugeschrieben. Dii manes sind also die göttlichen Menschen , oder die seligen Menschen im Gegensatz der Dii superi. Ich vermuthe also , dafs manes allein ursprünglich auch die Menschen bedeutete ; da aber das Wort homines das Wort manes für die Menschen überhaupt verdrängte, so sagte man nun statt Dii manes auch manes allein im selbigen Sinn. Kurz manes sind die Vorfahren ; und ihnen entspricht vollkommen in der kretischen Sage Minos , der als Vater und Gesetzgeber sämtlicher Vorfahren, auch Richter in der Unterwelt ist. Oder vielmehr er ist der König der Unterwelt in dieser einfachsten und natürlichsten Vorstellung und nur die Verbindung dieser Vorstellung mit der griechischen machte , dafs Minos dort als ein vom Pluto gesonderter ihm untergeordneter Richter der Unterwelt erscheint , der denn auch bald ein • paar Kollegen bekam. Eine Bestätigung dieser Ansicht gibt das homerische Beiwort des Minos, oloóqowv, Od. 2 , 322. welches seiner Natur nach sonst überall der grimmige heifst, und dem man also auch hier nicht mit alten und neuen Erklärern den unnatürlichsten Zwang anthun mufs *). Und damit man sich nicht wundere , dafs das dem deutschen Mann, Mensch entsprechende Stammwort in der griechischen und in der hebräischen Sprachverwandtschaft als Appellativum so ganz ausgegangen sei ; so erinnere ich zuförderst , dafs das griechische avo welches bekantlich , wie das deutsche Mann , in der ältern Sprache und zwar noch bei Homer den Menschen bezeichnet, einerlei ist mit dem gleichbedeutenden hebräischen anos , enos (arab.

  • ) Nehmlich das Wort, welches Beiwort im obigen Sinn vom

Löwen, der Schlange, dem Eber ist , soll als Beiwort von Minos, Aeetes und Atlas, ganz ohne alle Analogie abgeleitet (s. Schneider) der allerfahrne, kluge heissen. Der boshafte Zauberer Aeetes, und Minos selbst nur als Hollenrichter genommen , wo er denn doch Ursach jener grausamen Strafen ist , hätten vielmehr lehren müs sen, daſs unstreitig auch von dem grofsen Riesen Atlas in der alten vollständigern Mythologie etwas mufs gewesen sein, das solchen Beinamen begründete : wozu denn auch die Angaben im Schol. Od. a. a. O. und bei Hygin , die ihn einen Titanen und Feind der Götter nennen, schon deutlich genug führen. der ältesten Zeit. 241 (arab. insan) ; und zweitens dafs alle diese Formen zu jenem ersten Stamm Mann, Mensch u. s. w. sich verhalten wie "Aons zu Mars, aboŋy zu mas, maris, àhtiv zu mahlen, ala , axilla zu μάλη, μασχάλη. Und so denke ich wirdman mir leicht glauben , dafs das hebräische anos, anosch das indische manussa, manuscha ist ; und eben so das griechische vne das lydische Márns. Und vielleicht ist der griechische Gebrauch, wonach Mávns ein so gewöhnlicher Name für lydische und andere Sklaven ist , daher zu erklären, dafs dieses lydische , einen Menschen bedeutende Wort, nach einem sehr gewöhnlichen Gebrauch , im gemeinen Leben einen Diener oder Sklaven bezeichnete. Endlich erhält der Name uavdoaróoas für die Pflanze , deren Wurzel von Pythagoras Zeiten bis auf uns als menschlicher Gestalt ähnlich (aveownóμоoços , Columella : semihominis ) bekant ist , und durchaus keine Ableitung zulassen wollte , wenigstens für ihre erste Hälfte Licht, mit der Annahme, dafs das Wort in einer Zeit oder einem Dialekt so hiefs, wo MANHP, MANAPOΣ statt άvno gesagt ward. Doch diese ganze Erörterung sollte nur dienen , um den ursprünglich allgemeineren Umfang des Wortstamms Mann und Menu für den Menschen überhaupt und als Eigenname des Ersten Menschen insbesondere zu belegen. Für unsern eigentlichen Zweck, den Ursprung des mythischen Minyas und der Minyae zu entdecken, sind die fürs Ohr näher kommenden Formen Menu und Minos hinreichend. Den Namen Minyas und Minyae erkläre ich mir also als den aus den frühern Sitzen mitgebrachten Namen des Urstamms, den dieser besondere Stamm wie so viele andere anfänglich auf den ersten Menschen zurückführte, in diesem Urvater aber bald , so wie die übrigen eben aufgeführten Völker, den eigenen König erkannte. Nothwendig mufste , als dieser Stamm oder vielmehr dieser Zweig eines gröfseren Stammes , sich zuletzt unter vielen andern Stämmen befand , die andern Ursprung in ihren Sagen hatten , ihr Minyas ihnen nun im engsten Sinn als Ahnherr ihres kleinen Völkchens , und zuletzt als Beherscher des Ländchens erscheinen , worin sie nun geraume II. Q 242 XXI. Die Minyae Zeit schon ihre festen Sitze hatten und von früheren nichts oder nichts bestimmtes wufsten. So verkannt mischte sich nun dieser Ursprung- Mythos zu den vielen andern , welche die neueren Verhält nisse und Umgebungen dieses Stammes mit sich führten ; und erst die späteren Mythologen verwebten ihn nun in ihre Genealogien so, daſs er wie versteckt und seiner Ursprünglichkeit gleichsam beraubt, darin liegt. Aber einige äufsere Kennzeichen derselben sind doch vorhanden. Zuerst die besondere Darstellung , wonach Minyas_oberhalb aus aller Verbindung mit andern Mythen gesetzt und mit Namen aus der ältesten Götterzeit umgeben wird, als Sohn des Poseidon von der Kallirrhoe , Tochter des Okeanos (s. oben die beiden Scholien zu Pind. Ol. 14. init.) ; so wie der phrygische Manes Sohn des Zeus ist , und die Okeanide Kallirrhoe zur Gemahlin hat. Aber noch merkwürdiger ist eine andere Nachricht, welche dem Minyas, als Sohn des Poseidon , eine Tochter des Aeolos , welche den hohen Namen der Pallas , Trilogeneia , führt , zur Mutter oder zur Gattin gibt ; denn in diese Unbestimmtheit setzt uns die Notiz , die wir nur aus schlecht excerpirten Scholien schöpfen können * ). Man glaube ja nicht, dafs die Dichter, indem sie Namen für ihre Heldinnen erfinden, mit solchen wie dieser und der oben schon vorgekommene der Persephone hätten spielen können. Der Name Tritogeneia gehört nicht nur in die bekante libysche Fabel der Pallas, sondern er war auch einheimisch in Böotien, wo ebenfalls ein Flufs Triton sollte gewesen sein (s. Paus. 9, 33.). War einmal der Urvater als Sohn der Gottheit in die Sage gekommen , so konnte sich die bestimmtere Angabe bei den verschiedenen Stämmen nach ihrer Nationalität verschieden gestalten. Minos , Manes, Mannus treten auf als Söhne des höchsten Gottes. Bei

  • ) Schol. Pind . 4, 120. Μινυᾶν δὲ τῶν ᾿Αργοναυτῶν φησιν , ὅτι

οἱ πλείους αὐτῶν εἰς Μινύαν τὸν Ποσειδῶνος καὶ Τριτογενείας τῆς Αἰόλου τὸ γένος ἀνῆγον. Τz. ad Lycophr . 874. Ὁ δὲ τόπος Ορχομε νὸς Μινύειος οὗτος ἐκλήθη ἀπὸ Μινύου τοῦ Ποσειδῶνος παιδὸς καὶ Καλλιρόης τῆς Ωκεανοῦ θυγατρός · οὗπερ Μινύου καὶ Τριτογενείας τῆς Αἰόλου οἱ πλείους τῶν ᾿Αργοναυτῶν . に der ältesten Zeit. 243 dem Stamme den wir hier vor Augen haben und der sich allein als Inhaber des Namens Minyae betrachtete , trat Poseidon an diese Stelle, weil von diesem Gotte der Reichthum und Glanz des Stammes herkam. Und wie vortrefflich die Vorsteherin alles Kunstfleifses, Pallas oder Tritogeneia , sich dazu gesellet , das fällt in die Augen ; sei es , dafs sie als Mutter des Stammhelden dargestellt war, oder dafs man diesen in dasselbe Verhältnifs zu ihr , wie den Anchises zur Aphrodite , den Peleus zur Thetis glaubt setzen zu können. Aber mit den späteren griechischen Vorstellungen von der Pallas war beides unverträglich. Der Name ward daher von den Mythikern , wie so mancher andre göttliche, menschlich gedeutet, und einer Tochter des Aeolos Namens Tritogeneia gewisse Eigenschaften der Pallas und die hohe Gunst der Göttin zugetheilt. So wie ähnliches auch mit einem andern böotischen Beinamen der Göttin, Alalkomenia, geschah, die nach Pausanias a. a. O. auch als Tochter des Ogyges und Erzieherin der Pallas dargestellt ward. Die andere merkwürdig nun hinzutretende Spur ist der Name , auf welchen die Nachricht bei Pausanias die älteste Bevölkerung des Landes der Minyer zurückführt, Andreus. Man würde denselben Fehler begehn , den ich beim Mannus gerügt habe , wenn man diesen Namen aus dem späteren Begriff avdoía Tapferkeit erklären wollte. Die Mannheit und Tapferkeit lag in der ältesten Spache in den Wörtern Αρης, ἄριστος, ἀρετή , ἄῤῥην ; und ἄνηρ war der Mensch , oder der Mann als Mensch. Der erste Bewohner des Landes Ardotus ist also wieder der aus den ältesten Vorstellungen herüber gebrachte Erste Mensch ; es ist die Sage des Minyas in andrer Form und in hellenischer Benennung ; uralt auch in dieser , veraltet und gleichsam erstickt in der Unzahl hellenischer Mythen, und nur noch in dem trocknen Namen - Skelet übrig, das die Mythologie aus allen diesen ursprünglich theils ganz heterogenen, theils aber auch ganz identischen Mythen zusammengesetzt hat. Und wenn nun in diesem oben Andreus und weiter unten wieder Minyas steht , so ist das dieselbe Erscheinung, auf welche ich zu andrer Zeit in 42 244 XXI. Die Minyae einer der ältesten Mythologien aufmerksam gemacht habe ; da nur einer durch und durch befangenen Vernunft es möglich sein kann , den Adam d. i. Mensch , und dessen Enkel Enos d. i . Mensch , als ursprünglich ein und dasselbe Symbol des Menschengeschlechts und dessen Ursprungs zu verkennen ; besonders da ich dort aus der mosaischen Genealogie selbst gezeigt habe, dafs jeder dieser Namen an der Spitze einer Genealogie steht, und beide Genealogien sichtbar eine und dieselbe sind, die aber zu mythologischen und ethischen Zwecken als verschiedene in Ein System gehracht sind * ). dals Merkwürdig ist nun noch, dafs diesem ältesten Symbol , dem Andreus, doch gleich schon der zum Sohn gegeben wird, der den Dienst der Chariten einführt, Eteokles. Doch dies darf nicht befremden. Wir haben genau denselben Fall in der lakedämonischen Mythologie , wo nach Pausanias 3, 18. und 9, 35. der Heros Lakedämon selbst der Stifter des Landes , über welchen hinaus nichts ist, diesen Dienst einführt. Der Sinn ist offenbar , der Glanz des Stammes gleichsam eingeboren sei. Ob nun wirklich dieser Glanz und der Reichthum des minyschen Volkes , der nicht nur in der Geschichte nicht ist, sondern auch in der Vorgeschichte nicht , d. h. in dem Zeitraum zwischen der Mythologie und den schriftlichen Monumenten , ja der selbst in der Mythologie so hoch hinauf geschoben wird, dafs ihm Herakles ein Ende macht; ob dieser Reichthum von Orchomenos wirklich ein so historisches Fundament hat, als man glaubt, das will ich dahingestellt sein lassen. Die Schatzkammer des Minyas beweist so sehr viel eben nicht. In Mykenä war auch eine, und allerdings wird auch Mykenä reich genannt: allein dies geht auf wenig mehr als auf ehemalige gröfsere Macht und eine Schatzkammer braucht jeder König der

  • ) Es darf nur noch eine andre Spur hinzutreten, so soll mich

nichts abhalten, auch noch einen dritten Adam in dieser minyschen Genealogie zu finden, nehmlich in dem Athamas, der aus Phönicien zuverlässig gebracht ist, und in der Entfernung sehr füglich mit der Person seines Abkömmlings in derselben palästinischen Sage, mit dem Abraham, vermischt worden sein kann. der ältesten Zeit. 245 an Erz so viel hat, dafs es die Habsucht der Untergebenen und der Nachbarn auf sich ziehn kann : daher denn auch Trophonios und Agamedes deren mehre gebaut haben sollen. Wohl aber beweisen diese Gebäude eine alte Kunstfertigkeit die ohne Wohlstand und Verbindungen zur See nicht möglich war. Sehr schön und treffend ist allerdings die Folgerung , welche Böckh (Staatshaush. II. S. 368.) und nach ihm ausführlicher K. O. Müller (in den Aegineticis) aus dem Umstand machen, dafs unser Orchomenos eine der sieben Städte war , welche zu dem Amphiktyonenbund der argolischen Insel Kalauria gehörten. Die übrigen sechs waren der Insel nah liegende Staaten : nichts konnte diese reizen , das viel entferntere Orchomenos in ihren Bund zu ziehen , als eine vor andern vorragende Macht. Und da von solcher in den historischen Zeiten, so hoch man sie auch hinauf rechne, nichts zu sehn ist, so ist sie nothwendig in den Zeiten zu suchen die in den Mythen vergraben liegen. Aber auch so tritt sie nur mit dem zusammen, was wir aus dem Argonauten - Mythos und andern Spuren wissen ; nehmlich, dafs die ganze ägäische Küste von Griechenland und namentlich die Völker, die zu dem mythischen Stamme der Minyer gehören , alten Seehandel trieben und dadurch vor andern wohlhabend waren. Jener mehr als von andern Städten in der Mythologie erhobene Reichthum von Orchomenos und jene goldne Namen in der Genealogie sind möglicher Weise weiter nichts als Reste von der Sage alter Seligkeit und Ueberflusses , die sich in alle älteste Tradition des Menschengeschlechts einwebt und häufig in der mehr geschichtlichen Sage als alte Segenzeit des Vaterlandes sich niedersetzte. Vielleicht sind Chryse und Chrysogeneia und Chryses nur noch Repräsentanten oder Symbole des goldenen Menschengeschlechts , das dann in den Phlegyérn ausartete , in den Minyern oder bessern Menschen aber noch einige Spuren fortpflanzte. 1 246 XXII. Geschlecht XXII. Von dem Geschlecht der Aleuaden * ). In der Geschichte eines Landes oder Volkes gewährt die durchgeführte Geschichte einzeler Familien und adlichen Geschlechter , wenn sie auch grofsentheils durch unberühmte Personen gehn sollte , dennoch einen grofsen Nutzen , gleichsam als durchgehende Stäbe , an welche sich manches, was sonst herabfallen würde, anschliefst. Dieses entschiedne Verdienst guter genealogischer Behandlungen bewährt sich in der neuern Geschichte vielfältig ; in der alten ist es nur in der römischen so recht anwendbar, da nur in dieser bleibende Geschlechtsnamen wie bei uns sind, In der griechischen sind zwar auch gewisse Namen dieser Art, wie Alkmäoniden, Bacchiaden u. a.; allein sie machten keinen Theil der gewöhnlichen Benennung der Individuen aus , und erhielten sich in der Kenntnifs also nur durch historische Nachricht, welche , im Alterthum selbst schon unzuverlässig, für uns fast gar nicht vorhanden ist, da von einzelen Personen die Notiz , zu welchem Geschlecht sie gehörten, oder auch nur mit welchen anderen auch bekanten Personen sie verwandt waren, nur zufällig zuweilen auf uns gekommen ist. Indessen aus Vereinigung solcher Notizen , die zerstreut und abgebrochen in den Schriften der Alten sich finden , ist ein Surrogat des

  • ) Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 17. und

24. Julius 1823. 1 der Aleuaden. 247 Vollständigen zu schaffen, das dem Geschicht- und Alterthumsforscher zu Hülfe kommen kann. Ja nicht selten erwachsen aus dem Zusammenbringen des Vereinzelten, Thatsachen, die sonst verborgen geblieben wären. Ich will versuchen dies an den Aleuaden zu bewähren, jenem vornehmsten unter den Thessalischen Geschlechtern mit dessen Geschichte sich ehedem Euphorion und der spätere Ephorus in eignen Werken beschäftigten, Schon früher haben gelehrte Philologen zur Erklärung einiger dahin gehörigen Stellen alter Schriftsteller die wichtigsten andern angeführt: aber nichts übertrifft an Vollständigkeit und an Gestalt der Andeutungen , die Noten von Schneider zu Aristoteles Politik und von Böckh zu Pindars 10. Pyth. Ode *) , wozu jedoch noch einige sehr brauchbare Notizen gefügt sind in Meinekens Commentatt. Miscell. 1. c. 5. Ich kann mir keinesweges anmafsen, diese Zusammenstellungen mit irgend etwas von Bedeutung vermehrt zu haben: aber der Zweck einer Note , selbst wenn sie den Gegenstand erschöpfet, ist ein andrer, als der einer, die Materialien verarbeitenden, Abhandlung: und gelingt diese , so ist neuer Gewinn auch für den Gegenstand zu erwarten. Die erste eigentlich geschichtliche Nachricht über die Aleuaden ist die bei Herodot 7, 6, wo aus Thessalien zu Xerxes Gesandte kommen von den Aleuaden und ihn zum Zug nach Griechenland auffodern ; wobei Herodot hinzusetzt: ,,Diese Aleuaden waren Thessaliens Könige" (oi dè ᾿Αλευάδαι οὗτοι ἔσαν Θεσσαλίης βασιλῆες ) : und im 9. Buche , 58., wo Mardonius den Larissäer Thorax und dessen Brüder Eurypylus und Thrasydaeus anredet : ,,Ihr Söhne des Aleuas ” ( Ω παῖδες ᾿Αλεύεω ) ; auf welche Stellen wir zu Ende dieser Untersuchung zurückkommen, und dann auch das übrige, was von den Aleuaden bis auf die Zeit Alexanders vorkommt, betrachten werden. Wir merken hier nur noch an, dafs Diodor, wo er, in dem Zeitraum gegen

  • ) Die Note von Schneider ist in den Addendis ad 5, 5, 9;

und die von Böckh zu Anfang der erwähnten Ode , nebst einem Zusatz zu Fragm. Pind. 49. 248 XXII. Geschlecht das Ende der griechischen Freiheit , von den Aleuaden spricht, sich so ausdrückt : ,, einige der von Larissa, welche ihres Adels wegen Aleuaden genannt werden; " und: ,,die , welche bei den Thessalern Aleuaden heifsen und wegen ihres Adels in ausgebreitetem Ansehn stehn ” *). Streben wir von der Perserzeit an hinaufwärts , so gerathen wir in das gebührende Dunkel. Nur der erste Schritt zu den Namen der nächsten Vorfahren derer, die im persischen Kriege genannt werden , gelingt uns durch Hülfe des Dichters Simonides, ihres Freundes: wiewohl nicht in Gedichten dieses selbst, denn diese sind verloren, sondern in einer Nachricht davon bei einem andern Dichter , bei Theokrit (16, 34.) : Πολλοὶ ἐν ᾿Αντιόχοιο δόμοις καὶ ἄνακτος ᾿Αλεύα ῾Αρμαλιὰν ἔμμηνον ἐμετρήσαντο Πενέςαι· Πολλοὶ δὲ Σκοπάδαισιν ἐλαυνόμενοι ποτὶ σακὸν Μόσχοι σὺν κερααῖσιν ἐμυκάσαντο βόεσσιν · Μυρία δ᾽ ἀμπεδίον Κραννώνιον ἐνδιάασκον ** )

  • ) XV, 61. τῶν Λαρισσαίων τινὲς , οἱ δι᾽ εὐγένειαν᾿Αλευάδαι προσαγορευόμενοι. XVI, 14. οἱ ᾿Αλευάδαι καλούμενοι παρὰ τοῖς Θετταλοῖς, δι᾿ εὐγένειαν δὲ ἀξίωμα ἔχοντες περιβόητον .
    • ) Hesychius hat ἐνδιῶνται , μεσημβριάζουσιν . Wahrscheinlich ein dichterisches Verbum aus vdios gemacht , welches Adjektiv,

woher auch abgeleitet, bei Homer Il. 2, 726. Od. §, 450. anerkannt und ausgemacht von der Mittagszeit gebraucht wird, und an der zweiten Stelle insbesondere von dem mit seinem Vieh zur Mit tagsruhe kommenden Proteus. Wenn also ἐνδιᾶσθαι von den auf sonnigen Wiesen weidenden oder ruhenden Heerden gebraucht ward, so konnte Theokrit das Aktiv sehr füglich als Kausativum brau chen. Daher die umschreibende Erklärung bei Schneider : „ unter den Schatten der Bäume treiben. " Freier , jedoch zum selbigen Sinn, Vols in obiger Uebersetzung. Aber denselben neutralen Sinn dem Verbo vdio, weil es anderswo neutral vorkommt, auch hier durch kühne Besserung des benachbarten aufzudrängen , wie Meineke (Comment. Misc. I. p. 57. ) thut, dazu sind wir nicht berech tigt : besonders, da die neutrale Bedeutung von érdɩaw, wo sie vorkommt (z. B. Theocr. 22, 44. ¿vdiάɛɩ, „ wohnet darin,” und in den von Ruhnk. Ep. Cr. I. p. 79. aus späteren Dichtern angeführten Stellen) , mit jenem homerischen Erdios schwerlich zusammen zu bringen ist. Meine leicht hingeworfene Vermuthung, dafs bei diesem andern vdiάw ein Stamm Siaw (lebe, wohne) , woher diana, der Aleuaden. 249 Ποιμένες ἔκκριτα μᾶλα φιλοξείνοισι Κρεώνδαις . ᾿Αλλ᾽ οὔ σφιν τῶν ἦδος, ἐπεὶ γλυκὺν ἐξεκένωσαν Θυμὸν ἐς εὐρεῖαν σχεδίαν στυγνοῦ ᾿Αχέροντος · ῎Αμναςοι δὲ τὰ πολλὰ καὶ ὄλβια τῆνα λιπόντες Δειλοῖς ἐν νεκύεσσι μακροὺς αἰῶνας ἔκειντο, Εἰ μὴ δεινὸς ἀοιδὸς ὁ Κήϊος αἰόλα φωνέων Βάρβιτον ἐς πολύχορδον ἐν ἀνδράσι θῆκ᾽ ὀνομαςοὺς Οπλοτέροις · τιμᾶς δὲ καὶ ὠκέες ἔλλαχον ἵπποι Οἵ σφισιν ἐξ ἱερῶν ςεφανηφόροι ἦνθον ἀγώνων. Viel in Antiochos Haus und des mächtigen Fürsten Aleu as Kamen die Monatskost zu empfahn leibeigene Männer : Viel auch einst, dem Skopadengeschlecht in die Hürden getrieben, Brülleten Kälber daher um hochgehörnete Kühe: Zahllos durch die Gefild' um Krannon ruhten im Mittags - Schatten erlesene Schafe den fremdlingsholden Kreondern. Doch nicht Freud' ist dessen , nachdem ihr Geist aus den Gliedern Sehr ungern in die Fähre des schaurigen Acheron einstieg . Nimmer erwähnt , soviel auch und köstliches jene verliefsen, Lägen sie ewige Tag' im Schwarm unedeler Todten, Wenn nicht der mächtige Barde, der Keïer, wunderbar tönend Zur vielsaitigen Laute, sie namhaft schuf bei den Männern Jüngerer Zeil: Ruhm ward auch den hurtigen Rossen zum Antheil, Die aus heiligem Kampf mit dem Siegkranz jenen gekehret. zum Grund liege, hat Schneider in sein Wörterbuch aufgenommen. Meine Meinung ist dabei , dafs dies draw ein Dialekt von Cάw sei, nach der Analogie von διά ζα-, diaeta zeta . 250 XXII. Geschlecht · . In der ersten Hälfte dieser Verse sind nicht drei Glieder (Πολλοὶ —Πολλοὶ —Μυρία - ) , sondern nur zwei, da die Kreontiden zu Krannon bekantlich eben die vorher erwähnten Skopaden sind. Wenn ich dies recht überlege, so scheint mir das dichterische Ebenmaafs , ja die Gestaltung des ersten Verses selbst , mit sich zu bringen , dafs Antiochus und Aleuas auch nur Ein Haus bezeichnen sollen. Böckh glaubte den Antiochus zu einem besonderen Haus rechnen zu können , das zwar verwandt wäre mit den Aleuaden, doch in sofern verschieden von denselben, als er diesen Aleuas erst für den annimt, von welchem die eigentlichen Aleuaden Abkunft und Namen hätten. Doch gibt er selbst nicht viel auf diese Bestimmungen ; und auch ich werde mich wenigstens hüten, das , was ich als wahrscheinlich folgern zu können glaube, als viel gewisser aufzustellen. Mir also sind dieser Antiochus und Aleuas Vettern aus dem auch damals schon bestehenden Fürstenstamm der Aleuaden : zu deren Stammvater Aleuas ich also höher hinaufsteige. Wir müssen die hieher gehörigen Angaben zugleich übersehn. „ Aleuaden sind die vom vornehmsten Geschlecht in Larissa , abstammend von einem König Aleuas ;” dies ist die Angabe der meisten Grammatiker *). Etwas bestimmter im Scholion zu Demosthenes **) : „ Aleuas , ein Abkömmling des Herakles , ein Thessaler , herschte (war Tyrann) über die Thessaler , und nach ihm auch seine Kinder." Plutarch von der Bruderliebe im letzten Kapitel erzählt folgendes : „ Aleuas der Thessaler ward, weil er von stolzer und wilder Gemüthsart war (ayέowxos), von seinem Vater unterdrückt : sein Vaterbruder aber nahm sich seiner an. Als nun die Thessaler Wahlloose nach Delphi schickten, wer ihr König sein sollte, da schob der Oheim , ohne Wissen des Vaters , auch eines für den

  • ) ᾿Αλευάδαι , οἱ ἐν Λαρίσσῃ τῆς Θετταλίας εὐγενέςατοι ἀπὸ

Αλεύου βασιλέως τὸ γένος ἔχοντες. Suid . u . a . 2

    • ) ῾Η ἱςορία οὕτως ᾿Αλεύας ἀπόγονός τις τοῦ ' Ηρακλέους, θετταλὸς, ἐτυράννευσε τῶν Θετταλῶν. εἶτα οἱ τούτου παῖδες . Ulpian . ad

Demosth. Olynth. 1. Den Verfolg des Scholions werden wir unten sehn. der Aleuaden. 251 Aleuas unter. Die Pythia ernannte diesen. Da aber sein Vater erklärte, dafs er kein Wählloos für ihn hineingelegt habe, so glaubte jedermann, es sei ein Irrthum im Aufschreiben der Namen vorgefallen. Man sandte also eine abermaliga Anfrage an den Gott. Allein die Pythia, gleich als bestätigend ihre erste Antwort, sprach : Τὸν πυῤῥόν τοί φημι τὸν ᾿Αρχεδίκη τέκε παῖδα . Ihn den Rothkopf mein' ich, ihn, der Archedikens Sohn ist. ,,Und auf diese Art ward Aleuas vom Gott zum Könige gemacht, durch seinen Oheim : worauf er selbst nicht nur seine Vorfahren weit an Ansehn übertraf, sondern auch die Nation durch ihn an Macht und Ruhm stieg. " Harpokration sagt bei Gelegenheit der Tetrarchien die Philipp in Thessalien eingerichtet, folgendes : Thessalien sei , laut Hellanikus, in dessen Buch Thessalischer Geschichten, in Viertheile (TTOάdes) eingetheilt, Thessaliotis, Phthiotis, Pelasgiotis, Hestiäotis ; und nach Aristoteles in dessen Buch von Thessalischer Verfassung, sei das Land in vier Theile getheilt worden ἐπὶ ᾿Αλεύα τοῦ Πύῤῥου . So ist dort betont, und man spricht nun von einem Aleuas dem Sohne des Pyrrhus , und will sogar auch jenes Orakel dahin zwingen. Aber Böckhs umgekehrtes Verfahren ist zu gewifs. Tou Пuggoỡ mufs hier betont , und dies als der historisch gewordne Beiname des Rothkopfs für den Aleuas selbst genommen werden. Endlich gehört noch hieher eine Nachricht beim Scholiasten zur angeführten Stelle des Theokrit, auf den dort genannten Aleuas sich beziehend, Euphorion (s. oben) habe alles gesammelt và лi ᾿Αλεύαν τὸν Σιμίου ; und eine bei Aristoteles in der Politik 5, 5, 9. , wo er eine Revolution anführt die sich zutrug zu Larissa ἐπὶ τῆς τῶν ᾿Αλευαδῶν ἀρχῆς τῶν περὶ Σάμον, Daſs hier eine Verderbung im Namen ist , ist klar. Da nun aber ein Aleuaden - Name aus der spätern Zeit, Zuos, bei Demosthenes feststeht , und dieselben Namen in solchen Familien gewöhnlich wiederkehren ; so ist es durch zuverlässige Kritik heut zu Tage gewifs (s. Böckh) , daſs bei dem theokritischen Scholiasten statt Tov Zuíov gele- 252 XXII. Geschlecht sen werden mufs τὸν Σίμου , und bei Aristoteles , τῶν περὶ Σῖμον Ziuor.. Also haben wir einen Aleuas , den Sohn des Simus, den Freund des Simonides , und einen Simus , ohne Zweifel eben den Vater dieses Aleuas , auf den und die ihn betroffen habende Revolution wir unten zurückkommen werden. Böckh nun , der , wie schon gesagt , den Aleuas des Simonides für den Stammnvater des Hauses ansah , versuchte alle diese Angaben zu vereinigen, indem er, da von Aleuas dem Rothkopf der Vatername bei Plutarch nicht angeführt ist , diesen als den Sohn des Simus und der Archedike , und Gönner des Simonides annahm. Aber so erwächst ein neues Bedenken gegen diese Ansicht ; indem die Stelle in der Politik des Aristoteles diesen Simus und seine Familie schon als Herschende aufführt, gegen welche eine Revolution nöthig war. Es tritt als wichtiger Umstand hinzu , dafs von Aleuas dem Rothkopf Macht und Ruhm der Nation erst ausgehn sollten, Aleuas der Sohn des Simus aber nicht nur an Antiochus und an den Skopaden Wetteiferer des Glanzes und Ansehns hat, sondern gleich auf ihn die Perserkriege folgen, durch welche wenigstens der Thessaler Macht und Ruhm nicht stieg. Dagegen scheint aber jene Simonideische Zeit der Gipfel des Glanzes gewesen zu sein ; der also, nach der Ueberlieferung, von einem ältern Aleuas herzuholen ist. So sind wir glaub' ich völlig berechtigt, Aleuas den Rothkopf, dessen Mutternamen wir zufällig durch ein Orakel kennen , den Vaternamen aber nicht , von dem Sohne des Simus zu trennen. Da er nun wenigstens der Grofsvater dieses jüngern Aleuas wird gewesen sein , so rückt ihn dies fürerst schon in die Zeiten des Solon. Ob er nun auch der in jenen kurzen Notizen der Grammatiker erwähnte älteste Stammvater des ganzen Geschlechts der Aleuaden ist ? Um hierüber zu urtheilen müssen wir noch das Fäbelchen bei Aelian, in dessen Thiergeschichte (8, 11.) in Erwägung ziehen. Es lautet dort so : „ Hegemon in seinem Gedicht Dardanika erzählt von Aleuas dem Thessaler untern andern auch dieses, dafs ein Drache sich in ihn verliebt habe. Dafs nun dieser Aleuas goldnes Haupthaar gehabt habe , das ist ohne Zweifel von Hege- der Aleuaden. 253 mon nur ins wunderbare gezogen. Ich nehme an es war blond ( av ). Und so erzählt er nun von ihm , dafs er im Ossa die Rinder gehütet habe , so wie Anchises im Ida * ). Indem nun das Vieh bei der Quelle Hämonia, welches auch soviel als , eine thessalische Quelle , sein mag, weidete ; habe ein ungeheuer grofser Drache sich in den Aleuas verliebt, habe sich gewöhnlich an ihm heran. gewunden , sein Haupthaar geküfst , mit umherleckender Zunge sein Gesicht gereinigt , und von eigner Jagd ihm viele Geschenke gebracht." Ich habe an einem andern Ort geäufsert, dafs diese Sage mir den Stammvater Aleuas ganz in die mythische Zeit zu versetzen scheine **) ; nicht nur wegen des fabelhaften der Sache selbst, sondern ganz besonders wegen des königlichen Hirten und dessen Zusammenstellung mit Anchises. Ist diese Ansicht die richtige , so hatte man den altadelichen Stamm der Aleuas und Aleuaden auf einen rein mythischen Aleuas zurückgeführt , und schmeichelnde Dichter hatten selbst das in der Familie vorherschende hochblonde Haar durch einen Ahnherrn mit goldnem Haupthaar begründet. Eine gröfsere Wahrscheinlichkeit führt mich jedoch jetzt soweit zu Böckhs Meinung, dafs ich Aleuas den Rothkopf und diesen goldhaarigen des Hegemon für einen und denselben halte. Wir haben gesehn dafs der Vater des Rothkopfs, natürlich, er schon einer der Edlen des Volks , diesen seinen Sohn , seiner wilden Gemüthsart wegen zurücksetzte. Ohne Zweifel bestand in der vollständigen Ueberlieferung diese Zurücksetzung eben darin, dafs er ihn zu den Heerden in das Gebirg entfernte. Sehr begreiflich nun , daſs diese Jugendgeschichte des nachherigen Herschers und Stammvaters des edelsten Thessalischen Fürstengeschlechts

  • ) Καὶ βουκολεῖν μὲν αὐτὸν ἐν τῇ Ὄσσῃ φησὶν ὡς ἔδεισε τῇ Ἴδῃ

τὸν ᾿Αγχίσην . Ich weifs für das verderbte Wort nichts vorzuschlagen als ἐκεῖ ἐν .

    • ) Not. ad Plat. Meno. 1. Ein Aleuas aus der ganz mythischen Zeit findet sich wirklich, aber hieher ganz unbrauchbar.

Der Vater des hundertaugigen Argos wird sehr verschieden angegeben in Schol. Aeschyl. Prom . 570. heifst er Aleuas : doch möchte ich nicht einmal für die Echtheit dieser Angabe stehn. 254 XXII. Geschlecht ins wunderbare ausgemalt, und von Dichtern nicht nur eigen behandelt , sondern auch episodisch in ihre Werke verflochten ward *). Denn ohne der Zeit zwischen Kodrus und Pisistratus ihr historisches rauben zu wollen, ein Feld mythischer Sagen ist auch sie , wie die Lesung des wenigen , was wir bei den alten Schriftstellern über sie finden, einen jeden belehrt.

Also nehme auch ich an , dafs der Name Aleuas und Aleuaden nicht weiter hinaufgeht als auf diesen Aleuas den Rothkopf, für welchen wir, in dem eben benannten Zeitraum, die Epoche so früh oder so spät annehmen können , als es die Natur der Ueberlieferung zu erfodern scheint. Und so scheint mir diese romantisch genug, um sie in die Anfänge der griechischen Geschichte jenseit der Olympiaden zu setzen. Dieser Aleuas also gehörte zu einem Geschlecht, das, wie so viele andre, seinen Adel auf Herakles durch einen von dessen unzähligen Söhnen zurückführte. Diese Notiz haben wir aber nicht bloss aus jenem Scholiasten , sondern aus einer weit bessern Quelle , Pindars 10. pyth. Ode , in deren Anfang Lake dämon und Thessalien selig gepriesen werden , auch aus diesem Grunde: πατρὸς δ᾽ ἀμφοτέραις ἐξ ἑνὸς ᾿Αριςομάχου γένος ῾Ηρακλέος βασιλεύει. Es trifft sich, dafs der Stammvater aller peloponnesischen Herakliden , des Herakles Urenkel, ein Aristomachos ist. Da nun dieser auf einem der verunglückten Versuche gegen den Peloponnes umkam, worauf die Herakliden wieder nach Thessalien zurückkehrten , so wäre es wohl denkbar , daſs , als im letzten Zuge dessen bekante drei Söhne, Temenos, Kresphontes, Aristodemos, den Peloponnes eroberten , die Ueberlieferung einen vierten Sohn in

  • ) Der Hegemon, welcher wol allein hieher gehören kann (S.

Vossius de Hist. Gr. , schrieb ein episches Gedicht von dem Leuk trischen Krieg. Er wird also zu den Zeiten der zuletzt noch mäch‐ tigen Aleuaden gelebt haben. Da in seinen Dardanicis Anchises -eine Hauptrolle spielen mufste ; so war eine Episode jener Art, wenn er mit den reichen Herren in Freundschaft lebte , ganz am rechten Ort. der Aleuaden. 255 DA Thessalien hätte zurückbleiben lassen , von dem dann der dortige Fürstenstamm herkäme. Dies also müsste man freilich annehmen ; so auffallend es auch wäre, wenn von diesem unmittelbaren Zusammenhang der Herakliden im Peloponnes und in Thessalien, von dieser Verschwisterung zwischen Argos, Sparta, Messene und Thessalien , nur in einer Dichterstelle eine schwache Spur geblieben wäre. Allein die grammatische Verbindung und Stellung der Worte sträubt sich gänzlich gegen diesen Sinn ; und mit Recht tritt daher jetzt Böckh der Erklärung bei, welche, wie man in den Scholien sieht , die der alten Kritiker war, und wonach άpisoμázov Beiwort des Herakles ist : - ,,denn über beide herscht das Geschlecht Eines Vaters, des kampfberühmten Herakles. ” Bei der Frage , auf welchen Sohn dieses Helden denn nun die thessalischen Fürsten ihr Geschlecht zurückgeführt hätten, bringt Böckh , aufser dem Thessalos, noch den Antiochos, wiewohl dieser sonst nur als attischer Heros und als Ahnherr der Bacchiaden in Korinth bekant ist , auch hier in Vorschlag, veranlaſst durch den Namen, den, wie wir gesehen haben, einer wenigstens dieser Fürsten trug; indem solche Namen-Gleichheit mit einem Heros so häufig auf Abstammung von demselben deutet ; die indessen auch von weiblichen Seiten herkommen kann. Mir scheint keine Ursach zu sein, um zu zweifeln , dafs diese heraklidische Genealogie durch Thessalos ging. Oooaloí war der Name des Völkerstammes, der, von Thesprotien her die alte äolisch - achäische Bevölkerung dieser Thäler sich unterwarf, sie zu seinen Penesten oder Leibeignen machte , und von dem nun das Land den Namen bekam * ). Von den Häuptern dieser eigentlichen Thessaler stammten natürlich die Aleuaden und übrigen herschenden Familien des Landes ab. Jeder mythische Held nun , der den Namen Thessalos führt, kann nur als Stammvater dieser Nation gedacht in die Mythologie gekommen sein. Wie gewöhnlich gab es deren mehre , von deren jedem es denn auch wirklich gesagt wird. Bei der Leichtfertigkeit , wie diese ethnologischen

  • ) Herod . 7 , 176. Thục . 1 , 12

256 XXII. Geschlecht Mythen bis in die spätere Zeit und in die Anfänge der eigentlichen Litteratur hin sich bildeten , wird man sich nicht wundern , wenn solche Stifter mit Namen Thessalos auch auf eine mit den angeführten historischen Notizen nicht übereinstimmende Art genealogisirt sind , und einer unter andern durch Iáson in die achäisch- äolische Mythologie hinein gespielt wird *). Ein besseres historisches Fundament hat der Thessalos , der Sohn des Herakles; und auch von diesem wird Thessalien und die Thessaler ausdrücklich abgeleitet bei Vellejus 1 , 3. und Schol. Apollon. 3, 1090. Was diesem Thessalos aber noch mehr Gewicht gibt , ist , dafs er bei Homer vorkommt ; wiewohl dort , was auffallend ist , als Vater der auf Kos und andern südlichen Inseln des ägäischen Meeres herschenden Fürsten Phidippos und Antiphos **). Doch auch hier hat uns die Epik zu unserm Zweck nicht im Stiche gelassen. Sie läfst den Phidippos auf der Rückkehr von Troja nach Thesprotien verschlagen , wo er die Stadt Ephyra baute (Vellejus a. a. O.). Nehmlich Antiphos war, nach Homer, vor Troja geblieben. Strabo jedoch , sagt ausdrücklich, dafs nach einigen die Nachkommen von Phidippos und Antiphos aus Ephyra in Thesprotien kommend, Thessalien nach ihrem Ahnherren benannt hätten. Polyän (8,44.) weils sogar ein Geschichtchen für seine Sammlung aus dieser Einwanderung zu entnehmen, das man bei ihm nachlesen mag. Wir merken uns nur soviel daraus, daſs Aiatos, Sohn des Phidippos ***) , und seine Schwester Polyklea, beide Herakliden , an der Spitze des Heeres waren, das

  • ) S. Diod. Sic. 4, 56. - Durch Thessalos , den Sohn des

Hämon, des Sohnes von Pelasgos , wird auf die alte pelasgische Bevölkerung zurückgegangen bei Strab. 9. extr. Cf. not. Casaub. et Steph. Byz. in Aipovia.

    • ) Im Schiffsverzeichnifs Il. ß, 676.

Οἳ δ᾽ ἄρα Νίσυρόν τ᾽ εἶχον, Κράπαθόν τε Κάσον τε , Καὶ Κῶν , Εὐρυπύλοιο πόλιν , νήσους τε Καλύδνας , Τῶν αὖ Φείδιππός τε καὶ ῎Αντιφος ἡγησάσθηναι Θεσσαλοῦ υἷε δύω ῾Ηρακλείδαο ἄνακτος· Τοῖς δὲ τριήκοντα ἐγλαφυραὶ νέες ἐςιχόωντο .

      • ) Irrig steht dort noch Φίλιππος statt Φείδιππος .

der Aleuaden. 257 das über den Acheloos zog und die Böoter aus Thessalien vertrieb. Dafs bei Polyän dieses Geschwisterpaar sich heiratet und zum Ueberflufs wieder einen Thessalos zeugt, von dem das Land den Namen erhält *), geht uns nun weiter nichts an. Wir sehn nun zur Genüge, wie die epische Sage die Thessaler und deren Fürsten von den Thesprotern , vom Herakles , und von dessen auf Kos herschenden Enkeln, abzuleiten wufste. Nehmen wir diese Kunst weg, so bleibt soviel , dafs auf Kos und einigen benachbarten Inseln ein griechischer Stamm wohnte, der einst zur thessalischen Nation sich rechnete : denn nur das besagt der Ahnherr Thessalos : und dies hat auch nicht das mindeste auffallende, da man dieselben Namen griechischer Stämme und Städte so vielfältig auf den entferntesten Punkten, ja in fremden entlegenen Landen findet. Sehr natürlich erklärte man sich dies durch Kolonie - Führungen, und hiezu , da einmal die Sage vom trojanischen Feldzug in der Epik an- und ausgesponnen war, gab nichts vortrefflichere Gelegenheit , als jener grofse mythische Gemeinplatz, die Nóso oder Rückfahrten, deren Zweck schon in der ersten Idee des mythischen Dichters lag , welcher die Griechen auf ihrer Heimfahrt durch jenen verhängniſsvollen Sturm zerstreuen liefs ; woraus nun neben den Irrfahrten des Odysseus eine Unendlichkeit von Verschlagungen erwuchs, wodurch Teukros nach Kypros, Pyrrhos nach Epirus, Diomedes nach Italien u. s . w. , kamen ; alles um ethnologische Fakta jener Art zu erklären . So also auch hier. Es mufs mythische Sagen gegeben haben , wonach Phidippos und Antiphos nicht aus Kos , sondern aus Thesprotien stammten. Dies erhellet am deutlichsten aus dem Aristo-

  • ) Hieraus ist Vell. 1 , 3, 2. 3. zu erklären, wo ein Thessalus

natione Thesprotius von einem ältern Thessalo Herculis filio unterschieden wird. Nehmlich durch das Unfeste , das in allen mythischen Begründungen liegt , ward auch das bewirkt , dafs der Stammname bald weiter oben , bald weiter unten in demselben Stammbaum steht. So ward also Thessalos auch zum Sohn des Aiatos gemacht und diesem die entscheidende Eroberung des Landes zugeschrieben. S. Steph. Byz. in fragmento, v. Súgior, II. R 258 XXII. Geschlecht telischen Epigramm auf sie , in seinem Peplos trojanischer Helden (27.) , wo Ephyra dieser beiden Vaterland genannt wird: Φείδιππον Τροίην πέρσαντ᾽ ἠδ᾽ ῎Αντιφον ἥρω Γαῖα πατρὶς κώμη ἥδ᾽ Εφύρα κατέχει . Held Pheidippos , der Troja zerstört , liegt hier in Ephyra , Antiphos auch, dem Flecken schweigend im Vatergefild. Die Unmöglich kann , wer dies schrieb, die Stelle im homerischen Schiffsverzeichnifs vor Augen gehabt haben. Sache ist einfach diese, dafs die verwandten Stämme, die auf Kos und in Thessalien wohnten , auch dieselben Heroen in ihrer Mythologie hatten , und zwar , wie gewöhnlich in beiden Gegenden als bei sich einheimisch ; folglich in Thessalien , da die dortige Sage den Ursprung ihrer Nation aus dem benachbarten Thesprotien bezeugte, als Thesproter. Die epische Sage , die mit dem Schiffsverzeichnifs übereinstimmend , sie als Koïsche Helden annahm, wufste beides herkömmlich zu vereinigen. Fast von selbst ergab sich für diese , dafs Phidippos und Antiphos nach Troja gezogen und auf der Rückfahrt nach Epirus gekommen seien ; von wo aus sie oder ihre nächsten Nachkommen nun an der Spitze der Thesproter , über den Acheloos in das nachherige Thessalien ziehen , und die Böoter in das nachherige Böotien verdrängen müssen; unbekümmert darüber, dafs nun der trojanische Zug, mit allem was daran hängt, von vorn anfangen muſs. Denn das Schiffsverzeichnifs läfst bekantlich die Böoter schon ganz im kadmeischen Böotien und allen dessen bekantesten Städten wohnen. Ueber welche Widersprüche und Verwirrungen (sie sind der wahre trojanische Krieg und die wahren Irrfahrten in der Geschichte) am einsichtvollsten spricht K. O. Müller in seinen Hellenischen Geschichten I, S. 391. ff. Ungeachtet der unzähligen Beispiele dieser Art ist doch kein Zweifel , dafs was überhaupt aus der Mythologie mit einiger Sicherheit als historisch entnommen wer- " 1 der Aleuaden. 259 den kann , nur das ethnographische und geographische im grofsen ist ; wenn man nur keine chronologische , am allerwenigsten synchronistische Bestimmungen verlangt. Dies historische kann, als Produkt der Epik, seiner Natur nach nicht über die früheren Epochen der Kultur hinaufreichen : und nur die Fantasie ergänzt es weiter oben durch kosmogonische, theogonische und moralische Gebilde. Es ist interessant an den zwei Hauptpunkten Thessaliens grade diese Epoche auch in der Mythologie gleichsam angedeutet zu sehn durch den Gegensatz und den Kampf der Bildung mit der Wildheit. Die zwei Haupttheile dessen was wir im weitläuftigsten Sinne Thessalien nennen , und was wir für jene älteste Zeit südlich noch längs der Küste bis nach Böotien hin verlängern müssen , sind der nördliche am Peneos , und der südöstliche an der um Euböa herum sich biegenden Küste. In jenem zeigt uns die älteste Sage die Lapithen im Kampf mit den Kentauren, in diesem die Minyer im Gegensatz gegen die Phlegyer ; wie ich dies beides in meiner Abhandlung über die Minyer (S. 221 ff.) dargelegt und zugleich gezeigt habe , dafs diese Namen, was auch von dem der Lapithen und der Minyer durch die Epik als einzele Bezeichnungen hie und da in die etwas spätere Geschichte geflossen ist , ursprünglich rein mythische Namen sind. Diese Mythen sind überall einheimisch, kommen mit den sich verbreitenden Völkern überall hin, und fügen sich überall den Oertlichkeiten an. Der Sinn ist ohne Zweifel auf eine Menge einzeler Begebenheiten sich stützend , dieser : jene Rohen und Wilden , oder vielleicht besser , jene Roheit und Wildheit , sind vertilgt oder in das , innere , gebirgige, nördliche Land vertrieben. Und so blieb jene durch Handel und Verkehr , durch Gastfreundschaft, durch Poesie und eine verschönerte Religion , in den ersten Graden der Verfeinerung lebende griechische Bevölkerung zurück, die wir in der Epik leben sehn , und eben daher und durch die ältere Sage die Kunde haben , dafs sie gröfstentheils zu dem Achäischen und Aeolischen Stamme gehörte. Aber bald wendete es sich wieder. Nicht zwar Wilde jener Art ; aber rauhéré kriegerische Stämme aus dem gebirgigen Innern rückten, B nun , R 2 260 XXII. Geschlecht angezogen durch den Wohlstand dieser Thäler und Küsten, vielfältig herab und unterwarfen sich allmählich ei nen grofsen Theil von Griechenland ; jene frühere Bevölkerung aber ward theils den Eroberern dienstbar , oder zog sich als freie Nationen in einige kleinere Distrikte zurück, oder wanderte gänzlich aus. Die Anführer dieser in körperlichen Eigenschaften , in Sitte und Lebensart gegen jene weichlichere Bevölkerung abstechenden Stämme (von deren früheren Sitzen zwischen Thessalien und Epirus wir sogleich sprechen werden) hiefsen sehr begreiflich Söhne des Herakles , den sie als Helden und Gott verehrten und von welchem wir auch in dem noch nördlichern Macedonien den Herscherstamm sich herleiten sehn. Durch Hülfe der Sänger aber bildete sich dieses Attribut der Herscher bald in eine Menge kunstmässiger Genealogien aus, deren Bruchstücke auf uns gekommen sind. Die Herakliden von Argos , Lakedämon und Messene bildeten ohne Zweifel gleich anfangs wirklich einen gröfsern Zusammenhang, traten in gröfsern Massen und in bedeutenderen Ereignissen auf; und beschäftigten daher vor allen andern die Sage, deren Reichhaltigkeit bald eine ausführliche Epik weckte ; auf deren lieblichen. Wegen alleinwie dies die Erzählungen selbst , und Nachrichten und Bruchstücke genug uns lehren eine Geschichte dieses Einzugs der Herakliden auf die Nachwelt kam *). Wo- - -

  • ) Die Anerkennung des epischen Ursprungs der ganzen Herakliden-Geschichte liegt in dem Worte Herodots 6, 52, wo er eine

Abweichung dessen, was die Spartaner von der ersten Besetzung ihrer Stadt angaben, von der angenommenen Erzählung so anführt: Λακεδαιμόνιοι γὰρ ὁμολογέοντες οὐδενὶ ποιητῇ λέγουσι Dals ein Hauptgedicht zu diesem Zweck die alte dem Hesiod zugeschriebne Epopöe , Aegimios, war, hat Groddeck zuerst dargelegt in der Bibliothek der A. Litt. u. Kunst II. p. 86. Und völlig bestätigt wird dies durch ein unbedeutendes Fragment, das bloſs mit dem Namen des Hesiodus angeführt wird in Schol. Apollon. I, 824. Θεσσάμενος γενεὴν Κλεαδαίου κυδαλίμοιο . Der Sohn des Kleodãos (denn Klɛodałos wird er sonst überall geschrieben) ist Aristomachos , von welchem wir oben gesprochen haben. Dieser Vers kann aber in keiner andern von den dem He siod zugeschriebenen Epopöen gestanden haben , als im Aegimios, da die andern alle in der ältern Mythologie spielen . der Aleuaden. 261 4 rauf denn einer der ersten Anfänge wissenschaftlicher Geschichtkunde sich damit abgab , die Erzählungen chronologisch , genealogisch und , wenn das ohne Lächeln sich hinzusetzen lässt, pragmatisch zu gestalten und abzufassen und der Wilsbegierde, die nichts anderes hatte, hinzustellen als alte Geschichte. Aber nicht überall hatte sich die Kunde dieser ethnologischen Veränderungen in so ausführlichen und bleibenden Sagen fortgepflanzt: nur die kurze mythische Notiz von einem Herscherstamm heraklischer Abkunft stand hie und dort isolirt da, ohne irgend etwas das zu Zeitverbindungen Wink geben konnte. Daher denn zu den Zeiten der Epik selbst solche vereinzelte Mythen und Angaben bald oben bald unten sich anflochten, um späterhin dem unbefangnen Geschichtforscher, dem das Auftreten der Herakliden in Griechenland, als das Eines grofsen Stammes , und als Eine grofse in Eine Epoche gehörende Begebenheit vor der Seele stand , chronologische Probleme darzubieten : ein Punkt den ich von meinem dortigen Gesichtspunkt aus ebenfalls schon in meiner Abhandlung über die Minyer ( S. 209. f. ) berührt habe. Eine der gröfseren Erscheinungen dieser Art ist denn auch diese Einwanderung der Thesproter in Thessalien, durch gleiche Ursachen veranlafst wie die der Dorier in den Peloponnes. Wenn aber eine Einwanderung die aus entfernteren ersten Sitzen und nur auf beschränkten We. gen, dem Isthmus, oder gar zu Wasser bei Naupaktos geschah, ihrer Natur nach wirklich mehr einen Haupt- Einfall und einen Haupt- Zeitpunkt zu bedingen scheint ; so ist dies ganz ein andres zwischen zwei an einander grenzenden Ländern, wo das allmähliche Vorrücken , welches jedoch einzele gröfsere Ereignisse nicht ausschliefst ,, sogar wahrscheinlicher ist. Auf jeden Fall scheint mir die Vorstellung dafs die Thessaler lange Zeit in Epirus gleichsam verborgen gewesen und dann auf einmal in der nachtrojanischen Zeit Thessalien überzogen hätten , eine falsche zu sein. Die Thessaler waren ein altbekanter Stamm ; dies erhellet schon allein daraus dafs sie als mythische Person , nehmlich als Thessalos Herakles Sohn, im Homer vorkommen. Also wo wohnten diese ? Sie wa- 262 XXII. Geschlecht ren ein Stamm der Thesproter in Epirus. Sonderbar dafs grade dieser Stamm , der bestimmt war nach der mythischen Zeit in jene achäisch - äolischen Lande einzubrechen, schon lange vorher in der Person des Thessalos in die mythische Genealogie verwebt war. Doch ich will meine Ansicht der Sache ohne weiteres vortragen. - - Wir haben gesehn dafs Thessalien d. h. der Länderverein dessen herschende Nation die Thessaler waren, schon von ziemlich alten Zeiten her wie aus dem Zeugnifs des Hellanikus, Herodots Zeitgenossen erhellet — in vier Theile getheilt war, Thessaliotis, Pelasgiotis, Phthiotis, Hestiäotis. Diese Namen entstehn nach Gesetzen der Sprache aus Gentilnanen , Θεσσαλιῶται, Πελασγιῶται, ΦθιῶTai, Esiαiwτai ; deren jeden man sich , da in allen diesen Landschaften die Thessaler nun herschten , mit dem Namen Θεσσαλοὶ zusammenzudenken hat. Θεσσαλοὶ θιῶται waren also die Thessaler die in dem alten achäischen Lande Phthia wohnten , u. s. f.; folglich Oaooahoi OecoαATα die Thessaler , welche in dem Lande Otooahía im engsten Sinne wohnten. Dies ist auf keine andre Art denkbar als so , dafs , als alle andre benachbarte Lande noch von Thessalern frei waren, die Thessaler hier schon wohnten. Womit denn das vollkommen übereinstimmt , dafs alle bekante und berühmte Orte von Thessalien im weiten Sinne in einer der drei übrigen Landschaften lagen; Thessaliotis hingegen , als der Sitz des in das älteste Verkehr der mythischen Periode nicht verflochtnen Volks, von solchen so entblöfst war, dafs nur einige gröfstentheils unbekante , Ortschaften davon aus Ptolemäus oder durch Schlüsse sich angeben lassen * ). Die Lage dieses Viertheils aber ist mit Gewifsheit soweit zu bestimmen, dafs es nach dem Pindos und dem Acheloos hin sich erstreckte , also gerade nach der Gegend , wohin die Sage die Einwanderung aus Epirus legt. Hier also müssen die Thessaler , wenn wir der mythischen Geschichte

  • ) Man sehe Stroths Bearbeitung in dem Handbuch der alten

Erdb. S. 747.: denn bei Mannert ist diese alte Eintheilung Thessaliens wenig berücksichtigt. der Aleuaden. 263 ? folgen, in und vor den Zeiten des trojanischen Kriegs gewohnt haben. Jene Sage vom Aiatos, dem Sohn des Phidippos , deren Genealogie wir ohnedas schon mit diesem Kriege in chronologischem Widerspruch erfunden haben, tritt nun noch weiter hinauf, da der Uebergang über den Acheloos eine Besetzung dieses ältesten Thessaliens von Thesprotien her andeutet ; aber sie ist auch nichts als eine der tausend Stiftungsmythen (xrious) , deren Zweck nur ist, den ethnischen Zusammenhang zweier Lande mythisch zu begründen. - ― Ohne also über die Zeit der Besetzung verlegen zu sein denn chronologische Beziehungen sind in keinem Mythos zu suchen haben wir nichts daraus zu entnehmen, als dafs hier von Alters her die Thessaler wohnten, ein alt-hellenisches Volk, das mit seinen westlichen Nachbarn, den Thesprotern, für verwandten Stammes galt ; womit denn auch die Einerleiheit der Hauptsilbe in beiden Namen übereinstimmt *). Eben dies Volk breitete sich aber erobernd in die benachbarten Lande am Peneos und am

  • ) Ich vergleiche damit noch den Namen Thespiae und die damit verbundnen Heroen - Namen Thespios und Thestios , nebst ei- nem von dem Thessalos oder Thettalos ausdrücklich unterschiednen andern Sohn des Herakles, Thestalos, von Augeas Stamm, lauter Namen aus der benachbarten ätolischen und böotischen Verwandtschaft. So ist mir also Оɛσлowrol (um jeder künstelnden

Deutung zuvorkommen) weiter nichts als eine rauhere Endungsform desselben Wortstammes, wovon jene sich auf andre Art Oɛo- σαλοί oder Θετταλοί nannten. Eben so hiefsen zwei anerkannt verwandte Völker in Italien Sabini und Samnites oder Zavvital. Wie nun auch die Ueberlieferung die Verwandtschaft beider gestalten möge, in der etwas mehr gebogenen Namensform der letztern liegt zuverlässig nichts, das eine Abstammung von jenen andeuten soll , so wenig als in den beiden Landschaftsnamen Sabinum und Samnium; sondern beide hatten als ursprünglich Ein Volk, denselben Namen , der aber in verschiednen Gegenden nach verschiedner Mundart gebildet war , Sabini und Sabnes oder Samnes , woraus der Landesname Samnium und hieraus wieder eine neue Form des Volknamens Samnites sich bildete : gerade wie aus Cures, das, wie alle solche pluralische Städtenamen, der Name des Volks oder der Bürgerschaft ist , doch wieder, weil es nun Stadtname war, Curetes und Quirites gebildet ward. 264 XXII. Geschlecht Meer aus ; wovon die neusten und bedeutendsten Ereignisse wirklich in die Epoche kurz vor der eigentlich geschichtlichen Zeit gehören mögen ; wiewohl die Sage in ihrem mythischen Vortrag alle solche ältere und frühere, wahre und episch geschaffne , Zeitpunkte und Ereignisse verwirrt. Die alte achäisch - äolische Bevölkerung des überzogenen Landes trat, so weit sie darin blieb , als Penesten in ein dienendes Verhältnifs , wie uns das gleiche der Peloponnes in Lakedämon und Argos darbietet. So wie dort ferner wurden auch hier die Häupter dieser erobernden Nation von der Sage als Enkel und Urenkel des Herakles aufgeführt, und auf sie führten, so wie dort, die spätern Fürsten des Landes ihre Stammliste zurück und hiefsen folglich Herakliden. Noch eine sehr bedeutende Uebereinstimmung zwi schen diesen beiden Ereignissen ist die des früheren Sitzes jeder dieser erobernden Nationen. Wenn man sich nach den Landen umsieht, wo denn die Völkermacht, welche den ganzen Peloponnes überschwemmte , vorher wohnte, so weist ein Theil der alten Nachrichten uns nach dem kleinen Ländchen zwischen dem Oeta und dem Parnals, wo noch späterhin ein Dorischer Staat bestand. Doch man belehrt sich bald eines bessern, wenn man, denn auch findet, dafs Hestiäotis ehedem Doris geheifsen und dort die dorische Nation gewohnt habe. S. Herod. 1. 56. Strab. 9, 437. Diod. 4, 37. Heyn. ad Apollod. 2, 7, 7. Hestiäotis aber liegt nordwestlich über Thessaliotis. Genauere ethnische Geographie aus dieser vorhistorischen Zeit zu verlangen , wäre unverständig. Wir haben was wir brauchen. In den gebirgigen Landen zwischen dem östlichen Thessalien und der epirischen Küste wohnten in der ältern Zeit die Völker , die zu dem einen Haupttheil der griechischen Nation , nach Herodot (a. a. Q.) , dem hellenisch- dorischen, gehörten ; namentlich Dryopen und Dorier, Thesproter und Thessaler. Hier lagen die uralten sellischen und hellenischen Städte und Gauen, namentlich bei den Thesprotern Dodona, und in Thessaliotis Hellas (s. Strabo 9. p. 431. 432.) ; wiewohl dies schon früh der achäischen Bevölkerung von Phthia sich zugedeGsafaEH ErTODiundeWeHealsbermePyderaZEPO der Aleuaden. 265 mischt zu haben scheint (Il. 6, 683. 684.) *). Und aus diesen grofsen Landstrichen verbreiteten sich die erobernden Völkermassen, welche wir in der geschichtlichen Zeit Griechenlands als Herren vom Peloponnes und von Thessalien sehen. Die gröfsere Erscheinung im Peloponnes fand, wie gesagt, bald eine redselige Epik , welche diese Eroberung auszuschmücken , und, da die Anführer sich Herakliden nannten , das Ganze mit der übrigen Mythologie in Verbindung zu bringen , und die nun geschehene Eroberung auch mit herrlichen mythischen Ansprüchen, von Herakles und Eurystheus her, zu unterstützen wusste. Die Thessalische Invasion , die nur ein sehr natürliches und vermuthlich allmähliches Vorrücken in die vorliegenden Thäler war, scheint nur durch eine dürftige Sage an die Grenze der Geschichte gelangt zu sein. Dafs also Thessalos der Sohn des Herakles ist , auf welchen die Thessalischen Fürsten , und unter diesen die Aleuaden , ihr Geschlecht zurückführten , und durch ihn Herakliden waren, ist nach allem diesem, wie mich dünkt, als gewifs anzunehmen ; und als ein unverwerflicher Nebenbeweis tritt nun das hinzu , daſs , wie auch Böckh bemerkt, in der Aleuaden-Familie zweimal der Name Eurypylus vorkommt (s. unten bei den Perserkriegen und in der letzten Note zu d. Abhandl. ) , welches der Name des Königes von Kos war, mit dessen Tochter Chalkiope Herakles den Thessalos zeugte. Dafs aber diese gemeinsame Abstammung von Herakles, der Lakedämonischen Könige durch Hyllos, der Thessalischen Fürsten durch Thessalos, dem Pindar hinreichen konnte, davon den Eingang zu einer Ode herzunehmen, wird wol niemand bezweifeln.

  • ) Gewifs hängt es hiemit zusammen , dafs die Herscher in

Epirus sich von den Aeakiden herleiteten. Achill und sein Stamm waren National - Heroen von diesem altthessalischen Hellas , das mit den thesprotischen Sellern zu Einer Nation gehörte. Ohne Zweifel also waren Achill und die Aeakiden auch von jeher die National-Heroen des griechischen Stammes in Epirus überhaupt, und die Ahnherren der dortigen Fürsten. Dies zu erlären, liefs die Epik den Aeakiden Pyrrhos , eben so wie den Herakliden Phidippos, nach dem trojanischen Zuge nach Epirus kommen. 266 XXII. Geschlecht Wenn wir übrigens annehmen , dafs nicht blofs die Aleuaden , sondern überhaupt die edelsten Geschlechter Thessaliens für Herakliden galten, so ist dies freilich nirgend ausdrücklich gesagt : denn Pindars Ausdruck läfst sich allenfalls auf die Aleuaden allein und ihre Hegemonie deuten : aber es liegt schon allein darin, daſs Thessalos, Herakles Sohn , der Heros der Nation überhaupt ist, von dem sie ihren Namen hat. Von andern Geschlechtern würden wir es wol eben so gut wissen , wenn mehr von ihnen gesagt wäre. Einen Eurylochos, der blofs ein Heraklide genannt wird, werden wir unten mit ziemlicher Gewissheit als Aleuaden erkennen. So haben wir also unsre Aleuaden und ihren Stammvater in Analogie mit allem gebracht , was wir von ähnlichen vornehmen Familien wissen. Schwerlich war eine von Bedeutung, die nicht ihren Adel bis in die altmythische Zeit, auf einen Aias, Oedipus u. s. w. hätte zurückzuführen gewufst. Aber die gangbaren Familien - Namen sind nicht leicht von Helden aus jener Zeit genommen. Alle solche Namen wie Pelopiden , Labdakiden u. s. w. sterben in der Mythologic selbst gleichsam aus. Die be rühmten patronymischen Familien-Namen haben in der Regel den Ahnherrn in jener Uebergangs - Periode zwischen Mythos und Geschichte , zwischen dem Herakliden - Zug und Pisistratus. Selbst die berühmtesten von allen , die beiden Häuser in Sparta, nannten sich nicht nach jenen zwei hochgefeierten epischen Namen der Brüder Eurysthenes und Prokles, sondern die gangbare war Agiaden und Eurypontiden, nach zwei im Dunkel der ersten Geschichte lebenden, Sohn und Enkel jener. ,,Eurypon, sagt man,” — dies sind Pausanias Worte (3, 7.) - ,,sei zu solchem Ruhme gelangt, dafs dieses Haus von ihm den Namen bekam, da sie bis auf ihn Prokliden geheifsen." Dieser Vortrag darf uns nicht täuschen. Das historich zuverlässige das darin liegt, ist dieses : Agiaden und Eurypontiden hiefsen die zwei heraklidischen, und, wenn man will, verwandten Königshäuser in Sparta von jeher ; das heifst, bis auf die Stammväter Agis und Eurypon zurück, zu welchen hinauf die echt historische Sage reicht. Was über jenen steht, 2IIད1II2 der Aleuaden. 267 ist Fabelsage, ist Epik, ist Werk jener alles gestaltenden Dichtung und jener alles regelnden Geschichtforschung , welche die zwei herschenden Häuser ausgehn liefs von zwei Brüdern, Abkommen des Herakles im sechsten Gliede. Ganz ähnlich ist das was von den Bacchiaden in Korinth berichtet wird. Auch dieses Haus waren Herakliden, doch nicht zu jenem hochberühmten Stamme des Hyllos gehörig, sondern so wie deren im Peloponnes mehre auftraten, die auf andre Söhne des Herakles zurückgeführt wurden. Die epische Sage liefs diese von Herakles Sohn Antiochos ausgehn und die Herrschaft in Korinth gründen durch einen Aletes , von welchem man daher auch , aber nur im Dichtervortrag den Namen Aletiden findet ( Callim. fr. 103. Pind. Ol. 13, 17.). Der vierte Abkomme dieses war Bacchis,,,welcher weit berühmter ward," sagt Diodor (im 2. Fragm. des 7. Buches) ,,,als seine Vorfahren : daher es denn kam , dafs die folgenden Herscher nicht mehr, wie vorher, Herakliden, sondern Bacchiaden genannt wurden. ” Ist die Analogie zwischen diesem Bacchis und dem Eurypon, und zwischen der Art , wie dasselbe von beiden bemerkt wird, nicht auffallend ? Sichtbar sind hier die Spuren der dies alles anordnenden Geschichtforscher , welche überall zwar vollständige epische Genealogien vorfanden, aber nirgend einen wirklich gangbaren Familien - Namen, der von dem epischen Ahnherren gebildet gewesen wäre. Und gerade so spricht auch Plutarch in der oben angeführten Stelle von Aleuas dem Rothkopf, nur daſs er nicht ausdrücklich hinzusetzt , dafs von ihm die nachfolgenden den Namen Aleuaden führten ; nehmlich, weil er das nicht als Chronist spricht , sondern diesen Aleuas nur als Beispiel anführt. Diesen Analogien zufolge , verbunden mit den obigen Angaben, setzen wir also diesen Aleuas den Ersten ungefehr in dieselbe Periode mit andern solchen Stammvätern, in die halbmythischen Anfänge der eigentlichen Geschichte, die zwischen der sogenannten Rückkehr der Herakliden und Pisistratus hin und her schwanken. Hier mufs ich einen Nebenblick auf die Familie der Skopaden richten. Die etwas ungenaue Note von Perizo- 268 XXII. Geschlecht nius zum Aelian (V. H. 12, 1. ) hat Spalding zum Quintilian ( 11 , 2, 15.) dahin berichtigt, dafs nothwendig drei mit Namen Skopas gewesen sein müssen. Nehmlich zwei sind mit Gewiſsheit zu bestimmen : der eine, von dem Aelian a. a. O. erzählt, dafs er dem jüngern Cyrus ein Halsgeschmeide verehrt habe : der andere der zu Simonides Zeiten bei dem bekanten Einsturz eines Hauses über der Mahlzeit umgekommen. Jenen nennet Aelian Skopas den jüngern. Aber auch von diesem älteren sagt Quintilian a. a. O. , daſs mit ihm nach Einiger Meinung umgekommen seien (perüsse) ortos plerosque ab alio Scopa qui major aetate fuerit : er will sagen, „ die meisten übrigen Skopaden damaliger Zeit : denn Skopaden hiefsen sie auch damals schon von einem älteren Skopas." Dieser älteste Skopas gehört also auf jeden Fall in die Zeiten vor Pisistratus. Bestimmteres geht vielleicht daraus hervor , dafs ein Skopas aus dieser Familie , der als aufserordentlicher Trunkenbold berühmt war , bei Athenäus ( 10, 438.) genannt wird Kreons Sohn und Skopas des Alten Enkel ( Σκόπα τοῦ παλαιοῦ υἱδοῦ ;) . Nun war der Simonideische Skopas, wie wir aus Theokrit * ) und dessen Scholiasten wissen, Kreons Sohn, und der Ausdruck nahaιós von dem Grofsvater, scheint den Ahnherrn des Geschlechts zu bezeichnen. Also wird der Simonideische und der Trunkenbold Skopas ein und derselbe sein. Nur das erregt Zweifel, daſs Athenäus seine Notiz beibringt aus des Phänias Buch von Tyrannen, die durch Rache umgekommen (Tuράννων ἀναίρεσις ἐκ τιμωρίας), da doch dieser Skopas anerkannt durch jenes zufällige Unglück umgekommen. Wollten wir dagegen, mit Perizonius, Aelians jüngern Skopas für den Trinker annehmen , so dafs Athenäus unter ó лɑLatós den Simonideischen verstünde ; so kann zwar dieser jüngste Skopas , dessen Vater wir nicht kennen , füglich

  • ) In dessen oben angeführten Versen ist nehmlich dieser Skopas unter dem Namen Koɛardai begriffen. Wenn man aber diese

Benennung als eine gangbare für die Familie der Skopaden überhaupt ansieht , so ist dies hiedurch nicht begründet. Blofs als Dichter kann Theokrit den Skopas , der noch Brüder wird gehabt haben, nach ihrem Vater Kreontiden genannt haben. der Aleuaden. 269 der Sohn auch eines jüngern Kreon gewesen sein ; allein der Zwischenraum zwischen Simonides und dem jüngern Cyrus, wenigstens 120 Jahre , ist viel zu grofs für Groſsvater und Enkel. Also müssen wir bei dem Simonideischen Skopas , als dem Zecher , bleiben , und annehmen, dafs Phänias , indem er entweder den ältesten oder den jüngsten Skopas, als durch Rache umgekommen aufführte, jenen mittleren und dessen Lebensart beiläufig erwähnte. - Plutarch (Stud. divit. 8. Cat. Maj. 18.) erzählt von ,, Skopas dem Thessaler," daſs, als ihn jemand um etwas angesprochen, dafs ihm ja überflüssig sei , er geantwortet habe, eben dadurch sei er ja reich und glückselig, dafs er unnöthiges und überflüssiges besitze. Hier ist nichts was uns zwischen Skopas dem zweiten und dem dritten bestimme; es müfste denn die Illiberalität der Antwort sein, die nicht übel sich anschliefst an Handlung und Rede des zweiten , der den Simonides um die Hälfte des für sein Siegesgedicht besprochnen Honorars betrog , sagend , er solle sie von Kastor und Pollux fodern , von welchen der Dichter nehmlich in der grofsen Episode seiner Ode mehr zu sagen gewufst hatte als vom Helden selbst. In dem Prachtgeschenk Skopas des dritten an den Perser Cyrus erkennt man nur den anmafsenden Reichen. Und zu der Hoffart eines solchen gehörte auch das was von ihm , und von Archelaus von Macedonien und von Eurylochus von Larissa gemeldet wird , dafs nehmlich jeder von diesen dem Sokrates Geld anbot und ihn einlud an seinem Hof zu leben , dafs dieser aber sie verschmähte *) . Einen der ältesten Skopaden nennet Herodot (6, 128.) , den Diaktorides aus Krannon , der sich um Klisthenes des Sikyoniers Tochter bewarb. Dieser gehört also in die Zeiten des Pisistratus , und mag ein Bruder des Kreon gewesen sein. Und so führt uns also für Skopas den ältesten alles auf die nächste Zeit vor -Pisistratus.

  • ) Diog. Laert. 2, 25. von Sokrates : " Tлɛɛ¶çórηoɛ di naì 'Aqxeλάου τοῦ Μακεδόνος , καὶ Σκόπα τοῦ Κραννωνίου , καὶ Εὐρυλόχου τοῦ

Λαρισσαίου, μήτε χρήματα προσέμενος αὐτῶν μήτε παρ᾽ αὐτοὺς ἀπελθών. 270 XXII. Geschlecht Merkwürdig ist, dafs Ovid, indem er im Ibis seinem Feind das Schicksal des Skopos wünscht , diesen so bezeichnet (V. 512.) : Lapsuramque domum subeas ut sanguis Aleuae, Stella Leoprepidae cum fuit aequa viro. Dafs bei einem Schriftsteller wie Ovid und in einer so allbekanten Geschichte , an eine Verwechselung der Skopaden mit den Aleuaden nicht zu denken ist, sieht jedermann ein und Böckh beweist daher hieraus , dafs beide Familien mit einander verwandt waren. Gewifs mit Recht: aber nicht genug. Dafs sanguis von einem consanguineus gesagt werden kann, wenn die Personen genannt sind und das Verhältnifs bekant, dies ist gewifs. Aber unmöglich konnte ein verständiger Dichter diesen allgemeinen und noch dazu irre führenden Ausdruck brauchen um, aufser allem Zusammenhang, von einem Vetter des Aleuas und vom Skopas verstanden zu werden. Weiter oben im Gedicht kommt auch der gewaltsame Tod des Aleuas vor, wovon wir unten reden werden. Folgten nun beide Distichen auf einander , was bei einem Gedicht ohne Plan und Anordnung leicht gewesen wäre , so könnten dann Aleuas und sanguis Aleuae sich auf einander beziehen und ein acumen poeticum sein. Aber es sind beinah 200 Verse dazwischen. So wie es jetzt da steht kann also sanguis Aleuae nach aller Analogie nichts sein als des Aleuas Sohn oder Nachkomme ; und dafs dies Skopas war, mufs also zu der Zeit, wie noch so viele, jetzt verlorene Schriften, in jedes Gebildeten Hand waren , etwas bekantes gewesen sein. Zu allem bisherigen aber fügt auch dieses sich vortrefflich. Den Stammvater Aleuas haben wir uns veranlafst gesehen sehr hoch über Pisistratus Zeiten hinaufzurücken ; den ältesten Skopas aber , sehen wir dicht vor dieser Epoche. Um jene Zeit also theilte sich die zahlreiche Sippschaft, und die Skopaden bildeten einen mächtigen Neben - Zweig des in der uralten Hauptstadt Larissa wohnenden Hauptstammes , von welcher Krannon nur wenig Meilen entfernt war. Als Krannonier aber werden jener Skopade Diaktorides bei Herodot, die Skopaden des Simonides bei Theokrit und Kallima- der Aleuaden. 271 chus (fr. 71. ) , und auch noch der jüngste Skopas bei Diogenes Laertius aufgeführt : und nur das war nach Quintilian zweifelhaft, ob jenes eingestürzte Haus in Krannon oder in Pharsaios lag. Von dieser letztern Stadt, die ebenfalls einer der bedeutenden Staaten in Thessalien war, ist also anzunehmen , dafs die Skopaden auch dort ansässig und mächtig waren ; wiewohl von den Machthabern, die wir in der Folgezeit dort auftreten sehn , wenigstens nicht bekant ist , ob und wie sie mit den Skopaden zusammenhingen *).

  • ) Um nicht zu weitläuftig zu sein übergehe ich hier die Erörterung der Geschichte von dem eingestürzten Hause, verweisend

auf Quintilian II , 2, 11-16. mit Spaldings Noten , und will nur noch die darauf bezüglichen Dichterstellen hieher setzen. Zuförderst die Verse des Kallimachus. Nehmlich ein Agrigentinischer Feldherr hatte, nach Suidas v. Σιμωνίδης , das wahre Grabmal des Simonides bei der Belagerung von Syrakus zerstört Kallimachus machte daher ein Epitaphium, worin die Geschichte in Simonides Person erzählt wird. Suidas führt daraus zwei Stellen an , aber so entstellt , dafs wir sie gleich nach Bentley's vortrefflicher Herstellung (fr. Callim. 71.) hieher setzen wollen : Οὐδὲ τὸ γράμμα

  • Ηιδέσθη τὸ λέγον μ᾽ υἷα Λεωπρεπέος

Κεῖσθαι Κύϊον ἄνδρα . (Bei Suidas : οὐδὲ τὸ γράμμ᾽ δέσθη τὸ λεγόμενον υἱὸν Θεοπρεποῦς x. x. α. ) . Dann nach einer Lücke von wenigstens dem halben Hexameter und dem ganzen Pentameter : Οὐδ᾽ ὕμεας, Πολυδευκές, ὑπέτρεσεν , οἵ με μελάθρου Μέλλοντος πίπτειν ἐκτὸς ἔθεσθέ ποτε Δαιτυμόνων ἄπο μοῦνον , ὅτε Κραννώνιος , αἲ αἴ, Ὤλισθεν μεγάλους οἶκος ἐπὶ Σκοπάδας. (Bei Suidas : Οὐδ᾽ ἡμέας , ΙΙ. ―― - - ἐκτὸς ἔσεσθαί ποτε -- - ὅτε Κρανωνίων αἴας ὤλισθε μέγας οἶκος ἐπὶ σκοπάσας. ). Darf man es wagen zu einer solchen Herstellung noch etwas hinzu zu fügen, so möchte ich τότε für ποτέ vermuthen. Simonides selbst hatte einen Threnos auf dies Unglück gemacht , woraus Stobäus (Tit. CIII. p. 562.) ein Fragment anführt, zwar nur im allgemeinen aus dessen Threnis : aber anderswo (p. 562, 4.) bringt er eine Stelle des Philosophen Favorinus bei, worin dieser die ersten Worte desselben Fragmentes anführt und nach dem Wort overα hinzusetzt : ἀλλὰ μήδ' οἶκον · ὥσπερ ἀμέλει ὁ ποιητὴς τὴν τῶν Σκοπαδῶν ágóαr áлúlia dižigezo : er also auch, wie die „ Einige " bei 272 XXII. Geschlecht Wir haben nun von dem ältesten Aleuas , als Mittelpunkt , aus das Geschlecht nach oben und unten so gut wir konnten beleuchtet ; und müssen jetzt bei dem, was von Quintilian, das Umkommen der Mehrzahl der damaligen Skopaden annehmend. Die Verse lauten wie folgt : Ἄνθρωπος ἐὼν μήποτε φήσῃς ὅ ,τι γίνεται αὔριον, μηδ᾽ ἄνδρα ἰδὼν ὄλβιον, ὅσσον χρόνον ἔσσεται· ὠκεῖα γὰρ οὐδὲ τανυπτερύγου μυίας οὕτως ᾧ μετάςασις. - - Die beiden Worte agiov und ößtov hat Favorinus uns gegeben, und ich sehe nicht ein, wie man es wagen will das eine oder das andere zu verstofsen. Im übrigen hat Favorinus nur noch folgende kleine Abweichungen ὢν μηδέποτε φῇς ἔσεται : die sich freilich leicht beurtheilen lassen . Im übrigen bestätigt er ganz in Form und Stellung die beiden ersten Verse , wie sie Stobäus am ersten Orte anführt. Brunck ging ganz willkürlich , nach einem Metro das er sich machte , damit um , und setzte (mit Weglassung jener zwei nothwendigen Wörter) yernoɛtaι statt yivɛraι und ἐσσεῖται χρόνον, blofs die Form ἐσσεῖται mit einem Codex belegend . Bessere Metriker als ich werden sagen , ob etwas nöthig ist. Ich finde an der Präsensform in rivera avotov nichts zu tadeln. Eine Vermuthung von Meineke in seinem Euphorion p. 82. verdient hier der Erwähnung. Aus Quintilian a. a. O. ist bekant, dafs es streitig war, ob das berufene Gedicht des Simonides, worin er die Dioskuren gelobt , dem Skopas , oder dem Leokratcs, oder dem Agatharchus, oder dem berühmten Athleten Glaukus von Karystos gegolten habe. Nun sagt Lucian (Pro imagg. c. 19.), nachdem er von der schicklichen Art einen Milo von Kroton, einen Glaukus von Karystos , einen Polydamas durch Vergleichung zu loben gesprochen, folgendes : ἀλλὰ πῶς ἐπήνεσε ποιητὴς εὐδόκιμος τὸν Γλαῦκον ; οὐδὲ Πολυδεύκεος βίαν φήσας ἀνατείνασθαι ἂν αὐτῷ ἐναντίας τὰς χεῖρας , οὐδὲ σιδάρεον ᾿Αλκμάνας τέκος, ὁρᾷς ὁποίοις αὐτὸν θεοῖς εἴκασεν . Es ist gewifs sehr verführerisch , mit Meineke zu glauben , daſs dies ein Fragment aus jenem Siegesgedicht des Simonides , und folglich Glaukus wirklich der Besungene sei. Aber wie? Wenn das Gedicht noch vorhanden war , so dafs Lucian es vor Augen hatte : wie konnte der Streit unter den Gelehrten entstehn , welchem von vier ganz verschiednen Männern das Lied gegolten habe ? Oder hatte Simonides in vier solchen Siegesgedichten , die alle vorhanden waren, eine so lange Episode auf die Dioskuren gemacht? Und pafst das οὐδὲ Πολυδεύκεος βία ἀνατείναιτ᾽ ἂν αὐτῷ ἐναντίας τὰς zeigas in ein Gedicht, das, weil es mehr jener Götter Lob als des Siegers enthalten habe, von diesem lau sei aufgenommen worden? der Aleuaden. 273 von ihm selbst gesagt wird, noch etwas verweilen. Er war auf die oben erwähnte Art König der Thessaler geworden, übertraf weit an Macht seine Vorfahren, hob R aber auch wieder die Nation an Macht; und zu seiner Zeit geschah , nach Aristoteles , die Eintheilung Thessaliens in vier Theile. Wir haben also hier ein thessalisches Gesamtwesen, an dessen Spitze, wie aus den Stellen hervorzugehn scheint, ein Oberhaupt aus einer jener Herakliden-Familien zu stehn pflegte. Heinr. Valesius in seiner Note zu Harpokrations Stelle (p. 186. extr.) rührt hiebei mit einem Worte eine Vergleichung an , mit dem zu den letzten Zeiten der griechischen Freiheit in Thessalien bestehenden Verhältnifs , wie es hervorgeht aus Xenophon in dessen griechischer Geschichte (6, 1, 8. und 18. 19. ) , wo Iason der Pheräer den Gewalthaber der Pharsalier, Polydamas, beredet sich zu ihm zu schlagen, weil er, wenn Pharsalos und die davon abhangenden Städte auf seiner Seite seien , ohne Hindernifs rayos von ganz Thessalien werden würde, und dabei bemerkt, dafs, wenn Thessalien unter der Anführung eines Tagos stehe (ötav τayeúŋtai - Oettalía) , es ein Heer von 6000 Reutern und mehr als 1 10,000 Hopliten haben werde. Worauf denn auch dies zu stande kommt, und Iason erst von den Pharsaliern, dann einmüthig , als Tagos anerkannt wird ( ὁμολογουμένως ταγὸς nadusýru). Er ordnet hierauf jedem Staat die zu stel lende Mannschaft an , den Bewohnern des platten Landes aber legt er dieselben Steuern auf, wie sie unter Skopas gewesen (προεῖπε δὲ καὶ τοῖς περιοίκοις πᾶσι τὸν φόρον ὥσπερ inì Zxóna tetayuέvos v). Dann wird (c. 4, 28. und 33. ff.) gesagt, dafs Iason nun grofs und mächtig war, theils weil er gesetzmässiger Tagos war, theils durch seine Söldner: daher auch Plutarch ( Apophth. Reg. im Abschnitt von Epaminondas ) ihn τὸν Θεσσαλῶν μόναρχον nennet. Aber schon unter seinen Brüdern, wie Xenophon weiter berichtet, die ihm als Tayoi folgten , artete diese Würde in Ty rannei aus ; der dann, wie bekant, durch Philipp ein Ende gemacht ward. Schneider hält es für zweifelhaft, ob der hier erwähnte Skopas der Simonideische oder der dritte gewesen sei. Allein in solchem Zusammenhange , und 霪 II. S 274 XXII. Geschlecht ohne яoré, kann wol ein Machthaber aus den Zeiten vor den Perserkriegen schwerlich gemeint sein. Ich zweifle also nicht , dafs der Skopas , den wir in Verhältnifs mit Cyrus dem jüngern gesehn haben , Tagos von Thessalien gewesen, dafs aber, nach dessen Tod die Würde eine Zeitlang nicht besetzt war : daher denn auch Xenophon den Iason so sich ausdrücken läfst : ,,wenn Thessalien unter einem Tagos stehe. " Wir sehn also, dafs die Würde verfassungsmäfsig war und sich über ganz Thessalien erstreckte, dafs sie aber, damals wenigstens, nicht nothwendig war, sondern sich auf wirklichen oder zu erwartenden Krieg beschränkte. Dies als eigentliche Bestimmung des Tagos, geht auch hervor aus Pollux, der in dem Kapitel von militarischen Benennungen ( 1 , 128.) zusammenstellt den Böotarchen der Thebaner, den König der Lakedämonier, den Polemarch der Athener (in dessen ursprünglicher Bestimmung nehmlich) und den Tagos der Thessaler *). Dionysius von Halikarnafs braucht statt Tayós die Benennung doxós , in einer Stelle , welche das vorübergehende der Würde noch deutlicher ausspricht (5. p. 337.) , indem er bei Gelegenheit der Diktatur sagt, wenn nach abgeschaffter königlicher Würde in den Staaten bei eintretenden Fällen zur Herstellung der Ordnung die schnelle Entschliefsung eines einzelen erfoderlich gewesen wäre , so hätten sie die königliche und tyrannische Gewalt unter anständigen Namen wieder hervorgerufen, die Thessaler als άoxous, die Lakedämonier als Harmosten u. s. w. **). Auch ich zweifle also nicht , dafs diese spätere Diktatur in Thessalien ausging von jenem Königthum, was es nach Plutarchs Worten war (in der angeführten Stelle von der Königswahl: φρυκτοὶ περὶ βασιλέως ) , das zu des ältern Aleuas Zeiten bestand: wobei sich aber schwerlich jemand herausnehmen wird zu bestimmen, in welchem Verhältnifs an Macht die ältere Würde zu dieser neuesten stand, und ob der Name Tagos wirklich von jeher der dort ein-

  • ) Θηβαίων δὲ ἴδιον βοιωτάρχης -- - καὶ Θετταλῶν ταγός.
    • Θετταλοὶ μὲν γὰρ ἀρχοὺς, Λακεδαιμόνιοι δὲ ἁρμοςὺς καλοῦν- τες κ. τ. λ .

der Aletaden. 275 heimische Name der obersten Gewalt auch jenes alten Königes gewesen ; oder ob aus dem faoikeus, so wie in Athen ein ἄρχων, so dort ein ταγὸς oder ἀρχὸς ward * ) . Indessen kann auch noch gezweifelt werden, ob jener alte Aleuas wirklich schon König , mit welchem Grad von Macht es auch sei, von ganz Thessalien gewesen ; oder ob die bei den Schriftstellern so oft vorkommende Unbestimmtheit der Ausdrücke nicht auch in der Plutarchischen Stelle statt finde, so dafs dort blofs Larissa , als die vornehmste Stadt Thessaliens mit den davon abhängigen Städten, gemeint sei. Nur zu dieser Voraussetzung würde Böckhs Vermuthung passen, dafs bei jener Theilung Larissa und Krannon zweier solcher Theile Hauptstädte gewesen sein möchten: denn diese Städte liegen nicht weit von einander und beide zusammen in einem jener vier Haupttheile des grofsen Thessaliens , in Pelasgiotis ( s. Steph. Byz. in Koarov) . Es müfste dies dann als eine Theilung unter vier Hauptzweige herschender Familien gedacht werden , so dafs seitdem eben Krannon der eigenthümliche Sitz der Skopaden gewesen wäre. Allein wenn Aristoteles so absolut spricht, Thessalien sei getheilt worden , so kann er schwerlich etwas anders meinen als eine zu Zwecken der Staatsverwaltung geschehene Eintheilung des Thessalischen Gesamtwesens ; und so ist kein Anlafs zu einer andern Annahme als dafs er jene Eintheilung der Thessalischen Lande in vier Tetraden verstehe, die so alt war, dafs Hellanikus, Herodots Zeitgenofs, sie als die bestehende erwähnte , und so dauernd , dafs wir sie in Philipps Tetradarchien noch mit alter politischer Bedeutsamkeit finden. Es ist also wol kein Zweifel, dafs die Ueberlieferung diese Eintheilung durch die Epoche eines be-

  • ) Valesius a. a. O. sagt viel zu bestimmt: Reges Thessalorum. '

Tayoi proprie dicebantur et ab iis tompora numerabantur. Für diese letzte Angabe beruft er sich ganz kurz auf das enì 'Alɛva und das énì Exóna in den angeführten Stellen ( S. ob. S. 251. und 273.): als wenn nicht , auch ohne alle feststehende Zeitrechnungsform, bei Einrichtungen, die zur Zeit eines Machthabers, und natürlich nicht ohne Willen und Wirken desselben statt fanden, jene Ausdrücke die einzig gebräuchlichen wären. $ 2 276 XXII. Geschlecht. rühmten Herschers begründete. Und eben dahin führt auch schon der Umstand allein , dafs Aristoteles diese Notiz in dem Buche von der κοινῇ Θετταλῶν πολιτείᾳ vortrug . Sehr treffend bemerkt nehmlich Schneider, dafs so wie derselbe Verfasser eine κοινὴ᾿Αρκάδων πολιτεία schrieb , neben welcher doch noch die Verfassung einzeler Arkadischer Staaten , als eine Teyeaтãov пoteíα, von ihm angeführt wird; so auch in jenem Werke ganz Thessalien als ein Gemeinwesen geschildert war, im Gegensatz z. B. von Larissa und dem Aleuaden - Staat. In diesem Buche war also das Thessalische Gemeinwesen als von ältesten Zeiten her, vor Aleuas dem Rothkopf, und jene Eintheilung als von dessen Zeit an bestehend dargestellt. Wir haben uns also den Sinn der Ueberlieferung so vorzustellen und zu ergänzen. Seit der Einwanderung der eigentlichen Thessaler war das von da an im weitern Sinn sogenannte Thessalien ein grofses Gemisch von aristokratischen oder oligarchischen Staaten, die aber ein Gesamtwesen bildeten , das , auch wenn es einen Anführer oder König an der Spitze hatte, eben dieser Vielheit wegen in Anarchie ausartete. Unter Aleuas also, und ohne Zweifel auf seine Veranlassung, als er König war , ward für gut gefunden, statt des einen grofsen , vier kleinere StaatenVereine aufzustellen, in deren jedem sich die durch Oertlichkeiten und durch Nationalität der Landbewohner enger verbundenen werden zusammengethan haben : also 1) Thessaliotis *), das alte Stammland der herschenden Na-

  • ) Wunderlicherweise will Mannert Th. 7. S. 522. diese Landschaft wegleugnen, blofs weil die Hauptstelle bei Strabo 9, p. 430.,

da wo die Lage der einzelnen Landschaften bestimmt wird, etwas verwirrt ist , und erklärt lieber die andre Stelle p. 438. falsch ; keine Rücksicht nehmend auf die weit bessern Autoritäten des Strabo, des Hellanikus bei Harpokration (ob. S. 251.) und des Apollodor in Schol. Apollon. 3, 1089, welche dieselbe Eintheilung erwähnen. Dafs die verwirrte Stelle im Strabo verderbt ist , zeigt schon die Variante Θετταλιῶται statt Πελασγιῶται in folgenden Worten : Ta de loin (nehmlich das übrige Land aufser Phthiotis und Hestiäotis , ἔχουσιν ) οἵ τε ὑπὸ τῇ ῾Εςιαιώτιδι νεμόμενοι τὰ πε δία , καλούμενοι δὲ Πελασγιῶται, συνάπτοντες ἤδη τοῖς κάτω Μακεδόσι, der Aleuaden. 277 • tion; 2) Phthiotis , das Vaterland der zur Trojanischen Zeit berühmtesten Völkerschaften dieses Striches, und der Minyä der noch ältern Zeit ; 3) Pelasgiolis , die Lande am Unter - Peneos, der Sitz der mythischen Lapithen , wo wahrscheinlich die alte pelasgische Bevölkerung Thessaliens am längsten kenntlich sich erhalten hatte ; 4) Hestiäolis , der Sitz einer andern alten , späterhin dem Namen nach verschwundenen Nation, der Hestiäer, am OberPeneos ; früherhin, nach andern Berichten , Sitz der Dorischen Nation, welche in den Peloponnes zogen. Jede von diesen vier Verbindungen machte vermuthlich ihre besondern Angelegenheiten unabhängig von den andern ab: aber alles ganz allgemein hauptsächlich Krieg und Frieden betreffende hing von dem Hauptverband aller vier Landschaften ab, deren Gesamtführung eben durch diese Zurückbringung von einer grofsen ungeregelten Stimmgebung auf vier stimmende Körper vereinfacht war. Diese Verfassung , von der wir freilich nicht wissen , ob sie auch nach Aleuas dem Ersten gewöhnlich , oder nur. zuweilen, unter einem Oberhaupt oder König stand , war doch bedeutend genug , dafs sie Aristoteles in einem eignen Buche beschrieb : und sie, oder vielmehr das dadurch bestehende Gemeinwesen, ist es, wie Böckh bemerkt, was Pindar Pyth. 10. extr. vóμov tooαlav nennet und die Aleuaden seiner Zeit lobt als νόμον Θεσσαλῶν αὔξοντες. Der Sitz der Hauptmacht nehmlich und des Wohlstandes dieser Lande , der in der mythischen Periode in Phthiotis war, zog sich in der Thessalischen Periode nach dem Peneos in Pelasgiotis , wo Larissa nun die vornehmκαὶ οἱ ἐφεξῆς τα μέχρι Μαγνητικῆς παραλίας ἐκπληροῦντες χωρία . Hier ist ɛλaoyitai der Lage. nach´ unzweifelhaft richtig : aber das folgende naì oi 霧§ ist störend. Sobald man aber jene angebliche Variante Oɛttalı☎raι zwischeu of und pass einschaltét, so ist die ganze Stelle in Ordnung : xai oi Oɛtṭalı☎tai ( nehmlich ἔχουσιν) ἐφεξῆς τὰ μέχρι u . S. W. Nehmlich das Magnesische Land an der Ostküste wird politisch nicht zu Thessalien gerech net ; westlich von demselben liegen , an der Südküste、 Phthiotis, über diesem , und westlich ins Innere gestreckt, Thessaliotis, und am Peneos Pelasgiotis. 278 XXII. Geschlecht ste Stadt Thessaliens ward und blieb. Dort that sich nun die reiche Dynastie der Aleuaden auf, und in dem benachbarten Krannon ihre Brüder, die nicht minder reichen Skopaden ; und diese Macht und Wohlstand, sowohl des ganzen Thessalischen Gemeinwesens als des Geschlechts der Aleuaden (wozu wir nun die Skopaden mit rechnen) insbesondere , leitete man von jenem Aleuas her. Ohne Zweifel nehmlich erlangten sie eben von ihm an , durch Reichthum und Einflufs die mehr unmittelbare Herrschaft in Larissa und vielleicht in allen übrigen Städten von Pelasgiotis ; denn daſs sie in vielen Städten herschten geht aus vielen Spuren hervor und ist deutlich ausgesprochen in dem schon erwähnten Schlufs der 10. pyth. Ode , wo es heifst : ἐν δ᾽ ἀγαθοῖσι κεῖται πατρώϊαι κεδναὶ πολίων κυβερrάoies ,,,und von Trefflichen wird das von den Vätern her ehrwürdige Steuer der Städte geführt." Zugleich aber erwarben sie sich eine Hegemonie im Thessalischen Staatenverband überhaupt, und vermuthlich ward aus ihnen häufig oder gewöhnlich der König oder der Tagos gewählt. Die Art aber wie in Larissa, in Krannon, und so in den übrigen Städten die Gewalt zwischen den vielen Gliedern dieser zahlreichen Familien sich vertheilte ; und wie hinwieder auch einer allein als Tyrann genannt wird, ist historisch nicht darzulegen. Wir begnügen uns daher die fragmentarischen Züge aus ihrer Geschichte nach Aleuas dem Ersten in der Zeitfolge beizubringen. In dem krisäischen oder kirrhäischen Kriege Ol. 47. wird als der Anführer des Amphiktyonischen Heeres, der auch den Krieg beendigte, und in Gefolg dieses Sieges einer der Erneuerer der Pythischen Spiele war , genannt Eurylochus der Thessaler, bei Strabo ( 9, p. 418. 421.) und in den Scholien zum Pindar zu Eingang der pyth. Gesänge. Dieselbe Geschichte erwähnt Thessalus Hippokrates Sohn in seiner Rede an die Athener (s. Hippokr. Briefe u. s. w. p. 942. VDL.) und nennet den Eurylochus einen Herakliden *). So könnte er nun freilich auch aus

  • ) -- τοῦ Εὐρυλόχου ὓς ἡγεῖτο τοῦ πολέμου , Θεσσαλὸς ἐὼν καὶ ἄνωθεν ἐξ Ηρακλειδῶν,

der Aleuaden. \ 279 1 1 einer der andern edeln Geschlechter Thessaliens sein. Aber Meineke bringt diesen alten Eurylochus mit Recht zusammen mit einem spätern bei Diogenes Laertius, wo dieser von Sokrates sagt: „ Er verschmähte den Archelaus von Makedonien , den Skopas von Krannon und den Eurylochus von Larissa , indem er weder Geld von ihnen annahm, noch zu ihnen (auf ihre Einladung nehmlich) hinging. " *). Dafs dieser reiche und mächtige Larissäer ein Aleuade war , ist an sich schon nicht leicht zu bezweifeln ; die Analogie der Namen aber und die Bestimmungen , Heraklide , Larissäer , bestätigt es nun für beide. Vermuthlich war jener ältere , der in der 47. Olympiade eine so wichtige Rolle spielte , das damalige Haupt der Familie und der thessalischen Nation. 辇 Aristoteles in der Politik (5, 5, 9.) erwähnt unter den Beispielen der Oligarchien und ihrer demagogischen Künste die лolτoqúlaxes als die Oligarchen von Larissa ; und weiterhin an der Stelle wo , wie wir gesehn haben , der Name Zάuos in Ziuos geändert werden mufs, führt er unter den verschiedenen Arten wie Oligarchien sich auflösen, dieses an: ,,Im Frieden aber übergeben sie die Bewachung aus gegenseitigem Mifstrauen an Soldaten und einen vermittelnden Anführer oder Magistrat" ἄρχοντι μɛoidiw, was man von einem aus der Bürgerschaft genommenen erklärt — ,,welcher zuweilen Herr von beiden wird, wie sich dies zutrug zu Larissa unter der Herrschaft der Aleuaden, nehmlich des Simus und derer die mit ihm waren" **). Wir haben gesehn, dafs dieser Simus der Vater -

  • ) S. ob. S. 269. Dieselbe Nachricht hat Libanius Decl. 29.,

wo die Lesart der Handschriften Εὐρύλοχος χαρίσιος oder χαρίςιος, anstatt nach Menagens Bemerkung aus Diog. La. in Agioσałos zu bessern , fälschlich in Kagusios geändert ist. Derselbe Eurylochus ist wol auch gemeint , wenn nach des Scholiasten zu Aristoph. Plut. 179. Bericht , einige Schriftsteller die Hetäre Laïs zu dem Eurylochus nach Thessalien ziehen lassen.

    • ) Εν δὲ τῇ εἰρήνῃ διὰ τὴν ἀπιςίαν τὴν πρὸς ἀλλήλους ἐγχειρί

ζουσι τὴν φυλακὴν στρατιώταις καὶ ἄρχοντι μεσιδίῳ , ὃς ἐνίοτε γίνεται κύριος ἀμφοτέρων · ὅπερ συνέβη ἐν Λαρίσσῃ ἐπὶ τῆς τῶν ᾿Αλευαδῶν ἀρχῆς τῶν περὶ Σῖμον. 280 XXII. Geschlecht des von Simonides besungenen Aleuas und der Grofsvater der in den Perserkriegen auftretenden Aleuaden war, folglich zu den Zeiten des Pisistratus lebte. Zu Simonides Zeiten sehn wir den Antiochus und diesen zweiten Aleuas einzel als die Häupter der mächtigen und reichen Aleuaden genannt, und in äuſserm Glanz , in Pferdezucht, in Gönnerschaft gegen geistvolle Männer , dieselbe Rolle spielend, wie etwa ein Hiero und späterhin ein Dionysius in Sicilien ; neben ihnen aber besteht auf gleiche Weise ein Skopas in Krannon , bei dessen unglücklichem Tode die Streitigkeit der Scene , ob zu Krannon oder zu Pharsalos, zu beweisen scheint, dafs er oder sein Haus an beiden Orten zu den Machthabern gehörte. Den Antiochus haben wir bereits oben, so lange keine andre Nachrichten entgegen stehn, als einen der Aleuaden im engern Sinne , das heifst, der von Larissa , angenommen. Der Scholiast zu der Theokritischen Stelle nennt ihn, auf Simonides sich berufend , einen Sohn des Echekratides und der Syris * ). Wir werden auf den genealogischen Zusammenhang dieses Echekratides unten zurückkommen, und dabei den Antiochus als Larissäer zu befestigen Gelegenheit haben. Was aber die Mutter des Antiochus betrifft, so hat der Redekünstler Aristides in seiner Trauerrede auf einen Eteoneus folgende Stelle : „ Welcher Simonides wird auf diesen das Klagelied singen ? welcher Pindaros ? welcher Chor ? Welche Thessalische Dyseris hat wol solche Trauer empfunden über den Tod des Antiochus, als die Trauer ist welche der Mutter dieses bereitet ist ?" Es ist kein Zweifel, dafs der Sophist mit diesem Blümlein sich bezieht auf dasselbe Gedicht des Si-

  • ) Der etwas vorher stehende alberne Einschub 'Avtioxos di

Baouleus Zvgias verdient keine Rücksicht. Aber jene Worte selbst lauten dort so : Ο δὲ ᾿Αντίοχος ᾿Εχεκράτιδος καὶ Σύριδος υἱὸς ἦν ὣς φησι Σιμωνίδης . Die Form eines Frauennamens , Genit. ' Εχεκράτιdos, ist ein gewöhnlicher Fehler, und die Herstellung ' Exexqaridov gewils, auch vom Cod. Par. A dargeboten. Wir werden den Namen unten wiederkommen sehn . Eine Echekratia, Gattin des Kreon und Mutter Skopas des zweiten, hat derselbe Scholiast zu Vers 36. ohne Zweifel war sie aus dem Hause des Antiochus. der Aleuaden. 281 monides , das der Scholiast des Theokrit und Theokrit selbst vor Augen hatten. Valesius sah daher sogleich, dafs in dem Scholion statt Σύριδος zu schreiben ist ΔυσήQidos ). Aber auch über den Antiochus selbst erfahren wir noch etwas bedeutendes mehr, nehmlich, dafs er König oder Tagos von Thessalien war , aus beiläufiger Erwähnung. Philostratus nehmlich ( Epist. 13. p. 920, ) führt aus des Aeschines Dialogen , als Beispiel einer gewissen Schreibart folgendes an : ,,Thargelia kam nach Thessalien und lebte mit Antiochus dem Thessaler , welcher König aller Thessaler war" **). In diesen Worten ist jene Würde zu deutlich ausgesprochen. Thargelia war übrigens eine. berühmte Hetäre aus Ionien , von welcher aus Plutarch (Pericl. 24.) bekant ist , dafs sie den berühmtesten und mächtigsten Männern in Griechenland beiwohnte , sie zu der Partei der Perser zu bringen wufste, und so diesen den Weg zu dem grofsen Feldzug in Griechenland bahnete. Von dem Aleuas des Simonides wissen wir eben so wenig etwas bestimmtes mit Sicherheit beizubringen . Aber Ovid führt unter den tragischen Todesfällen in seinem Ibis V. 225. anch dieses auf: . Quosque putas fidos, ut Larissaeus Aleuas, Vulnere non fidos experiare tuo. Es erhellet freilich nicht welcher Aleuas dies war: aber Ovid hat ohne Zweifel die umständliche Geschichts - Erzählung von einem Tyrannen oder Oligarchen - Haupt vor Augen, und wol gewifs die von Euphorion geschriebene, -

  • ) Die griechischen Worte des Aristides ( To. 1. p. 75. Ed.

Jebb .) sind : Ποῖος ταῦτα Σιμωνίδης θρηνήσει ; τίς Πίνδαρος -- ; τίς χορός – ; ποία δὲ Δύσηρις Θετταλὴ τοσοῦτο πένθος ἐπένθησεν ἐπ' ᾿Αντιόχῳ τελευτήσαντι , ὅσον νῦν μητρὶ τῇ τούτου πένθος πρόκειται . Dafs der Name Zugis , der eher einer Sklavin als einer Herscherin ziemt, falsch war, zeigte schon der Accent, welcher von dem echten Namen Avongis, wo er ihn als Kompositum trägt , auf diesen unrechtmäfsig gewandert war. Den Namen einer Dyseris hat Anacreon in der Anthol. Pal. 6, 136. Lobeck zum Phryn. p. 707. zeigt, dafs er auch ein Mannsname war. -

    • ) Θαργηλία έλθοῦσα εἰς Θετταλίαν ξυνῆν ᾿Αντιόχῳ Θετταλῷ

βασιλεύοντι πάντων Θετταλῶν, 282 XXII. Geschlecht von welcher der Scholiast des Theokrit spricht , wenn er sagt: Euphorion habe alles gesammelt , was den Aleuas den Sohn des Simus angehe : s. oben S. 251 . " Die Söhne nun dieses Aleuas, Thorax, Eurypylus und Thrasydäus waren die Häupter dieses Geschlechts vor und zu der Zeit der Perserkriege : sie sind es denn auch hauptsächlich von welchen Herodot spricht , wenn er sagt : ,,Von Thessalien waren Abgesandte von den Aleuaden gekommen, welche den König auffoderten zum Zuge gegen Griechenland und ihm dabei allen Vorschub zu leisten versprachen. Diese Aleuaden waren Thessaliens Könige " * ). Schon dieser Plural zeigt, dafs hier faoikeus nicht in jenem Sinn eines verfassungsmässigen Königs , wie Aleuas der Erste war, zu verstehn ist , sondern BaoAñas den höchsten und herschenden Adel in einem Volke bedeutet. Daher liest man denn bei demselben Herodot (7, 172.) . dafs die Thessaler nicht nur den Anschlägen der Aleuaden entgegen waren, sondern auch Abgeordnete an die Griechen auf den Isthmus sendeten , um diese aufzufodern eiligst Völker nach Thessalien zu schicken , da sie sonst , durch ihre Lage genöthigt , es mit den Persern halten müssten. Und weiter oben (7, 130.) sagt Herodot, da die Aleuaden , die zuerst unter den Griechen sich dem Perser ergaben, Thessaler waren, so habe Xerxes geglaubt , sie hätten diese Freundschaft ihm von seiten dieser gansen Nation erboten **). Aus allem diesem , dünkt mich , erhellet , dafs sie nur die Oligarchen von Larissa und dem dazu gehörigen Strich Landes waren, über Thessalien aber nur eine Hegemonie übten , die denn aber durch jeden entscheidenden Einfluss von den übrigen Griechen her hätte vernichtet werden können. Dafs aber auch

  • ) 7 , 6. ἀπὸ τῆς Θεσσαλίας παρὰ τῶν ᾿Αλευαδέων ἀπιγμένοι ἄγω

γελοι ἐπεκαλέοντο βασιλῆα πᾶσαν προθυμίην παρεχόμενοι ἐπὶ τὴν ῾Ελ- λάδα . οἱ δὲ᾿Αλευάδαι οὗτοι ἔσαν Θεσσαλίης βασιλῆες .

    • ) Nach Anführung von Xerxes Worten : Zogoì ärdges ɛioì Θεσσαλοὶ κ. τ . λ. setzt Herodot hinzu : Ταῦτα δὲ ἔχοντα ἔλεγε ἐς

τοὺς ᾿Αλεύεω παῖρας , ὅτι πρῶτοι ῾Ελλήνων. ἐόντες Θεσσαλοὶ, ἔδοσαν ἑωυτοὺς βασιλέϊ · δοκέων ὁ Ξέρξης , ἀπὸ παντός σφεας τοῦ ἔθνεος ἐπαγγέλλεσθαι φιλίην . der Aleuaden. 283 - als Herscher von Larissa ihre Macht grofs war , erhellet unter andern aus Strabo welcher sagt, dafs die Larissäer das ganze benachbarte Land der Perrhäber unter sich hatten, und Steuern daraus zogen bis zu Philipps Zeiten der diese Gegenden sich unterwarf *). Thorax war ohne Zweifel der älteste und vornehmste des ganzen Hauses. Wir sehn ihn früherhin in denselben Verhältnissen des Glanzes und Ansehns, wie vorher seinen Vater, als Freund des damals noch sehr jungen Pindar , und den im Wettlauf errungenen Sieg des Hippokleas von Pelinna mit Pracht feiernd , wie dies die schon angeführte 10. pyth. Ode besagt. Dafs er den Chor dazu von den zu Krannon gehörigen Ephyräern nimt (s. Böckh zu Pind. ) scheint mir eine damals wenigstens noch bestehende FamilienOberhauptschaft der Aleuaden über die Skopaden anzudeuten ; und eben jenes königliche Benehmen gegen den Kampfsieger, der ein Fürst in Hestiäotis war, ein dem königlichen ähnliches Verhältnifs der Aleuaden in Thessalien überhaupt. Wohin ich auch das rechne , dafs nach Ktesias (beim Photius 72. p. 58.) bei Xerxes Macht Thorax und die Gewalthaber der Trachinier (Twv Toαxivíæv oi duvaroi) sich befanden , welche Trachinier zu Phthiotis gehörten. Nach den Perserkriegen behaupteten sich die Aleuaden , wie es scheint , so ziemlich in ihren alten innern Verhältnissen. Aus Herodot (6, 72.) und Pausanias (3, 7.) ist bekant, dafs Leotychides von Sparta, nach Vertreibung der Perser, Krieg in Thessalien gegen sie geführet, und ganz Thessalien sich hätte unterwerfen können ; dafs er aber, von den Aleuaden bestochen, abstand. Um die 80. Olympiade kam nach Thucydides Erzählung, Orestes ,,der Sohn des Thessaler - Königs Echekratides" als Flüchtling nach Athen und beredete die Athener ihn wieder herzustellen **). Diese machten wirklich

  • ) Οὗτοι δ᾽ οὖν ( οἱ Λαρισσαῖοι) κατεῖχον τέως τὴν Πεῤῥαιβίαν

καὶ φόρους ἔπραττον ἕως Φίλιππος κατέςη κύριος τῶν τόπων,

    • ) 1 , 11. Ἐκ δὲ Θεσσαλίας Ὀρέςης ὁ Εχεκρατίδου υἱὸς τοῦ Θεσσαλῶν βασιλέως φεύγων ἔπεισεν ᾿Αθηναίους ἑαυτὸν κατάγειν .

284 XXII. Geschlecht einen Zug gegen Pharsalos, konnten aber die Stadt nicht erobern und kehrten unverrichteter Sachen mit dem Orestes zurück. Meineke (in seinem anfangs erwähnten Aufsatz) stellt diese Nachricht zusammen mit einer im Pausanias , der bei Erwähnung eines kleinen Apolls , den ein Echekratides aús Larissa nach Delphi geweiht hatte, hinzufügt, daſs, nach der Sage der Delpher von allen dorti- . gen Weihgeschenken dieses zuerst aufgestellt worden sei *). Freilich setzt dieses ein sehr hohes Alter , wenigstens über Krösus und Solon voraus ; aber wir haben schon einen Echekratides gehabt , der zwischen diesem und jenem jüngsten in der Mitte steht , den Vater des Simonideischen Antiochus. Zuverlässig geht also diese ganze Reihe von Larissa aus und gehört zu den dortigen Aleuaden, wohin wir schon nach Anleitung der theokritischen Stelle den Antiochus gerechnet haben. Also war vermuthlich der älteste Echekratides einer der ersten Abkömmlinge des ersten Aleuas : der Echekratides etwa des ersten Enkel , dessen Sohn Antiochus zugleich mit Simonides , also vor der 70. Olympiade blühte. Also führen uns die Zeiten und die Analogie der Namen von selbst dahin , dafs der Echekratides des Thucydides des Antiochus Sohn war , der also gegen die 80. Olymp. wird gestorben sein , worauf sein Sohn Orestes in die erwähnte Lage kam. Dieser Echekratides nun wird von Thucydi des genannt ὁ Θετταλῶν βασιλεύς. Ich kann nicht glauben, dafs dies blofs wie das Herodotische Oenoahov faoikñes zu verstehen sei, da offenbar der Sohn durch diese dem Vater beigefügte Bestimmung selbst näher bestimmt werden, soll. Es mufs also auf etwas ausgezeichnetes beim Vater gehn; zur herschenden Aleuaden - Familie aber gehörte der Sohn eben so gut als der Vater. Ohne Zweifel war also Echekratides Tagos : welche Annahme , so wie die, dafs er Antiochus Sohn war, sich also gegenseitig bestäti gen ; da Antiochus es ebenfalls gewesen war. Der Sohn

  • ) 10, 16. Εχεκρατίδης δὲ ἀνὴρ Λαρισσαῖος τὸν ᾿Απόλλωνα ἀνέθηκε τὸν μικρόν · καὶ ἁπάντων πρῶτον τεθῆναι τῶν ἀναθημάτων

τοῦτό φασιν οἱ Δελφοί. der Aleuaden. 285 hatte sich also in der Würde des Vaters behauptet ; aber nicht ohne grofse Regung der Parteien ; die denn nach dieses Tod wieder, seinen Sohn Orestes sogar aus der angestammten Herrschaft in den Larissäischen Landen vertrieb : denn die Herstellung in diese allein verstehe ich in dem Worte xarάya bei Thucydides. Nach den übrigen Worten ' desselben scheint Pharsalos der Hauptort des Orestes gewesen zu sein : möglich , dafs diese Stadt, von welcher übrigens mehre andre Städte abhingen (s. ob. S. 273.) , überhaupt der besondre Sitz der Echekratidisch Antiochischen Linie der Aleuaden war ; aber manches andre ist auch möglich , was vielleicht durch Kombination andrer Notizen sich ergeben wird ; woraus dann auch erhellen würde , in welchem Verhältnisse Menon der ältere und jüngere ( s. die Untersuchung vor dem Menon des Plato) , ferner der Polydamas welchen wir oben erwähnt haben, zu den Aleuaden standen. · Auch in der Folgezeit findet man die Aleuaden in Larissa nie ohne Erwähnung von Spaltung und Bürgerkrieg. Im peloponnesischen Kriege ( Ol. 87, 2. ) waren . Anführer Thessalischer, Hülfstruppen bei den Athenern Polymedes und Aristonaus aus Larissa , ἀπὸ τῆς ςάσεως Exάrapos, was ich nicht anders verstehn kann , als dafs sie zu der Faction gegen die bestehende Regierung gehörten: also vielleicht gegen den Eurylochus , den wir als den zu Sokrates Zeit herschenden Aleuaden oben erkannt haben. Etwas später sehn wir den Aristippus bedrängt von der Gegenpartei in Larissa (πιεζόμενος ὑπὸ τῶν οἴκοι avtisαoiwtor) von Cyrus Hülfe erhalten : Xen. Anab. 1, 1, 10: welches derselbe Aristippus ist , von dem wir aus Plato wissen, daſs er zu den ersten unter den Aleuaden gehörte, dafs er und andre Angesehene Thessaliens , Bewunderer und Schüler des Gorgias waren , so lange dieser in Larissa sich aufhielt, und dafs der zu den Edeln in Pharsalos gehörige Menon als Jüngling sein vertrauter Freund war *).

  • ) Meno. Cap . 1. ᾿Αφικόμενος γὰρ (Γοργίας) εἰς τὴν πόλιν ( -4άρισσαν ) ἐραςὰς ἐπὶ σοφίᾳ εἴληφεν ᾿Αλευαδῶν τε τοὺς πρώτους, ὧν δ

σὸς ἐραςής ἐςιν ᾿Αρίςιππος, καὶ τῶν ἄλλων Θετταλῶν . 286 XXII. Geschlecht Ob innerhalb dieser Zeit die Würde eines Tagos zuweilen bei den Aleuaden war , wissen wir nicht: bei den Skopaden, Skopas dem dritten, war sie, wie wir oben gesehn haben. Nach dem peloponnesischen Krieg stieg dagegen das Ansehn einer andern Thessalischen Dynastie, der Gewalthaber von Pherä. Schon Ol. 94, 1. sehn wir den Lykophron von Pherä, wie Xenophon ( Gr. Gesch. 2, 3, 4.) erzählt , nach der Herrschaft von ganz Thessalien streben , und die Larissäer und andre in einer Schlacht überwinden. Diese Händel dauerten noch Ol. 96, 2. wo, nach Diodor, Medius, Machthaber von Larissa , kriegführend gegen Lykophron *), die Thebaner und übrigen gegen die Lakedämonier vereinigten Griechen zu Hülfe rief, und dadurch in den Stand gesetzt wurde , das von den Lakedämoniern (die also mit dem Pheräer vereinigt waren) besetzte Pharsalos zu erobern. Medius liefs die Bürger von Pharsalos als Sklaven verkaufen. Mit diesem Ereignifs ist, wie Schneider erinnert, in Zusammenhang zu bringen, was in Aristoteles Thiergeschichte erzählt wird: ,,Zu der Zeit als des Medius Fremde (d. h. seine Mietsoldaten) in Pharsalos umkamen , waren Attika und der Peloponnes von Raben ganz, verlassen ; so dafs man schliefsen mufs, dafs diese Thiere Empfindung von Mittheilung unter einander haben" **). Dies Geschichtchen ist brauchbar, weil es nicht entstehn konnte , wenn nicht das Ereignifs ein ungeheures Gemetzel war , wobei die Leichname, als von Barbaren , in einem grofsen Umfange liegen blieben. Man sieht also, dafs es ein bedeutender Krieg zwischen den beiden Machthabern war ; und zugleich ahnet man die Ursach der grofsen Erbitterung des Medius gegen die Nachbarstadt. Immer jedoch ist das feindliche Verhältnifs zwischen Larissa und Pharsalos auffallend, da noch wenig Jahre vorher Aristippus mit Menon in so ge-

  • ) 14, 82. Μηδίου δὲ τοῦ τῆς Λαρίσσης δυναςεύοντος διαπολε- μοῦντος πρὸς Λυκόφρονα κ. τ. λ .
    • ) 9 , 30. Περὶ δὲ τὸν χρόνον ἐν ᾧ ἀπώλοντο οἱ Μηδίου ξένοι ἐν

Φαρσάλῳ , ἐρημία ἐν τοῖς τόποις τοῖς περὶ ᾿Αθήνας καὶ Πελοπύννησον ἐγένετο κοράκων ὡς ἐχόντων αἴσθησίν τινα τῆς παρ' ἀλλήλων δηλώσεως. der Aleuaden. 287 nauer Freundschaft stand. Doch wer könnte über die Menge von Möglichkeiten in Unruhen dieser Art auch nur Vermuthungnn wagen wollen. Hat übrigens Medius durch die erwähnte Hülfe wirklich das Uebergewicht erhalten , so war es nicht von langer Dauer. Iason ward Tyrann von Pherä , und Ol. 101 , 2. Tagos von Thessalien , welche Würde auch seine nächsten Nachfolger behaupteten. Natürlich traten jetzt die Aleuaden sehr in den Schatten. Als aber die Gewalt der Pheräischen Tyrannen überhaupt in Unterdrückung auszuarten begann , beschlossen, wie Diodor (15, 61.) berichtet, einige der Aleuaden in Larissa dieser Herrschaft ein Ende zu machen, gingen nach Macedonien und riefen den König Alexander. Diodor nennet eben diese gleich darauf Flüchtlinge aus Larissa (τοὺς ἐκ Λαρίσσης φυγάδας) , woraus erhellet dafs die Pheräer diese Stadt in ihrer Gewalt hatten. Durch Hülfe nun dieser Flüchtlinge drang Alexander in dieselbe ein, eroberte sie nebst Krannon, behielt aber auch beide. Man sieht aus dieser Erzählung dafs die Aleuaden nur noch eine aristokratische Partei waren. Wie es sich mit einem Hellanokrates von Larissa verhält , welchen , nach Aristoteles (Polit. 5, 8. 12.) , Alexander , nachdem er in gröfster Vertraulichkeit mit ihm gelebt, doch in sein Vaterland nicht herstellte, und deswegen von ihm in Verbindung mit andern ermordet ward, lässt sich nicht angeben. - Als nachher durch Pelopidas die alten Verhältnisse in Thessalien wieder hergestellt waren , bald darauf aber auch die Pheräische Tyrannei sich wieder hob ; da wiederholten die Aleuaden dasselbe Verfahren. Diodor erzählt die Sache so : ,,Die in Thessalien so genannten Aleuaden, welche durch ihren Adel in grofsem Ruhm und Ansehn daselbst standen, arbeiteten gegen die Tyrannen: da sie aber für sich allein dem Unternehmen nicht gewachsen waren, riefen sie den Philippus zu Hülfe. Dieser kam also wieder nach Thessalien , überwältigte die Tyrannen , verschaffte den Städten die Freiheit wieder, und bezeigte sich überhaupt so wohlwollend gegen die Thessaler, dafs er sowohl, als nach ihm Alexander , in allen fol- 288 XXII. Geschlecht genden Unternehmungen sie zu Gehülfen hatte" *). Die Aleuaden namentlich schmiegten sich nun so ganz an die Macedonische Oberherrschaft an , dafs Philippus in seinen Absichten auf ganz Griechenland sich ihrer vorzüglich bediente. Demosthenes (de Cor. p. 241.) nennet in dieser Beziehung den „ Eudikus und den Simus die Larissäer" : und dafs sie Aleuaden waren, besagt hier, aufser dem Namen des zweiten die ausdrückliche Notiz in Harpokrations Glosse zu der Stelle , wiewohl nur vom Simus allein ** ). Dafs sie damals noch mächtig genug waren , sehn wir aus einer Notiz beim Polyün (4 , 2, 11.) , wonach Philippus , dem sie ohne Zweifel sobald er seinen Zweck erreicht hatte , vielfältig auch im Wege waren , sich einer List bediente , um sie zu vernichten. Er kam nehmlich selbst nach Larissa und stellte sich krank , in der Absicht die ihn besuchenden aufheben zu lassen ; aber den Aleuaden wurde es verrathen , und so mislang die List ***). Trauen wir indessen dem obenangeführten Scholion des Ulpian zu Demosth . Olynth . 1. , so möchte es ihm auf an- derm •) 16, 14. Οἱ δ᾽ ᾿Αλευάδαι καλούμενοι παρὰ Θετταλοῖς δι᾽ εὖγένειαν δὲ ἀξίωμα ἔχοντες περιβόητον ἀντέπραττον τοῖς τυράννοις. οὐκ ὄντες δὲ καθ᾽ ἑαυτοὺς ἀξιόμαχοι προσελάβοντο Φίλιππον σύμμαχον τὸν Μακεδόνων βασιλέα. οὗτος δ᾽ ἐπανελθὼν εἰς τὴν Θετταλίαν κατεπολέμησε τοὺς τυράννους, καὶ ταῖς πόλεσιν ἀνακτησάμενος τὴν ἐλευθερίαν , μεγάλην εὔνοιαν εἰς τοὺς Θετταλοὺς ἐνεδείξατο · διόπερ ἐν ταῖς μετὰ ταῦτα πράξεσιν ἀεὶ συναγωνιςὰς ἔσχεν οὐ μόνον αὐτός ἀλλὰ καὶ μετὰ ταῦτα ὁ υἱὸς ᾿Αλέξανδρος . Man vergleiche noch , wegen der Art wie Philippus sich der Zwistigkeiten der Thessaler, worunter genannt werden die der Pelinnäer gegen die Pharsalier , der Pheräer gegen die Larissäer, bediente, Polyaen. 4, 2, 19.

    • ) Σιμὸς ( oder Σίμος) , Δημοσθένης ὑπὲρ Κτησιφῶντος. εἷς τῶν

᾿Αλευαδῶν . οὗτός ἐςι τῶν δοκούντων συμπρᾶξαι τῷ Μακεδόνι.

      • ) Φίλιππος ἀφικόμενος εἰς Λάρισσαν , ἵνα τοὺς τῶν ᾿Αλευαδῶν

ἐξ οἰκίας καθέλῃ , νοσεῖν ὑπεκρίνατο , ὅπως εἰσιόντας αὐτους ὡς ἐπι σκεψομένους συλλάβοι. Βοΐσκος ἐξήγγειλε τοῖς ᾿Αλευάδαις τὴν ἐπίθεσιν, καὶ διὰ τοῦτο τέλος οὐκ ἔσχεν ἡ πρᾶξις . In den gewöhnlichen Ausgaben steht ἵνα τὰς τ. Α. ἐξοικίας κ. Toup ad Schol. Τheocr. 16, 34. schlägt mit seiner gewöhnlichen Zuversicht vor συνοικίας . Aber was ich hier gegeben habe , ist wirkliche Lesart, welche Coray ohne Nothwendigkeit und ohne Wahrscheinlichkeit in die geläufigere Verbindung τοὺς ἐκ τῆς τ. λ. οἰκίας veränderte . der Aleuåden. 289 derm Wege später gelungen sein. Denn so heifst es dort *) gleich auf die uralte Notiz, dafs Aleuas der Rothkopf und nach ihm dessen Kinder in Thessalien geherscht hätten : ,,Als nun die Thessaler die Tyrannei nicht ertru gen, und doch nichts dagegen vermochten, riefen sie den Philippus zu Hülfe ; welcher denn auch kam und die Aleuaden aus ihrer Herrschaft vertrieb : wofür hierauf die Thessaler aus Dank Pagasä ihm einräumten." Und zu Ol. 2. wo Demosthenes sagt : „ Nun aber da die Thessaler kranken und in Spaltungen und Unruhen sich befinden , kam er ihnen gegen das Haus der Tyrannen zu Hülfe" **) ; erklärt Ulpian dies Haus ebenfalls von den Aleuaden. Wesseling zu Diodor 16, 14. äufsert seinen Zweifel über diese Scholien mit einem Wort. Aber wer mit der Zeit geschichte nur einigermassen bekant ist, weifs mit Gewilsheit, dafs Demosthenes an der zweiten Stelle, so bestimmt die tvoavvian oixía in Beziehung auf die Thessaler nennend , nur die Pheräischen Tyrannen meinen kann ; das erstere Scholion aber mit der Nachricht im Diodor verglichen, zeigt deutlich, dafs der unwissende Zusammenstoppler Ulpian die Larissäischen Herscher mit den Pheräischen verwechselt. Doch um auch die Polyänische Geschichte nicht zu übereilt verdächtig zu machen, darf man nur hở ren wie Demosthenes a. a. O. von den Aleuaden spricht: ,,so lange hiefsen Eudikus und Simus die Freunde des Philippus , bis sie Thessalien ihm in die Hand gespielt hatten" ***). Dieser Ausdruck reicht völlig hin um einen Auftritt wie den von Polyän erzählten, höchst wahrscheinlich zu machen. Nachher aber werden die Füchse, die in

  • ᾿Αλεύας ἐτυράννησε Θετταλῶν , εἶτα καὶ οἱ τούτου παῖδες .

μὴ φέροντες οὖν τὴν τυραννίδα οἱ Θετταλοὶ καὶ ἀποροῦντες τί δεῖ ποιεῖν , μετεπέμψαντο εἰς συμμαχίαν τὸν Φίλιππον · εἶτα ἐλθὼν ἐκεῖνος, ἐξέβαλε τοὺς ᾿Αλευάδας ἐκ τῆς τυραννίδος . καὶ ὑπὲρ τούτου χάριν αὐτῷ ὁμολογοῦντες οἱ Θετταλοὶ δεδώκασιν αὐτῷ νέμεσθαι Παγασὰς κ. τ. λ.

    • ) Νυνὶ δὲ Θετταλοῖς νοσοῦσι καὶ στασιάζουσι καὶ τεταραγμένοις

ἐπὶ τὴν τυραννικὴν οἰκίαν ἐβοήθησεν.

      • ) Μέχρι τούτου Εὔδικος καὶ Σῖμος οἱ Λαρισσαῖοι (φίλοι ὠνομάζοντο Φιλίππου ) , ἕως Θετταλίαν ὑπὸ Φιλίππῳ ἐποίησαν .

II: T 290 XXII. Geschlecht das Haus des Löwen nicht gehn wollten , wol verständig geworden sein ; und anch Philippus einen Mittelweg, sie mächtig und unterthänig zugleich zu erhalten , gefunden haben. • Diese Maafsregel fand sich denn darin , dafs er für jeden der vier Theile Thessaliens einen Oberherren , seinen Diener, setzte. Demosth. Phil. 3. p. 117 : „ Nun, und wie siehts mit Thessalien aus? Hat er ihnen nicht die einzelen städtischen Verfassungen genommen und Tetradarchien bei ihnen eingeführt, damit sie nicht blofs städteweise, sondern völkerweise dienstbar seien *) ? " Hiezu bemerkt Harpokration (in Teroaox.) mit Beziehung auf die vier genannten Theile Thessaliens folgendes : „ Dafs aber Philippus einem jeden dieser Theile einen Befehlshaber vorgesetzt, das berichtet unter andern Theopompus im 44. Buche ** ). " Und aus demselben Buche dieses Geschichtschreibers führt Athenäus (6, p. 249.) an, daſs Philippus den Thrasydäus den Thessaler (den auch Demosthenes schon, de Corona p. 324. , unter denen nennet, welche Griechenland dem Philipp verrathen haben) zum Tyrannen seines eignen Volkes gesetzt , einen Menschen von niedriger Gemüthsart, und vollendeten Schmeichler ***). Der Name Thrasydäus , den wir schon in den Perser - Zeiten gesehen haben , zeigt, dafs dieser Mensch

  • ) ᾿Αλλὰ Θετταλία πῶς ἔχει ; οὐχὶ τὰς πολιτείας καὶ τὰς πόλεις

παρῄρηται, καὶ τετραδαρχίας καθέςηκε παρ᾽ αὐτοῖς , ἵνα μὴ μόνον κατὰ πόλεις ἀλλὰ καὶ κατ᾽ ἔθνη δουλεύωσιν ; So las ich vor Er scheinung von Bekkers Ausgabe diese dem Sinn nach deutliche aber mit Varianten geplagte Stelle , indem ich nach Reiskens Apparat urtheilend avtov nach dem ersten nóλes wegliefs , und die Formen τετραδαρχία und καθέςακε (dieses wegen des vorhergehenden Perfekts) beibehielt. Ich lasse es für jetzt dabei : wünsche aber lesen zu dürfen τὰς κατὰ πόλεις πολιτείας, welches der Gegensatz Tergadagzia fast beweist. « ) Ὅτι δὲ Φίλιππος καθ᾿ ἑκάσην τούτων τῶν μοιρῶν ἄρχοντας και τέςησε, δεδηλώκασιν ἄλλοι τε καὶ Θεόπομπος ἐν τῇ τετταρακοςῇ τετάρτη .

  • 44) Φίλιππον δέ φησι Θεόπομπος, ἐν τῇ τετάρτῃ καὶ τεσσάρακος

τῶν ῾Ιστοριῶν, Θρασυδαῖον τὸν Θετταλὸν καταςῆσαι τῶν ὁμοεθνῶν τύ ραννον, μικρὸν μὲν ὄντα τὴν γνώμην, κόλακα δὲ μέγιςον . der Aleuaden. 291 J ein Aleuade war , der also dem Lande Pelasgiotis vorgesetzt ward. Aber auch von dem obenerwähnten Eudikus sagt ein ähnliches Harpokration , nehmlich dieser sei gewesen einer von denen, die von Philippus zu Herren von ganz Thessalien gesetzt worden *). Dafs dieser Eudikus welchen Demosthenes unter der Benennung Larissäer mit Simus zusammen und zwar zuerst nennet, ein Aleuade war, ist kein Zweifel. Man könnte also annehmen , dafs er des Thrasydäus Vorgänger oder Nachfolger gewesen. Aber noch wahrscheinlicher ist, dafs die Aleuaden sich so zu fügen wufsten, dafs Philipp mehr als eine Tetradarchie aus ihrer Familie besetzte. Aufser den genannten Aleuaden findet sich in Philipps Diensten noch ein Anführer Eurylochus (Demosth. Phil. 3. p. 126, 1.) der dieses Namens wegen von Meineke mit Recht zu derselben Familie gerechnet wird , und ein Enkel des zu Sokrates Zeiten lebenden Eurylochus gewesen sein kann. Wie lange die Tetradarchien - Einrichtung bestanden, werden vielleicht andre zu sagen wissen : ich will nur noch den letzten Rest der Aleuaden nachweisen , den die Geschichte aufführt. Dies ist erstlich ein Medius, wahrscheinlich des erstern Enkel , von welchem Plutarch anführt, dafs er Alexanders Trink- und Schwärm - Genosse war **). Denselben vermuthlich erwähnt Strabo ( 11. p. 530.), wenn er einen Medius von Larissa, der den Alexander auf dem Zuge nach Asien begleitet habe (ovvespatev,

  1. nw; Ahežávdow) , als Schriftsteller anführt für die Notiz,

dafs einer Namens Armenos aus Armenion bei Larissa mit Iason dem Argonauten nach Armenien gezogen und diesem Lande den Namen gegeben habe. Er hat also von Thessalischen oder Larissäischen Alterthümern ge-

  • ) Εὔδικος, Δημοσθένης ἐν τῷ ὑπὲρ Κτησιφῶντος . εἷς δέ ἐςίν οὐτος τῶν καταςαθέντων ὑπὸ Φιλίππου κυρίων Θετταλίας ἁπάσης.

- **) De Tranq. 13. τούτου δὲ ( nehmlich wer zugleich wünschte ein Löwe und ein Schooshündchen zu sein) ovdiv Bɛlτίων ὁ βουλόμενος ἅμα μὲν ᾿Εμπεδοκλῆς ἢ Πλάτων ἢ Δημόκριτος εἶναι περὶ κόσμου γράφων ἅμα δὲ – τῷ ἐπὶ κῶμον ᾿Αλεξάν δρῳ συμπίνειν, ὡς Μήδιος. - T2 292 XXII. Geschlecht der Aleuaden. schrieben *). Ein andrer durch Namen und Vaterland sich kund thuender Aleuade ist Thorax der Larissäer, der Freund des Antigonus, der nach Plutarch Demetr. 29. bis auf den letzten Augenblick bei dem unterliegenden König blieb , als alle andern ihn verlassen hatten. Und so fühle ich wenigstens kein Bedürfniſs mich nach einem noch spätern umzusehn.

  • ) Noch einen Schriftsteller aus der Familie erwähnt Quintilian 11 , 2, 15.: denn dafs der Eurypylus von Larissa, der unter

denen, die von dem Einsturze des Hauses über Skopas geschrieben, genannt wird , ein Aleuade gewesen, das macht das Zusam- menkommen dieser Namen mehr als blofs wahrscheinlich. Bildhauer, Aleuas (Plin. 34, 8. ) und Skopas der Parier, in Berührung mit den thessalischen Häusern gestanden, weiſs ich nicht. ― Ob die Echekratides 40,Ol Aleuas der Rothkopf .Thessalien von Tagos oder König Archedike Mutter 4550 Eurylochus Skopas I. 55 Echekratides 60 65 Gatt | Gattin Dyseris Antiochus Tagos , 70 75.Ol Echekratides Simus Aleuas II. Thorax Eurypylus .Thrasydaeus Creon .Diaktorides Skopas II. |Tagos 80 Orestes . 85 90 95 .Eurylochus Aristippus . Medius III .Skopas Tagos . 100 105 Hellanokrates 110 Eurylochus . Eudikus . Simus . Thrasydaeus . 115 Medius . 294 XXIII. Potitii und Pinarii ; XXIII. Einige Vermuthungen 1) über die Potitii und Pinarii 2) über die Tarquinii. Aus den älteren Zeiten Roms ist bekant, dafs zwei römicalelamsche Familien, die Potitii und die Pinarii, an der Ara maxima den Gottesdienst des Herkules versahen , wobei jenen das Vorrecht zustand die Eingeweide zu verzehren, während die Pinarii, nach einigen Schriftstellern, nur zum übrigen Mahle zugelassen wurden , nach andern gänzlich ausgeschlossen waren. Die Sage schrieb diese Einrichtung dem Herkules selbst zu , der, als er zu Euanders Zeiten in diesen Gegenden war, jene beiden Familien die Gebräuche seines Opfers lehrte ; und der weil es sich fügte , dafs Pinarius zu spät kam , als die Eingeweide schon verzehrt waren , solches Verhältnifs zwischen den beiden Familien festsetzte. rejeDoeSo wird, mit unwesentlichen Verschiedenheiten die Sache vorgetragen bei Livius 1 , 7. Dionys. Hal. 1. p. 32. Sylb. Fest. v. Potitii. Serv. ad Aen. 8, 269. Macrob. 3, 6. cf. Plut. Quaest. Rom. p. 278. c. Aus dem Servius will ich das wichtigste wörtlich anführen : Cum ergo de suo armento ad sua sacrificia boves dedisset (Hercules), inventi sunt duo senes , vel ut quidam tradunt ab Euandro dati , Pinarius et Potitius , quibus qualiter se coli vellet, ostendit: scilicet ut mane et vespere ei sacrificaretur. Perfecto itaque matutino sacrificio, cum circa 80- denrenD DaGodie71 und Tarquinii. 295 lis occasum sacra essent repetenda , Potitius prior advenit, Pinarius postea , extis jam redditis. Unde iratus Hercules statuit ut Pinariorum familia tantum ministra esset, epulantibus Potitiis et complentibus sacra. Unde et Pinarii dicti sunt, and τns пεivns, i. e. a fame. Nam senem illum Pinarium constat alio nomine nuncupatum. Weiterhin führt Servius noch eine andre Ueberlieferung an: Quidam etiam tradunt, ideo Potitiis ab Hercule sacra commissa, quod cum ipse Hercules rem divinam faciebat, ipsum Herculem fortuito invocasset Potitius. Fertur tunc Herculem, accepto omine divinitalis , rejecto Pinario , perpetuae epulationis sacrum Potilio tradidisse , a quo videbatur consecratus et Potitius dici, quod eorum auctor epulis sacris potitus sit ; Pinarius, quod eis, sicut dictum est , fames epularum sacrarum indicta sil; hoc enim eis Hercules dixisse dicitur : vues dè navάoεt . Es fällt dem , der nur einigermafsen in diesen Gegenständen erfahren ist in die Augen , daſs alles historische in diesen Nachrichten nichts als reiner Mythos ist , und zwar ein Mythos von den tausenden , die einen bestehenden Gebrauch , dessen Ursprung verdunkelt ist, poetisch begründen. Für uns erhellt aus dieser Erzählung nur so viel deutlich, dafs diese sacra von jenen beiden römischen gentibus verrichtet wurden, dafs dabei die Potitii im Besitz des eigentlichen sacerdotii waren, während die Pinarii nur die aufwartende Rolle dabei spielten. Daher auch als Appius Claudius die Verrichtung dieses Gottesdienstes auf die servos publicos brachte, er, um diese darin zu unterrichten , blofs an die Potitios sich wandte ; und auch nur diese, nach der Sage, von der Gottheit für diese Profanation gestraft wurden. Liv. 9, 29. Val. Maxim. 1, 1 , 17. Aufmerksamkeit verdient hiebei allerdings die Uebereinstimmung der beiden Namen nach einer ungezwungenen , nur freilich aus zwei Sprachen genommenen Etymologie, von potiri und naiva , mit jenem Gebrauche. Und man könnte sich wohl dabei beruhigen, dafs zwei Familien , die aus Ursachen, die in der Dunkelheit des Alterthums begraben liegen , jene gottesdienstlichen Handlungen erblich besafsen , von den dabei vorkommen- 296 XXIII. Potitii und Pinarii; den Umständen diese Benennung erhalten haben, die dann in Gentilnamen übergegangen seien. Vielleicht ist es jedoch möglich, mit Hülfe eben dieser Namen, auf eine noch bessere, befriedigendere Spur zu kommen. Unstreitig hatte dieses bestimmte Verhältnifs beider Familien in Absicht auf das Opfer ursprünglich seinen Grund in einem ähnlichen Verhältnifs allgemeinerer Art, worin sie auch aufser dem Opfer zu einander standen ; und wirklich liegt in dem Verbo poliri, der aus dem Stammworte potis ausgehende allgemeine Begriff, die Oberhand haben, vollständig rerum potiri, wovon auch wol der Zuname eines Theiles der Valerii, Politus, ausgeht ; und Teva hängt etymologisch zusammen mit dem gleichfalls allgemeineren néng und dem lateinischen penuria , das durch seine lange erste Silbe dem Namen Pinarius noch näher kommt. Mythisch ist es offenbar , dafs es zn Euanders Zeiten schon einen Mann Namens Politius und einen Pinarius oder zwei ganze Familien mit diesen römischen Gentilnamen gegeben haben soll. Mythisch ist freilich der ganze Euander : aber das können wir wol mit Sicherheit aus seinem Mythos herausnehmen, dafs lange vor Rom in den Gegenden des Palati ein aboriginischer mit Griechen gemischter kleiner Staat bestand. Die Analogie so vieler anderen alten Völker, muſs uns, besonders aufmerksam gemacht durch Niebuhrs Untersuchungen, sogleich annehmen lassen, dafs in diesem Staat ein Unterschied der Stände statt fand , allerwenigstens so weit, dafs ein herschender und priesterlicher Stand einem arbeitenden , dienenden , armen Stande entgegengesetzt war. Dies waren die Potilii oder potiti oder potentes, und die Pinarii, welche sich mit den thessalischen Penestis vergleichen lassen. Dies scheint mir der wahre , den Römern selbst verborgene , Sinn solcher Ausdrücke des Mythos zu sein , wie im Livius , bei Erwähnung dieser beiden Namen: „Quae tum familiae maxime inclitae ea loca incolebant." Sobald wir dies annehmen so versteht es sich von selbst , dafs bei einem Nationalgottesdienst die Sacerdotes aus den Potiliis , die Ministri aus den Pinariis genommen wurden. Es versteht sich von selbst, daſs beim Schmause die Potitii potiuntur , Pinarii пev@ŰIV; denn auch , wenn wir deutsches Alterthum hier vor uns und Tarquinii. 297 hätten, würde man die Vornehmen vorwegnehmen, und die Dürftigen darben sehen, ohne dafs die Namen Vornehme, Dürftige, gerade von diesem bestimmten Verhältnisse abzuleiten wären. Dieses alte Euandrische Völkchen kam natürlich mit in die Masse des späteren Römischen Volkes und mit ihm seine sacra. Der Unterschied seiner zwei Stände verlor sich in dem gröfseren Staate und dessen ähnlichen Einrichtungen ; aber da dieser bestimmte, dort einheimische Gottesdienst sich sehr begreiflicher Weise auch bei den Personen dieses kleinen Völkerstammes erhielt, so erhielten sich auch jene beiden Namen, die daran geknüpft waren. Die geringe Anzahl aber , die von beiden Ständen noch in der römischen Masse übrig sein mochte, stellte sich natürlicherweise nicht mehr als zwei politische Stände dar , sondern als zwei römische gentes, wovon jedes Mitglied nunmehr die Benennung, welche ihm eine religiose Auszeichnung gewährte, ( denn auch der dienende Pinarier war doch ausgezeichnet nun vor anderen Römern) als Gentil- Name trug. Einmal aufmerksam gemacht auf den historischen Sinn jenes Mythos hatte ich nun ein Hülfsmittel mehr um vielleicht auch durch andre auf ähnliche Art mich durchzufinden. Die Geschichte der Tarquinier in Rom beginnt wie so viele andre Geschichten die an dunkle Zeiten grenzen mit einer Genealogie welcher wenig Umstände beigefügt sind. Ein nach Tarquinii in Etrurien ausgewanderter Korinthier , Damaratus , hatte zwei Söhne , Aruns und Lukumo ; jener starb kurz vor seinem Vater und hinterliefs eine schwangere Gattin , deren Kind , da der Groſsvater nichts von ihm wufste , erblos blieb , während Lukumo in den Besitz des ganzen Familien - Vermögens kam. Jener bekam daher den Namen Egerius. Lukumo, verachtet in Etrurien wegen seiner fremden Abkunft, und doch nach bürgerlichem Ansehn strebend , wanderte - mit mehren Freunden und Verwandten (dies setzt Dionysius zu dem hinzu was wir im Livius lesen) - nach dem neuen , die Ausländer nicht minder als Einheimische 298 XXIII. Potitii und Pinarii ; ehrenden Staate, nach Rom. Dort nahm er einen Namen nach römischer Sitte an indem er statt Lukumo Lucius sich nannte und aus dem Namen seiner Vaterstadt einen Gentilnamen , Tarquinius , sich bildete. Die Art wie er zur Königswürde gelangte und seine übrige Geschichte gehört nicht weiter hieher. Ich merke nur noch an daſs, als er Collatia in einem Kriege eroberte , er seinen Bruderssohn , Egerius , dort zum Befehlshaber machte , von welchem die andre Linie der Tarquinier , die Collatini, abstammten , die nachher den Sturz der herschenden Linie veranlassten und bewirken halfen. Als einen Mythos bewährt diese Geschichte sich auf mehr als Eine Art. Vorzüglich auffallend ist , dafs Lukumo als Eigenname des Mannes genannt wird , da es bekantlich die Appellativ -Benennung des in Etrurien herschenden Standes war. Und wenn wir auch nichts weiter darin sehen wollen , als was nothwendig darin liegt , dafs der Mann ein Lukumo. gewesen; wie widersinnig : der Sohn eines Ausländers ist Lukumo in Etrurien , und derselbe mufs, verachtet seines fremden Ursprungs wegen, das Land verlassen. Wie wenig jene alten Einkleider des Ueberlieferten in zusammenhangende Erzählung auch nur bedacht waren das unwahrscheinliche in der Form zu vermeiden, zeigt der Umstand, den wir im Livius ganz ehrlich vorgetragen sehen, Lukumo habe in Rom den Namen Lucius Tarquinius Priscus angenommen *). Freilich Dionysius läfst hier das Priscus weg, das er nachher mit der gewöhnlichen Erklärung beibringt aber eben dadurch zeigt er, oder wem er

  • ) Indem ich diese vor mehren Jahren geschriebene Abhandlung zum Druck einrichte , nehme ich auf Niebuhrs itzige Erklärung dieses Namens, so wie auf alles übrige was seine veränderten Ansichten über die Etrurier und Tyrrhener gegenwärtig festgesetzt haben , lieber gar keine Rücksicht, als dafs ich Urtheile

darüber auszusprechen scheinen sollte , welche rechtmässig zu begründen ich mich nicht geeignet fühle. Soviel ist auf jeden Fall klar, dafs die Trennung des Ursprungs der Etrusker in zwei Stämme von störendem Einfluss in meinen Untersuchungen nicht sein kann da die Namen Tarchon und Tarquinii, Egerius und Aruns auf jeden Fall in die griechisch - pelasgische Hälfte der Etrusker fallen, und mit den von den Nasena abstammenden wahrscheinlich eicht werden zu trennen sein. und Tarquinii. 299 1 folgte, sich mehr als Kritiker denn als getreuen Ueberlieferer. Doch die mythische Natur dieser ganzen Geschichte besonders in den ergänzenden und verbindenden NebenUmständen bedarf für uns keines Beweises mehr. Wichtiger ist es mir zu verhindern dafs man diese mythischen Züge nicht unbeachtet beiseite schiebe. Lassen wir Rom und den römischen König Tarquinius ganz aufser Augen und sehn obige Genealogie für sich allein an , doch mit der Notiz dafs sie dienet einen Zusammenhang mit Etrurien mythisch zu begründen. Eine Genealogie welche den Lukumo mit dem Egerius von Einem Vater ausgehn lässt, kann schwerlich etwas anders darstellen als die Personifikation der zwei Stände eines und desselben Volkes.' Dies ist das Verfahren , das so unzähligemal in der alten Mythologie erscheint , augenscheinliche Appellativa , wie 'Aµqıxtúoves , Aiyiahɛïç u. a. von einer mythischen Person, die so geheifsen habe, abzuleiten. Ein Verfahren das nur durch Mifsverstand ältester Allegorie , welche physische und bürgerliche Verhältnisse in genealogischer Sprache durch die Begriffe von Vater, Sohn, Bruder, Gatte u. s. w. vortrug, so allgemein ward. Der Lukumo der die etrurischen Lukumonen *) vorstellt, berechtigt uns in dem Egerius den andern Stand , Egerii , zu erkennen , welcher Name wieder mit Pinarii und Penestae übereinkommt. Aber auch der Name Aruns (bei den griechischen Schriftstellern ῎Αρων, ῎Αῤῥων, ᾿Αρόντας, ᾿Αρούντας) , der auf derselben Seite der Genealogie steht , ist nicht zu übersehen. Eine deutliche Participialform ; worin ich dieselbe Volksklasse erkenne : Aruntes (arantes, gr. doouvres) die Ackerleute oder Bauern , so wie auch bei den Syrakusern die dienende Klasse 'Apóτta hiefs : wobei nicht unbeachtet zu lassen ist, dafs die Syrakuser eine Kolonie eben des grie-

  • ) Wenn die römischen Antiquarien auch den Namen der dritten Schaar unter den ältesten Rittern, Luceres, von dem Namen

Lucumo ableiten, weil ein etrurischer Lukumo geholfen habe, oder auch von einem Lucerus heifsenden etrurischen König (man sehe die Stellen bei Gesner in v. Luceres) ; so kann da soviel wahres drin sein, dafs Luceres und Lucumones einerlei Benennung dieses etrurischen Adels sei, der sich dann also auch als Name eines Drittheils, oder der dritten Landsmannschaft, des römischen Adels festsetzte. 300 XXIII. Potitii und Pinarii ; chischen Staates , der Korinthier, waren, womit jene Ueberlieferung die Tarquinios in Verbindung setzt * ). Unverkennbar ist in der ganzen Darstellung der Witz des Mythendichters , der indem er die ursprüngliche Verwandtschaft (die er wenigstens annimt) beider Stände eines Volkes poetisch darstellt, beide Benennungen der arbeitenden Klasse anzubringen weifs. Gehn wir in unserer Fabelkritik weiter. Wer einmal über die Entstehung des zusammenhangenden Vortrags in der ältern römischen Geschichte richtige Begriffe gefasst hat , wird den Weg der Zerstörung , den man einschlagen mufs um faktische Ausbeute zu erlangen , nicht verkennen. Dafs ein Geschlecht der Tarquinier einst in Rom gewesen (der Name kommt ziemlich spät noch vor) , dafs Rom Herscher aus demselben gehabt, dies wollen wir als historisch annehmen. Bei der anerkannten Mischung dieses Staates aus allerlei fremden Völkern, namentlich aus latinischen, sabinischen und etruskischen , lässt sich ferner aus jenem Namen schliefsen, dafs eine Anzahl aus Tarquinii ausgewanderter Menschen in dieser Masse waren , welche , da sie sich , durch Ursprung, durch heimische Gottesdienste u. s. w. verbunden, zusammenhielten, unter ihrem Landesnamen in Rom eine eigne gens bildeten. Wir können auch annehmen , dafs Leute aus beiderlei Ständen ihres ersten Vaterlandes unter jenem gemeinschaftlichen Namen begriffen waren. So wie ihre sacra und andern Gebräuche , so brachten sie natürlich auch ihre Sagen mit nach Rom, und der genealogische Mythos von den Lukumonen und Arunten lebte also nun auch in Rom ; er verflocht sich in die Gentilsagen der Tarquinier, er verstümmelte und veränderte sich, bis späterhin neue historische Gedichte entstanden, welche die Bruchstücke vieler hundert solcher verschiedenen Sagen mit schöpferischer Machtvollkommenheit in Ein Ganzes vereinten. So ward der uralte Lukumo der tarquinischen Sage einerlei mit dem ersten berühmten Tarquinier

  • ) Der Verdacht den Ruhnken ad Timaei Lex. Platon. p. 214.

auf den Namen ' 4gótra wirft , den Eustathius aus dem Lex. Rhet. anführt, ist nicht so leichthin aufzufassen. Die Benennung hat zuviel innere Begründung für eine zufällige Verderbung. und Tarquinii. 301 - in Rom. Ueber das eigentliche Verhältnifs der Tarquinier und ihrer Vaterstadt zu Korinth, über den Damaratus der an der Spitze der Genealogie , wie sie jetzt dasteht, sich befindet , habe ich keine Hypothese , weil ich keine suche wo sich keine mir darbietet. Nur wird hoffentlich niemand auf die Umständlichkeiten im Dionysius über diesen Damaratus, der einer der Bakchiaden gewesen, und dessen Auswanderung durch Kypselus Usurpation veranlafst worden sei , auch nur das allermindeste geben. Alles das ist spätere Ausführung einer dunkeln Notiz wọnach ein Theil der Bevölkerung von Tarquinii sich aus Griechenland , und warum nicht auch wirklich aus Korinth? herschrieb. Bedenklicher könnte es für meine Vermuthung scheinen , dafs der Name Aruns noch ferner als etruskischer Vorname erscheint. Allein zuförderst, merkwürdig genug , fallen alle diese in die römische Geschichte gehörigen Aruntes in jene ältere Zeit wo alle geschichtliche Verbindung der römischen mit der etrurischen Geschichte augenscheinlich mythischer Natur ist: und hier ist es vollkommen analog dafs man zu Benennung etrurischer Personen Namen wählte aus der ältern mythischen Geschichte. Durch diese einzige Bemerkung beseitige ich mit vollem Rechte nicht nur den einen der drei Söhne des Superbus sondern auch den Sohn des Porsena. Dafs aber jener kollatinische Egerius vom Dionysius auch Aruns Tarquinius , also mit dem Zunamen Egerius, genannt wird, dieser Umstand spricht meine Meinung nur noch deutlicher aus *). Aber volle Bestätigung gewähren die beiden noch übrigen Aruntes. Die Söhne, oder, wie die Historiker welche Geschichte aus der My--

  • ) Das kann ich mir indessen wohl gefallen lassen, wenn man

in dem Namen Egerius , den auch ein latinischer Herscher trägt, nicht blos eine zufällige Uebereinstimmung der Benennung einer etrurischen Volksklasse mit einem anderswo vorkommenden Mannesnamen erkennen will. Es ist sogar wahrscheinlich dafs diese Klasse blos Aruntes hiefs , und dafs der Mythendichter, welcher dem alten Aruns eine verlafsne Waise zum Sohne gab, diesen aus eigner Erfindung Egerius nannte, indem er diesen sonst bekanten Namen und dessen scheinbare Ableitung vom Verbo egere benutzte. 302 XXIII. Potitii und Pinarii ; thologie zu machen bemüht waren sagen , die Enkel des Tarquinius Priskus, welche Lucius und Aruns hieſsen, werden so charakterisirt, dafs Aruns ein sanfter, stiller Jüngling, Lucius aber ein stolzer und gewaltthätiger gewesen sei, worin deutlich wieder ein Nachhall des alten Mythos, der die Lukumonen und Arunten charakterisirte , zu erkennen ist. Am merkwürdigsten aber ist der letzte Aruns, in der Geschichte nehmlich der Klusiner (Liv. 5 , 33.) der die Gallier ins Land führte nachdem ihm ein gewaltthätiger Jüngling , namens Lukumo , seine Frau gemifsbraucht hatte. Also wieder Lukumo und Aruns gegen einander über. Offenbar ist dies dieselbe Geschichte die als Schändung der Lukretia nur eine ausführlichere Behandlung erfahren hat. Denn was in dieser Erzählung der Nachkomme des Lukumo am Nachkommen des Aruns thut, das thut dort Lukumo am Aruns selbst. Man sieht deutlich dafs der alte Mythos von Lukumo und Aruns ein recht ethisch ausgebildeter war, worin ein demokratischer Dichter die Sitten und Verhältnisse jener beiden Stände darstellt. Diese reinmoralische Dichtung wird späterhin, als man ihre eigentliche Tendenz wie es das Schicksal aller ältesten Dichtung war verkannte , von den verschiednen Schöpfern ältester Geschichte bald dort bald dahin in epischen Zusammenhang gebracht; und so erscheint sie nun in dem zuletzt zusammengetragenen Gesamtkörper der römischen Geschichte viermal in einzelen Zügen wiederholt. -- -- Aber auch in der Folgezeit und in Etrurien selbst kommt der Name Aruns als gewöhnlicher Vorname im Volke häufig auf Inschriften vor, die bei Lanzi und sonst sich darbieten. Was haben wir hierüber zu urtheilen ? Ist es natürlich dafs die Benennung einer unterwürfigen Klasse gewöhnlicher Personalname geworden sei ? Ich habe keine bestimmte Antwort hierauf; aber auch dieser Einwurf irret mich nicht. Möglich dafs das so oder so von mir gestaltete Ergebnifs irrig sei : das Faktum steht felsenfest, der Mythos über zwei verschiedene Einwohnerklassen liegt in diesem moralischen Verhältnifs wiederholt in der römischen Geschichte vor Augen. Ueberall und Tarquinii. 303 steht ein Aruns dem Lukumo absichtlich entgegen. Hat sich der Eindruck dieses Namens späterhin geändert? Nahmen auch wirkliche Personen ihn an, Gefallen findend an den milden Eigenschaften derer die in den Mythen ihn trugen? Hierüber mögen bessere Einsichten als die meinigen entscheiden *).

  • ) Gewifs unparteiisch ist diese meine Berufung, da, wen ich

zunächst im Sinne habe , zu meinem grössten Erstaunen die Per- sonalität der Atreiden nicht bezweifelt. Doch warum sollte der Belehrungsfähige nicht belehren können ? 1 304 XXIV. Ueber goatgia φρατρία. XXIV. Ueber den Begriff von goarqia φρατρία *). Die Namen, welche die Familien-, Stamm- und Völker- ་ verbindungen bezeichnen , machen , sobald es darauf ankommt, an den einzelen Stellen der Alten einen sichern. Begriff damit zu verbinden, grofse Schwierigkeit. Hievon liegt die Ursach zum Theil in diesen Namen selbst, deren buchstäblicher Sinn meist klar ist, ohne jedoch etwas unterscheidendes an die Hand zu geben. Denn da z. B. yévoc von γείνασθαι, φῦλον von φύω, πάτρα von πατήρ herkommt, so bezeichnen offenbar eigentlich alle drei genau dasselbe, nehmlich die wirkliche Verwandtschaft durch Zeugung. Daher z. B. selbst qukov , das dem Hauptgebrauch nach auch bei Homer auf grofse Volkstämme geht , dennoch bei demselben Dichter auch das Geschlecht oder den Stamm des einzelen Menschen ausdrückt , wie quhov 'Elé της , φῦλον ᾿Αρκεισίου . Noch weit mehr aber liegt die Ursach in dem Gegenstand. Denn da die Unterschiede nur quantitativer Art sind, so fehlt es an einem nothwendigen Princip , wodurch die Abtheilung begrenzt und bezeichnet wird, um sie danach unterscheidend zu benennen. Und wenn endlich Sitte und Willkür dergleichen ungefehr festsetzen, so geschieht dies nicht bei den verschiedenen Theilen des gleiche Sprache redenden Volkes zugleich oder gleichförmig; folglich mufs , eben weil nichts bezeichnendes in dem Namen liegt , dasselbe Wort an ver- schie-

  • ) Vorgelesen in der Akademie der Wissenschaften zu Berlin

im Januar und Februar 1818. XXIV. Ueber poargia φρατρία.. 305 schiedenen Orten und Zeiten anders bedeuten , und jedes kann sowohl den gröfsten als den kleinsten Umfang zur festen Bedeutung erhalten. Die ärgste Ursach aber der Schwierigkeit sind sehr gewöhnlich die erklärenden Schriftsteller selbst , aus welchen wir unsere Nachrichten zum Theil schöpfen müssen , und welche häufig , alles obige verkennend , die einzelen Fälle von Bestimmtheit , die in dem Alterthum vorkommen , als durchgehend auffassen, und diesen ihren Irrthum in historischer Form vortragen. Alle diese Irrungen zu vermeiden , mufs man also auch hier, wie überall, trachten, jeden Schriftsteller, und so viel möglich jeden Fall aus sich selbst zu erklären. Da indessen bei jeder Untersuchung ein mit Bewufstsein gefafstes Vorurtheil niemals schaden , vielfältig aber abkürzen kann, so wollen wir die drei Namen nάrou oder πατριά , φράτρα oder φρατρία , φῦλον oder φυλή , die bei den ältesten Schriftstellern in jenen Beziehungen vorkommén , und von den Grammatikern in abstufende Verbindung gebracht werden , mit der Sache selbst vergleichen, und dabei unser Augenmerk richten auf einige bezeichnende Unterschiede, welche sich denn doch zu diesen Abstufungen äufserlich hinzu finden. Nehmlich in der Regel ist immer nur ein gewisser Umfang von Verwandtschaft, innerhalb dessen die älteren und kundigen Personen die Abstammung der Einzelen und das gemeinsame Ausgehn von Einem Stammvater , so wie auch die Individuen, von welchen und durch welche die verschiedenen Zweige gehn, im Gedächtnifs und glaubwürdiger Ueberlieferung haben. Dann gibt es aber auch einen weiteren Kreis, dessen Verwandtschaft man zwar eben so gewifs weifs, oder zu wissen glaubt, ohne jedoch in diesem gröfseren und von längerer Zeit her zusammenhangenden Umfange Art und Grade der Verwandtschaft zu kennen. Hiezu kommt, dafs vielfältig durch nachbarliche und durch dienende Verhältnisse und durch Heirathen Menschen von verschiedener Abkunft sich vermengen, und zuletzt eine durch Religion und Sitte so genau verbundene Menge bilden , daſs sie, nach der Analogie jener engern menschlichen Verhältnisse, sich selbst für eine durch gemeinsame Abstammung " II. U 306 XXIV . Ueber φρατρία verbundene, und dadurch von andern gesonderte Gemeinheit halten, auch wol einen mythischen Ursprung und gemeinsamen Stammvater sich geben. So entsteht also ein Stamm von dunkler Verwandtschaft , bestehend aus mehren Geschlechtern von gewisser und bestimmter Verwandtschaft. Endlich macht die Sicherung nach aufsen und andere gesellige und Kultur- Verhältnisse, dafs mehre solche Stämme , die sich wieder unter einander durch Sprache und allgemeinere Sitte verwandt fühlen , und es meist auch der Haupt - Grundlage nach sind , sich politisch zusammen halten und ein Volk bilden. Diese wirklichen Verhältnisse mit jenen Namen nach dem Haupt - Eindruck ihres vorkommenden Gebrauchs verglichen , würden wir das durch wirkliche und bekante Verwandtschaft verbundene Geschlecht eine πάτρα , den in dunkler und unsicherer Verwandtschaft stehenden Stamnm eine φρατρία , die zuletzt genannte gröfsere Verbindung , das Volk oder den Volkstamm , ein φῦλον nennen. und Hiemit verbinden wir nun eine klassische , aus des Dicäarchus Leben oder Beschreibung von Griechenland genommene Notiz beim Steph. Βyz. v. πάτρα , welche Schneider in sein Wörterbuch unter jene drei Wörter vertheilt eingetragen hat, und die auch wir hier, leichterer Uebersicht wegen, in ihre drei Abschnitte eintheilen wollen. 1. Πάτρα , ἓν τῶν τριῶν τῶν παρ᾽ Ἕλλησι κοινωνίας εἰδῶν , ὡς Δικαίαρχος , ἃ δὴ καλοῦμεν πάτραν, φρατρίαν, φυλήν. ᾿Εκλήθη δὲ πάτρα μὲν εἰς τὴν δευτέραν μετάβασιν ἐλθόντων ἡ κατὰ μόνας ἑκάςῳ πρότερον οὖσα συγγένεια, ἀπὸ τοῦ πρεσβυτάτου τε καὶ μάλιςα ἰσχύσαντος ἐν τῷ γένει τὴν ἐπωνυμίαν ἔχουσα , ὃν ἂν τρόπον Αιακίδας ἢ Πελοπίδας εἴποι τις ἄν . 2. Πατρίαν δὲ συνέβη λέγεσθαι καὶ φρατρίαν, ἐπειδή τινες εἰς ἑτέραν φράτραν ἐδίδοσαν θυγατέρας ἑαυτῶν . οὐ γὰρ ἔτι τῶν πατριωτικῶν ἱερῶν εἶχε κοινωνίαν ἡ δοθεῖσα, ἀλλ᾽ εἰς τὴν τοῦ λαβόντος αὐτὴν συνετέλει πάτραν . ὥσε πρότερον πόθῳ τῆς συνόδου γιγνομένης ἀδελφαῖς σὺν ἀδελφῷ ἑτέρα τις ἱερῶν ἐτέθη κοινωνικὴ σύνοδος, ἣν δὴ πατρίαν ωνόμαζον. καὶ πάλιν · ὡςε πάτρα μὲν ὅνπερ εἴπομεν ἐκ τῆς συγγενείας τρόπον ἐγένετο μάλιςα τοῖς γονέων σὺν τέκνοις καὶ τέκνα σὺν γονεῦσι, φρατρία δὲ ἐκ τῆς τῶν ἀδελφῶν. 3. Φυλὴ δὲ καὶ XXIV . Ueber φρατρία . 307 φυλέται πρότερον ὠνομάσθησαν ἐκ τῆς εἰς τὰς πόλεις καὶ τὰ καλούμενα ἔθνη συνόδου γενομένης. ἕκαςον γὰρ τῶν συνελθόντων φῦλον ἐλέγετο εἶναι. - Οἱ οἰκήτορες, πάτριοι. Der erste und dritte Abschnitt sind im wesentlichen klar. Die πάτρα wird schon als eine δευτέρα μετάβασις dargestellt in Beziehung auf die erste menschliche Verbindung im Haus oder in der Familie im engsten Sinne. Der Zusatz am Ende des Ganzen , οἱ οἰκήτορες , πάτριοι bezieht sich auf das Hauptwort des Artikels nároα, und gehört dem Stephanus , welchem also die Theilnehmer an einer nároα Tάroio heifsen , was ich ihn selbst verantworten lasse. Der zweite Abschnitt aber ist sichtbar entstellt durch die Abschreiber , welche die Wörter und Formen , núτoα, goάroa, goatoía verwechselten , doch glücklicherweise so , dafs die nothwendige Logik das richtige der Hauptsache nach an die Hand gibt. Denn wenn es heifst: Ilargiav δὲ συνέβη λέγεσθαι καὶ φρατρίαν, ἐπειδή τινες εἰς ἑτέραν φράτραν ἐδίδοσαν θυγατέρας ἑαυτῶν : so ist es doch unmöglich, dafs qpargía durch das identische und noch nicht definirte goaroa erklärt werde ; und es ist also aus dem Gange der Gedanken klar, dafs für çoάroar gelesen werden muſs πάτραν . Eben dadurch wird es aber auch sehr wahrscheinlich , dafs das vorangehende naτoíav nicht etwa als eine etymologische Erklärung von poaτoíav vorausgeschickt ist, sondern dafs eine der einfacheren Formen von quarqia da gestanden : φατρίαν oder φράτραν : am wahrscheinlichsten jenes. Also heifst es nun : „Parola ατρία oder goaτoía φρατρία wurde es genannt , wenn einige in eine andre náτoa ihre Töchter verheiratheten." Das folgende ist dann deutlich und hell bis auf die Worte ἣν δὴ πατρίαν ωνόμαζον , wo es gewifs wieder heifsen mufs 40argiar. Und zwar ist für diese Besserung an beiden Stellen eine deutliche Spur der Accent, da die Form Tarqiά sonst durchgängig *) oxytonirt wird, und es also deutlich ist , dafs diese hier nicht gestanden hat. Die Worte xai nahiv führen eine

  • ) Bei Herodot, im Neuen Testament , bei den Grammatikern u. s. w.

U 2 308 XXIV . Ueber φρατριά. andere von Dicäarch gegebene Bestimmung ein , in welcher für τοῖς γονέων gelesen werden mufs τῆς γ . und für τέκνα τέκνων. - Es fällt nun in die Augen, dafs diese Erklärung von qqaτgía nicht historisch genommen werden muſs , sondern dafs sie auf historischem Grund zwar stehend, aber durch philosophische Behandlung (Dicäarch war ein Schüler des Aristoteles) die goaτoía auf ein einfaches Princip zurückführt, welches als Ursprung solcher Verbindung dargestellt wird. Nehmlich eine so enge Verwandtschaft , wie die nάτoα hier erscheint, reicht nach der Natur des geselligen Menschen in der Regel nicht hin zur Knüpfung der Ehen. Diese bilden sich in einem etwas weiteren Kreise ; aber doch nicht leicht in einem allzuweiten. Unser Philosoph zwar stellt die Sache so hin , dafs wir eine Anzahl nicht verwandler Geschlechter sehn , welche durch Verschwägerung sich zur qoargía verbinden. Allein die Natur der Sache und was wir von alterthümlicher Völkerkunde haben , lehrt uns , dafs die Ehen hauptsächlich in jenem Kreise von Menschen geschlossen werden, die sich in weiterem Sinn als Verwandte erkennen , und daher durch mancherlei Sitte näher mit einander verbunden sind als mit andern . Unsere eigene Darstellung oben liefs die poaτoía nur genealogisch entstehn durch Ausdehnung der Verwandtschaft ; aber dadurch entsteht noch keine Verbindung, sondern vielmehr allmählich eine Trennung. Das wesentliche der 40aroía war aber die Gemeinheit ; und so definirt sie also Dicäarch durch die gegenseitigen Ehebündnisse. Durch diese werden nehmlich die ursprünglichen aber allmählich schlaffer werdenden Verwandtschaftsbande wieder fest geknüpft, und lassen allmählich eigenthümliche gesellige und gottesdienstliche Einrichtungen entstehn, deren Bedürfnifs in der Sehnsucht des verheiratheten Mädchens schön vereinfacht ist. Man erkennet nun, dafs diese goarpiai dasselbe sind , was sich bei einigen Völkern mehr bei andern weniger als Kasten gestaltet, indem die Schliefsung der Ehen durch alte Sitte mehr oder weniger in solchen Kreis beschränkt ist ; und durch vererbende Mittheilung von Kunstfertigkeiten , verbunden XXIV. Ueber goargia. 309 mit zufälligen Eigenthümlichkeiten des Wohnungsbezirks, gewisse Geschäfte mehr oder weniger ausschliesslich einer solchen Gemeinheit sich aneignen. Dies Verhältnifs der drei Stufen von Gemeinheit, πúτρα , φρατρία , φυλή , wie wir es hier dargelegt haben , kann jedoch, wo es eintritt, immer nur von beschränkter Dauer sein. Alles in der Geschichte nimt nothwendig zu und ab. Um hier blofs vom erstern Falle zu reden, so werden einestheils durch die Vergröfserung der Volksmenge , anderntheils durch das Zusammenwachsen mehrer quaí zu einem grofsen Staate , die Verhältnisse gänzlich geändert. Was wir náτoα nannten , wird vielfältig ganz in die erst bestimmte Kategorie der goatoía treten, und wenn mehre quλaí sich zu einem gröfsern Volke vereinen , so erscheinen sie im Verhältnifs zu diesem gleichsam wieder als qpargiai. Und eben so kann auch das Kasten - Wesen sich einerseits in ganzen qulais zeigen , anderseits sich in die nάtoas vereinzeln. Die Namen verlieren also sowohl hiedurch, als durch andre Verwirrungen, welche durch individuale Verhältnisse herbeigeführt werden, ihren eigentlichen und unterscheidenden Sinn, und so entsteht das Bedürfnifs einer auch hierüber sich erstreckenden Gesetzgebung, welche jene wandelbare Natur Eintheilung durch mehr oder weniger willkürliche Bestimmungen gleichmässiger und fest macht, dabei aber so viel möglich die alten Namen und Gebräuche beibehält. Von dieser Art ist die bekante Eintheilung des athenischen Volks in quλás, qgaToías und révη, die in Absicht der Stufenfolge und der beiden ersten Namen mit der bisher vorgetragenen übereinkommt, und wovon also die révŋ den náτoais entsprechen * ). In diesen Gemeinheiten war das ursprüngliche Verwandtschafts - Verhältnifs so ganz zurückgetreten, daſs, ·

  • ) Die Hauptstellen von den ysvɛot sind Harpocr. und Etym .

M. v. I'εvvñτai. Schol. Plat. Phileb. p. 41. und ad Tim. p. 202. Pollux 3. cap. 4. Gloss, ad Hippocr. Jusjur. ap. Ruhnken. ad Tim. v. yɛvritai. Auf die Spuren des alten Kasten - Verhältnisses in den Eigennamen der yin habe ich in der Anm . zu Plat. Aicib. 1. § 35. aufmerksam gemacht. Der dort erwähnte Name Bovriάdai würde im Deutschen etwa Keltersöhne lauten. 310 XXIV . Ueber φρατρία. wie die alten Nachrichten selbst uns lehren , sogar diese unterste Abtheilung für kein wahres yέvos, das heifst Verwandtschaft , galt, sondern nur für eine bürgerliche Verbindung. Da man indessen , nach allen Nachrichten , in ein yέvos nur durch seinen Vater kam , und also nur durch Adoption einiges wenige fremde Geblüt sich zumischte, so wird diese Verneinung der Verwandtschaft wol nur auf eine gänzliche Verdunkelung des Ursprungs zu beschränken sein , welche wir in der allerersten NaturEintheilung beim zweiten Grade, oder der goarpiu annahmen, die aber natürlicherweise im Fortgange der Zeit sich auch auf den ersten Grad oder die nároα erstreckt. Was aber die goatoías in Athen betrifft , so ist bei der Regelmäſsigkeit der Eintheilung, wonach in jeder quλý drei quato̟íα und in jeder qoarpía dreifsig yern waren , allerdings zu vermuthen , dafs gesetzgeberische Einrichtungen bei der Verbindung der γένη zu φρατρίαις mitgewirkt haben werden. Indem wir uns nun, um die bisher gesammelten Vorurtheile in der Anwendung zu prüfen, zu denjenigen Stellen der Alten wenden , worin diese Ausdrücke nicht als Gegenstand der Erklärung, sondern als Bestandtheil historischen Vortrags vorkommen, so beginnen wir mit Homer. Bei ihm finden wir alle drei Hauptnamen in der Form die wahrscheinlich von jedem die älteste ist, und die zugleich dem ionischen Dialekt angepasst ist : náron, genten, φῦλον. Die Benennung πάτρη ist jedoch bei ihm lange verkannt worden. Denn da man gewohnt ist, dies Wort von ihm im Sinne von Vaterland gebraucht zu sehn , so verstand man es auch so Il. v, 354., wo es von Zeus und Poseidon heifst: Η μὰν ἀμφοτέροισιν ὁμὸν γένος ἠδ᾽ ἴα πάτρη · ᾿Αλλὰ Ζεὺς πρότερος γεγόνει καὶ πλείονα ἤδη. Man sehe die falsche Erklärung bei Eustathius. Die wahre Bedeutung, die von den grofsen und kleinen Scholien anerkannt wird * ), spricht durch sich selbst so deut-

  • ) Schol . Ven . Β . ἀντὶ τοῦ μία πατριά. Sch. min . ἐκ τοῦ αὐτοῦ

πατρός . XXIV. Ucber pqargía φρατρία.. 311 - lich , dafs man in Versuchung geräth , das Wort in allen übrigen Homerischen Stellen ebenfalls von Stamm oder Verwandtschaft zu nehmen , was bei πάτρης ἀπεῖναι , ἀμύvaodai negi пátons sich wohl hören liefse, wenn nicht andre wären , wie ἐνὶ πάτρῃ φῶτα κατακτείνας, wo es nur mit grofsem Zwange sich so deuten liefse. Bei Pindar finden wir dieselbe zwiefache Bedeutung; theils Vaterland , πάτρας Κνωσίας , πάτρᾳ καλλιγύναικι und dergl. Dann aber auch für Geschlecht, als Py. 8, 53. avξων πάτραν Μιδυλιδᾶν , und in gleichem Zusammenhange Isth. 6, 92. Tv Pakvµdãv nátqar, und Ne. 7, 103. wo der Kampfsieger angeredet wird Εὐξενίδα πάτρωθε Σώγενες. Εinige andre Stellen , wo das Wort sich nicht so auf den ersten Anblick bestimmen läfst, haben veranlasst, daſs man die Begriffe zu sehr in einander über spielen liefs , indem man annahm , лάτoα könne zuförderst das ganze Vaterland , dann eine Tribus in demselben , dann wieder ein Geschlecht oder eine Familie in der Tribus sein. Böckh hat dies in der Note zu Ne. 4, 77. (125.) berichtigt. Nehmlich das Wort kann zwar in verschiednen Kategorien verschiedenes bedeuten, also in Absicht des Orts, Vaterland, in Absicht der Abstammung oder der Personen, Geschlecht ; aber schwerlich , wenigstens nicht bei demselben Schriftsteller, zugleich einen der wenigen Haupttheile des an der Verfassung theilnehmenden Volkes, quin, Tribus, und eine der vielen Gemeinheiten, worin die zu einer quý gehörigen Bürger sich theilen. Die Namensform Evževida , Midulidan u. s. w. nöthigt uns, die so benannten nároαs als analog den attischen yéveo anzunehmen. Solche γένη oder nároα können nun in Einem Staate , wie eben in Athen , sich wieder in goargías vereinigen , die zwischen ihnen und den quλais liegen, in einem andern aber kann, eben wegen der in der Natur der Sache liegenden Unbestimmtheit dies Mittelglied fehlen , und die yérŋ oder лάToα gewissermaſsen auch den goatoíais eines anderen Staates analog sein *).

  • ) Ich merke dies an , weil Böckh durch diese Gestaltung der

Sache selbst und durch die gangbare Ableitung, wonach nárqu 312 XXIV. Ueber geargia. Bei Herodot wünschten wir den neu-ionischen Sprachgebrauch hievon zu finden : müssen uns aber meist mit solchen Stellen begnügen , wo er von Stämmen barbarischer Nationen redet. Indessen können wir ohne Bedenken annehmen, dafs er seine Ausdrücke nach der Analogie der ionischen gewählt hat. Bei ihm zuerst finden wir statt der alten Form Táto die längere naτon. Wenn wir nun beide nach aller Analogie für einerlei halten, so kann es uns auffallen, wenn Herodot 1 , 200. von den Babyloniern redend, sagt: εἰσὶ δὲ αὐτέων πατριαὶ τρεῖς αἳ οὐδὲν ἄλλο σιτέονται εἰ μὴ ἰχθῦς μοῦνον. Hier haben wir hächst wahrscheinlich ansehnliche Volksabtheilungen mit eigner Nationalität , und daher geben die Erklärer auch naτQαí durch tribus , welches Wort sonst dem griech. qulaí entspricht. Allein dieser Ausdruck bezeichnet nach einer unbestrittnen Analogie nur die Hauptabtheilungen eines Volkes , und solcher können doch unmöglich drei bei den Babyloniern diese Lebensart geführt haben. Herodot mufste also einen der Ausdrücke wählen, die eine Unterabtheilung von qulais bezeichnen : warum also лatqiaí und nicht gontoa ? welches Wort ihm doch , wie wir gleich sehn werden, auch geläufig war. Die Antwort ergibt sich nicht schwer. In dem Worte gonton oder goaτoía liegt, wie wir aus allen Notizen der Grammatiker, und aus den Stellen der Autoren ersehen, nothwendig der Begriff einer Verbindung mehrer Geschlechter, die in sich selbst wieder jedes einen besondern Verein bilden. So lange also Herodot nichts von solchem Verhältnifs in jedem dieser drei babylonischen Stämme wufste , konnte er sie auch nicht geroas nennen : wenn aber etwa diese drei Stämme eigentlich einerlei sein soll mit ggátoα oder goaτgia, sich veranlafst gesehen hat, anzunehmen, dafs, so oft goarola und yέvos getrennt seien , nάτoα synonym sei dem erstern. Allein so lange uns nichts nöthigt , die von einer solchen Autorität, wie Dicäarch ausgehende Bestimmung zu verlassen , müssen wir überall unter лárou die kleinste Verbindung annehmen , die über der eigentlichen Familie statt findet ; und es ist also wol zufällig, daſs Pindar die attischen Alkmäoniden blofs eine reveά nennt, die äginetischen Geschlechter aber bald γενεά bald πάτρα . XXIV . Ueber φρατρία. 313 unter sich wieder in Gemeinschaft standen , und er sie auch so nicht als ein grofses qulov im Staate anzusehn veranlafst war , dann konnten ihm diese zusammen eine ponton sein, nehmlich die fischessende Kaste. Ganz richtig heifst also jede derselben ein γένος, oder eine πάτρα, oder eine лaτquá. Und eben weil er gerade diesen buchstäblich an Abstammung von Vater zu Vater erinnernden Ausdruck wählt , müssen wir annehmen , dafs er wufste oder gehört hatte, jede dieser drei Abtheilungen sei wirklich ein Stamm im eigentlichen Sinne des Wortes , was auch aller historischen Analogie entspricht. Um auch ganz die Vermuthung zu entfernen , als sei dem Herodot πατριή und φρήτρη synonym , so vergleiche man zwei andre Stellen , wo er naton ganz deutlich in diesem buchstäblichen Sinne braucht ; die eine 2, 143. von dem Griechen Hekatäus, γενεηλογήσαντι ἑωυτὸν , καὶ ἀναδήσαντι τὴν πατριὴν ἐς ἑκκαιδέκατον θεόν : die andre , wo er von dem zu den Persern redenden Prexaspes sagt, ἀρξάμενος ἀπ᾿ ᾿Αχαιμένεος ἐγενεηλόγησε τὴν πατριὴν τοῦ Κύρου . Hier ist also wörtlich die einfache Abstammung des Hekatäus, der, wie so viel andre Griechen , einen Gott zum Ahnherrn zu haben glaubte , und die Linie des Cyrus gemeint , wie sie von Vater zu Vater bis zum Achämenes hinauf in der Geschichte erhalten war. Nun ist aber wieder an einer andern Stelle 1 , 125. von der gonton der Achämeniden die Rede ; wo dann dem, der sich der naτqiai der Ichthyophagen erinnerte , auf den ersten Anblick der griech. Sprachgebrauch ganz umgekehrt zu sein scheinen mufste ; wie denn auch die Erklärer , welche dort Tribus sehen , hier ponton durch Familie erklären. Allein betrachten wir auch diese Stelle näher. Von den Persern heifst es da, es seien zahlreiche Geschlechter (ovvà réveα) bei ihnen, und dann : ἔξι δὲ τάδε ἐξ ὧν ὧλλοι πάντες ἀρτέαται Πέρσαι· Πασαργάδαι, Μοράτιοι, Μάσπιοι. Diese sind also deutlich ( wiewohl sie unter dem Generalnamen yévea , den alle Schriftsteller gänzlich unbestimmt brauchen können , begriffen sind) grofse Volkstämme , den griechischen quλois, namentlich den drei Dorischen Hauptstämmen analog, Dann fährt er fort : τουτέων Πασαργάδαι εἰσὶ ἄριςοι, ἐν τοῖσι 314 XXIV. Ueber poargia. 1 καὶ ᾿Αχαιμενίδαι εἰσὶ φρήτρη, ἔνθεν οἱ βασιλέες οἱ Περσεῖδαι yɛyóvao . Nicht eine Familie oder eine Dynastie sind also die Achämeniden ; denn was wären sonst die IIɛpoεïdaι? sondern die Sache verhält sich ungefehr so. Die drei grofsen Stämme zerfielen in Unterabtheilungen , die wir nach anderweitiger Analogie Kasten nennen wollen , wie sie Herodot nach griechischer coroas nennt. Die Pasargaden waren der Hauptstamm der Krieger, und unter diesen war die Hauptkaste oder die Herscherkaste die Achämeniden , bestehend aus einer Anzahl Geschlechter, möglicher Weise wirklich untereinander verwandt , auf jeden Fall aber ihren Ursprung von dem uralten mythischen König Achämenes herleitend. Die damals wirklich herschende Dynastie nennt Herodot die Perseiden , wobei freilich auf die griechisch - mythische Genealogie , welche den Achämenes unter den Perseus stellt , keine Rücksicht genommen ist ; sondern die Perseiden sind ihm eine die sich, wie jede andre aus dieser gonton, bis zum Achämenes hinauf genealogisirte ; daher an der ersteren Stelle auch das Wort nato bis zu diesem gemeinschaftlichen Ahnherrn hinauf geht. Wir kehren nun zum Homer zurück , und zwar zu der Hauptstelle Il. ß, 362. Κρῖν᾽ ἄνδρας κατὰ φῦλα , κατὰ φρήτρας , Αγάμεμνον, Ως φρήτρη φρήτρηφιν ἀρήγῃ , φῦλα δὲ φύλοις . Wie wir uns das Gewirr des Feldzugs vor diesem Rathe Nestors zu denken haben , das mögen andre erörtern : so viel ist nicht nur aus dem bisher gesagten , sondern aus der Stelle selbst , verbunden mit der nachher folgenden Aufstellung und Aufzählung des Heeres , klar , dafs nun erst die griechischen Stämme im grofsen und kleinen sich sonderten. Ob Homer unter dem Namen quλa die ganzen Völker, wie Böotier, Phokier u. s. w. meint, oder ob ihm diese etwa Ora hiefsen, und quλa die wenigen Hauptstämme in jedem, dies ist schwer zu entscheiden und auch ganz unwesentlich. Aber unter qorou versteht er deutlich solche Unterabtheilungen in den verschiedenen Nationen, die selbst wieder jede durch Abstammung und durch Nationalität im engern Sinn von dem übrigen Volke sich XXIV . Ueber φρατρία. 315 unterschieden, und so denn auch wieder jede aus mehren Geschlechtern bestanden. Diese nároα oder Geschlechter im engsten Sinn, doch nicht eben Familien, sind nicht erwähnt, weil sie in dem Begriff der gontoa mit gegeben sind, und weil denn auch wol das jeder pontoŋ überlassen bleiben konnte , ob sie sich selbst wieder nach einzelen Geschlechtern oder wie sie sonst wollte , aufstellte. Das Verhältnifs aber der Herscher und Anführer in Absicht auf diese Abtheilung, wie es dem Dichter wenigstens als Einheit und zusammenhangendes Ganzes vor der Seele steht, ist, wie ich mir es aus der Natur der Sache und den bisherigen Analogien denke, dieses. In jedem Volke waren qontoa ; diese mochten in dem einen mehr annäherndes an das erwähnte Kasten - Verhältnifs haben , in dem andern nur durch Uebereinstimmung in den Sitten, oder wenigstens durch den Wohnungsbezirk verbunden sein; aber alle gehörten, vielfältig zwar mit Vorzügen und Rang-Unterschieden, zu den Gemeinen, bis auf Eine 404- Ton, die der Vornehmen und Anführer. Die goroa der Gemeinen bilden seit Nestors Rath soviel Glieder im Heere : aber die gonton der Anführer vertheilte sich, jede in ihrem Volke , als Anführer der übrigen ontoα und als Vorfechter (noóuazoi), und zu diesen gehören in Homers Vorstellung alle die, welche er im Laufe seines Gedichts einzel nennt. Eine nάton aber wieder von jeder solchen gonton der Vornehmen, war die der Herscher, und zu dieser gehören , aufser dem Könige eines jeden Volks, die eigentlichen Heroen. Dafs aber diese Könige und Helden von verschiedenen Völkern selbst wieder grofsentheils unter einander verwandt sind , dabei darf man sich nicht aufhalten ; denn hiemit treten wir zugleich auch in die Region der Mythologie , nach welcher freilich der gröfste Theil der Helden jener Zeit gleichsam nur Eine návoŋ für ganz Griechenland bilden. Wenden wir nun einen genaueren Blick auf die Phratrien in Athen, so haben diese freilich in dieser späteren Zeit und in den grofsstädtischen Verhältnissen ein anderes Ansehn gewonnen. So wie bei jedem Volke die auf natürlichem Wege gebildete Zertheilung der Stämme des- 316 XXIV . Ueber φρατρία . selben in die kleinern Gemeinheiten zugleich der alten Verfassung überall zum Grunde liegen mufs, so war es auch in Attika. Bei dem in φυλάς, φρατρίας und γένη eingetheilten Volke war ursprünglich die Gewalt; wobei also, wie das nicht fehlen konnte , gewisse Geschlechter und Kasten das Uebergewicht hatten, und die Parteiungen unmittelbaren Einfluss auf die Verwaltung haben muſsten. Daraus ergibt sich von selbst , dafs die von Klisthenes eingeführte Eintheilung nach den duos eine völlige Revolution war. Diese onμo oder Ortschaften waren natürlich ursprünglich die Wohnsitze einzeler Geschlechter, allenfalls auch wol vereinter ; wie dies zum Ueberflufs aus den patronymischen Namen so vieler duo erhellet *). Bei Zunahme der Kultur, der politischen Gröfse, und des innern und äufsern Verkehrs änderte sich aber das Eigenthum vielfältig. Menschen aus verschiedenen Geschlechtern hatten ihre Besitzungen in Einem duos, und Men-. schen aus demselben Geschlecht in verschiedenen ; und viele Bürger auch wohnten in der Stadt , ohne solchen ländlichen Besitz zu haben , schrieben sich aber dennoch zu irgend einem duos, und hatten in dieser Stellung nun, seit Klisthenes , ihren Antheil an der Staatsgewalt. Somit verloren die Geschlechter (denn ich will dies Wort von nun an wie das griechische yéros in dem bestimmten attischen Sinn brauchen) und die Phratrien als solche ihre politische Bedeutung völlig , bestanden aber fort, wegen der damit verbundenen Familien- und der Verwandtschafts-

  • ) S. Ignarra de Phratriis p . 26 , und meine Note zu Plat. Alcib. I. 35. Sehr richtig bemerkt Ignarra, dafs das Geschlecht der

Eteobutaden, die eigentlich blofs Bovrádat hiefsen, die Benennung 'ETɛopovτádaι , echte Butaden , blofs zum Unterschied von dem gleichnamigen Demos führten. Dieser Demos war nehmlich ur. sprünglich ihr Wohnsitz ; aber seit den vielfachen Veränderungen der politischen Verhältnisse in Attika und Athen hiefsen Bovrada alle die , welche zu diesem Demos , als einem Theil des athenischen Volks sich schrieben. So hätten also auch andre Geschlechter einen so zusammengesetzten Namen führen können ; aber nur die Eteobutaden thaten es, wegen ihres uralten, mit der Priesterwürde bei der Athena Polias verbundenen Adels. 1 XXIV . Ueber φρατρία. 317 Verhältnisse, und wegen der gemeinsamen gottesdienstlichen Gebräuche *), die besonders durch die damit verbundenen Mahle die Grundlage geselliger Verhältnisse waren. Von nun an hörte denn auch das Verhältnifs der Phratrien zu den quλais ( die wir nun mit festem Ausdruck Stämme nennen wollen) auf, da Klisthenes statt der alten vier attischen Stämme deren zehn nach willkürlicher Eintheilung eingeführt und diese blofs auf die dμovs bezogen hatte. Wenn also die alten Schriftsteller über attische Verfassung fortdauernd lehrten , dafs von den zwölf Phratrien je drei zu Einem Stamm gehörten, so war dies ohne Zweifel nur noch eine alterthümliche Notiz , und die zwölf Phratrien hatten seit Aenderung der Stämme keine engere Eintheilung über sich. Was aber das frühere politische Verhältnifs der attischen Phratrien betrifft, so waltet darüber, sobald man nur etwas genaueres wissen will , die gröfste Dunkelheit. Da folglich alles, was man beibringen kann , nur auf Schlüssen beruht, so sehe ich mich veranlaſst , eine dahin gehörige Vermuthung , welche Ignarra in seinem Buche de phratriis (S. 19.) vorträgt , hier wieder aufzunehmen, um das , was sie gegen sich zu haben scheint , und von ihm übersehen worden , zu beleuchten. Dieser Gelehrte vergleicht nehmlich dort die zwölf Phratrien , als eine uralte Einrichtung, mit den zwölf Städten, welche vor Theseus und Athen in Attika als soviel kleine aber in Verbindung

  • ) Aeschin. de F. L. p. 47, 39. rühmt seines Vaters ehrenvolles Herkommen mit den Worten : εἶναι ἐκ φατρίας τὸ γένος, ἣ τῶν

αὐτῶν βωμῶν ᾿Ετεοβουτάδαις μετέχει : das heifst , er und sein Geschlecht gehören zu der Phratria , worin auch die Eteobutaden sind. Hier ist noch eine deutliche Spur des ältesten Verhältnisses der Phratrien. Nehmlich die edeln Geschlechter in den alten Staaten bildeten , wie uns die obigen Analogien gezeigt haben , unter sich selbst wieder eine oder mehre Phratrien. Die Phratria also, wozu die Eteobutaden gehörten , war von Alters her ein Stamm des Adels der Nation. Alles hatte sich nun freilich in dem immer mehr demokratisirten Athen , mit Ausnahme des gottesdienstlichen sehr verwischt ; aber doch konnte sich jene Phratria noch als eine vor andern vornehme betrachten ; was sie freilich, durch Mahnung an den heiligen Adel der Eteobutaden, gleichsam beweisen mufste. 318 XXIV. Ueber goaτgia. stehende Staaten bestanden , und die ebenfalls so uralt waren, dafs man ihre Errichtung mythisch dem Kekrops zuschrieb. Beides, glaubt er, sei ursprünglich einerlei, und φρατρίαι und πόλεις im Wesen gleichbedeutend gewesen. Nachher aber , bei der Verschmelzung aller zwölf Städte in eine, sei jede gargía nur eine Abtheilung der Bürgerschaft dieser einen Stadt geworden, folglich, was sonst einen kleinen Staat bedeutet habe , in den Begriff einer Zunft übergegangen. Denn diesen deutschen Namen können wir auf jeden Fall , nach Befestigung der Ausdrücke Geschlecht auf γένος oder πάτρα , und Stamm auf φυλή, füglich eben so fest dem Mittelglied qo¤roía zueignen. Dieser Ansicht tritt nun das entgegen , dafs die vier Stämme in Attika, so wie bei den Ioniern überhaupt, wie die Namen derselben, τελέοντες oder γεδέοντες , ὅπλητες , αἰγιnógus, gráðus, zeigen, kastenartig gewesen, und jede derselben Bürger von einer gewissen Lebensart, Ackerbauer, Kriegsleute, Hirten, Handwerker, in sich begriff. Da nun die Phratrien Theile der Stämme waren, so müfste folgen, dafs damals jeder solche kleine Staat, wenn er eine Phratria war , nur Bürger Einer Art in sich begriffen habe, während die Natur der Sache mit sich zu bringen scheint, dafs jeder Staat alle Lebensarten, folglich Theile aller vier Stämme in sich begriff; wie dies auch späterhin bei den verschiedenen ionischen Staaten in Asien , wohin sie jene altattische Volks- Eintheilung und Namen mitgenommen hatten, der Fall war. Hiedurch wird nun freilich die Hypothese sehr erschüttert ; aber in der Dunkelheit, welche, wie gesagt , auf jenem Zeitraum ruht , bieten sich auch wieder folgende Erwägungen dar : 1 ) dafs die Staaten, aus deren Analogie wir schliefsen, und namentlich die ionischen in Asien , in den Zeiten des ausgebildeten Verkehrs liegen, jene zwölf attischen Städte aber , deren Namen die Sage nannte , tief in der mythischen Zeit , vor Theseus ; 2) dafs die Verschiedenheit der Lebensart , in so grofsen Zügen ausgesprochen, wie in den vorliegenden Namen , grofsentheils vom Lokal, d. h. von den Wohnsitzen abhängt, und ältere einfache Volkstämme wirklich Einer Lebensart gänzlich, aber doch vorzüglich ergeben XXIV. Ueber geargia. 319 sind; 3) daſs die Ueberlieferung die vier Stämme, welche Klisthenes umwarf, nicht als die ältesten nennet, sondern schon von früheren Aenderungen und anderen Systemen spricht ; endlich 4) dafs das Verhältnifs der Phratrien zu den Stämmen einzig auf der , von aller genaueren Angabe entblöfsten, Aussage der Grammatiker beruht. Diese Erwägungen scheinen mir wichtig genug , um die ernsthaftere Betrachtung einer Ansicht zu begründen, welche nicht blofs auf der Uebereinstimmung der Zahl zwölf beruht , sondern durch andre innere Gründe sich empfiehlt. Versetzen wir die Phratrien der Stadt Athen, die doch noch niemand für eine neuere städtische Einrichtung seit Theseus erklärt hat , in jenes in zwölf Staaten vertheilte Land ; wie können wir sie uns da denken ? Jedes Geschlecht, darüber kann kein Zweifel sein , mufs in Einer bestimmten Gegend in Einem duos gewohnt haben ; mehre solcher Geschlechter machten eine Phratria aus, deren Bund nicht nur aus Verwandtschaft entstanden war, sondern durch fortdauernde Verschwägerungen und Verbindungen erhalten ward. Daraus folgt , dafs auch jede Phratria nachbarlich müsse vereint gewesen sein, und unmöglich durch ganz Attika , das heifst , durch zwölf verschiedene , wenn gleich in Bund stehende Staaten , eines in dieser Beziehung nicht eben kleinen Landes können zerstreut gewesen sein. Umgekehrt: wie haben wir uns jene zwölf Städte zu denken ? Unmöglich doch wie die Städte der spätern historischen Zeit , deren Bürger in ihren Mauern wohnten und ihre Ländereien in den benachbarten Dörfern hatten. Doch es versteht sich von selbst und ist in der Analogie alles dessen , was wir ähnliches kennen, gegeben, dafs diese zwölf Städte soviel Gaue waren, deren jeder einen Hauptort als Mittelpunkt und als Burg hatte. In den Ortschaften des Gaues wohnen die einzelen Geschlechter , aus deren Wohnungen sie erwachsen sind, und diese Geschlechter sind zu einer Gemeinheit oder zu einem Staat vereint. Also jene zwölf Städte oder Staaten sind Vereine von einer Anzahl Geschlechter : wie können wir uns neben oder zwischen oder in demselben jene zwölf Phratrien denken , die ebenfalls aus ganzen 320 XXIV . Ueber φρατρία. Geschlechtern bestehn , und auch nicht weit aus einander wohnen können ? Auf diesem Wege scheint es sich also durchaus darzubieten , dafs die zwölf Phratrien und die zwölf Städte eins gewesen. Dieser in sich so natürlichen Sache stünde also nun blofs das Verhältnifs zu den vier Stämmen entgegen. Waren diese , wie ihr' Name beweist, eben so viel nothwendige Kasten oder Stände , so scheint es nothwendig, dafs sie auch in jedem der kleinern Staaten gewesen, und folglich in jedem derselben auch die Phratrien, die eine Unterabtheilung davon waren. Ich will das, was ich hiegegen bereits angedeutet habe , etwas ausführen. Dals die Phratrien im strengen Sinne eine Unterabtheilung der Stämme seien, wissen wir denn doch nur aus den Notizen der Grammatiker , an deren Verlässigkeit Zweifel erlaubt sind , sobald von andrer Seite her etwas sich uns aufdrängt. Diese Notizen setzen überall hinzu , man habe bei dieser Eintheilung des Volkes die Eintheilung des Jahres zum Vorbild gebabt ; die vier Stämme entsprächen den vier Jahreszeiten , die zwölf Phratrien den zwölf Monden die dreissig Geschlechter in jeder Phratria den dreifsig Tagen des Mondes. Ich will gar nicht, mit Ignarra, hierüber, als über eine Spitzfündigkeit der Grammatiker , lachen. Offenbar hat eine Gesetzgebung in diesen frühern attischen Einrichtungen eben so gut gewaltet als in den spätern. Eine solche Gesetzgebung pflegt das , was die Natur schwankend darbietet , durch Willkür zu fixiren. Aber reine Willkür scheut der einfachere Mensch : er bindet sich also, wo ihm nichts gegeben ist, durch irgend einen Typus der Natur : und so gewinnen mir diese Monden und Tage in der Volkseintheilung viel Wahrscheinlichkeit. Wodurch ja nicht gegeben, ja nicht einmal wahrscheinlich ist , dafs die Wirklichkeit sich der Theorie so ängstlich anschlofs, dafs nie etwas unvollzählig, nie überzählig sollte gewesen sein. Aber in den vier Jahreszeiten, ich müfste mich sehr irren, da sieht der Grammatiker hervor, der nicht bedachte , dafs diese regelmässigen Jahreszeiten aus der Vorstellung seiner Zeit , in jener älteren gar nicht vorhanden waren , wo man von vier so gut als von XXIV . Ueber φρατρία . 321 1 I von drei und von sieben Jahreszeiten sprechen konnte. Mich dünkt , auf einer solchen Notiz ruht der gerechte Verdacht , dafs in ihr der Witz die Wahrheit könne verschlungen haben. Aus zwölf Phratrien bestand der attische Gesamtstaat. Finden wir uns irgend veranlafst anzunehmen, dafs in jeder Phratria Theile der vier Stämme enthalten so waren sie freilich keine Unterabtheilung der Stämme ; aber die vier Stämme waren denn doch eine engere Eintheilung des Gesamtvolks ; und dies kann dem witzigen Theoretiker hingereicht haben , sie in das selbige Verhältnifs über die Phratrien zu stellen , wie diese über den Geschlechtern standen , und so sein schönes mnemonisches Bild zu vollenden. waren , Doch will ich keinesweges auf diese Möglichkeit bauen. Vielmehr zweifle auch ich nicht, dafs, ursprünglich wenigstens , jenes Verhältnifs der Stämme und Phratrien das wirkliche war, da es, wie wir gleich anfangs gesehn haben, das natürliche ist. Nehmlich wenn auch die vier bekanten attischen Stämme kastenartig waren , und eben soviel verschiedne Lebensarten ; so ist es doch anerkannt, und liegt im Namen quλaí , dafs es ursprünglich wirkliche Volkstämme waren. Sollte man nun behaupten wollen, wie es ehrlich der Mythos ausspricht, welcher dem Ion vier Söhne, Namens Ackermann *), Kriegsmann, Geishirt und Werkler gibt, daſs diese vier Stämme von dem kleinsten Anfang der Nation an die gemeine Arbeit so unter sich vertheilend und dann vererbend , stets bei und durcheinander gewohnt haben ? Gewifs nicht : sondern quλa und quaí sind Volksmassen , deren jede in sich Eines Stammes ist, jede für sich also auch ursprünglich beisammen wohnte , und allenfalls für sich bestehn konnte ; die aber zu einem Gemeinvolke verbunden sind , und als solches, so lange sie nehmlich nicht unter sich selbst in Streit gerathen, gegen andre Völker für Einen Mann stehn. Die Oertlichkeiten und andre Umstände machen sehr leicht in einem dieser Stämme und auch leicht in jedem, Eine Le-

  • ) Oder gar, wenn wir die fast besser beglaubigte Namensform

τελέοντες , Τελέων annehmen Zinsmann . IL X 322 XXIV . Ueber φρατρία . bensart oder Eine Eigenschaft , also auch Tapferkeit und Kriegs - Erfahrenheit, vorherschend ; und so entsteht das kastenartige. Möglich nun, wenigstens denkbar, dafs eine Gesetzgebung dazu kommt und das kastenartige zum Behuf einer Verfassung regelmäſsiger macht, indem sie durch willkürliche Modifikationen die alten Natur - Stämme einer politischen Eintheilung in vier künstliche Stände näher bringt ; möglich, dafs so etwas vor Theseus in Attika vorgegangen, und so die einem Wunder ähnliche Revolution , welche der Mythos in der Person des die Bürger von zwölf getrennten Städten in Eine Gesamtstadt vereinigenden Theseus auf einmal vor unsre Augen bringt, allmählich herbeiführte. Aber wer wird dies, oder sonst irgend was aus der tiefen , nur durch das trügerische Licht der Mythen erleuchteten Dunkelheit jenes Zeitraums herausfühlen ? Betrachten wir indessen mit gehöriger Behutsamkeit die bereits erwähnten Nachrichten von noch älteren quλais von Attika, die also freilich noch tiefer in der mythischen Region liegen, so ist, da man so leichthin auch das mythische nicht als blofse Erdichtung verwerfen mufs, besonders Ein System darunter , das alle Aufmerksamkeit verdient, weil es so ganz unabsichtlich in deutlicher Beziehung mit den bekanteren vier Stämmen steht. Unter Kranaos , heifst es , seien die vier Stämme gewesen Koavas, ᾿Ατθίς, Μεσόγαια , Διακρίς. Die zwei letzten zeigen uns deutlich ein Lokal - System, dem sich die beiden andern leicht anschliefsen. Der rein - mythische Kranaos und der nach ihm benannte Stamm, sind weiter nichts als was der Name xoavaós , felsig , gebirgig , besagt , der innere gebirgige Theil von Attika. Die bestimmtere Lage von Diakris kennen wir, weil noch späterhin ein Theil von Attika so hiefs, nehmlich die zwischen den Vorgebirgen Sunium und Kynosura liegende östliche Küste. Mesogäa ist durch sich selbst deutlich ; und Atthis ist also die westliche Küste , von welcher auch nachher das dort liegende Athen den Namen hatte. Eben so klar ist aber, daſs die in Mesogäa wohnenden mehr dem Ackerbau , die im Gebirg mehr der Viehzucht obliegen mufsten ; und von den Diakriern , die noch zu Pisistratus Zeiten eine der Factionen XXIV . Ueber φρατρία. 323 in der Stadt bildeten , wissen wir aus Plutarch im Solon, dafs dazu hauptsächlich die res gehörten. Hier haben wir also die gyádas zu suchen , und folglich in Atthis, wie sich auch schon erwarten liefs, die onτes. So haben wir also die vier alten attischen Stämme , und zwar nach aller Wahrscheinlichkeit die, welche mit den vier be-' kanten entweder ganz einerlei , oder doch , wenn wirklich eine politische Veränderung vorgegangen ist , die wesentliche Grundlage davon waren, auf vier Distrikte gebracht. Da nun jede der zwölf alten Städte in einem dieser Distrikte mufs gelegen haben , und jede Phratria nach dem Bericht der Grammatiker zu einem Stamm gehörte ; so ist es auch von dieser Seite schwer anzunehmen , dafs jene zwölf mókus und diese zwölf goargia zweierlei verschiedne Gemeinheiten in oder neben einander sollen gewesen sein. Aus dem Umstande , dafs die vier bekanten attischen Stämme auf vier Söhne des Ion zurückgeführt werden, während die älteren von der Mythologie dem Kekrops und seinen Nachfolgern zugeschrieben werden, könnte man vielleicht auf die Gedanken gerathen, als wenn das ganze System der kastenartigen Stämme und der Phratrien ein den eigentlichen Ioniern angehöriges wäre ; und dafs alles, was die Mythologie älteres anführt, alten pelasgischen, kekropischen , autochthonischen Stämmen angehöre , welche durch die Ionier erst kultivirt worden seien. Allein diese Ansicht würde von einer falschen Vorstellung ausgehn , die ich dadurch zu beseitigen hoffe , dafs ich auf eine merkwürdige Erscheinung in dem griechischen Sagensystem aufmerksam mache. In der grofsen mythischen Genealogie , welche das ganze griechische Volk umfasst, erscheint Ion , der Stammvater der Ionier , als ein Enkel Deukalions. Von diesem ionischen Stamm sind keine ältere Sitze bekant als Attika. Man sollte also erwarten, in der attischen , das heifst alt - ionischen Mythologie den Ion abermals an der Spitze zu sehn ; aber nicht nur da steht er nicht , sondern überhaupt nicht in der ganzen Königsreihe. An der Stelle eines Ion und der Ioniden, die man erwartete , findet man Autochthonen , oder AnX 2 324 XXIV . Ueber φρατρία. kömmlinge aus Aegypten , und von diesen her geht durch Erechtheus und Theseus, und bis an die Grenze der wahren Geschichte die Reihe der attischen Herscher. Wo und wie treten in diese Geschichte die Ionier ein ? Man wird sagen, unter oder nach Erechtheus, da dessen Tochter als Mutter Ions eingeführt wird. Aber wie kommt es denn, dafs weder Ion noch dessen Nachfolger als Könige von Attika auftreten , sondern diese Würde fortgeht im Stamme der Erechtheïden , während von Ion , man weiſs nicht wie, die vier ionischen Stämme, die ganz Attika bewohnen, herkommen ? Soll etwa dadurch angedeutet sein, dafs die Ionier, eingewandert aus Thessalien, sie, von welchen die Kultur und die Macht von Attika ausging, fortdauernd unter den alten inländischen kekropischen Königen gestanden ? Das hiefs auf eine sehr unwahrscheinliche Art an dem Sinne der Mythen kleben. Die Sache geht kritisch behandelt so auseinander. Die einzige echte Tradition des ionischen Stamms ist eben diese von Kekrops anfangende. So wie kein älterer Sitz der Ionier bekant ist als Attika , so sind auch keine älteren Bewohner von Attika bekant als die Ionier. Autochthonen und Pelasgen und ägyptische Ankömmlinge sind nichts als dunkle Winke der alten Sage über die Bildung dieses Io- - nischen Stammes ; und Theseus, Erechtheus, und wen man sich sonst aus der attischen Mythologie verwirklichen will, sind eben soviel Ionier. Aber der Name Ionier scheint nicht sowohl der zu sein , den das Volk ursprünglich sich selbst gab, als den ihm die übrigen Hellenen gaben. Daher setzte eine hellenische Mythologie, die schon genealogisch künstelt , und also nicht alt sein kann, einen Ion auf den Stamm von Deukalion und Hellen ; und die lonier oder Attiker endlich selbst, nichts verschmähend, was der Poesie und der Nationalsage , und zuletzt dem Theater Stoff gab , nahmen diesen Mythos auf und verwebten ihn so gut sie konnten in das alte ehrwürdige System ihrer eignen kekropischen Mythologie. Das Resultat hievon für unsern Gegenstand ist , dafs also auch nicht bloſs die vier Stämme, welche eine neuere absichtliche Sage auf Ions Söhne zurückführt, sondern dafs alles, was dieser Art ― XXIV . Ueber φρατρία. 325 in attischer Sage noch so hoch hinauf steht, eben so gut den Ioniern angehört, wir also mit Recht die jüngsten Namen der vier Stämme mit den ältesten vergleichen, und folgernd daraus verfahren können , wie mit der Sage anderer Nationen. Ionisch waren also auch jene zwölf kekropischen Städte bis ins höchste Alterthum hinauf, und der Annahme, dafs eben diese auch zugleich die ältesten Phratrien gewesen , kann auch von dieser Seite nichts entgegen stehen. Sehr treffend scheint mir nun auch die Anwendung zu sein , welche derselbe Gelehrte , dessen Hypothese ich hier ausgeführt und weiter verfolgt habe , von den auf diese Art bestimmten alt - attischen qparoiaus auf die homerischen gotoas macht. Wir haben gesehen, daſs dort durch Nestors Rath , das Volk nach qulos und orgas aufzustellen , die gleich darauf folgende Aufzählung der Mannschaft eingeführt wird. Wir haben gesehn, daſs die qua im wesentlichen den Nationen im Katalog entsprechen ; es bietet sich nun von selbst dar , daſs eben so die poñτoa den als Unterabtheilungen unter den Nationen genannten Städlen entsprechen. Man wird mich nicht falsch verstehn, als glaubte ich , daſs eine und dieselbe Art der Eintheilung und derselbe Name qontoa wirklich durch alle verschiedenartigen Völker des ältesten Griechenlands gegangen sei ; hier kann nur die Rede sein von der Vorstellung des Dichters, der die Einheit, welche ohne Zweifel in der Wirklichkeit nicht war , in seine Darstellung legte , und sie aus dem Alterthume seines eignen Volkes, der aus Attika stammenden Ionier , nahm. Ich sage aus dem Alterthume ; denn die Analogie der damals blühenden Städte seines Vaterlandes wird er nicht in seine Heldenzeit getragen haben. Darum sind auch keinesweges lauter eigentliche Städte in diesen Namen zu suchen, sondern, wie längst aus den Dichter - Epitheten so vieler derselben als πολύκνημος , εὐρύχορος , ποιήεις, εἰνοσίφυλλος gezeigt worden ist , eigentlich nur die Gaue. Dabei versteht sich, dafs die Frage über die Echtheit des Katalogs, wie wir ihn itzt lesen, auf diese Untersuchung keinen Einfluſs hat. Ein Katalog von Nationen und Städten war in den älte- 326 XXIV . Ueber φρατρία. sten Homerischen Gesängen ohne Zweifel : aber durch welche poetische und politische Aenderungen desselben die Probleme hinein gekommen sind , welche der historische Forscher itzt darin findet : dies ist eine andere, uns hier nicht irrende Frage. Aber was soll der zwiefache Name φρατρία und πόλις , wenn beides einerlei war ? Oder warum sagt Homer nicht eben so gut xaτà nókas ? Oder warum, wenn die alt - attischen Städte goaτoía waren , finden wir sie nirgend so genannt, sondern nur nókus. Die Antwort ist leicht. Weil was einerlei ist in sich und im Wesen, nicht auch einerlei ist in der Beziehung. Toks ist die Stadt oder der Staat im vollen Verstand des Wortes , in seiner vollen Ausübung und an seinem Orte gedacht ; goýroŋ ist die Gesamtheit der Bürger , die Gemeinheit, die Bürgerschaft. Nicht Städte stellt Homer dort ins Feld , sondern Bürgerschaften , die er nachher nach den Städten durch oï eiyor, àµqevéuovto u. dergl. bezeichnet. Eben so konnte, wer die alten Städte von Attika benennen wollte, nur von Tóleo reden : aber so wie die Städte als Staaten aufge- hoben waren , und nur Ein Staat, Eine Stadt, Athen daraus entstanden war, da waren nur die goatoíɑı oder Bürgerschaften derselben übrig, die von nun an, als eben soviel Zünfte , die Gesamtbürgerschaft in Athen bildeten. Aehnliches mag an andern Orten sich ereignet haben ; und so veraltete der Name goaτoía in seiner ersten und eigentlichsten Bedeutung und bezeichnete nur noch hie und da, wie namentlich im alten Neapolis in Italien , ähnliche Abtheilungen der Bürgerschaft oder Zünfte wie die in Athen gewesen waren. Je mehr ich mir aber dies neueste Verhältnifs der athenischen pargiai und quaí im Gegensatz gegen das hohe Alterthum denke , worein die Sage die zwölf Städte Attikas versetzt ; je mehr verschwindet mir auch jedes Bedenken, welches aus der Vergleichung der vier ionischen Stämme, wie sie auch bei den Ioniern in Asien noch waren, mit der von uns angenommenen Beschaffenheit jener zwölf Städte und der Tetrapolis , worein auch diese vertheilt waren, entstehn kann. Wir müssen erwägen, dafs XXIV . Ueber φρατρία. 327 jedes kastenartige Verhältnifs , jede Eintheilung eines be- - deutenden Staats in gewisse Hauptstämme von ursprünglich getrennten Völkern ausgeht, die also ursprünglich getrennt auch wohnten , und nur allmählich durch gesellige und politische Bedürfnisse geführt sich vermischten. Eben so gewifs und anerkannt ist es ferner , dafs alle Völker, je höher wir hinaufsteigen , auch jedes , hauptsächlich durch den Boden , den es bewohnt, bestimmt , nur Eine der mehren Haupt- Lebensarten führen, die späterhin unter dem Volke und im Lande umher vermischt zwar getrieben werden , doch nicht ohne kastenartige Vorliebe für eine Lebensart allein bei gewissen Geschlechtern. Wovon uns ein deutliches Beispiel geben jene Fischesser bei Herodot. Denn wer wird zweifeln , dafs diese ursprünglich ein Volk von Ichthyophagen waren , wie sie fortdauernd noch an den benachbarten Meerbusen wohnten ? Aber bei Herodot sieht man deutlich , dafs sie eine Kaste oder drei Geschlechter waren , die itzt in und um Babylon wohnten und die ererbte Lebensart, durch Religion und Sitte veranlafst, auch ohne die alten äufseren Bestimmungsgründe noch fortsetzten. Die erste Näherung solcher getrennten verschiedne Lebensart führenden Völker zum polizirten Gesamtstaat ist nun diese , dafs sie, nachbarlich wohnend, die Vorliebe ihrer verschiednen Lebensarten und Gewerbe einander mittheilen ; worunter denn auch die Erscheinung ist, welche noch heut zu Tage die Bewohner gewisser Gegenden darbieten , die zur Arbeitzeit in bestimmte Länder gehn, um dort Tagelohn zu erwerben. Ich kann mir also wohl denken , dafs in jener ältesten Zeit die toyúdas, welche den dürftigen Landstrich Alangis bewohnten, periodisch und theilweise herüber kamen und den reichen γεδέουσιν in Μεσόγαια ihre Felder bearbeiten halfen ; und so das spätere Verhältnifs der 97- Tε in Athen begründeten. Dieser allgemeine Tausch der Vortheile, Vorzüge und Künste führt aber allerdings allmählich auch Aenderungen im Wohnungs-Verhältnifs herbei. Familien aus Einem Stamm werden in dem Lande des andern, der ihnen befreundet , ja verbunden mit ihnen ist, sitzen bleiben. Und so wird es früh schon gewesen 328 XXIV . Ueber φρατρία. sein, daſs in Einem Gau , der ursprünglich, nach unserer Annahme Eine Phratria war , Familien aus andern Phratrien sich niederliefsen. Bedenken wir nun, dafs wir aus der ganzen historischen Periode vor Theseus nichts wissen als einige Namen ; und dafs wir dann auf Einmal die grofse Revolution sehn, die diesem Helden der mythischen Zeit zugeschrieben wird ; so wird sich von selbst ergeben, was auch die Analogie aller Staatsveränderungen der ältesten Zeiten mit sich bringt, dafs sie allmählich herbeigeführt worden ; dafs die früher schon erfolgte Mischung in den einzelen Gauen, die gröfsere in Athen nicht nur möglich machte , sondern dafs die Verwirrungen , welche in den kleinen Staaten daraus entstanden , diese Darstellung eines vollendeten Gesamtwesens nöthig machten. Die ionischen Staaten aufser Attika fallen nun aber in eine weit spätere Zeit. Wie die Volksmenge , woraus sie bestanden, beschaffen und zusammengesetzt war , wissen wir nicht. Oertliche Verhältnisse ohne Zweifel veranlafsten sie in den neuen Wohnsitzen sich in mehren Städten nieder zu lassen. Die Zahl derselben zwölf ward durch die alte Ueberlieferung bestimmt. Aber wenn die ältesten Städte in Attika soviel Phratrien waren ; wenn wirklich jede derselben ursprünglich ganz nur zu Einer quλŋ gehörte: so wäre es lächerlich anzunehmen, dafs die Ionier aufserhalb Attica eben wieder von vorn angefangen hätten. Sie trugen vielmehr den politischen Zustand , der zur Zeit ihrer Wanderung in Attika war, in die neuen Wohnsitze mit hinüber : und so war also jede der Städte des asiati schen Ioniens ein kleines Athen, und das Gebiet einer je den ein kleines Attika , worin die Bürger mehrer Stämme vereint und untermischt Jebten. Es bleibt uns noch die Etymologie des Wortes opaToía übrig , die wir nicht übergehn dürfen , da durch die Angaben darüber das Ganze bisher etwas verwickelt worden war. Die gangbare Meinung war nehmlich , gpárga sei eigentlich etymologisch einerlei mit nάτoα , und zunächst entstanden aus der Mittelform qároa. Nehmlich φάτρα, φήτρη und φατρία sind nicht nur nach der Angabe der Grammatiker echte Formen, sondern zeigen sich auch XXIV . Ueber φρατρία . 329 . überall als Varianten ; so dafs es schwer ist, die Lesart überall zu bestimmen : wiewohl die Kritiker gewöhnlich die Schreibart mit dem o als die richtigere vorziehen. Hören wir den Grammatiker Orus im Etymologikon , so ist φατρία soviel als πατριά , und als Beispiel werden die von Einem Vater (Stammvater) abstammenden Herakliden und Achämeniden angeführt : hören wir den Aelius Dionysius beim Eustathius zu Il. ß, 362., so lernen wir, dafs φατρία ist, ἣν Ιωνες πατριάν. Wir sehn nun deutlich , dafs alles dies auf die Herodotischen Stellen sich bezieht und blofs darauf sich gründet, dafs die Grammatiker das, was in diesen natqıý heiſst, für einerlei mit dem attischen qpargía φρατρία erklärten. Allein diese scheinbare Einerleiheit der Begriffe haben wir oben schon beleuchtet ; und mit ihr fällt also auch das weg, was daraus für die Ableitung dieses Worts von jenem zu sprechen scheinen möchte. Sonst wäre die Ableitung, so weit blofs von qaroía die Rede ist, in sich untadlich, da solche Verwechslungen wie, der Aspiratae und Tenues aus dem ältesten Schwanken der Mundarten sich vielfältig zu Unterscheidung der in die Bedeutung kommenden Modifikationen darbieten. Aber das mufs jeder gestehn, entgegen kommt uns diese Ableitung eben nicht ; und vollends die Entstehung des doppelten e in qoάroía ist eine Härte, der es an aller Begründung fehlt. Vielmehr , selbst wenn uns gar keine Ableitung von qoaroía gelingen wollte , würde alle Analogie uns doch darauf führen , diese Form für die ältere , und φήτρη, φάτρα , φατρία für eine ionische Erweichung derselben zu halten. Eine solche Ableitung hat sich nun aber wirklich den neuern Etymologen (denn die nationalgriechischen sehn sich in ihren etymologischen Forschungen nicht leicht aufser ihrer eignen Sprache um) in dem buchstäblich damit übereinkommenden lat. frater längst dargeboten. Denn gewifs nicht ohne Grund glaubt man voraussetzen zu können, dafs die Sprachen, welche pater und mater mit einander gemein hatten , auch in diesem Verwandtschaftsnamen werden übereingekommen sein ; und dafs nur der Zufall in der einen durch das Wort adelpos, welches ursprüngliche Beiwort eigentlich den beschränkte୧ . 330 XXIV. Ueber goargia. ren Begriff von uterinus hat , jenes Substantiv verdrängt hat; welches dann, wie auch andre veraltete Wörter, nur in einem abgeleiteten Begriff , dem von φράτρα , φράτωρ sich noch erhielt. Ja auch die dem lateinischen gänzlich entsprechende Form φράτηρ war vorhanden anstatt φράτωρ, wie wir nicht nur aus dem Zeugniſs der Grammatiker wissen, die es dem latein. frater, worauf sie keine Rücksicht nehmen , zu Liebe nicht erdacht haben können, sondern aus einer Anführung andrer Art. Von einem der ältesten Komiker , der zu den Zeiten des Peloponnesischen Krieges lebte, Leukon, nennt urs Suidas eine Komödie Poάroots, und aus derselben führen Athenüus 8. p. 343. c. und Hesychius unter dans ein Fragment an mit der Bezeichnung v Poάregor. Uebereilt will man dies aus Suidas bessern , ohne zu bedenken , dafs diese Uebereinstimmung zweier in sich schon bessern Autoritäten in einer ungeläufigen Wortform dieser das Gepräg der Wahrheit gibt. Auch ist hier weiter nichts als ein Schwanken zwischen dem und seinem natürlichsten Umlaut , so wie z . B. von Πυανεψίων die Form Πυανοψίων in Inschriften sich noch erhalten hat. Im vorliegenden Falle war die Form mit dem & veraltet, die also nur in einem spätern Schriftsteller würde befremden können *) . Merkwürdig ist auch, daſs das Schaf, welches an dem Feste der Phratrien geopfert ward, jene Wortform als Beiwort führte, goatno φράτηρ os. Der Analogie gemäfs müfste grade dies gouTwo heifsen , durch Umlaut aus goάrno zum Adjektiv gebildet. Aber da jene Form nun einmal als Personalbenennung vorwaltete , so ist auch wieder begreiflich, dafs man dem Epithet des Thieres lieber die andere Form liefs.

  • ) Eust. ad Il. ß, 362. p. 181 , 51. Basil. oi dè àgzałoı qgaτεράς φασι διὰ τοῦ ε , οὗ φησὶν (nehmlich Dionysius) ἡ ὀρθὴ φράτης · ἐν ἑτέρῳ δὲ ὁμοίῳ λεξικῷ φέρεται ὅτι φράτης ᾿Αττικοί φασιν,

Ίωνες δὲ διὰ τοῦ ω. Es ist also wohl möglich , dafs bei den alten Attikern diese Form in unsern Exemplaren nur durch Schuld der Abschreiber verschwunden ist. Auch bei Demosthenes ist eine zweimalige Spur davon in der Rede gegen die Neära p. 1364, 1. 1365, 7., wo in einer Handschrift bei Reiske φρατέρων, φράτερας , aber mit darüber geschriebenem o steht. Und vor allen Dingen in Plat. Tim. p. 11, 5. Be. hat die beste Handschrift poatέowr. XXIV . Ueber φρατρία 331 . Für diese Ableitung scheint mir denn auch ganz besonders das zu sprechen , dafs Dicüarch in seinen oben beigebrachten Worten, die Entstehung der Phratria so absichtlich in die Sehnsucht der Schwester nach dem Bruder legt, und sie der nároα, die eine Verbindung sei zwischen Eltern und Kindern , gegenüber stellt als eine Verbindung zwischen Geschwistern. Mufs man nicht glauben, dafs er, so wie bei πάτρα an πατήρ , so bei φράτρα an goάrno dachte , und dies also für ein ursprüngliches Synonym von adtλq ós hielt ? Einen kleinen Vorschub leistet dieser Vermuthung noch die Glosse bei Hesychius, die zu φρητήρ *) das einzige Wort ἀδελφός als Erklärung setzt. Ohne Zweifel hat Hesychius also das Wort in dieser Bedeutung entweder unmittelbar aus einem der mit dem Lateinischen näher verwandten Dialekte , oder doch aus einem griech. Sprachforscher , welcher goatoía übereinstimmend mit Dicäarch erklärt , und dies mit der Notiz, daſs poάrno eigentlich und ursprünglich den Bruder bedeute, belegt hatte. Man könnte nun noch diese Ableitung mit der vorigen zusammenbringen und auch goatno, im Sinne von Bruder, von лατng ableiten wollen. Allein da dasselbe Wort mit den leichtesten Modifikationen durch die ganze grofse Sprachverwandtschaft von Indien und Persien aus durch ganz Europa geht , und überall das r als wesentlich erscheint, wie im slawischen Brat, im deutschen Bruder ; so verliert diese Ableitung alle Wahrscheinlichkeit. Ein so altes Verwandtschaftswort dürften wir etymologisch sehr wohl unerklärt lassen ; aber es scheint keine gewagte Vermuthung zu sein , wenn wir den Begriff der Liebe, der in derselben Wurzel in den deutschen Wörtern freien, Freund, Braut erscheint, als den Grundbegriff dieser Benennung einer so engen Naturverbindung ansehn. 1 Und da auch in andern Fällen der Begriff der Liebe in den Sprachen ausgeht von dem des Denken und in die Seele fassen, wie denn in den germanischen Sprachen das

  • ) So betont ; vermuthlich richtig. Subst. ogarno wie naτno :,

aber Adjektiv und Ableitung von φράτρα - φράτωρ. 332 XXIV . Ueber φρατρία . Wort meinen zugleich lieben bedeutet und Gedanken über etwas hegen, Minne zugleich Liebe und Gedächtniſs, und im Griechischen μrãova zugleich freien und gedenken ; so wird es keine grundlose Vermuthung, wenn wir auch den die Liebe bedeutenden Stamm von qoárne auf Eine Wurzel zurück zu bringen wagen mit φρήν und φράζειν . So vollkommen mich nun auch diese Ableitung des Wortes goatoia von dem Wort und Begriff frater befriedigt, so fühle ich mich doch gedrungen , noch eine andre anzuführen , nicht nur weil sie von dem Stammvater aller echten griechischen Sprachgelehrsamkeit , Wilh. Budäus, ausgeht, sondern weil sie in sich so viel wahrscheinliches hat , daſs ich kaum zweifle , ohne jene andre würde sie sich mit einem Grade von Zuverlässigkeit uns aufdrängen; und weil es denn doch bedenklich scheint, sich durch das mehr und minder der Wahrscheinlichkeit allein dahin bestimmen zu lassen, dafs man eine Erklärung hinstelle und die andre ganz verschweige. Budäus also leitet qoάroges und φρατρία ab von φρέαρ, ατος , der Brunnen , als eine Verbindung von Leuten die einen Brunnen gemein haben. Dem Buchstaben nach ist diese Ableitung sehr ungezwungen. Die Zusammenziehung der zwei ersten Sylben ist bei dem Zuwachs am Ende natürlich : und da von qoέaros das a an sich schon bei den Attikern lang ist, so begreift man auch, dafs die Zusammenziehung in dieser altattischen Form wieder in a geschah , während man späterhin freilich qontós, aber die Ionier denn auch 4onton sagten. Ich vermuthe zwar, daſs Budäus bei dieser Ableitung zunächst nur den späten attischen Sinn goatoia vor Augen hatte, und dafs ihm, als Juristen, dabei die in dieser Beziehung wirklich sehr auffallende Analogie ähnlicher Einrichtungen in Städten unsers und des Mittelalters sich aufdrängte. Auch in mehren deutschen Städten gibt (oder gab, denn unsre Zeit hat die letzte Spur von vielem weggerafft) der einer Nachbarschaft gemeinsame Brunnen Gelegenheit zu einem Verein , der zunächst und ursprünglich zwar die Vorsorge eben für diesen Brunnen zum Zweck hatte, aber auch aufserdem ein bürgerliches und geselliges Band war, und feierliche periodisch wiederkehrende Mahlzeiten mit XXIV . Ueber φρατρία. 333 sich führte * ) Das einleuchtende dieser Analogie vermindert sich zwar, wenn wir auf den ältern Begriff der 90αToía sehn. Allein dagegen steigt wieder in jenen ältesten Zeiten die Wichtigkeit eines oft mühsam in felsigen Boden zu grabenden Brunnens, und macht es sehr begreiflich , dafs wenn bei zunehmender Bevölkerung bei sich ausbreitender Urbarmachung eines Landes, die Geschlechter sich trennen und zerstreuen , ihrer einige dort und da im Lande um den Mittelpunkt eines Brunnens einander näher bleiben , und eben wegen dieses Gemeingutes, einen davon benannten Verein bilden, der enger ist als der des ganzen Stammes (qv ) und doch weiter als der eines Geschlechts (лárga, yévos). Allerdings wird dies Bedürfniss nach Verhältnifs des Landes und Bodens sehr modificirt: aber wie sehr es gerade in Attika eintrat, das ist bekant genug und wie es noch zu Solons Zeiten in dieser Beziehung stand , das zeigt eine Stelle in Plutarchs Leben desselben c. 23. , wo es heifst : „ da Attika weder mit stets fliefsenden Strömen, noch mit Seen und ergiebigen Quellen zur Wässerung hinreichend versehen sei , sondern die meisten sich gegrabener Brunnen bedienen müſsten , so habe Solon ein Gesetz gegeben , daſs , wo innerhalb vier Stadien ein öffentlicher Brunnen sei, man sich dessen bedienen solle ; wo ein solcher aber weiter entfernt sei, da solle man nach eignem Wasser suchen : wer nun, nachdem er auf eignem Boden zehn Klafter tief gegraben , kein Wasser gefunden , der solle beim Nachbar zweimal des Tages ein bestimmtes Maafs Wasser zu holen berechtigt sein." Versetzen wir uns in ältere Zeiten , so versteht sich, dafs diese so sparsamen öffentlichen Brunnen damals die einzigen im Lande waren , und es ist wohl denkbar, dafs sie die äufsere Veranlassung und also auch den Namen zu einer Verbindung unter benachbarten und verwandten Geschlechtern gegeben ; und eben weil wir dazu so hoch ins Alterthum steigen müssen , ist es auch denkbar, dafs dieser Name blieb , während das alte Bedürfnifs

  • ) Brunnenfahrt hiefs das Fest in meiner Jugendzeit in Frankfurt am Main, Brunnenmeister der Vorsteher u. s. w.

334 XXIV. Ueber geargia. bei zunehmender Kultur immer weniger fühlbar ward, und zuletzt selbst als zufälliger Ursprung einer in weit wesentlicheren Beziehungen wichtigen und den Theilnehmern theuern Verbindung und ihres Namens , in Vergessenheit gerieth. Auch einen Einwurf noch, den man dieser Ableitung machen kann , nehmlich dafs doch ein solches Wort und eine solche Sitte nicht füglich von einem Umstande herzuleiten sei , der blofs auf die besondre Beschaffenheit eines Ländchens wie Attika sich gründe ; auch diesen Einwurf mufs ich, obgleich ich jene andre Ableitung mit voller Ueberzeugung annehme , doch noch wegräumen , weil es durch eine Bemerkung geschieht , welche mir auch aufser dieser etymologischen Frage , für diesen Gegenstand bedeutend zu sein scheint. Nach allem was ich bisher selbst von denen , die am vollständigsten gesammelt, über goatoía oder goάroa beigebracht gefunden habe, war diese Benennung nur bei den Stämmen gebräuchlich , die ihre älteste Sitte und Sprache aus Attika hatten. Homer und Herodot brauchen sie als Ionier. Alle Stellen , wo sie sonst vorkommt, beziehen sich auf Athen. Nur bei Strabo p. 246. lesen wir noch, dafs die Kampanier in Italien unter andern Resten griechischer Sitte auch die Phratrien hätten. Diese Notiz wird bestimmter durch die Bemerkung, dafs unter allen inschriftlichen Monumenten, die bis itzt bekant geworden sind, die Phratrien einzig, und zwar sehr häufig , auf den Inschriften der Stadt Neapolis sich finden. Also in dieser und in deren Mutterstadt Kumä waren die Phratrien, von welchen Strabo spricht. Jedermann weifs aber , dafs Kumä seinem Haupttheile nach eine Kolonie der von den Athenern gestifteten Stadt Chalkis in Euböa war. Anhang. 1. Ueber das Elektron. 2. Horaz und Nicht- Horaz.

1. Ueber das Elektron. 337 Jeber Ueber das Elektron * ) . eber den Bernstein ist in Beziehung auf die Alten von Philologen , Geschicht- und Naturforschern so viel , und von mehren derselben so gründlich geschrieben und dabei auch der Doppelsinn des griechischen Namens Elektron so sorgfältig beachtet worden, dafs nicht leicht eine neue lichtbringende Meinung oder Thatsache zum Vorschein kommen kann. Die feste Entscheidung jedoch über jede dahin gehörige Frage , hervorgehend aus vollständiger Abwägung alles beigebrachten; scheint mir noch das Verdienst einer Erörterung werden zu können , die ich daher versuchen will. Wenn ein Gegenstand dieser Art in den Homerischen Gedichten vorkommt, so ist es natürlich, daſs man hievon, als von dem ältesten Elemente , das einen festen Punkt verspricht, ausgehe. Dreimal lesen wir dort das Wort, und zwar nur in der Odyssee. An der Stelle 0,460 . kommt ein phönicischer Schiffer und bringt ein Geschmeide zum Verkauf, das so beschrieben wird : Χρύσεον ὅρμον ἔχων, μετὰ δ᾽ ἠλέκτροισιν ἔερτο . Und eben ein solches verehrt o , 295. Eurymachos der Penelope: - ὅρμον πολυδαίδαλον Χρύσεον ἠλέκτροισιν δερμένον ἠέλιον ὡς. Das Wort quos wird immer als ein Halsband betrachtet : da aber an der zweiten Stelle (Vers 300.) ein Halsband

  • ) Vorgelesen in der Akademie der Wissenschaften zu Berlin

im Junius 1818 II. Y 338 1. Ueber das 1auch noch vorkommt und durch den unzweifelhaften Ausdruck pov unterschieden wird: so bestimmt man jenes nicht mit Unrecht durch einen Busenschmuck oder eine vom Hals herabhangende Halskette. Das, worauf es ankommt, ist unzweifelhaft. " Oquos * ) steht hier mit seinem Stammwort εἴρω , ἐερμένος zusammen . Εἴρειν heifst reihen und ¿ quéros, obwohl es in dieser aufgelösten Form aufser diesem epischen Gebrauch nicht vorkommt , ist so analog und sicher davon gebildet , dafs nur die Unkunde einiger späteren Grammatiker das Verbum eoyo , zu andrer Ableitung oder andrer Lesart , herbei ziehen konnte. An beiden Stellen sind also tooι **) in den erwähnten Schmuck gereiht und wenn an der ersteren die Präpos. μɛtά hinzu kommt, so zeigt die Vergleichung der zweiten dafs sie zum Verbo gehört, weil wir den Dativ To gleichförmig fassen müssen. Das einfache qµœι ist also der allgemeine Ausdruck der an beiden Stellen stehn konnte ; aber μetéepto ǹhéntqois drückt bestimmter ein dazwischen reihen , eine Abwechselung der Glieder oder Perlen aus : „ eine Goldkette durchreiht mit kéztoo .” Die dritte Stelle ist 8, 73. Weiter vorher , 43. ff. , war erzählt , wie die beiden jungen Helden in das Innere ton Menelaos Palast geführt , sich wunderten über die Pracht und den sonnengleichen Glanz , der überall verbreitet war: und nun sagt Telemachos zum Peisistratos, ér solle doch schauen • Χαλκοῦ τε ςεροπὴν καδδώματα ἠχήεντα , Χρυσοῦ τ᾽ ἡλέκτρου τε καὶ ἀργύρου ἠδ᾽ ἐλέφαντος. Es ist wol kein Zweifel , dafs , so lange zu diesen Stellen sich anders woher nichts gesellt , niemand sich leichtlich veranlafst sehn würde, in allen drei etwas anders zu vermuthen, als was die von jeher anerkannteste Bedeu-

  • ) S. Lexilogus 28, 2.
    • ) Homers drei Stellen lassen zufällig das Genus unentschieden für diesen Plural, der einzele Stückchen ausdrückt, hat man

die Form auf oi meist vorgezogen, während das Material im ganzen gewöhnlicher exipov genannt wird. S. unten eine ausführlichere Note über diesen grammatischen Gegenstand. Elektron. 339 tung von exroov ist , Bernstein. Der Plural an beiden ersten Stellen bringt uns deutlich Bernstein - Perlen vor die Augen, die mit goldnen Zierathen an dem Halsschmuck abwechseln. Und auch in des reichen Königs Palast bes hauptet unter den kostbaren und kunstreichen Gefälsen und Geräthen, der aus fernen Landen kommende herrlich glänzende Bernstein so gut, und besser, seinen Platz, als das zugleich erwähnte Elfenbein. Auch war dies , wie man deutlich sieht, von jeher die gangbarste Meinung, wovon man sich schwerlich würde haben abführen lassen, wenn nicht die Stellen nachfolgender Dichter dies gleichsam allmählich thäten. Gleich in Hesiods Schild wundert man sich das Elektron V. 141. in der Beschreibung dieser Wehr zu erblicken, wenn es heifst Πᾶν μὲν γὰρ κύκλῳ τιτάνῳ λευκῷ τ᾽ ἐλέφαντι Ηλέκτρῳ θ᾽ ὑπολαμπὲς ἔηι, χρυσῷ τε φαεινῷ Λαμπόμενον , κυάνου δὲ διὰ πτύχες ἠλήλαντο . Wie kann Bernstein, ein halb glas- und halb harzartiger Körper , auf einem Schild stattgefunden haben , der den stärksten Schlägen und Stöfsen ungeheurer Waffen ausgesetzt war? Ferner in der Eigeovn , einem uralten Volkslied , das unter Homers kleinern Gedichten steht,* wird eine reiche Braut ins vornehme Haus gewünscht, welche auf λxtqov stehend am Webebaum arbeite : - Αὐτὴ δ᾽ ἱςὸν ὑφαίνοι ἐπ᾿ ἠλίτρῳ βεβαῦτα . Ganz deutlich aber als Metall, nehmlich als das durch Zumischung von Silber hellgelbe Gold, erscheint es in der Poesie des Sophokles , wenn er in der Antigone 1033. das exτoov von Sardes und das indische Gold zusammen erwähnt : - Ἐμπολᾶτε τὸν πρὸς Σάρδεων Ηλεκτρον , εἰ βούλεσθε ; καὶ τὸν ᾿Ινδικὸν Χρυσόν. wo denn der Scholiast, so wie die Sache selbst, wie wir gleich sehn werden , an den Paktolus uns mahnt. Wenn endlich Virgil Aen. 8, 402. den Vulkan seiner Gattin, } Y 2 340 1. Ueber das welche Waffen für den Aeneas verlangt , alles versprechen läfst,, Quod fieri ferro liquidove potest electro ; so ist es schwer, nicht wieder an den alten hesiodischen Schild, und an eine Ueberlieferung zu denken, welche das metallische Elektron in der alten Epik erkannte. -- - Und über das Dasein solcher Ansicht schon bei den Alten setzt uns aufser Zweifel Plinius an der Stelle, wo wir zugleich am deutlichsten über die Natur dieses Metalls belehrt werden, 33, 4. Omni auro, sagt er, inest argentum vario pondere , alibi dena , alibi nona, alibi octava parte. Ubicunque quinta argenti portio est electrum vocatur. Fit et cura eléctrum argento addilo : quod si quintam portionem excessit incudibus non resistit. Et electro auctoritas Homero teste, qui Menelai regiam auro, electro, argento, ebore fulgere tradit. Dann wird ein Becher von solchem Elektron erwähnet, welchen Helena in einem Tempel zu Lindos geweiht habe ; und von diesem Metall gerühmt, dafs es bei Lampenschein heller glänze als Silber ; wie auch, dafs das natürliche das Gift verrathe durch Zischen und Opalisiren. Wendet man von diesen Notizen, deren naturwissenschaftliche Erörterung vor eine andre Behörde gehört, den Blick wieder auf Homer , so fühlt man über die Stelle von Menelaos Palast jene erste Meinung allerdings etwas erschüttert durch diese Autorität, die ohne Zweifel eine griechische ist ; denn auch Eustathius fand diese Deutung in seinen Quellen ; und unterstützt wird durch die Art wie das ExToov bei Homer dort vorkommt. Denn nachdem das Erz schon genannt war, so folgen in dieser Ordnung, Χρυσοῦ τ᾽ ἠλέκτρου τε καὶ ἀργύρου , die edeln Metalle wie es scheint; und zwar das exrpov, man möchte sagen absichtlich, zwischen seinen beiden Bestandtheilen ; und nun erst zuletzt angehängt das fremdartige Elfenbein, d'épavtos. Wie denn aber nicht leicht ein neuer Weg eingeschlagen wird , den man dann nicht auch verfolgt so weit es irgend geht, so kam man nun natürlich auch wieder auf jenes Halsgeschmeide zurück. Denn allerdings ist es unwahrscheinlich, dafs der alte Dichter schon, un- Elektron. 841 ter diesem Namen eines kostbaren schmückenden, sonnengleich glänzenden Stoffes zwei ganz verschiedne Gegen- stände solle verstanden haben. Auch an der Halskette konnten ja die goldnen Glieder mit andern von jenem blafsgelben Golde abwechseln ; und dann wäre, statt dafs vorher nur Bernstein an jenen ältesten Stellen gesehn ward, nunmehr gar keiner in der altepischen Poesie erwähnt. Selbst Schneider scheint dieser Meinung sonst gewesen zu sein ; denn in den früheren Ausgaben des Wörterbuchs sagte er ausdrücklich „,bei Homer und Hesiod glänzendes Metall." In der neusten läfst er die Sache ohne eigentliche Entscheidung. Es ist also nothwendig, die Prüfung von vorn zu beginnen. Dafs die Uebereinkunft in Glanz und Farbe zwischen jenem Silbergold und dem Bernstein, besonders wenn dieser nicht durchsichtig ist , die Ursach der Gleichheit des Namens ist, liegt auf jeden Fall am Tage. Auch sehn wir deutlich, dafs dieser Name für das Metall schon sehr alt im Griechischen ist, da Sophokles in der Poesie sich dessen bedienen konnte. Aber mit denen, welche, nach dem Vorgang einiger alten Grammatiker, angeben, Sophokles nenne das Gold hextoos, kann ich nicht übereinstimmen. Das gebe ich zu, dafs er, wo in gewöhnlicher Sprache Gold würde gesagt worden sein ( ,,Alles sardische und indische Gold" konnte er sagen) , den eros nennet ; aber nicht so willkürlich , wie man nach jener Angabe denken sollte. Denn da, wie wir nicht blofs aus Plinius wissen , allem natürlichen Golde , namentlich auch dem Waschgold aus Flüssen, immer Silber beigemischt ist ; so nennet er als Dichter, dem es auf das technische Verhältnifs , wie es Plinius uns bestimmt , nicht ankommt , das eben so beschaffene und daher vielleicht vor anderm bessere, Gold des Paktolus, in gewählter Sprache exτoos *).

  • ) Ich hoffe dafs diese Erwägungen den von Schneider noch übrig gelassenen Zweifel , ob auch dies sardische Elektron das

Metall oder Bernstein gewesen, entfernen werden. Wobei noch die in der grammatischen Note (unten S. 346.) zu machende Bemerkung über das maskulinische & stoos zuzuziehen ist, 342 1. Ueber das Und nun fragt sich , welches dieser beiden Fossile, das Silbergold oder der Bernstein , hiefs zuerst Elektron, und theilte wegen jener Aehnlichkeit dem andern seinen Namen mit? Mich dünkt, wer bei jenen ältesten Dichtern unter Elektron ausschliefsend das Metall versteht, gibt zugleich zu erkennen , dafs dies der ältere Gebrauch des Namens sei. Aber dagegen spricht eine Autorität, von der man nicht zu bedenken scheint, dafs sie wenigstens neben der von Homers Gedichten steht : die Mythologie. Nicht dafs ich jeden Mythos in oder vor die Zeit der alten Epiker zu versetzen gemeint sei : aber die Fabeln, welche den Ursprung des Bernsteins erklärten , waren schon den alten Tragikern bekant. S. Eurip. Hippol. 736. sqq. Aeschyl. et Sophocl. ap. Plin. 37, 2. *) . Allerdings sind die Tragiker auch Mythen - Schöpfer, aber nur in Absicht der Erweiterung und Ausführung derjenigen Fabeln, welche sie dramatisch behandelten ; solche Mythen hingegen, welche sie nur beiläufig in ihre Dichtung hineinzogen oder darauf anspielten , muſsten aus der alten Volkssage sein, da nur dadurch solche Anspielungen ihren Reiz erhielten. Aber ausdrücklich auch schreibt Hyginus in seiner 154. Fabel , welche überschrieben ist Phaethon Hesiodi, die Erzählung , dafs die Thränen von Phaethons (Schwestern seien verhärtet worden, dem Hesiodus zu **). Wie man das mit dem andern Phaethon in der Theogonie zu reimen oder nicht zu reimen habe, ist eine leere Untersu chung. Soviel erhellet, dafs die Fabel von Phaëthon, dessen Schwestern , und dem Bernstein , in jenen alten epischen Gedichten schon war , die man grofsentheils dem Hesiodus zuschrieb , und die alle nur Ausführungen alter Volksdichtungen enthielten. Wenn also in diesen der Bernstein mythisch behandelt und mit den Dichtungen ―

  • ) Phaethontis fulmine icti sorores fletu mutatas in arbores populos lacrimis electrum omnibus annis fundere juxta Eridanum am- nem, et electrum appellatum , quoniam sol vocitatus , sit Elector,

plurimi poetae dixere, primique , ut arbitror, Aeschylus etc., weiter unten Sophocles , tragicus poeta — (succinum) ultra Indiamfieri dixit e lacrimis Meleagridum avium Meleagrum deflentium. und

    • ) Harum lacrimae, ut Hesiodus indicat, in electrum sunt duratae.

Elektron. 343 • von den ältesten Nationalgöttern und Heroen in Verbindung gebracht war, so setzt dies voraus, dafs dies Produkt etwas damals schon lange bekantes, dafs es von alten Zeiten her ein Gegenstand der Bewunderung und der Zierde war ; und da kein anderer Name dafür zugleich mit überliefert ist, als λextyor, so müssen wir diesen für den annehmen, worunter es von jeher bekant war. Neben xovoós und άorvoos hingegen war für eine vom Golde nur etwas abspielende Art des edelsten Metalles , das daher von Herodot 1 , 50. wegen seiner Blässe Levnds povoós genannt wird, ein besonderer Name eben kein Bedürfnifs für die gewöhnliche Sprache ; und wenn die Benennung Elektron allmählich dafür aufkam, so ist nichts natürlicher, als dafs es diese von seiner Aehnlichkeit mit jener andern Prachtwaare erhielt *). Wenn wir dies alles erwägen, so wird die Voraussetzung , dafs bei den alten Epikern exroov gar nicht den Bernstein bedeute, so unwahrscheinlich, dafs vielmehr nun die Befugnifs wieder eintritt, dieses Material überall unter diesem Namen zu erkennen , wo unbefangene Betrachtung es deutlich darbietet. So wie wir aber das festhalten, so wird es sogar schwer, anzunehmen, daſs in derselben epischen Sprache dieser Name auch ein anderes in Gebrauch und Verarbeitung so wesentlich verschiedenes Material solle bedeutet haben ; und es scheint also,

  • ) Es verdient noch angemerkt zu werden, dafs Herodot, der

jenes Metall λευκὺς χρυσός nennet, von dem ἤλεκτρον oder Bernstein als einer längst bekanten vom Westen Europas herkommenden Waare redet. Nachdem er 3, 115. alles fabelhafte von diesem Produkt , namentlich auch den Eridanus beseitigt hat, setzt er als das gewisse hinzu : ἐξ ἐσχάτης δ᾽ ὦν (τῆς Εὐρώπης) ὅ ,τε κασσίτερος ἡμῖν φοιτᾷ καὶ τὸ ἤλεκτρον . Nur wünschte ich doch nicht, dafs daraus , dafs Herodot das Metall auf die erwähnte Art benennt, und der Name Elektron dafür mit Gewissheit erst in einer Anführung aus Posidonius (s. Schneider) vorkommt, nun auch der ältere Gebrauch desselben , namentlich bei Sophokles , zweifelhaft gemacht würde. Herodot und Sophokles waren Leute aus verschiedenen Ländern, die also auch verschiedener Benennungen für solche Gegenstände sich bedienen konnten. 344 1. Ueber das 1 dafs wir uns auch dazu nicht verstehn dürfen, so lange an den einzelen Stellen nicht schlagende Gründe hervortreten. Dafs diese nun nicht vorhanden sind ; dafs vielmehr an allen jenen epischen Stellen der Bernstein wieder in sein altes Recht mufs eingesetzt werden ; dies werde ich darlegen : wiewohl ich schon einen Vorgänger in einer akademischen Arbeit zu gleichem Ergebniſs habe. Dieser ist Joh. Matth. Gesner in einer Abh. in den Commentariis Soc. Gotting. to, III. a, 1753. p. 88. Allein dieser treffliche und geistreiche Gelehrte hatte einige Zweige philologischer Forschung, und namentlich die griechische Sprache nicht so in seiner Gewalt, dafs wir auf dem heutigen Standpunkt der Wissenschaft uns nicht veranlafst sehn sollten, ihm nachzugehn. Denn nicht selten führt einen solchen Mann sein richtiges Gefühl auf das Wahre, in dessen Begründung er sich nur vergreift. Dem Nachtreter ziemt, ohne sich bei diesen Fehlgriffen aufzuhalten, das bessere was er hat dafür hinzustellen, Was also die zwei erst erwähnten homerischen Stellen betrifft, so haben wir itzt nur den Zwang abzuschütteln. Denn war es nicht Zwang, in den hextos, die in ein goldnes Halsband gereiht waren, wieder Gold, nur ein blasseres zu erkennen, um der in Worten und Beschreibung sich aufdrängenden Vorstellung der altbekanten Phönicischen Waare, die der Phönicische Schiffer bringt, der Bernsteinkorallen, zu entgehn ? Heiſst aber hier yλɛxtoov Bernstein, so müfste ein sehr positives Argument auftreten, um uns zu veranlassen, bei der allgemeinen Beschrei bung von Pracht und Glanz in Menelaos Palast unter demselben Worte etwas anders zu verstehn. Statt eines solchen aber scheint denen, die zuerst die andre Meinung gefafst, blofs die Wortstellung gedient zu haben, wodurch, wie schon erwähnt , das exτoov hier mitten unter die Metalle, und zwar gerade zwischen die zwei Bestandtheile des metallischen Elektron, kommt; dessen Notiz sich nun von aufsen hinzugesellte , um diese Erklärung hervorzubringen. Allein selbst ein neuerer gelehrter Dichter würde ja in solchen Fällen den Versbau allein befragen ; und ein alter Naturdichter, der in Gold und Silber und Bern- ་ Elektron. 345 stein nichts als glänzende Stoffe für Prachtwerke sieht, sollte sich Zwang anthun, um den Bernstein zum Elfenbein hinzuschieben, blofs weil dies auch kein Metall ist ? Doch dies bedarf keiner weitern Ausführung. Ich füge nur, zum Beweis, dafs der Bernstein auch hier ganz an seiner Stelle ist, noch den Vers aus Virgils Ciris (434.) hinzu, wo die Pracht eines Palastes blofs mit den Worten geschildert wird regia dives Curalio fragili atque electro lacrimoso : welche Beschreibung ohne Zweifel aus alter epischer Ueberlieferung ist. Dafs also bei Homer exτoov nichts anders als Bernstein ist, scheint mir gewiſs zu sein. ― Die Wichtigkeit der Einwürfe gegen den Bernstein auf Hesiods Schild habe ich selbst schon fühlbar gemacht. Allein dem, der die Stelle genau ansieht, muſs sich auch sofort eine Antwort ergeben, mit welcher, wenn sie gleich nur negativer Art ist, Gesner, nicht mit Unrecht, allein auszukommen glaubte . Πᾶν μὲν γὰρ, heifst es ja, κύκλῳ τιτάνῳ λευκῷ τ᾽ ἐλέφαντι Ἠλέκτρῳ θ᾽ ὑπολαμπὲς ἔην , und nun folgen erst die Metalle. Niemand, soviel ich weifs, hat im Títavos, das gewöhnlich der Kalk ist, hier etwas anderes zu verstehn vorschlagen können, als entweder bloIsen Gips, oder, was wegen des Glanzes wahrscheinlicher ist, einen weiſsen Schmelz. Wo nun dieser angebracht war und Elfenbein, da kann nichts uns abhalten, auch Bernstein zu erkennen, wenn es deutlich in der Sprache der Zeit. da steht : da ja jeder Streich, der diesem Material gefährlich war, eben solche Wunden auch jenen bei- den versetzte. Doch um vollständiger über den Gebrauch des Bernsteins urtheilen zu können , müssen wir noch eine Notiz aus einer etwas jüngern Zeit zu rathe ziehen. Aristophanes Eq. 532. erwähnt den ehemals allbewunderten in seinem Alter aber verachteten Komiker Kratinus, und bedient sich dabei für dessen itzige Geistesschwäche der Vergleichung, dafs er von ihm sagt Ἐκπιπτουσῶν τῶν ἠλέκτρων καὶ τοῦ τόνου οὐκέτ᾽ ἐνόντος Τῶν δ᾽ ἁρμονιῶν διαχασκουσῶν 346 1. Ueber das Man erkennt sogleich an dem Ausdruck ἐκπιπτουσῶν τῶν héztowo ein seiner Zierathen itzt beraubtes ehemals prachtvolles Geräth : aber wenn so unmittelbar hiemit die Ausdrücke Toros und άquoría verbunden sind, so, versteht sich, daſs unser Komiker durch diese musikalischen Ausdrücke nicht so auf einmal aus dem Bilde fallen wird, sondern dafs er nun in doppelsinnigen Ausdrücken fortfährt, die sowohl auf das Geräth als auf den Musiker passen ; und der Scholiast befriedigt auch hierüber vollkommen. Nehmlich im mechanischen Sinne heiſsen άquovía die Fugen in einer Holzarbeit *) , und geben also genau denselben Doppelsinn, wie wenn wir von einem Tonkünstler im gleichen Falle sagten ,, seine Fugen klaffen" ; Toros aber bezeichnet auch das Seilwerk in einer Bettstelle, worauf die Betten ruhen **). Nun ist die niedrig komische Vergleichung fertig : er vergleicht den alten verachteten Dichter einer alten ehemals prachtvollen Bettstelle auf dem Trödel, deren Fugen itzt auseinander gegangen, deren Seile zerrissen sind ; und hiezu gesellt sich nun das ἐκπιπτουσῶν τῶν ἠλέκτρων ; wozu der Scholiast anmerkt: ganz eigenthümlich oder vorzugsweise verstehe man unter dem letzten Worte gewisse Verzierungen auf den Bettstellen : τῶν ἠλέκτρων. ἰδίως τὰ ταῖς κλίναις ἐπιβαλλόμενα οὕτως ἐκάλουν , ἤλεκτρα *** ). Dann fährt er fort αἱ γὰρ ἀρ-

  • ) Od. ε, 248. Γόμφοισιν δ᾽ ἄρα τήνγε καὶ ἁρμονίῃσιν ἄφηρεν :

und so auch bei spätern.

    • ) Hievon sind die anderweitigen deutlichen Beispiele und

Zeugnisse bei Stephanus zusammengestellt.

      • ) ich mufs hier über die grofse Unbestimmtheit in der Formation und dem Geschlecht dieses Wortes etwas ausführlicher reden. Da wir die Neutralform to exτgov oben im Herodot gesehn haben , und diese auch späterhin sehr gewöhnlich, und im

Lateinischen die ausschliefsliche ist ; so nehme ich diese für das Material, Bernstein, als Grundform an. Bei Sophokles finden wir das Maskulinum Tov exτoor. Dies tritt, da es dort für das Metall steht, so deutlich in die Analogie von 8 zovoós, oidnços, daſs es sehr wahrscheinlich wird , dies sei im Griechischen bei genauern Schriftstellern wirklich der Unterschied der Form zwischen beiderlei Material gewesen , denn bei den Lateinern muſste frei- Elektron. 347 1 χαῖαι κλῖναι τοὺς πόδας εἶχον ἠσφαλισμένους ἄνθραξι καὶ ἠλέκτροις ὥσπερ νῦν ἀργύρῳ ἢ καττιτέρῳ . Hier könnte man lich electrum in der Analogie von aurum, ferrum bleiben. Den Gebrauch von ὁ ἤλεκτρος für den Bernstein möchte ich also blofs den spätern zuschreiben ; s . Spohn . zu Niceph. Blemm. Geogr. p. 26. Endlich kommt es aber auch als Femininum vor , ἡ ἤλεκτρος , aber nur als Bernstein : auch dies ganz analog für einen stein- und gemmenartigen Körper , wie ἡ σμαραγδός , ἡ ὕαλος 'u . dergl. So im ganzen jedoch vom Material , also für τὸ ἤλεκτρον , finde ich die femininische Form nur aus spätern angeführt : aber αἱ ἤλεκτροι für einzele Stückchen desselben zum Schmuck , ist auf jeden Fall natürlicher als τὰ ἤλεκτρα. Sind nun, wie wir gleich untersuchen werden, dergleichen bei Aristophanes gemeint, so ist der Ausdruck ἐκπιπτουσῶν τῶν ἠλέκτρων so vollkommen in der Analogie, dafs wit dadurch berechtigt werden , auch in den zwei Homerischen Stellen , wo ἠλέκτροισιν von Bersteinkorallen steht , den Nominativ ἦ ἤλεκτρος anzunehmen. Die Grammatiker lassen sich über diesen Punkt nirgend aus, als eben hier zu der Aristophanischen Stelle, wo aber viel Verwirrung bei ihnen herscht. Ich werde ihre Bemerkungen, wovon ich die einzelen Sätze oben anführe, hier vollständig, und so wie sie itzt gelesen werden, hersetzen. Die Scholien zu der Stelle lauten in den Ausgaben so : ᾿Εκπ . τ. ἠλ. ] ἰδίως τὰ ταῖς κλίναις ἐπιβαλλόμενα͵ οὕτως ἐκάλουν , ἤλεκτρα. μεταφορά οὖν κέχρηται ἀπὸ τῶν κλινῶν . αἱ γὰρ ἀρχαῖαι κλῖναι τοὺς πόδας εἶχον ἠσφαλισμένας ἄνθραξι καὶ ἠλέκτροις , ὥσπερ νῦν ἀργύρῳ ἢ καττιτέρῳ . διόπερ βαρυτόνως ἀναγνωςέον ἀπὸ τοῦ αἱ ἠλεκτροι, τῶν ἠλέκτρων. Καὶ τοῦ τόνου u . s. w .] ἀκολούθως μετὰ τὴν κλίνην ἐμνημόνευσε τοῦ τόνου · τόνος γὰρ τὰ τῶν κραββάτωνσχοινία , τροπικῶς δὲ δηλοῖ τὴν τῆς φωνῆς τάσιν . Τῶν θ᾽ ἁρμονιῶν ] ἁρμονίας λέγει τὰ συμπησσόμενα τῶν κρουμάτων μέρη . ἐπέμεινε δὲ τῇ τροπῇ . καὶ γὰρ ἁρμονίαν λέγομεν τὴν τῶν ποιημάτων σύνθεσιν . Zu diesenScholien enthält folgender daraus genommene Artikel des Suidas bedeutende Abweichungen. Ηλεκτρα . ἰδίως τὰ ταῖς κλίναις ἐπιβαλλόμενα οὕτως ἐκάλουν , ἠλέκτρας. ᾿Αριςοφ . ᾿Εκπιπτ. u. s . W. ᾿Ακολούθως μετὰ τὴν κλίνην ἐμνημόνευσε καὶ τοῦ τόνου. τόνος δὲ τῆς κλίνης τά σχοινία , τροπικῶς τάσιν . Αἱ γὰρ ἀρχαῖαι κλῖναι τοὺς πόδας εἶχον ὠφθαλμισμένους ἄνθραξι καὶ ἠλέκτροις , ὥσπερ νῦν ἀργ · ἢ καττ . ῾Αρμονίας δὲ τὰ συμπ . τῶν κραββάτων μέρη . ἐπέμεινε δὲ τῇ τροπῇ . Hiezu füge man sogleich diesen Artikel des Etym . Μ. Ηλέκτραι , πόλεις (Ι . πύλαι ) Θηβῶν. ἢ τὰ ἐν τοῖς κλινόπωσι τῶν σφιγγῶν ὄμματα . ἢ τῶν ἐν ταῖς κλίναις ποικιλλομένων. Die letzten Worte stehn im Genitiv , weil sie ein für sich bestehendes Glossem zu dem Worte leztowv in der Aristophanischen Stelle sind; das auch bei Photius v. ἠλέκτρων allein steht . in diesen - ― 348 1. Ueber das - durch das Zusammenstellen mit dem Silber und Zinn, und durch den Ausdruck nogahioμérovs , d. h. befestigt, fest gemacht, veranlasst werden , kézroois vom Metall zu verstehn. Aber recht erwogen zeigt gerade das on v hier eine Verschiedenheit des Gebrauchs an , wozu sich doch das „, ehemals Elektron itzt Silber oder Zinn," wenn jenes auch Metall ist, nicht eignen will. Denn wie lässt sich denken, daſs die Alten ihre Betten eigensinnigerweise unter den edeln Metallen nur mit Elektron, und die Spätern erst mit Silber beschlagen hätten ? Dagegen führen die avopaxes, d. h. Rubine oder ähnliche rothe Steine, auch für die damit verbundenen ExToo auf etwas edelsteinartiges. Endlich reicht uns ' Suidas in der hier unten in der Note angeführten Stelle statt nogahouérovs die Lesart æqvɑîmouérovs dar, welche auch Toup (ad Suid. v. qaλu. ) und Schneider für die allein richtige erkannt haben, und welche alles entscheidet , besonders wenn man sie noch mit der , ebenfalls hier unten angeführten Stelle des Etym. M. vergleicht, wo die ÿλɛxtpoɩ an den Bettpfosten durch Sphinx- Augen erklärt werden. Nur mufs man hieraus nicht den Miſsverstand schöpfen , als wären die Bettfüfse in Sphinx - Gestalt gewesen , und jene λɛxpo weiter nichts als die von Bernstein eingesetzten Augen Stellen ist eine arge Verwirrung der Formen τὰ ἤλεκτρα , αἱ ἠλέκ τραι und αἱ ἠλεκτροι . Von diesen ist jedoch das erste , da es mit der Aristophanischen Stelle unvereinbar ist, offenbarer Fehler, und ohne Zweifel ist im Scholion statt iɛzīgo aus Suidas zu schreiben lézīgus, und das Glossenwort des Suidas ist wie im Etymol. zu setzen ỷléxioa . Diese Form könnte man nun wirklich für die gangbar gewordne Benennung solcher Verzierungen ansehn : da denn im Aristoph. geschrieben werden müſste λɛxтo☎v. Allein dem widerspricht das ausdrückliche Sagutúros im Scholion : eben daraus erhellet aber auch , daſs wirklich ein Zwiespalt zwischen den Grammatikern war , und dafs die widersprechenden Glossen derselben hier, wie so oft, zusammengeflossen sind. Das diórɛg in den Worten des zweiten Grammatikers hat durchaus keinen Sinn, wenn wir es nicht auf das vorhergehende ἄνθραξι καὶ ἠλέκτροις , als auf Steine oder Gemmen beziehen. So lange wir also die Form λixiga für solchen Zierath nicht sonst woher kennen, muſs es bei der überlieferten Betonung des Textes, die von diesem Grammatiker nach richtiger Analogie begründet wird, bleiben. Elektron. 349 derselben : denn alsdann könnten solche exToo nur kleinund in geringer Anzahl gewesen sein , und hätten sich nicht als ein Hauptzierath des Bettes dargestellt , worauf des Aristophanes ἐκπιπτουσῶν τῶν ἠλέκτρων pafste . Vielmehr zeigen alle Glossen , namentlich auch die eine im Etym. und bei Photius (s. hier unten) , welche zrov ganz allgemein durch τῶν ἐν ταῖς κλίναις ποικιλλομένων erklärt, dafs exτooι nur noch ein Kunstausdruck für diese Zierathen war, den sie hatten , weil sie ursprünglich am gewöhnlichsten aus Bernstein gemacht waren ; gerade wie wir Perlen oder Korallen nennen alles was zum einfädeln eingerichtet ist. Doch der Scholiast hatte dies noch viel deutlicher gesagt, wie wir aus dem bei Suidas vollständiger aufbewahrten Satze sehen : ἰδίως τὰ ταῖς κλίναις ἐπιβαλλόμενα ἐλεφάντινα οὕτως ἐκάλουν , ἠλέκτρας : denn an der Echtheit des Worts lepártiva ist nicht zu zweifeln, da man nicht sieht , wie es hinein gekommen sein sollte , wohl aber , wie es im gewöhnlichen Scholion herausgefallen ist. In der durch das won võv bezeichneten Zeit waren also diese Zierathen bald von Elfenbein, wie der eine, bald von Metall , wie der andre Grammatiker berichtet, deren Noten hier zusammen geflossen sind. Aber , wie gesagt , auch der Ausdruck odahµíça ganz allein zeigt alles zur Genüge : ὠφθαλμισμένοι πόδες geht deutlich auf eine besondere Art der Verzierung : und sehr passend hat Toup die Stelle bei Apulejus Metam. 6. p. 185. verglichen, Bullis te multis aureis inoculatum velut stellis sidereis relucentem. Auf jenen Bettstellen waren es also Buckeln, die man wegen ihrer Gröfse und Rundung Sphinx - Augen nannte ; aber auch , weil sie ursprünglich von Bernstein gemacht waren, ἠλέκτρους éxtoous.. Auch versteht sich , dünkt mich , von selbst, dafs diese Verzierung nicht aufs Bette beschränkt war ; wiewohl sie bei diesem grofsen stattlichen Hauptgeräthe eines reichen Gemaches vorzugsweise genannt werden ; sondern dafs auch Stühle und andre Fahrnisse damit verherrlicht waren. Der Ausdruck in der Homerischen Stelle von Menelaos Hause , und der Glanz darin von schönen Metallen , von Bernstein und Elfenbein erhält nun eine gröfsere Bestimmtheit, und wir bekommen 350 1. Ueber das 1 ein deutlicheres Bild von der Ausschmückung eines solchen fürstlichen Gemaches, wie es den alten epischen Sängern vor der Seele stand. Nun kann also auch die Stelle in der Eigeoórn keine Schwierigkeit mehr machen : Αὐτὴ δ᾽ ἱξὸν ὑφαίνοι ἐπ᾿ ἠλέκο Tow Bẞavia. Der Ausdruck des letzten Verbi läfst durchaus keinen andern Sinn zu als den von stehen und treten ; und bekantlich webten die Alten jener Zeit nicht sitzend, sondern stehend und hin- und hergehend am Webebaum. Deutlich geht also aus der Stelle hervor , daſs bei einer grofs und schön gearbeiteten Webe - Maschine ein dazu gehöriger Fufstritt oder Boden war , worauf die Webende stand oder sich bewegte ; und dieser war also in einem vornehmen Weibergemach ebenfalls schön und reich verziert. Sich ihn ganz oder zum Theil von Metallen zu denken , ist nun lange so natürlich nicht ; und wenn wir es auch annehmen, so ist die bestimmte Erwähnung des Elektron - Metalles alsdann noch befremdender. Verbunden mit Gold, Silber, Erz, läſst sich dieses, Elektron zu Anhäufung und Abwechselung der Prachtnamen wohl denken ; aber wenn ein einziges edles Metall soll genannt werden , so bot sich der epischen Sprache nur Gold und Silber dar ; wie die Leser von Homer und Hesiod zur Genüge wissen ; und der Volkssänger würde also zu weit fühlbarerem Effekt ἐπὶ χρυσῷ βεβαυΐα gesagt haben : denn das Elektron war ja nicht etwas kostbareres oder ausgesuchteres , sondern vielmehr etwas geringeres als das Gold , in dessen Namen es aber mitbegriffen war. Denken wir uns aber das Holzwerk an der Maschine mit eingelegter Arbeit verziert, so konnte dem einfachen Dichter , der offenbar Reichthum und Glanz steigern will, nichts passenderes als kleine Felder oder Sphinx - Augen von Bernstein vor die Seele kommen: und obgleich es, so betrachtet, nicht einmal nöthig ward, dafs dergleichen Herrlichkeit wirklich existirt habe ; so wäre es doch auch eine wunderliche Sorge , wenn man fürchten wollte, dals der zarte oder mit weichen Socken versehene Fufs der in ihrem Gemach sich aufhaltenden vornehmen Frau , sol- Elektron. 351 chem Zierath hier mehr geschadet haben sollte, als an andern Geräthen ihre Hand und ihr übriger Körper. Wenn wir also so deutlich den Bernstein als eine Hauptzierde in jenen alterthümlichen Zeiten, und zwar an allerlei gröfserm Geräthe sehn ; wenn wir mit solcher Gewifsheit anerkennen , dafs , wo das Elektron, sonst in der epischen Poesie vorkommt, es den Bernstein bedeutet : so ist schwer anzunehmen, dafs dasselbe Wort anf dem göttlichen Schilde des Herakles etwas anders bezeichne ; und da, wie schon gesagt , die Nachbarschaft des Gipses oder Schmelzes und des Elfenbeins zeigt , dafs der Dichter auf die Gebrechlichkeit des Materials keine Rücksicht genommen, so ist auch die einzige Ursach vernichtet, weswegen man an dieser Stelle von der Bedeutung der übrigen abweichen sollte. Ueberhaupt mfs man ja nicht vergessen, daſs man einen poetischen Schild vor Augen hat. Wie will man sich überhaupt die feine aus unendlich vielen kleinen Figuren bestehende Bildarbeit, die uns Homer und Hesiod auf den Schilden ihrer Helden beschreiben , mit den ungeheuren Stöfsen und Hieben vereinigen , welche eben dieselben darauf führen lassen ? Sieht man nicht, dafs die Werkstatt des Dichters weit sorgloser verfährt als die eines Schmids ? Soll aber der Dichter durchaus für alles sorgen, nun wohl, so haben wir einen Gesichtspunkt, aus welchem alles gesichert und unverwüstlich erscheint. Nicht irdische Arbeit war ja jener Schild des Alkiden, sondern Hefästos Zauberwerk, worauf noch ganz andre Wunder zu sehn waren ; s. V. 219. Daher kann. der Dichter seiner Fantasie sich gänzlich überlassen, und alles was ihm schön und herrlich ist , zu diesem , wie zu allen andern Kunstwerken anwenden , sicher , dafs der Gott das Material, bei dessen Behandlung der Mensch etwas beengt ist, zu erweichen und zu härten versteht, wie die übrigen Stoffe, um einen übernatürlich widerstehenden Schild zu bilden : V. 139. οὐδέ τις αὐτὸ Οὔτ᾽ ἔῤῥηξε βαλὼν οὔτ᾽ ἔθλασε, θαῦμα ἰδέσθαι. Das aber ist sehr wahrscheinlich, dafs Virgil der, wie wir aus Plinius sehn , schon alten Meinung, das Elektron der Epiker sei zum Theil we- 352 1. Ueber das nigstens Metall , folgte , und deswegen seinen Vulkan zu Aeneas Waffen sich dessen bedienen liefs. Indessen will ich auch eine Ansicht nicht unterdrücken, mittelst welcher, wer sich dazu veranlafst sehn sollte, alles vereinigen kann. Der Bernstein und das ihm ähnlich glänzende Metall können , so widersinnig uns auch das klingen mag, für einerlei gegolten haben. Nehmlich in jener Zeit einfacher Erfahrungskenntnisse konnten Dinge für einerlei gelten, die in gewissen für die Sinne und den Gebrauch wesentlicheren Eigenschaften überein kamen, während sie in andern, die dann aber für Nebenumstände galten, sehr verschieden waren. Am Bernstein überhaupt erinnerte alles an das Gold , die gelbe Farbe , der herrliche Glanz , die grofse Kostbarkeit. Wenn Dionysius in seiner Weltbeschreibung sagt (V. 494.) 4áxov άμégorτα χρυσαυγέος ἠλέκτροιο , so bemerkt Eustathius in seinem Kommentar , das sei hier nicht das Metall exтoov , son- - dern ein goldähnlicher Stein , λίθος δέ τις χρυσοειδής , und beschreibt nun den Bernstein ; und Hesychius hat beim Worte Ηλεκτρος die Erklärung μέταλλον χρυσίζον mit dem Zusatz , man sage es seien die Thränen der Heliaden. Philostratus , ein freilich etwas gezierter Schriftsteller, trägt daher kein Bedenken , die Bernstein - Thränen jener mythischen Pappeln Gold zu nennen, wenn er in Vit. Apollon. 1, 5. schreibt, λɛíßɛovaι xovoợ tùy ýliúða aïyuqor, und in den Iconib. 1 , 11. bei der Schilderung der allmählichen Verwandelung der Heliaden sagt, τὰ δάκρυα – χρυσὸς ἤδη . So kann ich mich also nicht mehr wundern, wenn ich von andern den Bernstein geradehin für eine Art Gold erklärt sehe. Bei allen Lexikographen finden wir die Glosse ἤλεκτρον , ἀλλότυπον χρυσίον , d. h. Gold in andrer Gestalt: und damit man dies nicht etwa auf das Metall Elektron ziehe (wiewohl der Ausdruck aλórunov auf die blässere Farbe schwerlich gezogen werden kann) , so ist bei einigen , namentlich bei Suidas , die vollständigere Glosse , ἀλλότυπον χρυσίον μεμιγμένον ὑέλῳ καὶ λιθίοις oder vig. Nehmlich durch solche Zumischung anderer Naturen , gleichsam als durch eine Art Vererzung , erklärte man sich die von dem wirklichen Metall abweichenden, dem Elektro n. 353 dem unwissenschaftlichem Menschen zufälligen Eigenschaften, wie die Gebrechlichkeit, die Leichtigkeit , die Durchsichtigkeit. Eine solche Ansicht kann von jeher bestanden haben; und so ist es wohl denkbar , dafs man jenes hellergelbe Gold schon früh als dem Bernstein noch näher verwandt oder wesentlicher einerlei angesehn, und daher mit demselben Namen benannt habe. Merkwürdig ist, wie die Ausdrücke eines übrigens sehr sachkundigen Mannes, des Pausanias, noch ganz von der Art sind, dafs man sieht, Bernstein und das metallische Elektron waren ihm nur verschiedne Formen und Arten desselben Stoffes. Im 5. Buche , Kap. 12. , nachdem er eine Bildseule des Augustus von Elektron genannt, fügt er hinzu : Tò δὲ ἤλεκτρον τοῦτο , οὗ τῷ Αὐγούςῳ πεποίηνται τὴν εἰκόνα , ὅσον μὲν αὐτόματον ἐν τοῦ ᾿Ηριδανοῦ ταῖς ψάμμοις εὑρίσκεται, σπανίζεται τὰ μάλιςα καὶ ἀνθρώπῳ τίμιον πολλῶν ἐςιν ἕνεκα , τὸ δὲ ἄλλο ἤλεκτρον ἀναμεμιγμένος ἐξὶν ἀργύρῳ χρυσός. Nehmlich bei Gelegenheit jenes Standbildes, das wol ohne Zweifel von dem Metall Elektron gemacht war, gibt er eine kurze Notiz vom Elektron überhaupt , und drückt sich so aus : ,Von diesem Elektron , wovon das Bild des Augustus gemacht ist, gibt es zwei Arten, die eine (und nun bezeichnet er den Bernstein) ist sehr selten und kostbar, die andre ist eine Mischung von Gold und Silber." Möglich also , dafs diese Vermengung der Gegenstände schon bei jenen ältesten Dichtern statt gefunden, und dafs Hesiod also bei seinem Schild an diese metallische Form des Bernsteins gedacht habe : aber wirkliche Spuren sind nicht davon da. Auf jeden Fall aber bleibt das fest, dafs die Idee des Bernsteins bei allen jenen epischen Stellen in der Seele des Dichters war. Dies Resultat nun , daſs unter exτoov ursprünglich und in der altepischen Zeit einzig der Bernstein verstanden ward, getraue ich mir auch durch die Etymologie des Wortes zu bestätigen. Daſs man etymologischen Trost bei den Alten selbst, sobald sie nicht eine historische Thatsache mehr wissen als wir, nicht holen dürfe, ist anerkannt, und die Ursach klar, ohne ihnen zur Unehre zu gereichen. Zur Sprachforschung auch in der MutterspraII. Z 354 1. Ueber das che gehört durchaus eine Vielseitigkeit von Sprachkenntnifs, aus welcher allgemeine Normen sich abstrahiren lassen, die aber zur Bildung eines griechischen Gelehrten, der nicht etwa bei Erlernung einer fremden Sprache einen bestimmten Zweck hatte , durchaus nicht gehörte ; während bei uns die Kenntnifs von wenigstens zwei alten und zwei neuen Sprachen die Grundlage aller wissenschaftlichen Bildung ist. Die Entstehung eines Namens, wie exroor, lag entweder mit der Sache selbst im Auslande, oder in einem hohen Alterthume, wo die Sprache noch Wortformen hatte, die späterhin verschwunden waren, und die aus ihren Spuren auszumitteln der griechische Sprachforscher, aus den erwähnten Gründen, das Geschick nicht haben konnte. Ohne die ganz abgeschmackten Versuche der Grammatiker , die man im Etymologikon nachsehn kann, zu berühren, erwähne ich nur zwei Ableitungen, die einige Haltbarkeit oder doch Gangbarkeit haben. Der nahe Anklang des Wortes an den Namen λextwo, welchen der Sonnengott bei Homer und andern führt, mufste bei der Verfahrungsart alter Sprachforscher nothwendig überwiegen und fast zu gewisser Ueberzeugung führen * ) ; nicht eben wegen des mythischen Ursprungs, da der Bernstein von den Sonnentöchtern kommt ; sondern wegen des physischen Sinnes, der auch in diesem Mythos liegt , nehmlich der Aehnlichkeit des goldgelben Glanzes mit der Sonne. Aber dieser Sonnen - Name ist nur ein poetischer, der weder im gewöhnlichen Leben gehört ward, noch auch, wie z. B. Þoïßos, von dem Glanze der Sonne entnommen war. Es ist also nach gesunden Sprachbegriffen durchaus nicht anzunehmen, dafs ein Gegenstand des täglichen Lebens davon seinen Namen erhalten habe. Nach einem andern, diesem gerade entgegengesetzten Verfahren, wird das Wort abgeleitet von λos, welches einen Nagel und insbesondere eine Buckel bedeutet. An sich ist es auch sehr analog, dafs ein Material von dem Gegenstand, der am häufigsten daraus gemacht ist, und in dessen Gestalt es also am ge-

  • ) S. Plin. 37, 2. Schol. Eurip. Hipp. 736.

Elektro n. 355 • wöhnlichsten erscheint, seinen Namen hat. Ja das Wort Léxτoov spielte sogar hinein. Aber die Sprache widersteht jedem Versuch, diese beiden Wörter zu solchem Sinn so zusammen zu setzen , dafs hɛztQov daraus entstehn konnte *), oder auch dieses Wort durch blofse Verlängerung ausos entstehn zu lassen. Ich hoffe dagegen den Sprachkenner leicht zu überzeugen, dafs der Name xtoov von xav ziehen kommt **). Die anziehende Kraft mufste bei dem so häufig durch den menschlichen Körper erwärmten Gegenstand mit der ersten Bekantschaft sich nicht nur darthun, sondern sogleich auch die vorzügliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wir finden daher diesen Umstand nicht nur bei den Grammatikern erwähnt ; s. die Worte des Etym. M. hier unten in der Note ; Eustath. ad Dionys. Perieg. 294. ou nai λάβαι μαχαίραις γίνονται ἀχύρων ἐφελκυσικαὶ ὡς ἡ μαγνῆτις adhoov: sondern es hatte auch schon der ältesten Philosophen Beobachtung gereizt. Die Stelle des Plato Tim. p. 80. c. καὶ τὰ θαυμαζόμενα ἠλέκτρων πέρι τῆς ἕλξεως καὶ τῶν ῾Ηρακλείων λίθων, πάντων τούτων ὁλκὴ μὲν οὐκ ἔςιν οὐδενί ποτε, ist noch besonders wichtig, weil der Ausdruck τὰ Davμalóueva den Eindruck dieser Erscheinung auf den einfacheren Menschen zeigt, und weil die Worte is und

  • ) Nehmlich λólɛxrços, woraus dies Wort dann verkürzt wäre,

ist zwar eine richtige Form der Zusammensetzung, aber durchaus nicht zu dem Sinne Bettnagel, Bettbeschlag.

    • ) In Nemnichs naturhistor. Wörterbuch unter Succinum finde

ich für electrum, nach Erwähnung der Ableitung von Elector mit Plinius Worten, angeführt: „ bei andern quod confrictum , calefactum ad se trahat paleas aliasque res minutas." Woher diese lateinischen Worte genommen sind, weifs ich nicht, so wie mir Nemnich nicht gewufst zu haben scheint, wie auf diesem Wege der Name electrum entstanden sein soll ; denn er setzt weiter nichts hinzu. Man sollte denken, es beziehe sich auf die hier vorgetragene Ableitung von xew : da ich diese aber sonst nirgend finde, so vermuthe ich, dafs es eine unvollständige Anführung ist, die zur ersten Quelle die Worte im Etym. M. hat, womit die unstatthafte Ableitung παρὰ τὸ ἑλεῖν τὰ ἐκτός dort begründet wird : τριβόμενον γὰρ ἁρπάζει τὰ πελάζοντα φρύγανα . Z 2 356 1. Ueber das ὁλκή das Verbum ἕλκειν als das eigentliche Wort dafür darstellen. Zum Ueberflufs gibt uns noch die Notiz, welche Diogenes Laertius 1, 24. aus dem Aristoteles uns aufbewahrt hat , dafs Thales durch den Bernstein und den Magnet veranlasst , auch leblosen Dingen eine Seele beigelegt habe, einen historischen Beweis vom hohen Alter dieser physischen Beobachtung. Was Ich erkenne also in hextoov das der Endung nach völlig analoge Verbale vom Verbo λzav, dessen ganz genaue aber auch zu harte Form sein würde λxtoov, der Zieher , der Zugstein. Die Wandelbarkeit des Spiritus wird so wenig befremden , dafs sie vielmehr durch Vergleichung von ἥλιος ἠέλιος, ἡμέρα ἦμαρ und einer Menge andrer, gerade in einem alten, und gewiſs mit dem Gegenstand zunächst von Ionien aus nach Griechenland gekommenen , Worte gewissermafsen analog_ist *). aber die Eindrängung des ε betrifft , so könnte ich zwar nach gewöhnlichem grammatischen Verfahren schon allein mit der Bemerkung , dafs dadurch die Härte der vielen zusammentretenden Konsonanten vermieden werde , ausreichen: allein eine bestimmtere und durch viele Fälle durchgehende Analogie gibt noch grössere Befriedigung. Ich habe diese an andern Orten schon dargelegt **), erlaube mir aber hier noch einige anderweite Begründung. In dem bekanteren Sprachen - Kreis herschen für die Ableitung der Wörter und Formen zwei Haupt - Principe, die Beweglichkeit der Vokale, und die Hinzufügung neuer Silben. Vermöge des ersten Princips stehn die Konsonanten des Wortstamms fest , und zur Bezeichnung der verschiednen Begriffe verändern die Vokale sich theils, theils treten sie ein und aus. Dies Princip ist bekantlich das vorherschende in den aramäischen Sprachen, und hat sich dort dahin ausgebildet , dafs meist drei oder zwei Konsonanten sich allein als Wurzel einer Wort- Familie

  • ) Vergl. noch von demselben Stamm, aufser den weiterhin

folgenden Analogien, das Wort dlxaía der Schwanz, statt des ebenfalls üblichen ὁλκαία .

    • ) Lexil. 15, 2. 28, 2. Gr. Gramm. §. 99, 12, 1 .

Elektron. 357 darthun, zwischen welchen die Vokale auf erwähnte Art sich, wandeln. Die europäischen Sprachen hingegen bildeten das System der Hinzufügung aus, hauptsächlich in Endungen; wovon eine natürliche Folge war , dafs der Stamm gleichförmiger werden musste und folglich meist Eine Gestaltung desselben sich befestigte ; so jedoch, daſs aus dem ersteren Princip in mehren disseitigen Sprachen, besonders der griechischen und deutschen, noch ein Umlaut blieb , z. Β. βάλλω , βέλος , βολή (denn un die Töne a, e, o dreht sich der europäische Umlaut grofsentheils herum) der sich in der Wortbildung und Biegung zum Theil ziemlich geregelt hat. Das Aus- oder Eintreten der Vokale aber ist als feste und regelmässige Biegungsform verschwunden, doch so, dafs es in einzelen Fällen noch als unregelmässige Wandelung sich erhalten hat, wie in πέλω ἔπλε , πέτομαι πτέσθαι πτῆσις, ἀλέγω ἄλγος, ὀρέγω ὀρόγυια und ὀργυιά , ὀφείλω ὄφλω , ἐγείρω ἔγρεσθαι , ἀλκή ἀλαλκεῖν ἀλέξασθαι. Mit allen diesen , ama nächsten aber mit dem letzten, kommt überein der Stamm Exco, wenn wir zwischen λ und x das eintreten lassen, um exτOOV davon abzuleiten. Wobei denn allerdings die richtige Darstellung ist, dafs der Euphonismus dieses hier erhalten hat. Nehmlich wenn es von jeher unmöglich gewesen wäre, die Konsonanten in der Wurzel xoo zu trennen, so würde, um die Härte der Form 2xToov zu mildern, nach einer späteren Analogie xnroov daraus gemacht worden sein ; mit Voraussetzung aber jener ursprünglichen Trennbarkeit war dies nicht nöthig , sondern statt xToov erhielt sich nun auf ionischem Wege die Form ἤλεκτρον. • Damit dies aber nicht als reine Spekulation auftrete, so werde ich die eben so gestaltete Wurzel auch noch in zwei andern Ableitungen von zw nachweisen. Käme das griechische Wort, das eine Furche bedeutet, bloſs in der Form λ vor, so würde es sich als eine Ableitung von xo sogleich dargeboten haben, und die Wandelbarkeit des Spiritus, wie in so viel andern Fällen, würde iofs angemerkt worden sein. So aber erscheint dies als eine Zusammenziehung aus den Formen lag oder ho§, 358 1. Ueber das welche als alte Nebenformen der gangbaren Form avlag bekant sind. Nach meiner Darstellung sind aber a ὡλαξ, ἄλοξ sämtlich durch Umlaut entstanden aus derselben Wurzel xco mit und ohne eintretenden Vokal *). Das andre Wort ist ἠλακάτη. Aber auch über dieses müssen wir erst einige gewöhnliche Darstellungen erör tern. Vielfältig findet man dies Wort von der Spindel gefafst, während doch die Lexika und die Erklärungen der Grammatiker, wo sie deutlich sprechen, den Rocken zu erkennen geben. Und so kommt das Wort in Verwirrung mit dem Worte άroantos , welches , soviel ich weifs , nie anders als von der Spindel verstanden wird. Hiezu kommt von beiden Wörtern ein poetischer Gebrauch. "Aroantos wird nehmlich sehr oft vom Pfeil gebraucht: dasselbe nimt man auch an von Laxárn und erklärt dadurch das homerische Beiwort der Artemis zovonλάκατος. Gewisser ist, dafs ήλακάτη auch von einem Rohr und einem Halm gebraucht ward : man sehe Hesychius und Schneider. Hierauf gründet man nun eine Vorstellung, die sehr viel für sich zu haben scheint, daſs nehmlich beide Wörter eigentlich ein Rohr, dann das daraus verfertigte, nehmlich den Pfeil und die Spindel oder den Rocken bedeute. Von diesen Angaben müssen wir indessen beseitigen was keine Haltbarkeit hat. Daſs man das Beiwort der Artemis, noch dazu in seiner gewöhnlichen Verbindung χρυσηλάκατος κελαδεινή , am liebsten von den Pfeilen fafste, war sehr natürlich ; aber es ist doch schon auffallend , dafs haxárn aufserdem nirgend in der alten Poesie von Pfeilen gebraucht wird , und mehr als auffallend, dafs Homer , der das einfache Wort so oft und so fest von der Spinnarbeit braucht, in diesem Composito vom Pfeile wolle verstanden, sein. Also beachte man wohl Pindars Gebrauch, der dasselbe Beiwort der Amphitrite, den Nereiden und der Leto gibt. Pindar gehört nicht in die Zeit und unter die Dichter, deren Ausdrücke durch plumpen Misverstand der Homerischen so leicht zu erkläDafs die Form aulas aus dem Digamma entstanden sei, habe ich wahrscheinlich gemacht im Lexilogus 59, 4. Elektro n. 359 2. ren wären. Es geht also deutlich hervor, dafs povoŋkanatos überhaupt ein Beiwort von Göttinnen war, und, von haxáty in seiner gewöhnlichen Bedeutung, die weibliche, so wie etwa оxηnτоuxos die männliche Würde bezeichnete. Dafs aber bei Homer nur Artemis dies allen Göttinnen gemeinsame Beiwort hat (sie hat es denn doch nur dreimal) , das erklärt sich, so wie der ähnliche Fall mit manchem andern Homerischen Beiwort , hinreichend aus dem Versbau und aus dem Vorgang alter gangbarer Volksgesänge, wodurch solche Beiwörter allmählich auch ohne innere Nothwendigkeit feste Beiwörter wurden. Auf jeden Fall dünkt mich kein verwerflicher Belag für diese Erklärung des Beiwortes xovoŋházatos die Stelle in der Odyssee 8, 122 ff. Dort heifst es , Helena sei aus ihrem Gemach gekommen ᾿Αρτέμιδι χρυσηλακάτῳ εἰκυῖα und sogleich wird beschrieben, wie ihr die Sklavinnen ihr Spinngeräthe hinstellten , mit der ausführlichen Erwähnung, dafs die thebäische Königin ihr solches, nehmlich Xovoέnv τ᾽ ἠλακάτην τάλαρόν θ᾽ ὑπόκυκλον , geschenkt habe. Auf der andern Seite ist von άτoαxtos keine Spur, dafs es jemals das Rohr geheifsen habe, und den Pfeil bezeichnet es nur in einigen ganz poetischen, tragischen und lyrischen Stellen, die also nur durch die eine alte Uebertragung, von einem dünnen und länglichen an beiden Enden dickeren Gegenstand auf den andern, hinreichend begründet sind. 'Haxárη aber ist wirklich vom Rohr und Halm gebraucht worden; dies sagen die alten Lexikographen ganz bestimmt und zwar vom Schilf und vom Getreide ; wiewohl sie es nur mit einer Stelle des Aeschylus belegen, der noλunkánatos als Beiwort der Stromufer brauchte (Schol. Victor. ad Il. л, 183. ap. Heyn. p. 784. Hesych. in der zweiten Glosse 'Hλaxáτn) ; aber es findet sich auch noch in diesem Sinn bei Theophrast. hist. pl. 2, 2. , wo die Schäfte des Rohrs zwischen den Knoten λanátai genannt werden. Gegen die hierauf sich gründende Annahme, dafs das Spinngeräthe von dem Rohre seinen Namen habe, erheben sich mir indessen mehre Zweifel, wovon der bedeutendste der Homerische Gebrauch ist. Bei diesem nehmlich sind 360 1. Ueber das • zwei Wortformen ἡ ἠλακάτη und τὰ ἠλάκατα , die wir genauer betrachten müssen. Die erste wird deutlich als der Rocken beschrieben Od. 8, 135. auτào in auto (nehmlich dem Korbe ) ᾿Ηλακάτη τετάνυστο ἰοδνεφὲς εἶρος ἔχουσα , Wiewohl Vofs dies von einer horizontalen Spindel versteht, welche über dem Korb hingestreckt gewesen. Unter den Beweisen für unsere Ansicht aber will ich zuförderst als die anschaulichste die Uebertragung auf eine ganz andere Geräthschaft anführen ; nehmlich auf das Mast- und Segelwerk. Auch hier wird von Pollux und andern eine άτoαxtos, Spindel, und eine laxáτn genannt, beide oben auf und über der Segelstange befindlich ; und zwar sagt ein Schriftsteller bei Athenäus 11. p. 475. a. , es sei der Theil des Masts , der über dem θωράκιον rage εἰς ὕψος ἀνήκουσα καὶ ὀξεῖα γιγνομένη , und so auch der Scholiast des Apollonius 1 , 565. aus Eratosthenes hazáτn dè kéyetai τὸ λεπτότατον καὶ ἀκρότατον μέρος τοῦ ἱςοῦ : eine Beschreibung, die durchaus nur an den aufrechtstehenden Rocken mahnen kann : und dieser war also über dem Spinnkorbe der Helena aufgerichtet. Vergleichen wir hiemit die Stelle des Plato im 10. Buche des Staats (p. 616.), wo er seine symbolische Spindel der Nothwendigkeit oder des Weltalls beschreibt ; so nennt er diese άroaxtos, und unterscheidet davon, aber als dazu gehörige Theile, die haκάτη und den Wirbel, σφόνδυλος, in folgenden Worten , ἐκ dèδὲ τῶν ἄκρων τεταμένον ᾿Ανάγκης ἄτρακτον -, οὗ τὴν μὲν ἠλακάτην τε καὶ τὸ ἄγκιςρον εἶναι ἐξ ἀδάμαντος, τὸν δὲ σφόνδυλον μετὸν ἔκ τε τούτου καὶ ἄλλων γενῶν : alsd die von oben herab sich streckende Spindel ; deren λaxátŋ nebst dem Haken aus unzerstörbarem Metall, der Wirbel aber aus diesem und andern Stoffen gemischt." Im Verfolg beschreibt er nun den besondern Mechanismus seines Wirbels, der sich von dem der Wirklichkeit darin unterscheide , dafs dieser nur einfach sei , seiner aber aus acht in einander gefugten Wirbeln bestehe ; wovon das genauere nicht hieher gehört : da er indefs alle von unten nach oben aneinander reiht ; denn er sagt, jeder Wirbel habe · den hohlen Rand, worin der folgende sich einfuge, nach oben ; und da er sie alle eine Art Rückgrat bilden läſst, Elektron. 361 - um die maxárn; so sehn wir deutlich , dafs dies Bild entnommen ist von der senkrechten Spindel, deren unterer Theil auf einem Wirbel auf- , und mit diesem um eine und dieselbe Axe oder Spille herumliegt. Die Fortsetzung solcher Spille nach oben bildete also den Rocken ; so dafs es im Scholion zu Il. л, 183. ganz richtig heifst ἠλακάτην γὰρ καλοῦσιν — τὸ γυναικεῖον ἐργαλεῖον ἐξ οὗ τὸ où νῆμα ἑλκουσιν. Aus dieser Darstellung erklärt sich nun die wirklich hie und da vorkommende scheinbare Verwechselung der λaxárη mit der Spindel, da sie ein wesentlicher Theil derselben ist , und als Spille nebst der darum sich drehenden Rolle wirklich die Spindel bildet : dahingegen keine Stelle ist, wo άtqantoç so vorkäme, daſs man es für den Rocken halten könnte. Wohl aber können beide Namen jedes gleich gut für das ganze SpinnWerkzeug stehn, da das Ganze in seinen Haupttheilen eine Spindel darstellt. Und so haben wir wirklich in der Homerischen Stelle die anúτn allein genannt gesehns und eben so ist sie in dem bekanten Theokritischen Gedicht zu fassen, dessen Gegenstand man irreführend einen Rocken nennen würde, da es vielmehr ein zierlich gearbeitetes Spinnwerkzeug ist , das man im Deutschen mit Einem Namen nur Spindel nennen kann. Bei Plato hingegen und im Pollux ( 4. Kap. 28. ) steht als Hauptname des Ganzen, aτoaxtos. Anderswo sind beide Wörter als die zwei Haupttheile vereint. Leonid. Tar. 78. (Anthol. Cephal. 7, 726.) Καί τε πρὸς ἠλακάτην καὶ τὸν συνέριθον ἄτρακτον Ἤεισεν. Die andre Homerische Form ist τὰ ἠλάκατα . Man hat diese vielfältig mit jener für ganz einerlei gehalten. Andere hingegen ( s. Hesych. ) nahmen laxátŋ für den Rocken, aber và háxata für die Spindel , weil nehmlich diese Form wirklich stets mit dem Verbo 500¶αv, 5009αLisav verbunden ist. Dafs dies nicht haltbar ist, fühlt der Sprachkenner von selbst, und zugleich die Richtigkeit der Erklärung, die ja wol auch itzt die angenommene ist, und sich aus dem Beiwort λεπτὰ Od. p, 97. — λέπτ᾽ ἠλάκατα 5000900 klar ergibt , nehmlich dafs λázata die Fäden, das Gespinnst bedeutet , das ja eben auf der Spindel he- - 362 1. Ueber das • rumgedreht wird. Aber hiemit ist nun auch ganz unvereinbar die Annahme, dafs λaxárη ursprünglich das Rohr bedeute. Denn alsdann müíste für den Begriff des Spinnens lazárη das Stammwort sein , und rà λázarα davon herkommen, welches für jeden, der Sinn für Analogie hat, unmöglich ist. Vielmehr ist gewifs, dafs von diesen beiden Wörtern keins vom andern herkommen kann, sondern dafs sie von einem gemeinsamen Stamm abgeleitet sind. Und diesen gibt uns das Verbum zw nach der oben aufgestellten Analogie ; denn der Rocken ist, wie wir gesehn haben, das Werkzeug où tò võμa hovor, und die Fäden sind tà éλxóuɛva. Sehr gewöhnlich ist aber, dafs Gegenstände der Natur nach ihrer Aehnlichkeit mit Gegenständen des häuslichen Lebens benannt werden ; und so ist es sehr natürlich, dafs schon in sehr alter Zeit der zwischen zwei Knoten befindliche Theil eines Halmns mit einer Spindel oder Spille verglichen und danach benannt ward *) . Stellen wir nun alles etymologische aus dem bisherigen zusammen, so würde, nach der gangbaren Form des Verbi xo und nach den Bedeutungen , es der strengsten Analogie gemäfs sein, wenn eine Furche olt, gesponnene Füden ἑλκτά , der Rocken ἑλκτή , und der Bernstein ἕλκToor hiefse : es ist gewifs keine geringe Bestätigung unserer Annahme , dafs die an deren Stelle getretenen Formen unter sich selbst wieder eine so strenge Analogie darbieten: denn statt og finden wir unter andern λag, statt ἑλκτά und ἑλκτή ἠλάκατα und ἠλακάτη **) , und statt ἕλκτρον ἤλεκτρον. Ich schliefse mit der Bemerkung, dafs die Benennung des Bernsteins von der Erscheinung des Anziehens auch in andern Sprachen vielfältig erscheint. Die heutige französische Trivialbenennung tire-paille hat Sacy schon mit der orientalischen, Karuba, verglichen, welches im Persi-

  • ) Man vergleiche den ähnlichen Fall mit dem deutschen

Wort Spule, Federspule.

    • ) Nach einer andern Aussprache auch ohne Umlaut žlezáry,

s. Hesych. >I Elektron. .363 schen buchstäblich Strohräuber heifst. Der zweite Theil dieses Namens, ruba Räuber, stimmt, wie so viel andre persische Wörter , mit der germanischen Wurzel gleicher Bedeutung überein ; und dadurch wird es sehr wahrscheinlich, dafs der Name raf, rav, den der Bernstein in den nordgermanischen Sprachen führt , ebenfalls zu der Wurzel raffen, rauben gehört ; womit man wieder vergleiche die Notiz aus dem Orient bei Plinius 37, 2., wo Niceas vom Bernstein erzählt , in Syria quoque feminas verticillos inde facere et vocare harpaga, quia folia et paleas vestiumque fimbrias trahit. Für das deutsche Bernstein weifs ich keine andre Ableitung als die angenommenste von beren, bernen, d. i. brennen, benutze aber diese Gelegenheit, um nach Gesner nochmals aufmerksam zu mȧchen auf die Uebereinstimmung dieses deutschen Namens mit dem später griechischen für dasselbe Material Begovín, βερνίκη und βήρυλλος, welcher letzte echtgriechische Name eines bekanten Edelsteins durch Aehnlichkeit der Laute im Munde des gemeinen Mannes diese andre Bedeutung annahm. S. Eustath. zur Stelle Od. 8. und Salmas. ad Solin. p. 1106. Möglich dafs der Name durch deutsche Franken nach Griechenland gekommen ist : aber sichereres ist noch zu wünschen *).

  • ) Ist es damit richtig, so ist wol auch die Ableitung des ital.

vernice, franz. vernis, Firnis von diesem Beovian, und folglich von Bernstein die wahre. Lächerlich ist Adelungs Verstofs , Firnis komme vom lateinischen" vernix , da dies neulateinische Wort vielmehr aus jenem italienisch - französischen geprägt ist. 1 364 2. Horaz und Horaz und Nicht - Horaz. Jam satis terris nivis atque dirae Grandinis misit pater, et rubente Dextera sacras jaculatus arces, Terruit urbem : Terruit gentes, grave ne rediret Saeculum Pyrrhae, nova monstra questae : Omne cum Proteus pecus egit altos Visere montes. Vidimus flavum Tiberim, retortis Litore Etrusco violenter undis, Ire dejectum monumenta regis Templaque Vestae. u. S. W. So fing diese Ode (I, 2.) vor alters an; und nur die leichte Fügsamkeit des strophischen Metrums hat gemacht, dafs wir nun diesen Einschritt, worauf das Gedicht bis dahin stolz war , geschwellt lesen , indem nach dem achten Vers in allen Handschriften ohne Ausnahme folgende vier Verse eingeschaltet sind : Piscium et summa genus haesit ulmo, Nota quae sedes fuerat columbis : Et superjecto pavidae natarunt Aequore damae. Vidimus flavum etc. Bei den verschiedensten Urtheilen, die über Horaz haupt- Nicht - Hora z. 365 be sächlich in neueren Zeiten laut geworden sind , ist nur Eine Stimme über dessen Dichtersprache , welche ihm selbst von den geringer über ihn im ganzen urtheilenden in dem Maafse zugesprochen wird, dafs sie selbst das Lob des Dichtertalents, welches sie ihm schmälern, einer Täuschung zuschreiben, indem man Dichtersprache mit eigentlichem Dichterverdienst verwechsele. Denn nicht für das Ohr allein ist diese gewählte horazische Sprache , sondern das Lob, das ihr gebührt , ist ein sinnvolleres, nicht blofs Klänge , sondern Ausdruck und Ideen umfassendes. Ein Dichter dieser Art konnte die Beschreibung der Deukalionischen Flut nur durch die grofse Schilderung von den auf den Bergen treibenden Seethieren darstellen. Auf jeden Fall, wenn sie so dargestellt war , so konnte darauf nicht eine kleinliche und empfindsame Schilderung folgen; noch weniger eine von den Robben auf den Bergen zu den Fischen in den Ulmen herabsteigende. Hat man dies Einmal erwogen, so sieht man sogleich als schlagende Wahrheit ein, dafs die Verse , welche diesen Zusatz enthalten , von dem ersten Dichter nicht sind : dieses ist so gewifs , dafs es eines äuſseren Beweises gar nicht mehr bedarf. Nur der Einwurf ist bedeutend , daſs bei einem Schriftsteller , der von jeher zu den allergelesensten gehörte, eine solche Unterschiebung kaum denkbar sei. So schlagend diese Einwendung scheint , so wird sie doch allein dadurch beseitigt, dafs nicht nur so viele notorische Irrungen in seinen Handschriften die Wahrheit ganz verwischt haben , sondern namentlich auch andere Einschaltungen dieser Art ganz aufser allem Zweifel sind. Oder wer wollte heut zu Tage noch glauben , dafs Horaz ein kleines Gedicht, wie folgendes an den Lamia (III, 17.): - Aeli, vetusto nobilis ab Lamo Qui Formiarum moenia dicitur, Princeps, et innantem Maricae Litoribus tenuisse Lirim, Late tyrannus : cras foliis nemus Multis et alga litus inutili Demissa tempestas ab Euro Sternet, aquae nisi fallit augur 366 2. Horaz und Annosa cornix. Dum potis, aridum Compone lignum: cras genium mero ·Curabis, et porco bimestri, Cum famulis operum solutis. durch Einschaltung dieser vier Verse nach den ersten geschwellt habe ? Quando et priores hinc Lamias ferunt Denominatos: et nepotum Per memores genus omne fastos·· Auctore ab illo ducit originem. Oder dafs er in der hohen Ode (IV, 4.) Qualem ministrum fulminis alitem, in dieser Strophe : Videre Rhaetis bella sub Alpibus Drusum gerentem Vindelici : et diu Lateque victrices catervae 1 . : Consiliis juvenis revictae: gleich nach dem Worte Vindelici die Erwähnung dieses Volkes durch folgende Verse so tief heruntergedrückt, und durch sed, anstatt et, verschmiert habe? quibus Mos unde deductus per omne Tempus Amazonia securi Dextras obarmet, quaerere distuli : Nec scire fas est omnia: sed diu u. s. w. Ich habe diese beiden sehr bekanten und längst ebenso beurtheilten Stellen noch einmal ausführlich hergesetzt , damit sie , wenn auch nicht zur Antwort auf die Frage dienen , wie einem solchen Dichter so viel Verse hätten untergeschoben werden können, dennoch jedermann den Beweis an die Hand geben , dafs es geschehen ist. Denn die Entwickelung des Zufalles , wie gerade an dieselben Stellen der Strophe, Anfang und Schlufs eines so saftlosen Einschubs falle, überlassen wir gern denen, welche sich bisher schon damit beschäftigt haben. Und hiemit vergleiche man nun den Umstand , dafs auch in unserer erst angeführten Ode die besprochene Stelle , eine ob- Nicht- Hora z. 367 obgleich ganze, doch durch den Sinn abgeschlossene Strophe bildet. Und ganz eben dies ist der Fall in den schon von Näke im Programm von 1821 behandelten Versen (III, 11 , 17.) Cessit immanis tibi blandienti Janitor aulae : wo, nach dieser für sich allein hinreichenden poetischen Bezeichnung, zu jedermanns Verwunderung itzt noch eine neue Strophe anfängt mit dem Namen Cerberus , und die fernere Bezeichnung desselben noch mit dem unpoetischen nicht nur , sondern auch unrednerischen , ja kaum la teinischen ejus glänzt , und die Schüleraufgabe in eincm Gedichte dieser Art vollkommen ausgeführt ist durch die Verse : Cerberus; quamvis furiale centum Muniant angues caput ejus, atque Spiritus taeter saniesque manet Ore trilingui. In demselben Verhältnifs, worin eine einzele Strophe zu einer ganzen Folge , von Strophen steht , in ebendemselben steht auch ein einzeler Vers zu einer Folge einzeler Verse. Also gehört in den Gegenstand dieses Aufsatzes auch jener ebenso berüchtigte und ebenso gewiss untergeschobene Vers : Od. IV, 8, 17. Non incendia Carthaginis impiae gegen welchen ebenso laut die Geschichte , als die Horazische Metrik , ein weit strengeres Gesetz als die Metrik für sich allein , aufschreit ; worüber wir itzt nicht mehr weitere Worte zu verlieren haben. So werde nun also auch das Verdammungsurtheil mit voller Sicherheit gegen die Verse ausgesprochen, welche den Widerwillen aller die horazische Sprache kennenden erregen in Od. III, 4. Im 42. Verse dieser Ode wird ein Beweis gegen die blofse Naturkraft hergenommen aus dem Titanen- und Gigantenkampf, und im Verfolg heifst es : II. A a 368 2. Horaz und Sed quid Typhoeus et validus Mimas, Aut quid minaci Porphyrion statu, Quid Rhoetus, evulsisque truncis Enceladus jaculator audax, Contra sonantem Palladis aegida Possent ruentes ? worauf nach Erwähnung der Götter Vulkan , Juno und Apollo der Gedanke itzt mit folgenden Versen schliefst ; Vis consili expers mole ruit sua: Vim temperatam di quoque provehunt In majus; idem odere vires Omne nefas animo moventes. Testis mearum centimanus Gyes *) Sententiarum , notus et integrae Tentator Orion Dianae. Virginea domitus sagitta. Injecta monstris Terra dolet suis, Maeretque partus fulmine luridum Missos ad Orcum; nec peredit Impositam celer ignis Aetnam. Wir wollen hier nicht von neuem auf die unerträglichste aller Prosen , Testis mearum centimanus Gyes Sententiarum, den Finger ausstrecken ; auch nicht fragen, ob es dem Horaz so ähnlich sieht, in einer Auswahl der ausgearbeitetsten Gedichten, dasselbe Wesen zweimal mit derselben Bezeichnung aufzuführen , wie hier geschieht , nachdem wir II, 17, 14. gelesen : Nec, si resurgat centimanus Gyes. Aber wie in aller Welt werden hier zu den obigen Beweisen der Sache , als wenn noch gar keine gegeben wären, diese neuen gefügt und darunter aus demselbigen Mythos der Gyes ? und dann erst das Ende der Begebenheit, gleichsam als dadurch erst herbeigeführt , durch das Injecta monstris angeknüpft? Aufmerksam gemacht durch die auffallende Erscheinung , dafs der schimpflichste Verstofs gegen den Horazischen Vortrag grade wieder als ⚫ Vergl. Lexil. I, S. 230. Not. Nicht- Hora z. 369 eine ganze Strophe eintritt , die den Zusammenhang zerreifst, kann ich wol mit Zuversicht aussprechen , was die Folge der Gedanken darbietet. Durch den ganz allgemeinen Ausspruch, Vis consili expers etc. wird das Ende jenes Gigantenkampfs eingeführt, den die blofs hierauf sich beziehenden Worte Injecta monstris ausdrücken ; und nun erst ein paar neue ganz verschiedene Beispiele aus der Mythologie angehängt. Vis consili expers mole ruit sua Vim temperatam di quoque provehunt In majus; idem odere vires Omne nefas animo moventes Injecta monstris Terra dolet suis, Maeretque partus fulmine luridum Missos ad Orcum ; nec peredit Impositam celer ignis Aetnam. Incontinentes nec Tityi jecur Relinquet ales, nequitiae additus Custos: amatorem trecentae Pirithoum cohibent catenae. Wie dies alles zugegangen, frage ich nun nicht weiter : dafs es geschehen ist, liegt durch die seltenste aller Aehnlichkeiten in diesen sechs Fällen klar vor Augen : und ich zweifele nicht , dafs die Zeit gewisser vorwitzigen Aenderungen und Zusätze in den gelesensten Gedichten gerade die allerälteste derselben ist , wo nur noch der Zufall hinzukam , dafs diese sehr gemein gewordnen Verunstaltungen , in einer der geläufigsten Abschriften auf die Nachwelt kamen. Ich verbinde hiemit noch ein Paar Worte über einen Gegenstand horazischer Kritik von verschiedener Art. Die Ode über den Archytas (I, 18. ) ist streitig über ihre Abtheilung ; oder vielmehr sie ist nicht mehr streitig, denn seit ein paar Jahrhunderten scheint man ganz darüber einig zu sein , dafs der zweite Theil derselben anfange mit dem siebenten Verse, wobei jedoch zweifelhaft bleibt, wie A a 2 370 Horaz und Nicht- Horaz. die Worte: Iudice te non sordidus auctor , in den Mund des Schiffmanns kommen. Gewöhnlich erklärt man dies' durch das Interesse des süditalischen Volkes an der Pythagorischen Philosophie. Andre verwerfen dies als für einen ungelehrten Schiffmann unpassend, und ergreifen als eine vorzügliche Besserung die Cuninghamsche : judice me, ohne sich an dieser prosaischen Bescheidenheitsformel zu stofsen. In der bestehenden Lesart gibt der Schiffer auf eine launige Art zu erkennen, dafs ihm des Archytas Schriften und sein Verhältnifs zum Pythagoras bekant sei. Den vorzüglichen Herausgeber Torrentius lehrte der Eindruck des Ganzen , dafs das Gedicht in zwei Hälften zerfalle. Noch hat aber, so viel ich weifs, niemand auf den deutlichen Fingerzeig des Dichters, dafs dies so sei, aufmerksam gemacht, welcher in der Abfassung liegt : v. 1. TE maris et terrae v. 21, ME quoque + Die Alten verschmähten oder vermieden bei der Abfassung von Gedichten die Erwähnung aller Aeufserlichkeiten, wie die Abtheilung von Gesprächen. Alles das mufste sich von selbst verstehen. Sehr natürlich ward dazu ein kleiner Wink zu Hülfe genommen , wie der hier in dem TE-ME liegende : wobei in diesem Fall noch besonders durch das judice te , das alle Handschriften einstim mig haben, jeder Zweifel entfernt wird. Der Schiffer ist in den ersten sechs Versen gelehrt genug , um in diesem Tone fortfahren zu können über berühmte und weise Männer der Vorzeit : und nur in seinem Munde des , den Leichnam findenden sind diese Erwägungen , daſs auch jene einst gestorben sind, natürlich : ebenso natürlich aber fängt in des Todten Munde die Antwort hierauf mit dem Me quoque an , das man wegen des Zusammenhanges worin es der Sprecher mit eben diesen Erwägungen gesetzt hat, für eine in denselben Mund gelegte Fortsetzung hielt, und so zu dem Irrthum Anlafs gab , der sein Spiel mit den Lesern genug getrieben hat. 371 Verzeichnifs der Sachen und Namen im zweiten Band. Abel und Kain 16. Abraham 229. ἀδελφός 329 . Adonis 144. Adrastos, ATΡΕΣΘΕ 138. Aea, Aeetes 192. Aegimios 260. Aegyptos und Danaos 177. Aelian 252. Aepfel 135. Aestii 238. Agamedes 227. Agenor 139. 177. 179. ἄγραδε 125. Agrios - ayotol, Wilde 191. Agrolas - Euryalus 139. ἀγυιεύς 76. Aiatos 256. Aioleta , Verderberinnen 202. Aitia des Kallimachus 141. Akontios 116. Aleuaden 247. Aleuas 250. Alexandra - Kassandra. 139. Alkyonia 97. Allegorie 77. ἄλοξ 357. Antiphos 256. Apis 182. ΑΠΛΟΣ 138. Apollon, Auxios, Helios 143. Archedike 251. Archytas 369. Argos in Thessalien 188. Ariadne Aridela 139. · Aristaenetus 110. 117. Aristides Tom. 1. 281. Aristippus 285. Aristomachus 254. Aristophanes Eq. 532, Aristoteles 251. Αρότται 299 . Αρπη 49 . Artemis, Heilgöttin 152. 345. Aruns, Aruntes 297. 301. 302. Arzt, arzen 152. Askalaphos 228.- Asterios 233. Atalantae 209. Athamas 229. 244. heifst auch Τάμμης 138. Athenische Volkseintheilung 309. 315. 319. Atlas 240. Altgriechische u. etrurische Kunst- ätqaxtos 358. werke 138. Anachronismen 226. Andreus. 243. ἀνδρία 243 . Androgeos - Eurygyes 139. ἀνήρ 240 . Antiochus 250, 255. 280. ΑΊΡΕΣΘΕ - Αδραςος 138 . Attribute der Gottheiten (Personificirung) 132. αὖλαξ 358. Bacchiaden 267, Baptae 139. Bel 44. 372 Belos 177. Bernstein 337. 356. Beruth 42. Blankenese 135. Bolathen 44. Branchidae 211. Branchos 211. Britomartis 132.. Brunnenfarth, Brunnengemeinschaft 332. Catamitus - Ganymedes 138. Celten 51. Centaurengestalt 39. Centauri 220. Charites 244. Chiron 39. Chloris, Nestors Mutter 214. Chnas - Ochnas 139. chronologische Volkseintheilung 320. χρυσηλάκατος 358. Cures 91. Cybele 58. Daemonen 20. böse 25. δαίμων 160 . Danae und Perseus 183. Danaer aus Aegypten 178. Danaos und Aegyptos 177. Dardanos und Iasion 184. Demeter 185. δῆμοι 316. deorsum 74. Deukalion in Kreta 243. Deukalionische Fluth 5. Diana 72. διάω 248 . Dicaearchus 331, im Stephanus Byzant. ὑι πάτρα 306 . Dido, Δειδώ 139 . dies 74. Diet, Teut, Tuisto 236. Dii manes 217. " Dijovis 73. Diomedes 146. Dionysien 55. Dionysius Halicarn. 32. Dionysos 192. δίπυλον 82. Ditis 236. Dyseris 280. Echekratides 230. 234. Eetion-Iasion 137. ' Haion 185. Egerii 301. Egerius 247. εἶνα 141. Εἰρεσιώνη 339 . El 43. ἠλακάτη , ἠλάκατα 358. Elektron 337. ἤλεκτρον 346. ἤλεκτρος 347. Eliun 42. Eloim 42. ἐνδιάω, ἔνδιος 248. Engel 21. Enosch 241. Epaphos 182. Epikaste - Iokaste 137. Erasinos 106. Erechtheus 324. Erginos 208. 228. in Milet 229. Eribotes - Eurybates 137. ῾Ησιόνη 185. ᾿Ετεοβουτάδαι 217. Eteoklymene 200. Etymologie 221. 353. Euphorion 251. S. Euphrasia 130. Eupolis 165. Europa 172. Euryalus - Agrolas 139.. Eurybates- Eribotes 137. Eurygyes 139. Eurylochus 178. Eurypylus 265. 373 Festus 60. Firnis 363. frater 331. Bruder 329. Freudentage 54. Ganymedes - Catamitus 138. gate (engl.) 83. Geister 20. Genealogie 246. 256. 305. der Minyer 216. thebanische 215. genii 21. γένος 304 . Historie 217. Mythologie 226. Homers Erdbeschreibung 325. Hom. II. 8, 362. 314. Hom. II. v, 354, 310. Horaz I. Od. 2. 364. III. Od. 17. 365. IV. Od. 4. 366. III. Od. 11, 17. IV. Od. 8, 17. III . Od. 4. 367. I. Od. 18. 369. Horazische Sprache 365. 368. Hydra Lernaea 112. Hypolimnos 102. Geographie der Mythologie 227. Jadera 73. 231. Gerästia 55. Germanische Volksstämme 236. Geschlechter 4. goldene 15. 36. giù 74. Gold 4. Griechenland u. Phönicien 177. Harpe 29. Hel 44. Heliades 342. 1 Hellas 264. Helle u. Phryxos 185. Hellen 181. Herakles - Sonne 113. Alexikakos 147. Nachkommen. 260. Herakliden 254. in Epirus 265. Hermiones, Hermionia 236. Hermochares 128. Herodots Volkseintheilung 312. Heroen 140. Heroïdes 116. Hesiod. Egy. 122ff. u. 252 ff. 22. Egy. 167. 38. Egy. 169. 63. 'Аол. 141. 339. Hestiäotis 284. Hippobotia 222. Hippodamia 222. Hippolytus 145. Hippomedon 95. 109. Jah 79. lalmenos 228. Jana 72. janua 78. janualis 87. janum cludere 82. Janus 71, 78. Jao 74. ᾿Ιάων 180 . Jasion Eetion 137. lasion u. Dardanos 184. Iason v. Pherae 273. Iasos 179. Javan 180. Idomeneus, Sohn des Deukalion. 234. Ileus - Oïleus 137. llos 42. Inachiden 178. Ingaevones 236. Ino, Kadmos Tochter 229. Io 179. Iokaste -Epikaste 137. Iolkos 188. 207. jom 74. Ion 323. Ionier 324. 328. im Homer 219. ἱπποκέντορες 221. ire, Ableitungen 81. Isaak 229. 374 Istaevones 236. jugum 73. Jul oder Juelfest 56. jusum 74. Juvenal 162. Kadmos 171. Ländernamen 172. Land der Minyae 207. Λαπέρσαι 222. Laphystios 230. Lapithen 220. Lastauros 221. Kain und Abel 16. Kalauria 245. Kallimachus, Kydippe 116. Kallirrhoë 235. 242. Karthäa, Stadt 120. Kassandra - Alexandra 139. Kasten 308. 309. 314. 318. 327. Katalog im Homer 219. 325. Keos 129. Kephalaria 106. Kinder 34. Kinderopfer 50. Kiun oder Kivan 46. Klisthenes 316. Klymene 216. Klymenos 216. Kolonien in Asien 184. 209. Koloniensendungen 213. Korykische Nymphen 120. Κοττώ 161. Κοτυτταρίς 161. Kotys 160. Kotytto 160. Kranaos 322. Krannon 270. Koóvia 65. Kronien 52. Kronische Hügel 55. Kronos, Kęóvós 28. 33. Kinderfresser 230. phönicischer 40. im Westen 39. κρουνός 57. Ktesylla 128. Hekaërge 129.135. Κύβαρ 143 . Kydippe 116. auf Rhodos 135. Kyrbe, Kyrbia 136. Lacedämonische Könige 266. 1 Latinos 191. Latium 37. Lenaeon 68. Lenaeos 69. Lerna 93. 96. Leukophryene, Leukophrys 133. Lingam 48. Luceres 299. Lukretia 302. Lukumo 297. Lydische Mythologie 235. Lydos 235. Macrobius I. 9. 78. Madai 190. Maeones 239. Magier 192. Mandragoras 241. Manes 239. Manes, dii 217. Mannus 235. manussa 241. Marsyas - Masses 137. Medea 189. M. u. Iason 187. Medius 286. Medeus 189. 192. Medos 189, 192. meinen 332. Men -Menas 232. Menon 285. Menschengeschlechter 2. Menschenopfer 50. 230. Menu 232. Metalle 6. Metallnamen 13. Miletos 209. Minne 332. Minos 217. 232. in Athen 234. 375 Minotaurus 239. Minyade, die, Heldengedicht 216. Minyae im Peloponnes 212. 217. Minyas 241. (Vater des Orchomenos) 199. Töchter 201.203. μνᾶσθαι 332. Moloch 40, 230. Mopsos 209. Mylae 104. 109. Mysterien 164. Pentheus - Tentheus 137. Periklymene 200. Periklymenos 216. Пéggauos -Priamos 137. Perseus und Danae 183. IIεQσεús, Zerstörer 191 . Phallos 48. 102. T, Phanoteus - Panopeus 137. φάτρια 329. Φερσεφόνη 215 . Mythen, phrygische 19. phönici- Phidippos 256. sche 42. mytholog. Namen 168. Mythologie, Historie 226. Philo von Byblus 46. Philochorus apud Macrob. 67. Philyra 39. Neapolis, Phratrien in, 326. 334. Phlegra, Land 225. Neileos 189. Neleus 214. 216. " Numa 85. Nóçois. Rückfahrten. nundinae 57. Ochimos 135. Ochnas - Chnas 139. Odysseus - Ulixes 138. Oileus -Ileus 137.

  • Ολεῖαι, αἱ 202 .

Baş 357. Orchomenos 194. Stadt 245. O. Minyeus in Thessalien 208. Phlegya, Stadt 223. Φλεγύαι 222 . Phönicien u. Griechenland 177. Phoroneus 179. φωλεός 108. phratriae 325. in Neapolis 326. 334. φρατρία 328 . φρέαρ 332 . Phrixos 229. Phryges 186. Phryxos u. Helle 185. Þúgos 186. φῦλαι 322 . Orestes, Aleuade 283. ὅρμος 338 . Οὔλιος , Οὔλια 152. Οὔτις 138. Pallas 293. Panopeus Phanoteus 137. · Paradies 16. Paroreaten 218. πάτρα 304 . Pausanias 94. Pelasgen 181. Pelasgos 179. Pelopes 170. Penestae 296, φύλον 304 . Pinarii 294. Polyklea 256. Polymnos 97. 101 . Potitii 294. Priamos - Πέῤῥαμος 137. Proklus 63. Proslimnos, Prosymna, Prosymnos 102. Proteus, König v. Aegypten 228. Yolós (Russige) 202. Pyleos 214. Pyrrhus -πυῤῥός 251 . Quirinalis mons 92. II. Bb 376 Quirinus 90. 91. Quirites 90. Rhampsinitus 228. Rhea 58. Pέa 57. Rhodos, Helden darauf. 136. Romane, mythische 115. Rückfahrten von Troja 257. Sabiner 92. Sabini 263. saeculum 59. Samnites 263. Sanchuniathon 42. 46. Sappho s. Vorwort. σάθη 59. Saturnalien 52. Saturnus 28. Dies Saturni 45. Satyrus 59. Schatzkammer 197.201.227.245. Scholien des Juvenal 165. Serapis 46. Sesostris 228. Seth 19. Sichel 34. Simonides 248, 268. 269. 281. Grab des S. 271. Simos 251. Sisuthros 49. Skamandros - Xanthos 139. Skopaden 267. Skopas 246. 268. 273. Sophoclis Andromeda 41. Antigone 1033. 339. Städte in Attika 318. Stifter 169. der Juden 44. Suidas in Σιμωνίδης 271. Symbol 192, der Arzeneikunst 40. Syris 280. Tagos, Amt 273. Tarquinii 297. Tentheus · Pentheus 137. θεοὶ χθόνιοι 216 . Theokrit 248. Theseus 328. Thespiae 263. Thesproter 255. 261. Thessalien 259. 261. 273. 275. Thessalus 255. θῆτες 323. 327. Thieropfer 230. Thiosso ( Θειοσσώ ) 139. Thorax 282. Thore innerhalb der Stadt 83. Thrasydaeus 290. Triopas 179. Tritogeneia 242. Trophonios 227. Tuisto, Teut, Diet 236. Ulixes -Odysseus 138. Upis 132. Uranos Entmannung 35. St. Valentinus 80. Varro 4, 34. 87. v. mons Quirinalis 92. Versus Saturnii 61. Verwandlungen 144. Viminalis 90. Virbius 145. Etymologie 152. Virgil Aen. 8, 402. 339. Westlaender 39. Winterlustbarkeiten 65. Xanthos Skamandros 139. Xuthus 171. Zabolenus 73. zaeta 73. Zalmoxis 51. Ζάν 73. Ζανώ 73. Zara 73. Zauberei 192. Zeitalter 4. silbernes 15. ζεύγω 73. Gedruckt bei Johann Friedrich Starcke. 83. 1 16. ζεύγω 73. ruckt bei Johann Friedrich Starcke.







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